Freitag, 26. April 2013

Was würden Sie tun?

Bitte stellen Sie sich folgende Szene vor:
Ein nicht mehr ganz junger Mensch wird auf offener Strasse von einigen aufgeregt wirkenden Leuten aufgehalten. Sie schreien wild durcheinander, aber Sie hören heraus, dass dieser Mensch anderen Angst einjagen soll. Er würde Geschichten erzählen, die andere als bedrohlich empfänden. Außerdem versuche er, allen anderen vorzuschreiben, wie sie zu leben haben, verbiete vieles. Darunter würde er versuchen, denen die ihm zuhören den Mund zu verbieten und sie zu manipulieren, dass sie nur gutes über ihn und seine Anliegen sagen würden.
So geht das eine Weile. Der Mensch will offensichtlich antworten, kommt aber nicht dazu. Dann endlich, in einem kurzen Moment der Stille sagt er: ich bin morgen auf dem Marktplatz, dann diskutiere ich mit euch und erkläre mich euch.
Die Leute scheinen zufrieden, ein paar murren, einige sagen, er würde kneifen oder versuchen allen den Kopf zu verdrehen.
Sie gehen am nächsten morgen auch hin. Da steht schon der Mensch, neben ein paar anderen die offensichtlich mit einer großen Zahl aufgeschriebener Anklagen gekommen sind. Dann geht es los.
 Erster Punkt:
Er wolle die Meinungen die abweichen verbieten und allen die widersprechen gebieten zu schweigen.

Bevor der andere aber einen Satz vollenden kann, springen ein paar Leute die Sie noch nie in diesem Ort gesehen haben aus der Menge, kippen ein Fäßchen Teer und einen Sack Federn über ihn, während sie auf ihn einschreien. Es sind Beleidigungen und Anschuldigungen wie "er wird uns alle ermorden".
Um Sie herum schauen viele verwundert, einige runzeln die Stirn. Viele stutzen kurz, stimmen dann aber in die Beleidigungen mit ein. Ein paar wirken so, als wollten sie mit nach vorne um es ihnen gleich zu tun, andere scheinen zu überlegen, ob sie einschreiten sollen.

Der Mensch steht nur still da, legt die Handflächen aufeinander und schliesst die Augen. Er rührt sich nicht, während man ihn immer weiter beschimpft und mit Dreck bewirft. Manchmal zuckt er ein wenig, etwa wenn sein Gesicht getroffen wird, sonst wirkt er aber nur ein wenig verkrampft. Dann nimmt jemand ein Symbol aus einer Tasche, welches genauso aussieht wie jenes, dass der Mensch um den Hals trägt. Er spuckt drauf, wirft es vor ihm auf den Boden und trampelt darauf herum. Noch immer rührt sich der Mensch nicht. Und die Menschenmenge um Sie? Die scheint von all dem gar nichts mitzubekommen.
Was tun Sie?

Möglichkeit 1: Sie schweigen ebenfalls, drehen den Kopf in eine andere Richtung und warten ab.

Möglichkeit 2: Sie rufen, man solle aufhören.

Möglichkeit 3: Sie stimmen in den Chor der Leute ein, die den Menschen beschimpfen.

Möglichkeit 4: Sie zwängen sich zwischen der Menschenmenge nach vorne, dort stellen Sie sich zwischen den Menschen und den wütenden Mob.

Möglichkeit 5: Sie verlassen den Platz.

Wie entscheiden Sie sich? Überlegen Sie gründlich, versuchen Sie ehrlich zu sich selbst zu sein. Stellen Sie sich vor, wie es sich anfühlt, während sich die Szenerie entwickelt.


Möglichkeit 1: Nach scheinbar endlosen Minuten wird es vorne ruhiger. Der Mensch ist von Kopf bis Fuß verdreckt. Er wirkt verstört, aber nicht verängstigt. Die Aktion hat aber auch ihn Kraft gekostet, er scheint nicht mehr in der Lage zu sein, zu diskutieren. Ein paar seiner Gesprächspartner sind ohnehin weg, von den übrigen wirken einige verärgert, die meisten aber grinsen breit. Der Mensch verabschiedet sich mit der Bitte ihn zu entschuldigen und will durch die Menge den Platz verlassen. Niemand will berührt werden, aber viele Lachen ihn aus. Hin und wieder fliegt ein Schuh oder ein Ei, meist treffen diese Dinge aber nicht. Sie gehen weiter Ihren Geschäften nach, vergessen die ganze Geschichte bald oder spüren Gewissensbisse, weil Sie nichts taten.

Möglichkeit 2: Die Menschen um Sie herum schauen zu ihnen herüber. Einige wirken erfreut und erwartungsvoll, die meisten blicken kurz darauf wieder nach vorne, eine weitere Gruppe sieht Sie böse an. Die Menge und die Leute vorne haben Sie gar nicht gehört. Ihr rufen ging im Lärm unter. Sie haben erneut die Wahl etwas zu tun oder zu gehen.

Möglichkeit 3: Ihr Geschrei vermengt sich mit dem der anderen. Um Sie herum stimmen immer mehr mit ein. Die Luft wird spürbar aufgeladen von  Zorn. Schließlich stürmen immer mehr Leute nach vorne, längst wird nicht mehr mit Dreck geworfen. Schuhe, Eier, faules Gemüse und schließlich auch Steinchen, dann Steine und schließlich Brocken treffen den Menschen. Er beginnt zu bluten, zuckt immer häufiger schmerzhaft zusammen. Schließlich fangen einige an, mit Stöcken und Stangen auf ihn einzuprügeln. Vielleicht bekommen Sie Gewissensbisse, vielleicht stachelt Sie das aber nur noch mehr an. Ein Gefühl der Gemeinschaft verbindet Sie mit den Anderen. Sie haben den Eindruck, das Richtige zu tun. Der Mensch geht zu Boden, wird dort aber weiter tracktiert. Vielleicht versuchen Sie jetzt, die Sache zu beenden, aber niemand hört auf Sie, man stößt Sie beiseite. Vielleicht lassen Sie jetzt Ihren Stein, den Sie gerade werfen wollten sinken und sehen weiter zu. Vielleicht drängen Sie nach vorne und schleudern das Geschoß in Richtung Kopf.
Irgendwann bewegt sich der Mensch nicht mehr. Um ihn herum ist viel Blut zu sehen, auch Hautfetzen. Die Menge zerstreut sich schnell, ein paar jubeln, viele sind still. Was mit dem Leichnam passiert bekommen Sie gar nicht mit. Sie gehen nach Hause. 

Möglichkeit 4: Die Leute halten kurz inne, dann bekommen auch Sie etwas Teer und ein paar Federn ab, aber andere beteiligen sich und wehren die Leute ab, die schließlich murrend abziehen. Der Mensch dankt Ihnen und Ihren Helfern und lächelt Sie verzagt an. Er bittet um eine kurze Pause, um sich zu säubern, bevor er sich der Diskussion stellt.
Kaum ist er wieder da, wird er mit Vorwürfen überschüttet, darunter der, andere mundtot zu machen.

Die Diskussion ist laut, teilweise sehr emotional und am Ende ziehen die meisten ab, immer noch der festen Überzeugung, dass dieser Mensch ihnen Schaden zufügt. Ihnen aber dankt er nochmal und lädt Sie ein, an einer Gemeinschaft teilzuhaben. Unverbindlich. Ob Sie mitgehen oder nicht, ist Ihre Entscheidung.

Möglichkeit 5: Sie hören, der Mensch hat auf der Versammlung die anderen beschimpft und bedroht, den anderen Rednern ständig das Wort abgeschnitten. Wenige Wochen später hat ein Mob ein Geschäft von jemandem gelündert und Feuer an das Haus gelegt, in dem dieser wohnt. Er war ein Freund des Menschen auf dem Marktplatz. Nach und nach eskaliert die Situation. Aber man hört, die dort zu Schaden oder ums Leben kommen haben es verdient. Sie wollten der Gesellschaft schaden.




Natürlich ist das eine Geschichte mit meinen Vorgaben, vielleicht hätten Sie ganz anders gehandelt. Vielleicht glauben Sie das aber auch nur. Ich kann für mich nicht sagen, ob ich den Mut gehabt hätte, etwas zu tun, ja noch nichtmal die Einstellung, dass es falsch ist.
Ich hoffe es aber. Im Falle der Gemeinschaft, der ich angehöre, verspüre ich jedenfalls den Wunsch etwas zu tun. Gerade erst wurde in Belgien ein Bischof während einer Konferenz, in welcher es um das Thema Meinungsfreiheit ging, von Femen-Aktivisten angegangen. Sie bespritzten ihn mit Wasser aus Lourdes-Flaschen und schrien ihn an, bis andere beherzt eingriffen und die Sicherheitskräfte die Frauen aus dem Saal brachten.
Die meisten Zeitungen berichten, wenn sie den Fall überhaupt aufnehmen, von den angeblich homophoben Äußerungen des Bischofs, kaum eine berichtet über das Thema der Konferenz. Viele lassen bestimmte Details aus, etwa die Lourdes-Flaschen oder die Reaktion des Bischofs. Kaum eine aber verzichtet auf die Abbildung der halbnackten Frauen. Das deren Gesichter vor Wut und, ja ich glaube auch, Hass völlig verzerrt sind, ihre Körpersprache geradezu vor Gewalt schreit, wird nicht thematisiert. Wenn, dann geht es um die Brüste.
Und die Diskussion? Wen interessiert die Meinung von Katholiken, wenn sie nicht dazu taugt, andere in Wut zu versetzen?

Wofür dieses Ereignis aber steht, wohin die Reise geht, das hat die Kirche doch schon viele Male erlebt. Wenigstens ihre Exzellenz Erzbischof Müller hatte dies mal angesprochen. Es wäre an der Zeit, dass der Klerus und die Gemeinde die Augen aufmacht und klar, ehrlich und laut ausspricht, was hier geschieht.



Donnerstag, 25. April 2013

Al-Andalus verklärt - Weltredakteur Biermann schreibt die Geschichte um

Heute kommen nur noch wenige Menschen auf den Gedanken, die ersten Jahrhunderte nach Konstantin als "goldenes Zeitalter der Toleranz" zu bezeichnen. Kritische Stimmen haben in pausenlosem Mahnen verbreitet wie sich die christlichen Gemeinden untereinander aber auch mit den Polytheisten und Juden zerstritten, sich christliche Kaiser nur selten milder und i.d.R. nicht toleranter zeigten, als nicht-christliche. Ganz zu schweigen von einigen Personen und ihrer Taten die an Grausamkeit oder Rücksichtslosigkeit alle anderen in den Schatten stellten (oder zumindest von überdauernden Quellen so dargestellt werden). Das es dabei immer wieder Phasen gab, in denen Minderheiten friedlich koexistieren konnten steht zwar außer Frage, ändert aber die öffentliche Beurteilung nicht. Ziemlich ähnliches erlebt das Judentum und der Zionismus. Positive Seiten, die friedlich-tolerante Seite, wird meist in den Schatten negativ wirkender Ereignisse, Personen oder frei erfundener Gerüchte gestellt. Im Falle des Judentums wird dies heute, nach unzähligen Pogromen und der fast völligen Ermordung europäischer Juden durch Nazis (und Sowjets) zum Antijudaismus oder Antisemitismus gerechnet. Trotzdem taucht es immer wieder auf.
Ganz anders ist dies im Falle des Islam. Unzweifelhaft steht fest, dass es auch im Islam Zeiten gab, in denen bestimmte Regionen sich unter ihren jeweiligen Herrschern toleranter zeigen. Das dies aber selbst dort und zu diesen Zeiten weiterhin unter Bedingungen geschah, die de facto unmenschlich und diskriminierend sind wird entweder ausgelassen oder schön geredet. Das diese Toleranz nicht unbedingt alle "Ungläubigen" betraf ebenso.

Der "Die Welt"-Journalist für historische Themen rund um Spanien, scheint Til Biermann zu sein. Seine Artikel beschäftigen sich stark mit dem resümierenden Vergleich des islamischen und des christlichen Mittelalters. Das er dabei eine klare, bewundernd klingende Tonart anschlägt, fällt jedem auf, der die dargestellten Sachverhalte nachprüft und abklopft. Leider werden seine Artikel, die vermutlich dem edlen Zweck dienen sollen Vorbehalte abzuschaffen, dann auch gerne weitergereicht, diesmal sogar bei thelounge.de. Im Original findet sich dieser Artikel wiedermal in der Zeitung Welt.
Allerdings ist das natürlich längst nicht das erste Mal. In unschöner Regelmäßigkeiten finden sich in den Printmedien und mitunter auch im TV Beiträge die uns berichten, welch Wunderland Al-Andalus war, während das christliche Europa in stumpfsinniger Trübnis genannt Christentum versank.
Al-Andalus und Asturien

Schon einer der ersten Sätze könnte sich, mit anderen Hauptakteuren, in jedem als Propaganda verdammten Geschichtswerk der vergangenen Jahrhunderte wiederfinden.
In dessen südlichen Teilen blühte bis zum 12. Jahrhundert noch eine Wissenskultur, die zur Weltspitze gehörte. Mehr noch: Sie gründete sich auf die Zusammenarbeit zwischen zwei Weltreligionen, die heute als Antipoden gelten: Islam und Judentum. Der Niedergang von al-Andalus, wie seine Bewohner das maurische Spanien nannten, besorgte die Reconquista. Im Zuge der christlichen Rückeroberung schwand ein "goldenes Zeitalter" dahin.

Klopfen wir die hier genannten Punkte mal ab. Als da wären:
1. Im südlichen Teil Spanien bzw. Andalusiens blühte bis zum 12. Jahrhundert eine Wissenskultur, die zur Weltspitze gehörte.
2. Zusammenarbeit (oder noch stärker: "Symbiose") zwischen Judentum und Islam.
3. Diese Kooperation als Grundlage der Wissenschaftsspitze.
4. Der "Niedergang" erfolgte aufgrund der Reconquista.
5. Ein "goldenes Zeitalter" - bis zur Rückkehr der Christen.

Ich möchte gar nicht näher darauf eingehen, was "Weltspitze" im Hochmittelalter bedeuten soll. Fakt ist nunmal, dass im Frühmittelalter die islamische Welt vor allem in den Naturwissenschaften zumindest eine große Zahl Gelehrter fortsetzte, was in der griechischen Antike begonnen hatte, während das durch Kriege und Fehden verheerte Europa sich
Die Behauptung, das südliche Andalusien sei der Ort der größten Wissenschaftlichkeit gewesen und das bis ins 12. Jahrhundert hinein ließe sich nur durch ein ausführliches Werk überprüfen, in welchem man sämtliche Forschungen aller Länder, Regionen und Kulturen auflistete und ihre Bedeutsamkeit vergliche. Da mir dies in einem Blog nicht möglich erscheint beschreite ich einen ungleich einfacheren aber praktischeren Weg. Sehen wir uns mal die Größen der Bereich an, die uns Tilman Bierman im Artikel nennt. Astronomie, Mathematik, Philosophie, Chemie und Medizin.
Avicenna auf algerischer Briegmarke
Mit der Mathematik beginnend: der bedeutendeste Mathematiker des 12. Jh. dürfte Omar Khayyam gewesen sein, dieser lebte und starb im Iran. Er war zudem ein Anhänger von Avicenna, einem weiteren bedeutenden Mathematiker seiner Zeit, dazu Astronom und Philosoph (wie auch Omar). Dieser war nie in Spanien. Seine geistigen Werke finden sich im Sufismus wieder, er selbst kam aufgrund der Verwendung der griechischen Philosophie immer wieder in Konflikt mit den Geistlichen, obwohl er heute als strenggläubiger Muslim gilt, der auch die Scharia befolgte. Erwähnt werden sollte auf jeden Fall al-Biruni, der mit seinen Arbeiten rund um Pi große Auswirkungen hatte. Auch er war niemals in Spanien.
Zwei Mathematiker und Gelehrte die ins Bild passen sind al Zarqali und Gabir ibn Aflah. Beide lebten und arbeiteten in Spanien im 11. und 12. Jh.
Otto Mazal kommt in seiner Auswertung zum Schluss, dass die bedeutendsten der islamischen Blütezeit die Mathematiker al Haitam und al-Biruni gewesen sind.
Bei der Philosophie gehen die Meinungen weit auseinander, aber auch hier bietet der gesamte islamische Raum verschiedene Personen an, die hier als die bedeutendsten gelten könnten. Die Zahl derer, die nicht aus Spanien kamen ist dabei deutlich größer als umgekehrt.
Einer der bedeutendsten Astronomen des 12. Jahrhunderts war der griechischstämmige Sklave Al-Khazini. Er lebte in Persien. Sein Kollege auf dem Gebiet der Mechanik war Al-Gazari. Tätigkeitsraum - Arabien.
Um nicht noch mehr auszuufern: man merkt, die Verallgemeinerung, dass Andalusien ein Hort oder die Spitze war ist Übertreibung. Die Phase des 9. bis 12 Jahrhunderts ist die Blütezeit islamischer Wissenschaften, das sich dies auch in Spanien wiederfindet, liegt auf der Hand.
Ebenso, dass Juden in Spanien einen gewissen Einfluss auf die Wisseschaften sowie einige Vertreter in den berühmteren Kreisen hatten. Das diese aber einfach als Beleg für allgemein friedliche und produktive Koexistenz herangezogen werden geht ein wenig zu weit. Der berühmteste Arzt und Gelehrte unter diesen Juden dürfte wohl der im Biermann-Artikel erwähnte Maimonides sein. Dieser schrieb jedoch in einem im Artikel unterwähnt gelassenen Brief in den Jemen, der die dort unter starker Diskriminierung und Konversionszwang leidenden Juden aufmuntern sollte:
(...) Ihr wisst, meine Brüder, dass Gott uns um unserer Sünden willen mitten unter dieses Volk zerstreut hat, das Volk des Ismael, das uns unbarmherzig verfolgt und auf Wege sinnt, uns zu schaden und zu entwürdigen.(...)
Gern werden diese Worte exklusiv auf Christen bezogen (so wie auch im verlinkten Artikel sofort die Rede auf die Massaker durch Kreuzritter kommt). Zu diesem Zeitpunkt war er aber im Exil in Ägypten, als 14jähriger hatte er bereits mit seiner Familie aus Al-Andalus fliehen müssen. Er schreibt an Juden unter muslimischer Herrschaft. Wenn er also die Worte "unter ihnen verstreut" nutzt kann dies in erster Linie nicht Christen meinen, im weiteren Sinne angesichts der christlichen Pogrome sowohl Christen als auch Muslime. Nach "Symbiose" klingt dies nicht, dazu aber später ausführlicher.
Maimonides-Statue in Cordoba
Die Vertreibung des Maimonides führt auch zum nächsten Punkt, 4. Es ist nicht zu leugnen, dass die erfolgreiche Reconquista, die Rückeroberung Spaniens durch christliche Herrscher Gewalt und Veränderungen mit sich brachten, von denen ein großer Teil für Nichtchristen oder Nichtkatholiken nicht besonders positiv war. Das mit ihr aber alles Positive, alles Wissende und Strebende aus Spanien verschwand ist eine Unterstellung. Um genau zu sein, spricht man in der Folge der Reconquista vom Siglo de Oro, dem "goldenen Jahrhundert", in welchem bspw. die spanische Literatur wie auch die Naturrechtslehre und die Wirtschaftswissenschaft auf neue Höhen kam. Ebenso dehnte sich der spanische Machtbereich massiv, was in direktem Zusammenhang mit einem Forschungsdrang gesehen werden muss.
Nur ein paar Daten die belegen, dass auch in Sachen Wissenschaft die Reconquista nicht mit dem großen Besen durch Spanien fegte.
1218 wird die Universität von Salamanca gegründet, 200 Jahre vor dem Ende der Reconquista. Der Papst beantrage in den 50ern die allgemeine (soll heißen in allen Teilen der christlichen Länder) Anerkennung. Kurz nach Ende der Reconquista wird sie zu einem Zentrum der Scholastik.
1526, ca. 40 Jahre nach der Reconquista wird in Granada ein Kolleg gegründet aus welchem 1531 eine Universtät wird, an der neben Kunst, Theologie und Kirchenrecht auch Philosphie gelehrt wird.

Auch die Frage, wie das arabische Wissen eigentlich ins übrige Europa kam beantwortet zumindest zu einem großen Teil die Reconquista. Die sog. Übersetzerschule von Toledo entstand in direkter Folge der Rückeroberung und unter der Regie ihrer Anführer. Maßgeblich waren dabei christliche Kleriker wie der Erzbischof Raimund von Toledo und die Mitarbeit der unter arabischer Herrschaft nicht konvertierten Christen, der Mozaraber. Raimund ist nebenbei auch ein Beleg dafür, dass es nicht christliche Zerstörungswut war, die manche Errungenschaft verschwinden ließ, denn die Bewässerungsanlagen der Araber inspirierten ihn dazu ein solches System in Zentralspanien zu verbreiten.
All das kann natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass am Ende der Reconquista das Alhambra-Edikt steht, die Vertreibung von Juden und Muslimen aus Spanien und allen seinen Ländereien (was sich insbesondere auf das südliche Italien auswirkte) sowie kurz darauf auch aus Portugal. Dies ist der wirkliche und wahre Grund zum Klagen.
Leider wird dieser Umstand dann, ungeachtet der Fakten, wiederum zur Behauptung, der Islam sei toleranter als das Christentum (gewesen) ausgeschlachtet. Das viele Juden bei den Medici aufnahme fanden, sich im Papststaat ansiedeln durften oder von Venedig ausdrücklich "toleriert" wurden wird gerne ausgelassen.

Zu 5. Sicher gab es unter den Umayyaden weniger Diskriminierung, Verfolgung und Intoleranz als bspw. im Mainz der Kreuzfahrer oder im Spanien der Westgoten. Deswegen aber von einem "Goldenen Zeitalter" zu sprechen ist, mal wieder, eine völlige Übertreibung. Der Begriff "Goldenes Zeitalter" soll, folgt man einschlägigen Lexika, einen Idealzustand beschreiben, in dem alle glücklich Zusammenleben und keinerlei Diskriminierung, Verfolgung oder Verbrechen existiert, niemand fürchten muss in Armut zu versinken und die Mitglieder aller Gemeinschaften sich umeinander kümmern. Eine Utopie also, der Himmel auf Erden. Dies soll, so der Autor, angehalten haben, bis die Christen es zerstörten.
Im Zuge der christlichen Rückeroberung schwand ein "goldenes Zeitalter" dahin
Man sollte meinen, angesichts der drei Absätze:
Allerdings hat dieses Bild von einem "glänzenden "Garten" (Heinrich Heine) intellektueller Libertät Widerspruch provoziert. So bedeutete die religiöse Toleranz der islamischen Welt stets: Duldung nach vorheriger Unterwerfung. Das hieß, wie der britische Historiker Bernard Lewis ausführt, höhere Steuern für Juden und Christen und optische Diskriminierung, etwa durch einen "Zunnar"-Gürtel.
Auch der Historiker Nikolas Jaspert kritisiert den Mythos des blühenden, friedlichen, toleranten al-Andalus. So verbrannten die aus Nordafrika im 12. Jahrhundert in al-Andalus einfallenden streng muslimischen Almohaden zahlreiche Bücher. Werke großer Gelehrter aus Córdoba wie die des Muslim Ibn Ruschd und des Juden Musa ibn Maimun, heute bekannt als Averroës und Maimonides, waren darunter. Diese beiden Philosophen-Ärzte markierten den Höhepunkt der muslimisch-jüdischen Hochkultur in al-Andalus. Sie mussten vor den Almohaden, den berberischen "Bekennern der Einheit Gottes", fliehen.    Maimonides entzog sich den Zwangsbekehrungen der Fanatiker, indem er nach Ägypten entwich. Averroës, der dem Islam "rein und vollständig die Wissenschaft" geben wollte und Schriften von Aristoteles ins Arabische übersetzte, setzte sich als alter Mann nach Nordafrika ab, wo er 1198 in Marrakesch starb. Vielleicht beginnt mit seinem Tod tatsächlich die von Pervez Hoodbhoy beklagte Dunkelheit.
 wüßte es Biermann besser, als das er weiter von einem "Goldenen Zeitalter" sprach. Er verrät sich aber durch die Zeitstellung und die Relativierung. Die von ihm vorgestellte Kritik Lewis' und Jasperts bezieht sich auf die Zeit nach den Umayyaden, die recht ausführlichen Bemerkungen Lewis zur Eroberung und den Lebensumständen der Christen und Juden in Al-Andalus fasst er zusammen zur "Unterwerfung" - kein Wort über die Raubzüge. Diese formuliert er an anderer Stelle, bei der Kritik an den Mitteleuropäern, lieber so:
Hätten die Franken den Vorstoß der Muslime nicht gestoppt, hätten sie Europa beizeiten durch die Finsternis des Mittelalters führen können.
Allein der Hinweis auf die "Finsternis des Mittelalters" disqualifiziert den Journalisten für Artikel über Geschichte. Seit Jahrzehnten sind Mediävisten bemüht endlich das gefügelte Wort und den damit vermittelten Vorurteilen des "Dunklen Mittelalters" zu begegnen. Das "Proseminar Geschichte: Mittelalter" von Prof. Goetz widmet bspw. sein an Ansteiger in die Geschichte gerichtetes Vorwort dieser Falschdarstellung welche sich auf dem Anspruch der Aufklärung und Rennaisance gründet,
besser zu sein - eine Weltsicht aus Arroganz, die durch das bestehen auf dieser Abwertung nur fortgeführt wird. Wie wenig dies dem wahren Charakter des Mittelalters und seines Verlaufes entspricht kann man sich in dutzenden von Büchern über die Kunst und Lebensfreude, über Buchmalerei und Baukunst ansehen. Das Einsteigerpaket der WBG bietet da die ein paar Einblicke, ebenso wie das Buch "Das leuchtende Mittelalter".
Teppich von Bayeux
Wer in Paris im Hôtel de Cluny vor der Dame mit Einhorn stand, in Bayeux den berühmten "Teppich" gesehen hat oder die Minnelieder gelesen sollte zumindest nicht von Dunkelheit sprechen.
Wer aber an einer Universität studierte sollte es auch besser wissen als dem christlichen Europa vorzuwerfen, es sei in Unwissenheit oder Wissenschaftsabgewandheit versunken. Und sei es nur, weil man die Geschichte der Universität mal nachgelesen hätte (oder der Krankenhäuser...).
Man könnte auch auf den Gedanken kommen, den Schwerpunkt der Geisteswissenschaften wie er im Europa des Frühmittelalters vorlag einmal gegen den arabischen zu stellen um festzustellen, wo deren  lag und kommt auf die im Artikel eigentlich beklagte Entwicklungsbremse. Nach weniger als vier Jahrhunderten der Auseinandersetzung mit den Wissenschaften der Antike kommt diese Welt zum erliegen. Bis heute.

Wie die "Unterwerfung" aber aussah und wie wenig dies zum vermittelten Bild passt, wird nach 10 Minuten Recherche sichtbar. Am Anfang standen offensichtlich Raubzüge zur See und zu Land, die sogenannten ghazwa. Die Methode zur See kennen wir bspw. auch von den Wikingern. Eine Flotte landet überraschend an, die Krieger überfallen die dortigen Bewohner und massakrieren jeden, der Widerstand leistet. Frauen und Kinder werden gefangen, z.T. vergewaltigt, und versklavt. Die Häuser geplündert, das Vieh geschlachtet, weggetrieben oder geraubt. Zurück bleibt ein verwaister Landstrich, die zurückgelassenen oder entkommenen Überlebenden werden ihre Familien i.d.R. nicht mehr wiedersehen. Die Eroberung selbst fand keineswegs friedlich statt. Die christliche Bevölkerung von Toledo und und Sevilla versuchte im Jahr 713 einen Aufstand. Die Städte wurden dafür abgestraft, die Noblen hingerichtet,  Toledo gebrandschatzt - von Truppen die zu beachtlichen Teilen aus Saqualiba bestanden - aus zum Kriegsdienst gezwungenen Sklaven. Eroberte Städte erlebten oft eine Versklavungswelle, i.d.R. aber Plünderungen und Morde. Letzteres war nicht dem Islam geschuldet sondern der damaligen Art, Krieg zu führen, widerspricht aber den Gesten von Musa Ibn Nusair al-Bakri hatte die Eroberung Spaniens nach erfolgreichen Raubzügen im Sommer 710 angeregt und kehrte auf Befehl seines Kalifen im Jahr 714 / 715 mit weit über tausend Kamelen und unzähligen Sklaven nach Syrien zurück, nicht ohne vorher noch einen Raubzug über die Pyrenäen unternommen zu haben. Dies nur als Verdeutlichung der Vorgänge.
Historiengemälde über das Schicksal einer Versklavten 
Großzügigkeit und Toleranz, die mancher Kriegsherr, sei er Muslim, Christ oder Hindu mitunter zeigte. Auch Umsiedlungen sind nicht selten vorgekommen. Bat Ye'or schildert eindringlich, wie Versklavung, Deportation und Hinrichtungen die Gemeinschaft der Unterlegen erschütterten und sie zugänglicher machten für neue Kulturen und den Islam. Während der Eroberung waren von 27 christlichen Bistümern bereits sechs ausgelöscht worden, nur sieben schafften es ins 11. Jahrhundert. Unter den schon zu Beginn verschwundenen gehörte das nicht unbedeutende Bistum von Saragossa. Der Emir Nordafrikas
Nicht nur Aufstände in den eroberten Gebieten bezeugen wenig Interesse an muslimischer Herrschaft. Im Nordwesten Spaniens hielt sich das Königreich Asturien gegen die Angriffe und wurde schließlich ein Ausgangspunkt der Rückeroberung.
In den folgenden vier Jahrzehnten versuchten die Araber weiter nach Frankreich vorzudringen, eroberten Narbonne und von dort aus weite Teile Frankreichs, und obwohl Karl Martell sie 732 schlug und heute gerne behauptet wird, dies habe sie vertrieben, gab es bis in die 90er Jahre des 8. Jh. immer wieder Überfälle, Raub- und Eroberungszüge. Die dabei angerichteten Verwüstungen erscheinen keineswegs willkürlich. So brandten sie die Hilarius- und Martinuskirche In Poitiers nieder. Aus dieser ständigen Kriegslage, in welcher die Franken die Araber schließlich zurückdrängen konnten, entstanden die katalonieschen Grafschaften als Bollwerk.
Friedensbemühungen, etwa bei der Eroberung Korsika oder den Angriffen auf Italien sind nicht bekannt.
Die christliche und jüdische Bevölkerung in den eroberten Gebieten hatte einen Status als "dhimmis" inne. Das heisst, sie mussten eine Sondersteuer entleisten, die dschizya. Es war ihnen nicht erlaubt Kirchen / Synagogen zu bauen oder zu renovieren. Kennzeichnende Kleidung und Behinderungen in der öffentlichen Ausübung. Karriereeinschränkungen und das Verbot muslimische Frauen zu heiraten.
Dies wurde nicht von der Eroberung an durchgesetzt und einzelne Punkte wurden von bestimmten Herrschern nicht allzu streng angewandt, aber je weiter die Invasion zurücklag, desto rigoroser wurde das Leben. Spätestens unter Abd ar-Rahman II. (822-852) wurden die Marschrichtung klar. Die in Staatsdiensten verblieben Christen und christliche Soldaten wurden entlassen, Weinhandel in seinen Städten unterbunden, Eunuchen anstelle der Christen eingesetzt. Und ab diesem Zeitpunkt wurde des stets schlimmer.

Hin und wieder wird darauf verwiesen, dass es keinen ernsthaften Widerstand gab, da das Leben besser war als unter Westgoten oder unter christlichen Herrschern, die islamischen Herrscher sehr tolerant. Neben den oben erwähnten Gegenbeispielen wird darunter aber eine große Zahl an Aufständen (auch unter den Muslimen selbst - etwa 741 im großen Berberaufstand in dessen Folge die Soldaten des Kalifen sich gegen die spanischen Araber wandten und sich einen Platz erkämpften), gewaltlosen Rebellionen und Pogromen verborgen. Eine Aufstellung der Aufstände findet sich wieder bei Bat Ye'or:

The humiliating status imposed on the dhimmis and the confiscation of their land provoked many revolts, punished by massacres, as in Toledo (761, 784-86, 797). After another Toledan revolt in 806, seven hundred inhabitants were executed. Insurrections erupted in Saragossa from 781 to 881, Cordova (805), Merida (805-813, 828 and the following year, and later in 868), and yet again in Toledo (811-819); the insurgents were crucified (...).
Der über die dhimmis verhängte erniedrigende Status und die Beschlagnahmung ihres Landes provozierte viele Revolten, welche mit Massakern bestraft wurden, wie in Toled (761, 784-86, 797). Nach einer weiteren Revolte in Toledo im Jahr 806 wurden 700 Einwohner hingerichtet. Aufstände brachen aus in Saragossa in den Jahren zwischen 781 und 881, Cordoba (805), Merida (805-813, 828 and the following year, and later in 868) und erneut in Toledo (811-819). Die Aufständischen wurden gekreuzigt(...).
Bei dem Begriff Widerstand muss auch der Name Elogius fallen, dessen heutige Darstellung zudem beispielhaft ist, für die Verzerrung des Toleranzbegriffes.
Elogius wird in vielen Texten vorgeworfen, er und sein Umfeld hätten "Mohammed ohne Not geschmäht" im Versuch Märtyrer zu werden. Wie genau sich diese Schmähungen darstellen lässt sich kaum nachvollziehen. Angesichts der heute teilweise heftigen Reaktionen auf wissenschaftliche, künstlerische wie polemische Auseinandersetzungen oder schlichte Unfälle darf man annehmen, dass es seinerzeit nicht viel bedurfte, um diese Anklage zu erhalten. So wurden allein zwischen 850 und 860 über 50 Menschen hingerichtet. Elogius verteidigte diese und früher ermordete in Wort und Schrift, wofür er verhaftet wurde. Obwohl er freigelassen wurde verweigerte der Emir die Anerkennung seiner Bischofswahl und als er dann eine Konvertitin zum christlichen Glauben vor der verhängten Hinrichtung (soviel zur Religionsfreiheit) zu schützen suchte, wurde er festgenommen, verurteilt und 859 geköpft.
Nicht viel besser ergingt es manchmal den heute als Beispiele der Toleranz angeführten Juden in hohen Positionen. Darunter ragt der Fall von Joseph ibn Naghrela im 11. Jh. hervor, der als Jude und Sohn eines jüdischen Wesir des Hochverrates beschuldigt wurde. Darauf stürmte ein wütender Mob den Palast und kreuzigte ihn, um danach ein Massaker an den Juden von Granada (jenes von 1066) anzurichten. Wie viele Juden zu Opfern wurden, weiß man heute nicht genau, alte Schätzungen gehen von 4000 Opfern aus, womit dieses Pogrom jenen im Rheinland in nichts nachstand.
Überlebende flüchteten nach Lucena, wo, auch unter muslimischer Kontrolle, die wohlhabende und einflußreiche jüdische Gemeinde sie Aufnahm. Hier scheinen sie keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein, was ein differenziertes Bild auf verschiedene Regionen von Al-Andalus wirft - exakt wie die verschiedenen Versuche die Juden im Rheinland vor dem Mob der Kreuzfahrer zu schützen und zu verstecken dies für jene Region beisteuern. Völlig zu Recht wird heute trotzdem oft auf die Schandtaten christlicher Ritter in Mainz, Köln, Speyer, Worms, Regensburg, Trier und Xanten an der jüdischen Bevölkerung verwiesen. Warum dies aber eine völlig unterschiedliche Wahrnehmung oder Darstellung zwischen Al-Andalus und dem Rheinland nach sich zieht kann man nur mit Wunschdenken begründen.

Nicht wenige Historiker gehen zudem davon aus, dass die Konversion der Christen und Juden in Al-Andalus aus wirtschaftlichen Gründen gar nicht erwünscht war, denn damit fielen die Einnahmen der dschizya aus. So erklärt auch Michael Borgolte in seinem Buch "Christen, Juden, Muselmanen. Die erben der Antike und der Aufstieg des Abendlandes 300 bis 1400 n.Chr.":
Diese Beutezüge (nach Italien) sollten kompensieren, was den Kämpfern in Spanien durch die nachlassende muslimische Expansion und die Steuerausfälle wegen der immer zahlreicheren Übertritte von Christen zum Islam entgangen war.
Das diese Ausnutzung erheblich dazu beitrug, dass nicht von Anfang an eine massive Unterdrückung stattfand liegt auf der Hand. Als das nicht funktioniert scheute man sich nicht, die christlichen Nachbarn jedes Jahr erneut zu überfallen, zu plündern, morden und daraus die eigenen Finanzen auszugleichen, wie das frühe 9. Jahrhundert blutig belegt.

Wie man diese Phase, die mit blutiger Eroberung, Versklavung, Unterdrückung und Vertreibung begann, sich Zeit ihres Bestehens durch mal mehr mal weniger gelebte Diskriminierung auszeichnet und die ersten Pogrome auf europäischem Boden aufzuweisen hat, mit Opferzahlen die das Rheinland eigentlich in den Schatten stellen müssten, sich mit Raub- und Sklavenzügen finanzierte und schließlich in Zwangsislamisierung und Vertreibung endete als "Goldenes Zeitalter" darstellen kann ist mir nicht nachvollziehbar.
Das man die positiven Aspekte und die tolerantesten Phasen in dieser Region zur Kenntnisnahme bringt ist edel, wichtig und richtig. Das man darüber den Rest unter den Tisch fallen lässt kann man aber nur als Propaganda bezeichnen, insbesondere wenn Verdienste der gesamten arabischen Welt dann dort fokusiert werden um den Eindruck zu vergrößern. Biermann macht sich hier der Geschichtsklitterung mitschuldig. Umso mehr, als das er offensichtliche Verachtung für die europäische Vergangenheit einer unangebrachten Glorifizierung der arabischen gegenüberstellt.







Dienstag, 23. April 2013

Sehet die Vögel...

Eines meiner Hobbies ist es, die Vögel in meinem Garten zu hegen und ihnen zuzusehen. Von einem wirklichen Ornithologen bin ich sehr weit entfernt, aber es bereitet mir höchstes Vergnügen einer Gruppe Greifvögel dabei zuzusehen, wie sie majestätisch im Wind schweben oder mit einer unnachahmlichen Würde auf Feldern im Dreck sitzen und ihre Umgebung im Auge haben.

Der jetzt vergangene Winter war lang und teilweise hart für Greifvögel wie die hier überwinternden Wild- und Gartenflieger. Dazu kommt die Unregelmäßigkeit der steigenden Temperaturen, die uns Menschen zwar einen Aufschub vor Stechmückenplagen bereiten, den brütenden Meisten und ihren Verwandten aber einen wichtigen Nahrungslieferanten während dem Aufziehen ihrer Jungen verweigern. Mit ein Grund warum ich mir das Buch "Vögel füttern - aber richtig" besorgte und seitdem das Restaurant in meinem Garten ganzjährig geöffnet halte. Ich plane auch im nächsten Winter, natürlich dann in Absprache mit den Pflegern, Jägern und Naturschützern, den Greifvögeln bei Bedarf etwas Nahrung anzubieten. Das die Meinungen hier stark auseinandergehen - geschenkt. Solange die gefiederten Himmelsbesucher immer mehr vom Aussterben bedroht sind sollte man alles versuchen.
Und damit bin ich beim eigentlichen Thema. Die Naturschutzbewegung ist seit der Gründung der "Umweltpartei" mit ihnen schwer verknüpft. Dies machte seinerzeit auch Sinn, war diese bei allen Fehlern und Sünden immerhin die Partei des Schutzes von Wald und Reservaten. Aber die Zeiten haben sich gedroht. Aus Umweltpolitik wurde Klimapolitik und kein Grüner kräht mehr nach den Rechten der Tiere. Naja, das stimmt nicht. Wenn es ihrer Energiepolitik entspricht, dann wird gerne nochmal nachgefragt.
Das dabei mittlerweile auch der eigentlich zum Schutz der Vögel gegründete NaBu bedrohte Vogelarten regelrecht verkauft hat mich schockiert. Zum Hintergrund: m.W. sollte die Klage aufgrund der Unterschreitung der Mindestdistanz zu brütenden Rotmilanen erfolgen, was aber durch die "Spende" geregelt wurde. Das die Windräder nun aber noch immer am gleichen Platz stehen und somit der Tod der bedrohten Vögel wahrscheinlich ist scheint nebensächlich...
Umso schlimmer ist dies, da die allgemeine Lage der Vögel weltweit sich dramatisch verschlechtert. Die nach der Meerüberquerung erschöpften Zugvögel werden mittlerweile auf einer Breite von 700 km von einer Wand aus Netzen erwartet, mit denen Ägypter sie fangen und als "Snack" verkaufen. Das dies die Bestände innerhalb weniger Jahre völlig auslöschen könnte scheint allen egal zu sein.
Wie es in Gaza, Malta, Spanien, Marokko etc. aussieht braucht man fast gar nicht zu fragen. Dort wird geballert was die Flinte hergibt, egal wie viele Protestaktionen gefahren werden. In Deutschland sind die Windräder nicht die einzige Bedrohung. Noch immer werden Krähen bejagd, mancher Bauer oder Tierhasser legt noch immer Giftköder aus und tötet somit jedes Jahr wichtige Teile der Population bedrohter Vogelarten, von Hunden und Katzen mal ganz abgesehen.

Nabu, so sehr ich (aber auch Gründungsmitglieder) diesen Verein mittlerweile kritisiere, hat immerhin eine Petition auf seiner Seite eingestellt, die unsere Politiker auffordert, den 700 km Zaun zu bekämpfen (mit politischen Mitteln natürlich). Ich würde mich freuen, wenn Sie, werter Leser, diese unterzeichnen würden.

Sie können aber auch im Alltag den Vögel eine Hilfe sein, selbst, wenn sie nicht füttern möchten oder können. für wenige Cent erhalten Sie Aufkleber, für ein paar Euro Stifte, bspw. bei vivara, mit denen Sie Ihre Glasfenster für Vögel klar als Hindernis erkennbar machen.
Pflanzen Sie im Garten einheimische, fruchttragende Sträucher und Bäume.
Patenschaften für bedrohte Tierarten sind immer eine gute Idee - u.v.m.
Dazu gibt es einiges an Literatur, auch wenn bei manchen Dingen, wie der Fütterung, die Meinungen auseinandergehen. Aber jeder Versuch den Vögeln zu helfen ist eine gute Tat.


Montag, 22. April 2013

Diskussionsfortsetzung: Von Minaretten, Demokratie und Necla Keleks Ansichten

Ich teile Keleks Ansichten zwar nicht überall und stimme Dir zu, was die Pauschalisierungen angeht, aber man sollte ihre Artikel durchaus mit dem dem Hintergrund lesen dass sie:
1. Oft polemisch arbeitet und über das Ziel nicht selten hinausschiesst. Anders als in der (heutigen!) Debatte um das Christentum ist dies hier aber offensichtlich nötig, da weite Teile von Politik und Medien dazu neigen, die diskutierten Probleme zu minimalisieren oder zu ignorieren - als Beispiel sei auch hier nochmal auf die unglaubliche Zahl an Zwangsheiraten in Deutschland verwiesen. Als die Zahl bekannt wurde entspann sich keine Debatte der Aufklärung sondern das Gegenteil. Es ging um Kleinrederei und Anschuldigungen des polemischen Mißbrauches. Das steht diametral zu den Reaktionen auf den Mißbrauchsskandal in der katholischen Kirche. Dazu aber gleich nochmal.
Auch die Reaktionen selbst als progressive angesehener islamischer Vertreter kann als Argument pro Polemik angesehen werden. So waren auf den Verweis Necla Keleks betreffend der Zwangsheiraten von solchen zu lesen, dass dies eine Reaktion auf die fehlgeleitete, integrative Abschottung der BRD selbst sei - was natürlich angesichts der Traditionen der Zwangsheirat in islamischen Ländern eine freche Behauptung ist, um nicht zu sagen böse Lüge.
2. In Sachen Islam, Koranschulen, Moscheen, alltäglicher Umsetzung u.ä. einen größeren, persönlichen Erfahrungsschatz besitzt als unsereins. Und dabei belässt sie es auch nicht. Zwei Monate ist sie zuletzt durch Ägypten, Marokko und Tunesien gereist, hat dabei die Frauen aufgesucht und nicht wie unsere Politiker einen "Staatsbesuch" abgehalten um sich über die Lage zu informieren - was in etwa so informativ ist wie die Wirtschaftswochen der DDR Oberen.
3. Sie erlebt wie die Versuche der Aufklärung, Integration und des Miteinander verlaufen sind. Sie hat erleben dürfen, welche Gruppierungen zur Islamkonferenz des Bundes eingeladen wurden und wie sich diese geben. Inklusive der demonstrativen Ausladung progressiver oder kritischer Stimmen. Um Deinen Vergleich schon im Vorfeld mal aufzugreifen: man stelle sich vor zum "Runden Tisch" würden Opfervertreter ausgeladen.

Wenn die NPD ihre Demos macht, will sie auch Zeichen setzen, und meist kann sie das auch tun. So lange sie keine verfassungsfeindlichen Symbole mitführen, oder verhetzende Parolen grölen, wird die Polizei nicht eingreifen. Wenn nun auf der anderen Seite Ditib meint, irgendwelche Zeichen setzen und Renomierpimmel bauen zu müssen, bitte. Sie können gerne meinen, daß ich ihnen nicht reinzureden hätte. (...) Wenn sie mein Reinreden zu unterbinden suchen, dann kann ich mich im Rechtsstaat dagegen wehren. Eine Moschee ist keine Bedrohung. Aber es gibt Menschen, die drohen. Denen muß dann das Handwerk gelegt werden, unabhängig davon, was ihre Architektur ausdrücken will. Dabei können die Gebäude gerne stehen bleiben. Gebäude tun mir nix.
Ohne beleidigen zu wollen sondern durchaus mit einer gewissen bewundernden Note: das ist naiv.
Nazidemos und als solche deklarierte bis diffamierte werden mittlerweile stets von massiven Gegenprotesten begleitet (was ich begrüße), die mitunter auch übergriffig werden (was ich ablehne). Mittlerweile kam es mehrfach vor, das Kommunal- oder Landespolitiker bspw. durch Errichtung von spontanen Baustellen u.ä. Versammlungen unliebsamer Parteien verhinderten.
Würde die NPD zudem ihre Parteizentralen mit einem in rot-weiß-schwarz gestrichenen Wachhäusschen vor der Tür versehen oder gar mit einem "Gestapokeller" würde dies niemand akzeptieren - und das ist gut so.
In Ecken, in denen Nazisymbole auftauchen bin ich ebenso auf Ärger gefasst wie in solchen, in denen linksradikale die Architektur "zieren" - beides habe ich besonders als Jugendlicher oft genug erlebt.
Symbole sind eben nicht nur, und das hatten wir schon, auf die eigene Gruppierung gerichtete Aussagen sondern Botschaften an jeden Betrachter und deren Umfeld. Aber um es kurz zu halten: Du blendest den gesamten historischen und konfliktgeladenen Hintergrund aus. Das ist Dein Recht, aber damit ergreifst Du auch einseitig Partei und zeigst kein Verständnis für jene, die das nicht können oder wollen. Ich zähle dazu. Ich habe kein Problem mit Moscheen, auch nicht mit größeren und prachtvolleren - etwas du öfter ansprichst mit Worten wie "Eine Moschee ist keine Bedrohung." - was keiner behauptet hat. Nicht in der Schweizer Initiative noch in unserer Diskussion.
Wenn diese aber rücksichtslos mit bestimmten Namen versehen sind oder mit Gebäudeteilen die an die militärische Seite des Islam erinnern ist Beunruhigung bis Empörung ebenfalls mit Verständnis zu begegnen und daraus keine Pauschalisierung zur Fremdenfeindlichkeit oder Intoleranz zu kreieren - ohne damit, auch das eine Wiederholung, auszuschließen, dass solche Menschen unter den Protestlern sind. Umso mehr als das es eben eine ganze Reihe von Fakten gibt, die jene Beunruhigung verursachen.

Angenommen, die Frauen unter dem Tschador drücken damit ein Bekenntnis zur Unterwürfigkeit aus. Ist es nicht ihr Recht, dies zu tun? Als freie Glieder unserer freien Gesellschaft? Wo eine Frau den Tschador von ihrem Mann vorgeschrieben kriegt, bin ich sofort dabei, das zu unterbinden. Wo es aber ihre eigene, freie Entscheidung ist, werd ich den Teufel tun.
Und Dir ist klar, dass man diese nicht unterscheiden kann? Die Frauen, die gezwungen wurden oder denen durch ihr Umfeld von klein auf impliziert wurde, dass dies die natürliche Ordnung sei tragen kein Symbol ( ;) ) vor sich her.  Und wie definierst Du Zwang? Beginnt er bei Drohungen oder beim "du musst ihn nicht tragen, aber ohne bist du eine Schlampe"? Auch hier rate ich nochmal die entsprechenden Ahadit durchzulesen, was Mohammed bei unverschleierten Frauen erlaubte... und nein, dass heisst nicht, dass ich glaube darüber sind alle (gläubigen) Muslime informiert oder würden gar danach leben und handeln.
Das Frauen unter Verschleierung unter gesundheitlichen Folgen leiden, die sie mit Sicherheit nicht toll finden, ist da nur ein Aspekt, der zudem bei unserem Gesundheitssystem durchaus jeden betrifft.
Das Problem kennt man doch auch in anderen Kontexten. Da wird katholischen Frauen gesagt, wie sie sich in ihrer “frauenfeindlichen” Kirche fühlen sollen und daß sie sich wehren sollten etc.
Mit einer ganzen Reihe markanter Unterschiede. Beginnend mit den Dimensionen. Als Grundlagen des Vorwurfs "frauenfeindlich" dienen hier die Tatsachen, dass es keine katholischen Priester, Bischöfe, Kardinäle und Päpste gibt und die katholische Kirche dem Ungeborenen ein ebenso großes Recht auf Leben einräumt wie der Schwangeren. Dem Vorwurf schließen sich dann Politiker wie unsere Justizminierin oder die NRW-Kirchenneauftragte an, also Größen und Führungspersönlichkeiten. Dabei fallen aus deren Mündern offen Worte wie "krude Sexualmoral". Politiker zeigen dem Papst ganz offen ihre feindliche Haltung, indem sie ihn als Gast beleidigen und sich statt dessen Menschen anschließen, die durch noch schlimmer beleidigende Worte und Bilder gegen ihn demonstrieren, bspw. den Papst auf eine Stufe mit Hitler stellen. Katholische Pilger in Trier haben einiges Abbekommen - nach Mekka darf ein Atheist nicht mal rein, ohne das dies irgendwo kritisiert würde.
Verweist man dagegen auf aktuelles und zukünftiges menschliches Leid wie (Ehren-)Mord, Selbstmord, (Genital-)Verstümmelung, Zwangsehe, Isolation, Bildungsverweigerung etc. wird dies als rechtspopulistisch und fremdenfeindlich abgetan. Von der gleichen Personengruppe.
Unsere Justiz bestätigt, dass man die kath. Kirche offen als "Kinderf****sekte" bezeichnen darf. Mohammed trotz historisch und von islamischer Seite anerkannter Ehe mit einem Kind mit dem gleichen Wort zu bedenken führt zu drastischen Konsequenzen.
Wenn aber eine nicht mal im Landt- oder Bundestag vertretene Partei mit Mohammedkarrikaturen vor einer Moschee demonstriert finden die gleichen Politiker dafür ablehnende Worte - bis hin das Mordanschläge dann hämisch auf Eigenverschulden zurückgeführt werden, als wäre man in einen Alligatorteich gesprungen.
Selbst in der Fachwelt ist es etwas kompliziert, weiterführende Literatur zur Geschichte der ersten muslimisch-christlichen Konfrontation (den Angriffen Mohammeds auf das byzantinische Reich) zu finden - die Publikationen über den ersten Kreuzzug füllen dagegen Bibliotheken. Währenddessen erfahren wir im TV von einem "goldenen Zeitalter von Andalusien" bei dem die reale Diskriminierung bis hin zu Pogromen gar nicht - die gewaltsame Eroberung nur als harmlose Annektion dargestellt wird...
Ich könnte, Du merkst es, stundenlang in Beispielen dieser Bigotterie fortfahren.

Auch dort kommen die Vorwürfe von außenstehenden.
Dir ist vielleicht das kleine Schild rechts aufgefallen. "Mich vertritt nicht das ZdK". Die oben genannte Polemik kommt nicht nur von Außenstehenden, sondern auch von Menschen, die sich als Katholiken sehen. Erst kürzlich gab es eine Umfrage welche belegte, dass ein Teil der "Christen" nicht an Gott und / oder Jesus glaubt.

Aber den Tschador zu verdammen, weil es da vielleicht Frauen gibt, die anders denken als Frau Kelek, das geht mir zu weit. Ich find sogar die Burkaverbote falsch.
Jetzt bist du ebenfalls bei der Polemik angelangt. Kelek lehnt den Tschador nicht ab, weil es Frauen gibt die anders als sie selbst denken, sondern weil sie in ihm ein Symbol sieht und seinetwegen Menschen leiden.
Ich halte das Burkaverbot aus den verschiedensten Gründen für richtig. U.a. weil ich für mich selbst einen Grundrespekt einfordere, der sich bspw. in der Möglichkeit äußert, meine Mitmenschen zu sehen und ihre Mimik wie Körpersprache lesen zu können.

Ich bin der Meinung, daß jeder Gläubige selbst entscheiden muß, wie sein gelebter Glaube aussieht. Ich würde mir da nicht reinreden lassen, von niemandem.
Und hier ist die Pauschalisierung. Ich lasse mir reinreden, denn mein Glaube beinhaltet "Lehren". Ich kann falsch urteilen, handeln etc. Menschen können wegen mir zu Schaden kommen.
Es gibt Grenzen, die sich aus der Tatsache ergeben, dass Menschen unter Menschen leben.

Wo allerdings das Problem ist, wenn jemand Geld in Deutschland investiert, erschließt sich mir nicht ganz
In der Mitbestimmung & Einflussnahme. Und "investieren" ist hier der falsche Begriff. Das ist keine Wirtschafts- sondern eine Politiknummer. Überzogen umformuliert: würde die Türkei vor den deutschen Wahlkabinen stehen und Geldscheine an türkischstämmige austeilen mit der Anweisung wen man wählen soll wäre dies weniger subtil.

Und wie viele Michaels- und Georgskirchen gibt es? Beim Motiv des Drachentöters geht es doch auch um die Überwindung des Heidentums, oder hab ich da was falsch verstanden?

Und wie viele Michaels- und Georgskirchen gibt es? Beim Motiv des Drachentöters geht es doch auch um die Überwindung des Heidentums, oder hab ich da was falsch verstanden?
Offensichtlich. Georg starb DURCH Heiden (genauer gesagt Diokletians Christenverfolgung) und bekehrte durch die Rettung VON Heiden VOR dem Drachen diese. Der Drache wird im Symbolverständnis (da isses wieder) oft als "Teufel" interpretiert.
Das Christentum allgemein setzt auf Missionierung (wie der Islam), aber gerade Georg ist ein Beispiel vom Einsatz von Gewalt zum Schutz VON Heiden.
Der Erzengel Michael ist zwar als Kämpfer verehrt, aber sein Symbol steht ebenfalls für den Kampf gegen den Teufel.
Diese beiden Namen als Vergleich zum Schlächter von Konstantinopel und Ottranto zu bringen, der nebenbei auch die Knabenlese fortführen ließ, also die "Abgabe" christlicher Söhne, ist schon ziemlich daneben gegriffen. Suchst du Vergleiche dieser Art wäre eher Gottfried von Bouillon oder Torquemada oder Vlad Tepes angebracht, und da wirst du, soweit ich weiß, nichts finden. Schon gar nicht auf islamischem oder jüdischem Boden.

 Aber wie sieht es mit all den Monarchen aus, die Deutschland oder Teile davon regierten? Die ahben auch Kriege geführt? Wie ist es mit Barbarossa, dem alten Kreuzzügler?
Ja, wie sieht es da aus. Kirchen tragen viele Namen. Die mir jetzt spontan einzig einfallende Kirche ist die Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin. Die steht nicht in Russland oder Frankreich oder Polen. Sie ist eine Ruine und erhielt ihren Namen aufgrund des Bauförderers (oder -herren? müsste ich nachlesen). Kirchen in Israel werden nicht nach Emich von Leinigen oder, was ja doch wahrscheinlicher wäre, nach Heiligen die Antijudaisten waren, benannt. Das soll nicht heissen, das diese gar nicht verehrt werden, aber man reibt es den Opfern nicht unter die Nase.
Allgemein Strassen o.ä. nach erfolgreichen Regenten oder Feldherren zu nennen ist mir nicht zu vergleichen mit Benennungen nach solchen, die Massaker anordneten. Eine Tilly-Strasse in Magdeburg? Unverzeihlich. Überhaupt eine Tilly-Strasse? Das empfände ich als Beleidigung der Opfer - aber das wäre dann Sache der Opfer sich zu melden.
Barbarossa wurde im Nationalismus des späten 19. und frühen 20. Jh. allgegenwärtig, daher sehe ich seine Präsenz ohnehin kritisch - jedoch betrifft dies auch hier das Land, aus dem er kam, nicht jene, in welchen er verwüstete. Würden in Polen, Italien und der Türkei deutsche Botschaften mit seinen Beinamen tituliert würde dies für mich ebenfalls einen Affront bedeuten.

Was die Heldenverehrung angeht hast Du recht, jeder hat die seinen und natürlich beeinflusst dies jeden Schreiber. Aber es ist etwas anderes, diese dem anderen unter die Nase zu reiben. Ich verehre einige Päpste sehr, sehe aber sehr wohl auch ihre schlechten Seiten. Bei einigen sind diese so unerträglich, dass ich davon absehe, sie öffentlich (und im Privaten ohne wenigstens einen Gedanken an die dunklen Charakterzüge) zu verehren.

Das ist aber auch schon wieder ne andere Sache, ob die ne Freigabe bekommen oder nicht. Allerdings denke ich dabei dann auch an die Filme meiner Kindheit und Jugend, wo ganz klar war, daß die Amis die strahlenden Helden sind und Russen einfach nur böse…
Hm, auch aber erstmal ist es Sache, das und wie sie entstehen. Wenn die Türkei begeistert einen solchen Film fördert und mitfinanziert ist das nicht viel anders als die Finanzierung von "Der ewige Jude".
Natürlich hat auch Hollywood, Bollywood, die russische u.v.m. Filme herausgebracht, welche nur als Propaganda oder Verklärung betrachtet werden können. Wobei ich da eher auf die alten Western und Kriegsfilme verweisen möchte. Dort ist der Feind, Indianer, Japaner, Deutsche, ein oft gesichtsloses Charakterschwein voll grausamstem Sadismus. Das entspricht am ehesten dem Bild, welches Fetih von den Christen zeichnet. Die Zurschaustellung, Übertreibung oder Andichtung von Grausamkeiten als Mittel Front zu machen.
Du solltest drei Aspekte erinnern: 1. neben diesen Schinken gab es IMMER auch differenzierte Filme, die den Feind als Menschen zeigten, mittlerweile auch Filme die eigene Fehler und Grausamkeiten vorführen. Die letzten US Kriege finden ihre Echo in einer Reihe kritischer Filme wie Redacted, Letters from Iwo Jima. Deutsche Kriegsverarbeitung fand vor allem in Antikriegsfilmen statt, Die Brücke, Das Boot, Stalingrad... Damit sind sie ein bedeutender Teil der Filmgeschichte, qualitätiv wie temporal.
2. Die meisten der Propagandaschinken entstanden während der Auseinandersetzung oder im direkten Nachklang. Ausnahmen sind natürlich Western und "Historienschinken" wie 300 - aber auch hier gab es durchaus immer schon die besagten zwei Seiten.
3. Du reflektierst, weil Du es gelernt hast. Unsere Vorfahren reflektierten bei den UFA Filmen eben nicht. Sie sahen, nahmen auf und verinnerlichten oder hielten die Klappe.

All das finden wir im Fall von Fetih und dem Tal der Wölfe eben nicht. Natürlich gibt es auch einen guten Teil der Türken der den Film als das erkannte, was er ist, aber Millionen in der Türkei und hunderttausende in Deutschland eben nicht. Die Reaktionen auf eine im türkischen Fernsehn laufende beliebte Histsoap Muhteşem Yüzyıl sind vielsagend. Die Menschen sehen die Serie gerne, Sex & Crime eben. Anstoß an Sklaverei und Mordplünderung findet bei den Fans der Serie nicht, eher eine Art Heldenverehrung, Süleyman ist populärer denn je. Währenddessen finden die Konservativen die Serie abstoßen und die AKP arbeitet an einem Gesetz das ihnen die Absetzung ermöglicht. Aber nicht, weil sie Sklaverei usw. abstoßend finden, sondern weil die Vielweiberei (über dem Erlaubten) und der Seifenopfercharakter ihnen missfällt.

Bei Rocky IV scheinst du das Ende vergessen zu haben. Am Ende jubeln die Russen Rocky zu und Rocky wendet sich ihnen zu, eine versöhnliche Geste die lediglich Dolph Lundgren als Bösewicht erscheinen lässt. So schmalzig seicht das ist und so wenig ich die Rocky Serie mag.

Du verlangst hier ein verdammt hohes Niveau an Eigenverantwortung und Reflektionsfähigkeit. Gleichzeitig verlinkst Du mir einen Artikel, der den Eindruck erweckt, die muslimischen Frauen mit Kopftuch müßten alle davon befreit werden. In der Hinsicht also dann keine Eigenverantwortung?
Ja, verlange ich. Ich verlinkte dir den Artikel aber nicht wegen der besagten Stelle und diese Aussage mit mir in Verbindung zu bringen ist schon weit aus dem Fenster gelehnt. Ein Kopftuchverbot befürworte ich nicht, bei der Verschleierung hingegen... Aber da gibts auch noch eine große Reihe Argumente mehr.
Allerdings halte ich auch von Kopftuch nicht viel, ich erneuere die Bitte: lies dich ein woher es kommt und was es besagt.
Der Vergleich mit einer Gesellschaft in der eine Isolation auch möglich ist (Heimunterricht, Technikisolation) hinkt mal wieder. Natürlich bekommen Amish-Kinder erstmal von der Welt nichts mit. Dafür geben diese ihnen die Chance es kennen zu lernen (rumspringa). Deutschland und ich würde behaupten alle europäischen Staaten bieten dies eher nicht. Isolation ist vielleicht möglich, dass dabei aber haftähnliche Zustände entstehen nicht vermeidbar. Das wäre dann an sich schon ein Grund einzuschreiten.

Unsere größte Übereinstimmung ist glaube ich in der Problematik: wie schreitet man "richtig" ein. Dies ist nicht einfach. Und dann gehen wir vielleicht wieder stark auseinander. Wer Kollateralschäden der Kriegsführung nicht als unvermeidbar akzeptieren und bedauern kann, der kann nur noch die Hände in den Schoß legen und zusehen. Das Untätigkeit auch eine Form von Mittäterschaft ist macht es dann zum Drama, für das Opfer wie für den gutmeinenden Untätigen.
Ich empfinde Menschen, die beim Versuch "die Bösen" zu erwischen sterben, als Opfer der "Bösen. (abgesehen von Bomben, abgeworfen von einem zugedröhnten Piloten, die eine Hochzeitsgesellschaft auslöschen... sowas in der Art). Vielleicht mache ich es mir da zu einfach, aber nur so komme ich zu einem halbwegs akzeptablen Weg.

In Ägypten waren sie nicht stark genug, um sich dann noch gegen die Islamisten durchzusetzen. Aber was nicht ist…
Die gleiche Falle, halt nur umgekehrt. Woher sollen sie die Kräfte bekommen, während sie unter Feuer stehen und die Hilfen in die Taschen der Islamisten wandern?

Loose – loose Situation. Wobei auch hier die Frage gestellt werden muß, wer den Mädchen vorschreiben will, wie sie sich zu verhalten haben.
Daher meine Worte: "(...)ohne ein wachsames Auge und bspw. aufgezwungene Unterstützung zu leisten (...)" Das sind für mich die Lösungswege.

Guckstu
Danke für den Hinweis, googlen und wikipedia kann ich, aber gerade zweiterem vertraue ich nicht allzusehr.

Das muß man dann halt hinnehmen. (....)
Stimmt, und sobald dieser fehlende gute Wille sie in Konflikte mit dem Gesetz bringt, gibt es eine Strafverfolgung. Bis dahin laß sie doch Türmchen bauen.
Du ignorierst schon wieder (mögliche und existierende) Konsequenzen. Das ist meine Hauptkritik an Dir: Du wartest bis es handfest wird im vertrauen dann die Kraft zum einschreiten zu haben. Eskalation und Niederlage ziehst du nicht in Betracht.

Ich bin irritiert. Wo sollen die herkommen?
Ich meinte das theoretisch - praktisch ist (u.m.E. wird) es nicht umsetzbar.

Aber gut, wenn sie meinen, ihr Geld so anlegen zu müssen. Wenn ich sehe, wie uns die Kirchengebäude heute belasten,
 Das ist nicht nur "ihr Geld". Da sind Millionen Fördermittel von EU, Bund und Ländern drin.

An sowas hatte ich gedacht.
Achso. Danke für die Erklärung. In der Beziehung hast du Recht, ob dies dann aber vergleichbar ist mit dem Islam - da reden wir ja dann eher von Sufismus und Aleviten, und selbst die blicken nunmal nach Mekka.

Du weißt offenbar mehr, also muß ich Dir da wohl glauben…
Natürlich breche ich einiges runter um überhaupt noch einen Rahmen zu finden. Gegenposition zur Kenntnisnahme spricht von einem "Goldenen Zeitalter des Islam", in welchem alles besser gewesen sei (je nach Verfechter entweder die Umayyaden-Zeit oder das 9. & 10. Jh. Es würde zu weit führen meine Gründe der Ablehnung hier anzuführen, bei Bedarf gerne an anderer Stelle.

Auch Dir einen guten Start in die Woche.

Sonntag, 21. April 2013

Romanempfehlung: Kreuz und Schwert

Es gibt Teile der christlichen Geschichte, die heute entweder fast vergessen sind oder im Chor der "das Christentum ist schuldig an..." Sänger einfach untergeht oder irgendwie disharmonisch klingt. Ein solcher Fall ist m.E. die Geschichte des japanischen Christentums. Mir zumindest war vieles nur aus der unterhaltungstechnisch großartigen Serie "Shogun" mit Richard Chamberlain bekannt, und diese entpuppte sich im nachhinein als dem Medium Film & Fernsehn entsprechend was die Darstellung des katholischen Christentums anging.
So wurden die Jesuiten als hinterhältig und nahezu rein politisch agierende Schurken dargestellt, die auch einen frommen Franziskaner ins Gefängnis in steter Erwartung der Hinrichtung bringen.
Schon bei der Lektüre des grundlegenden Romans von James Clavell bemerkt man die Unterschiede. Zwar sind auch hier die spanisch-portugiesischen Katholiken nicht gerade positiv dargestellt, aber weit weniger skrupellos.
Für einen fachfremden Europäer ist es ein wenig kompliziert, vernünftige Recherchen über japanische Geschichte zu betreiben, zudem in Japan wie in Europa lange der Navigator Wiliam Adams in positivestes Licht gerückt wurde, seine Handlungen als Heldentaten bejubelt. Macht man sich aber die Mühe und geht den Biographien bspw. von Franz Xaver nach, wird aus dem schwarz-weiß Bild bald ein vielfarbiges, welches natürlich auch seine dunklen Flecken besitzt. Erreicht man aber die Zeit der Christenverfolgung in Japan und deren Auswirkungen im frühen 17. Jh. ändert sich die Perspektive erheblich. Und hier setzt der Sittenroman von Kaga Otohiko ein.
Otohiko konvertierte 1987 zum Katholizismus und 
Der Roman spielt Ende des 16. bis Anfang des 17. Jh.n. Chr. vornehmlich in Japan (an den Orten Kanazawa und Nagasaki) und gegen Ende auch in Manila. Dabei geht es vor allem um einen japanischen, christlichen Adligen der meist als Ukon bezeichnet wird, obwohl dies eine Postenbezeichnung ist. Richtig hieß er eigentlich Takayama Hikogoro, nach seiner Konvertierung Takayama Justo. Einzelne Kapitel sind in Briefform eines Jesuitenpaters geschrieben. Beide berichten in der Postperspektive vor allem "vergangenes" aus Sicht der Hauptpersonen. So beschreibt zum einen ein Japaner zum anderen ein Europäer die Geschehnisse und Entwicklungen, was dem Autoren Kaga Otohiko m.M.n. sehr gut gelingt. Der Leser kann so in beide Erfahrungs- und Motivationswelten eintauchen, Kulturen und ihre Unterschiede erfahren.
Ein immer wiederkehrendes Element ist das Märtyrertum. Obwohl die Christenverfolgung erst unter der Herrschaft von Tokugawa Ieyasu zu einer landesweiten Erscheinung wurde gab es vorher schon Diskriminierung, Verfolgung und Hinrichtungen. Wie dies aufgenommen wurde, was die Christen dabei empfanden, unterschiedliche Ansichten und Reaktionen unter den Christen - all dies wird ebenso besprochen wie der Kontakt zu Rom, Europa und den in Asien tätigen Missionren. Dabei wird zwar oft idealisiert, die wirklichen Probleme und Verbrechen, auch von Seiten der Katholiken, aber nicht verschwiegen.
Auch wenn das Buch auffordert, sich einzulesen um ein wenig Hintergrundwissen und -verständnis mitzubringen, so ist es selbst gleichzeitig eine gute Einführung in eine andere Sichtweise. Wertschätzung für japanische Christen, Anerkennung ihres großen Glaubens und ihres Märtyriums.
Ich habe viel mit genommen aus dem Buch - schon allein deshalb empfehle ich die Lektüre.

Kaga Otohiko
Kreuz und Schwert
ISBN 3-86124-900-6  oder 978-3-86124-900-9

Von Schafen, Hirten, Kindern und intellektuellen Schwätzern

Einer der Priester unserer Gemeinde fand heute deutliche Worte wie ich sie mir öfter wünsche.
Thema war das Wort von den fehlenden Hirten, er fragte aber auch ob wir nicht vielleicht zu viele Hirten sehen, mit ganz unterschiedlichen Absichten und Zielen, die auch bei uns unterschiedliche Sehnsüchte ansprechen oder wecken.
Darin erinnerte er mich etwas (nicht falsch verstehen, das soll keine übersteigerte Verehrung dieses Priesters sein) an Pius XI. und Pius XII. die beide vor den falschen Hirten warnten, von der Welt aber ignoriert wurden, worauf Deutschland und Russland jahre- bzw. jahrzehntelang Blut fließen liessen und lassen mussten.
Er warnte vor "intellektuellen Schwätzern", welche anderen Menschen einreden, wegen ihres Glaubens seien sie dumm und beim Wort der Schafe sofort auf mangelnde Intelligenz dieser Tiere hinweisen. Dagegen sprach er sich aus, Schafe seien nicht dumm, dumm seien die Menschen die so argumentieren und dann trotzdem dem Herdentrieb frönen oder als als (Selbst-) Entschuldigung nutzten.

Ich kann natürlich nur grob und in eigenen, vielleicht unpassenden Worten wiedergeben, hoffe aber, es ungefähr getroffen zu haben. Es hat für mich jedenfalls wie die Faust aufs Auge gepasst und natürlich auch mich selbst gemahnt, weniger "Stacheldraht" zu ziehen, statt dessen lieber einzuladen. Ich bete, dass mir dies gelingt.

Und noch etwas lobend. Beim Kreuzknappen las ich jüngst wieder über Eltern, die Störung durch ihre (Klein-)Kinder relativieren und sich empören, wenn bei der Messe eine gewisse Stille und Würde gefordert wird. Dazu einen Verweis auf eine Diskussion im General-Anzeiger (leider scheinbar gelöscht) bei der auch ich teilnahm.
Und heute erlebte ich zwei Elternpaare mit kleinen Kindern in der Messe. Das eine noch im Kinderwagen, das zweite durchaus schon flott unterwegs. Beide Paare haben sich rührend gekümmert, ein wenig Freiraum gegeben, aber als es störend wurde sofort (liebevoll!) gehandelt. Eine Mutter nahm ihr Kind auf den Arm, ging in den hinteren Teil und als auch das nicht half erstmal nach draußen - ca. 5 Minuten später kam sie zurück, das Kind war leise und machte ein ganz fasziniertes Gesicht.
Solchen Menschen möchte ich danken. Sie leben Gemeinde und lieben ihre Kinder darum kein Stück weniger.

Fortsetzung der Diskussion über Minarette, Demokratie usw.

Zuerst meine Bitte um Entschuldigung. Ich trage ja überdeutlich zur Ausuferung unserer Diskussion bei. Es ist nicht meine Absicht auf alles ewig lange Texte zu verfassen noch von Stöckchen auf Hölzchen zu kommen, empfinde es aber als Notwendigkeit.
Dann die Bitte: unbedingt lesen: Necla Kelek zu diesem Thema.
Moment. Es ging um die Symbolhaftigkeit der Minarette. Da von Demagogie und Hetze zu reden, find ich ein wenig übertrieben. Ein Bauwerk ist keine Hetze.

Es ging um diesen Satz hier: "Ähnlich wie die vielfache Benennung von Moscheen nach dem Schlächter von Konstantinopel, was man nicht anders als ein Signal in unsere Richtung verstehen kann, sind auch Min. und die von ihnen klingenden Rufe eine Aussage die uns betrifft."
Daraufhin sprachst Du von Redefreiheit - was ich zwar direkt auf den adhan (Gebetsruf) bezog aber indirekt auch auf die Botschaften in den Symbolen - Redefreiheit bezieht sich nicht nur auf das gesprochene / geschriebene Wort.
Wer ständig von "Überlegenheit" , spricht, von der eigenen Stärke im Kontrast zur Schwäche und den Irrtümern der anderen geht sehr wohl in jene Richtung, wer dazu seine wichtigsten bzw. zentralen Gebäude als offensichtliche Ehrung nach jemandem benennt, der den Krieg gegen die "Unterlegenen" mit äußerster Härte führte - was ist das anderes als Demagogie? Versetze dich bitte in die umgekehrte Situation - meinetwegen auch eine Abstrakte. Nicht umsonst wurden bspw. Strassen von Namen wie "Göring" befreit. Eine Kirche in Israel "Torquemada" zu nennen ist für uns nicht umsonst undenkbar und unmöglich, ebenso wie Kirchen in Jerusalem mit Kreuzfahrersymbolen als Bauelementen zu überziehen.
Das setzt sich, von Dir und einem großen Teil der Bevölkerung mglw. unbemerkt ,dann auch an anderer Stelle fort. Wer die türkische Verfilmung der Eroberung von Konstantinopel "Fetih 1453" oder die türkische Serie "Tal der Wölfe" gesehen hat wird eine Heldenverklärung, Geschichtsklitterung und Dämonisierung sehen, die man zuletzt in Machwerken sah, welche heute klar mit dem Stempel Propaganda versehen sind und durchaus zum "auf Linie bringen" beitrugen.
Ähnlich verhält es sich eben auch mit Minaretten. Ich wiederhole es: diese sind nicht nur Gebäudeelemente, nicht nur Zierde. So wenig wie eine Schild mit der Aufschrift "Deus vult" oder "Novit enim Dominus qui sunt eius" am Gartentor oder als Eingangsspruch einfach nur Zierde wäre.
Ähnlich sieht man das in Fällen wie diesem. Dabei ist das besagte Symbol selbst in anderen Kulturen völlig anders belegt.

Aber ich bin skeptisch, ob man das wirklich unter allen Bedingungen erkennen kann.

Das ist Dein gutes Recht. Aber mal ehrlich, wenn jemand oder etwas Schmerzen (körperlich / seelisch) hat erkennt man das. Sei es am Gesichtsausdruck, der Körperhaltung oder von sich gegebenen Geräuschen. Und egal was mich dazu getrieben hat, das zu verursachen, spätestens beim Eintreten sollte dann der Mensch, egal ob religiös oder nicht merken: was tue ich da?
Es gibt historisch jede Menge Beispiele von Menschen, die genau das bezeugen. Und natürlich gibt es Situationen, in denen man den Menschen nur einen gemilderten Vorwurf machen kann. So wenn sie die Auswirkungen gar nicht erleben, wenn sie aufhören wollen aber zum weitermachen gezwungen werden etc. (schmerzhaft über solche Dinge nachzudenken). Aber einem bspw. in Rassismus gleich welcher Art Aufgewachsenen wird deutlich vor Augen geführt, was er einem Menschen antut, wenn er ihn vergewaltigt, versklavt, verwitwet usw. Er entscheidet da für sich, dass es ihm egal ist, das er dieses Leid anders bewertet.

Hierzulande in einer anderen "Welt" aufzuwachsen ist nicht schwer. Aber überhaupt nichts von der Welt der anderen mitzubekommen ist nahezu unmöglich. Gerade die Parallelwelt die wir ansprechen ist dank Handy, PC, TV, Schulpflicht, Werbeflächen und weißnochwo stets präsent.
Sie aus Angst zu meiden bedeutet nur die Wahrheit der "Druck muss sein" Theorie zu belegen. Denn diese Menschen werden als Opfer von sich aus niemals / selten wahrgenommen werden.
Sie aus Ignoranz zu meiden ist selbstverschuldet. Sie aus Gruppendynamik zu meiden ebenso. Man entscheidet sich. Und das meine ich, als jemand, der stets und bewusst ein Außenseiter war, ehrlich.

Was Regierungschefs angeht, so muss ich zugeben, dass meine gedanklichen Lösungen oft in eine Richtung gehen, die einer Art Kolonialismus gleichen, und das kann ich nicht akzeptieren, schon gar nicht vor dem Hintergrund der Gräuel die darin begangen wurden, vor allem aber vor der erlebbaren Fehl- und Verführbarkeit bei unseren Vertretern wie uns selbst. So muss ich auch hier passen. Was da die Lösung ist, weiß ich nicht. Aber unterschiedliche Maßstäbe wenn es um Menschen und ihre Gebilde geht sind nicht in Ordnung. Das führt letztlich zu unbeachteten Opfern, Eskalation und Bigotterie.

Diesen Eindruck kann natürlich ein scharfes Durchgreifen erwecken, aber ich habe Bedenken. Eine Tochter, die für die Aussöhnung Todesgefahr auf sich nimmt, wie sieht die wohl die scharfe Bestrafung ihrer Familie? Erst muß über den Bildungsweg vermittelt werden, daß sie tatsächlich Opfe rund die Täter tatsächlich Täter sind. Bevor das Opfer das nicht begreift, kann jedes harte Durchgreifen erfolgreich als Islamophobie dargestellt werden, nach dem Motto: Seht her, wir haben uns Versöhnt und nun kommt der islamophobe Staat und stiftet Unfrieden…

Da hast Du Recht, aber ich sprach ja auch von einem mehrgleisigen Lösungsweg und von "gesellschaftlichem Druck", nicht von "scharf durchgreifen". Mit Polizeihunderterschaften von jetzt auf gleich anzurücken und die "No Go Areas" zu "befrieden" ist eine macchiavellische Lösung, und dieser warnte selbst davor das solches Vorgehen dann gnadenlose Blutbäder erforderte oder nach sich ziehe.
Das die Gesellschaft aber einfach nur zusieht, wie Mädchen aus Frauenhäusern wieder zu Familien zurückkehren, die sie misshandeln, bedrohen und schließlich auch mißbrauchen ohne ein wachsames Auge und bspw. aufgezwungene Unterstützung zu leisten geht auf Kosten der Mädchen. Man kann durch Aktionen viel kaputtmachen - die Alternative ist dem Drama von außen zuzusehen. Ich will es lieber versuchen.

Lüdemann verlor seinen Lehrstuhl, Küng bekam die Lehrerlaubnis entzogen, und wahrscheinlich noch ein paar mehr. Ich bin davon auch nicht begeistert, aber es ist Teil des Systems, das an sich so schlecht nicht ist.

Diese bekamen die Stellen "von oben" entzogen, Küng bspw. weil er nicht einfach nur "kritisch" war oder in einem Punkt uneins, sondern, nachdem er jahrzehntelang gelehrt und durchaus auch starken Einfluß und hohe Positionen besetzt hatte, dabei aber den gewünschten "Gesprächen" und "Anfragen" stets ablehnend auswich. Der Mann ist trotzdem weiterhin Priester, traf den Papst usw.
Ähnliches gilt für Ranke-Heinemann - welche man heute regelmäßig als schreiende Anklägerin in Talkshows auszuhalten hat, in denen sie pauschalisiert und dämonisiert bis die Balken brechen.
Bei Sven Kalisch war es anders. Weil er es wagte, eine Exegese vorzunehmen, also die eigene Religion nach den Maßstäben der Religions- und Wissenschaftsfreiheit zu behandeln haben sich seine Schüler und Assistenten gegen ihn gewandt. Ihr Einspruch lautet unter anderem, dass solch progressives Denken ihre Ausbildung bei den Muslimen diskreditieren würde und sie keine Akzeptanz fänden. Und am Ende fühlte sich der Professor sogar an Leib und Leben bedroht, bis er sich nicht mehr als Muslim fühlen konnte. Das sind dann doch andere Verhältnisse als in den besagten und angedachten Vergleichen.
(und ich muss zugeben, der Name Lüdemann sagt mir gar nichts.)



Doch muß auch keiner zur Ditib gehen. Wenn es parallel Angebote gibt, in Deutscher Sprache und mit Kontakt zur Wirklichkeit, dann wird sich das durchsetzen. Die Migrantenkinder können heute schon kaum mehr türkisch, die Imame wissen zum Teil um das Problem mit der Kommunikation. Auch diese Situation erzeugt Druck. Da kann die Religionsbehörde stur bleiben, und sehen, wie die Felle wegschwimmen, oder sich öffnen. Eine schwache Ditib bedeutet aber auch mehr Chancen für die wirklich Radikalen, wie Pierre Vogel und seine Gang.
Nur ist die Ditib nicht schwach, die Menschen meiden sie nicht - auch nicht bei parallelen Angeboten. Bei der Wahl entscheiden sie sich für sie - wie die Bundesrepublik übrigens auch. Nicht zuletzt auf sanften und unsanften Druck der Türkei selbst, und diese spielt ja ebenfalls eine wichtige Rolle in der Integrationsfrage. Brüskiert man die Türkei brüskiert man einen großen Teil der türkischstämmigen Muslime. Die größten Moscheen in Deutschland sind Ditib Moscheen.
Diese Sachlagen kritisieren Menschen wie Necla Kelek immer wieder.
Die Alternative wäre hier, alle Imame und Islamlehrer zwangsweise aus "westlicher Bildung" herzuholen. Was das bedeuten würde weißt du so gut wie ich.

Ich weiß nicht, worauf Du mit den Städtenamen anspielst.
Auf die jüngsten Beispiele von modernem, aufgeschlossenem und tolerantem Islam und dessen Entwicklung. Marxlohe, die bislang wohl größte Moschee in Deutschland hat vollmundige Integrations- und Toleranzversprechen gegeben. Die wurde nicht eingehalten, Integrationskurse gestrichen, Gelder veruntreut, die Türen für kritische Frager geschlossen gehalten.

Kerne und Zentren können sich bewegen. Neue Ansichten entstehen. Wenn ich ans Christentum denke und mich frage, wo da die Zentren sind und waren, dann ergibt sich da durchaus eine Fluktuation. Was spricht dagegen, daß Deutschland Ägypten udn Saudi Arabein als Zentrum ablöst?
Nein und alles. Ja, in den ersten Jahrhunderten gab es einige Bewegung in christlicher Geographie. Rom gilt mittlerweile zumindest den Katholiken seit Jahrhunderten als Zentrum. Das wird sich nicht mehr so schnell ändern. Das "Heilige Land" gilt wohl allen Christen mittlerweile seit wenigstens deutlich über einem Jahrtausend als Entstehungsort und besondere Region.
Im Islam ist das noch viel deutlicher ausgesprägt. Mekka ist und bleibt ein, den Muslimen vorbehaltenes, Zentrum des Islam, ebenso wie Medina und leider wohl auch Jerusalem. Das sind sie bereits seit Mohammeds Zeiten. Die theologischen Zentren schwanken zwar ein wenig in ihrem Standort, in ihren Überzeugungen und Lehren weit weniger. Die vier Rechtsschulen des sunitischen Islam dominieren diesen mittlerweile seit ca. 1000 Jahren den Islam - und wer hinter politische Ausgleichsbemühungen blickt erkennt auch klare Linien. Die Herausbildung neuer Linien führte zu blutigen Konflikten die zum Teil bis heute anhalten.

Babylon war auch jüdisches Zentrum, ohne im Heiligen Land zu liegen oder auch nur eine jüdische Mehheit zu beherbergen…
Wieder ein schwacher Vergleich, denn 1. haben wir große Probleme Legende und Fakten dieser Zeit auseinander zu bewegen, 2. war Babylon zu Zeiten des Exils sehr wohl in jeder Hinsicht ein Zentrum, 3. hatten die Eliten der Juden keine Wahl bzgl. Babylon und Judentum, 4. war allgemein anerkanntes Zentrum nach der Freilassung trotzdem Jerusalem / Zion.
Genausogut hättest Du auf die jüdischen Zentren in römischer Zeit hinweisen können, wie etwa Alexandria. Auch hierbei ist die Diaspora das entscheidende Element.
Man könnte also in Dein hypothetisches Szenario nur einen Fall Saudi-Arabiens nach dem Muster alter Zeiten einflechten um es in Gang zu bringen.

Im Zweifel müssen die Nichtintegrationisten lernen, daß es eben kein Bajonett ist, sondern ein Turm.
Die Gedanken sind frei. Ich kaufe Erdogan nicht ab, dass er von diesem damals zitierten Gedicht abgerückt sei. Den Menschen vorschreiben zu wollen, wie sie ein Symbol zu verstehen haben klappt nur bei "good will", und den haben Integrationsunwillige und Islamisten garantiert nicht.

Freitag, 19. April 2013

Deutsche Rechtswirklichkeit

Auf dem Blog des Herrn Alipius stieß ich auf einen Verweis auf folgendes Video: Attacke auf Gerichtsflur: "Sag mir, wo Du wohnst!
Zu sehen sind Vertreter einer arabische Großfamilie, die abu-Chaker heisst. Die Eltern dieser Männer kamen in den 70ern nach Deutschland und wurden hier als Flüchtlinge aus dem umgekämpften Nahen Osten aufgenommen. Sie selbst sehen ihre Eltern als Palästinenser an.
Diese Männer scheinen Deutschland als "ihr Land" im besitzenden Sinne zu verstehen, und unsere Justiz scheint ihnen entgegen zu kommen. Die Aussagen der Beamten im Artikel "Sie stehen für Verbrechen, Gewalt und Angst" jedenfalls zeichnen ein Bild der Frustration und der Verzweiflung. Obwohl Mitglieder eine elendig lange Liste von Verbrechen aufzuweisen haben, können sie sogar nach einem Mordversuch an einem Polizisten auf richterliche Anordnung wieder frei nach Hause fahren - mit dem Auto, mit dem sie den Polizisten beinah umgebracht hätten und dutzende anderer Menschen gefärdeten. Wie es da dem "normalen" Opfer dieser Banden geht, kann ein Bodyguard und Security-Chef nachvollziehen. Wenn man beobachtet, wie diese Familie gegen Journalisten in einem Gerichtsgebäude vor den Augen von Justizbeamten vorgeht, ihnen indirekt sogar androht ihren Familien etwas anzutun, dann müssen die Fragen gestellt werden: wie geht es da den Mädchen und Jungs von der Strasse? Wie viele Verbrechen werden überhaupt angezeigt? Wie viele Verfahren versacken? Wer glaubt da noch, dass unser Staat uns beschützen kann?
Neu ist diese Entwicklung zudem auch nicht. Seit Jahren drehen einige entweder wirklich besorgte oder aber sensationsgierige Journalisten Dokus und schreiben Artikel über die Zustände die sich nicht nur aber am deutlichsten in Berlin entwickelt haben.

Das dies nicht neu aber auch anders gehandhabt werden kann zeigte eine Verhandlung vor einigen Monaten. Ein Staat muss auch durchgreifen können, dafür benötigt er aber auch Kräfte und diese müssen Präsent sein. Unsere "wehrhafte Demokratie" beschäftigt aber mit allerhand Demos und Aktionen wie dem gesellschaftlich fast schon akzeptierten"Schottern" die verbliebenen Einsatzkräfte außerordentlich.
Aber nicht nur aus dieser Richtung ist die deutsche Justiz in ihrer Arbeit beeinflusst. An- und Übergriffe sind kaum noch Meldungen, wenn ein Gericht etwas entscheidet kann es passieren, dass Medien und Politik solange dagegen Sturm laufen, bis im gewünschten Sinne etwas passiert.

Bezieht man dann noch in die Überlegung mit ein, dass es bereits sogenannte "No Go Areas" gibt, in welche sich Rettungskräfte nicht ohne Polizeischutz hineintrauen, die Meldung vom letzten Jahr im General-Anzeiger Bonn, dass sogar Polizisten von einer Bande auf Wegezoll erpresst wurden, die unglaublichen Pannen und Schludereien in der NSU Mordserie - dann erscheinen unsere Rechtsorgane völlig überfordert.
Dabei sind einige Lösungen sehr offenliegend: mehr Polizei, schnellere Verfahren und die Möglichkeiten der gesetzlichen Strafen ausreizen. Dazu ein System, dass auf der einen Seite die Besserung und Wiedereingliederung der Straftäter, auf der anderen Seite aber auch die Sicherheit der Opfer und der Allgemeinheit im Auge hat.

Auch Signale in die richtige Richtung wären von Bedeutung. Das dem antisemitischen, frauenfeindlichen, misohomo und gewaltverherrlichenden Rapper "Bushido" der Integrationsbambi verliehen wurde und selbst nachdem nun seine enge Verstrickung mit dem oben genannten Verbrecherclan aufgedeckt wurde nicht aberkannt wurde, während eine Tiroler-Band vom Publikumspreis Echo ausgeschlossen wird und der Sänger Heino, wie jüngst nach der Veröffentlichung seines Cover-Albums vom Sänger der "Toten Hosen", aufs übelste beschimpft und beschuldigt wird sendet ganz klare Signale.
Auch das Verhalten der Politiker, die auf der einen Seite Toleranz und Duldung fordern, auf der anderen Seite aber bei Gewalt hilflos mit den Schultern zucken oder wegsehen sendet Signale.

Entweder ist Gewalt egal von welcher Seite inakzeptable, die einzige Nutzerin der Gewalt die Justiz, oder das Problem wurde nur von einer Seite auf die andere gewälzt.

Weitere Beispiele für deutsche Rechtswirklichkeit bitte im Kommentarbereich melden.

Die Quote und ihre Bedeutung

Einen wirklich herausragend klar formulierten Beitrag findet man heute in der "Welt". Lesen lohnt sich, finde ich.


Quoten oder: Die Unfreiheit der Wir-Gesellschaft

Die Diskussion - Fortsetzung "Von Minaretten ..."


De Benny: Mir ist jedoch in dem Fall an der Grundlage des Minarettverbots und der Behinderung beim Kirchenbau gelegen. Beides kommt aus der Intoleranz dem anderen gegenüber. Der unterschied zwischen beiden ist IMHO nicht qualitativer Natur, sondern lediglich quantitativ.
Das sehe ich anders und habe dies bezüglich der Bauten anderer Religionen wie der Moschee an sich auch belegt. Es mag sicher unter denjenigen die Moscheen oder den Islam ablehnen auch Menschen geben, denen es an Toleranz mangelt und sicher auch Rassisten, das aber alle Kritiker und Zustimmenden dies wegen mangelnder Toleranz taten ist ein schwerer und darum zu belegender Vorwurf.
 Auch das es sich lediglich um Mengen statt um Eigenschaft handelt habe ich bereits mit Blick auf Herkunft, Funktion und Symbolkraft der Minarette widerlegt. Dies zu achten und darauf dann einzugehen wäre ein Zeichen des Respektes der Muslime gegenüber anderen.



Wir brauchen im Christentum auch keine Kirchen, wenn wir in die Geschichte sehen. Die ersten Christen hatten keine.
Die ersten Christen hatten auch weit größere Probleme, wie Du es formuliert hast. Von Nero bis Diokletian haben Christen reale Intoleranz und Verfolgung erlebt. Diese war (vielleicht) nicht so schlimm, wie dies in den Legenden darstestellt wird, aber das tausende umkamen und die Versammlungen nicht selten geheim stattfinden mussten ist Fakt. Eine "Bauerlaubnis" gab es nicht (mal im Traum). Da darauf zu verweisen, dass diese ohne markante Kirchbauten auskamen finde ich makaber. Es ist nichts anderes als der Verweis darauf, dass auch iranische Christen ohne Kirchen auskommen. Es ist ihnen schlicht verboten und ständig schwebt die Verhaftung über ihnen.
Und weiter ist die Frage nach sakraler Architektur bei den Urchristen sehr wohl mit "Ja" zu beantworten. Die ersten Christen, die noch Jesus selbst kannten, sind weiterhin der jüdischen Tempelkultur verhaftet gewesen. Die Betonung der gemeinsamen Herkunft und die Trennung sind kein status repentinus.
Hauskirchen und die Nutzung der Katakomben als Versammlungsorte kann man ebenfalls als gezielte Architektur erachten, auch wenn dies aufgrund besagter Repressalien Notlösungen waren. In Diokletians Christenverfolgungserlass findet sich auch die Anordnung der Zerstörung aller christlicher Kirchen an, es scheint also dort bereits Kirchbauten gegeben zu haben. In den Ostkirchen wird Anthimos daher durchaus stark verehrt.

Was würdest Du von einer solchen Argumentation von Seiten der Türkei aus halten, in Bezug auf Kirchen?
Diese Frage habe ich bereits beantwortet. Ich schrieb:
Würde man im Umkehrvergleich bspw. im Iran, der Türkei und Saudi-Arbien den Bau von Kirchen mit der Einschränkung auf Türme zu verzichten erlauben, würde dies als Zeichen der Toleranz und der Annäherung verstanden werden, worin ich mich anschließen würde auch wenn mir bei den Bauten emotional und ästetisch natürlich etwas fehlen würde.
Du aber änderst die Konditionen und statt dem Thema "Bauelement" gehst du wieder über zum Verbot der freien Religionsausübung. In der Türkei ist es de facto nicht erlaubt Kirchen zu bauen, ob mit oder ohne Turm. Und das obwohl dieses Land einmal christlich war. Ja noch weitergehend sind die dortigen Kirchen zu einem großen Teil zerstört, enteignet und nicht selten in eine Moschee umgewandelt. Bislang gab es dazu nie ein Wort des Bedauerns, die Annäherung Ataturks wird gerade wieder rückgängig gemacht (u.a. von der aktuellen Regierung).
Würden wir hier über ein Moscheeverbot in der Schweiz sprechen hätte ich keinen Absatz über Notwendigkeit geschrieben, die Frage wäre also das, was sie jetzt auch schon ist: falsch gestellt.

Es mag ja sein, daß die Muslime lauter sind als andere Reliigonsgruppen,

Wieder falsch. "Lauter" würde bedeuten, dass andere Religionsgemeinschaft sich auch beschweren. Das ist aber m.W. nicht der Fall.  Und dabei sind sie nicht unauffälliger als Moscheen, wie der Hindu-Tempel in Hamm beweist. Im Gegenteil, dieser Tempel wurde bspw. nicht von Europa und Deutschland gefördert, wie bspw. die Moschee von Marxlohe, die andersherum, ebenso wie die Kölner Moschee, mit den vorher versprochenen Integrationsleistungen mittlerweile arge Probleme hat.

aber das kann auch kein Argument sein in der Beurteilung der Freiheiten.

Stimme ich zu. Bis das "laut" eine bestimmte Grenze überschreitet. Wenn bspw. islamische Organisationen sich einen Judenstern anhaften und gegen ein islamkritisches Buch demonstrieren ist eine Grenze der Freiheit erreicht. Dieser Vergleich ist unsäglich und trampelt auf den Leiden der Menschen herum, deren Leben Stück für Stück bis zur grausamsten Ermordung zerstört wurde. Das hat dann mit Freiheit nichts mehr zu tun, sondern mit rücksichtsloser Ausnutzung.

Übrigens waren die Muslime in der Schweiz damals erschreckend zurückhaltend, was die Kritik anging.
Das gilt bspw. für die besonnen Worte des Imam Youssef Ibram, dem man für seinen Aufruf zur Ruhe dankbar sein muss, die im Kontrast zu den vielen Stimmen islamischer Würdenträger und Geldgeber aus dem Ausland stehen. 
Generell aber stimme ich dem nicht zu. Weit weniger als befürchtet aber doch deutlich haben sich auch Stimmen dagegen erhoben, bereits im Vorfeld. Zudem gab es juristische Anstrengungen das Verbot aufzuheben, die keineswegs leise waren. Das diese nicht an die Unruhen von 2006 heranreichen ist wohlwollend festzustellen, aber das diese Meßlatte eigentlich schon im unerträglichen und nicht zu duldenden angelegt ist sollte ebenso vermerkt werden.

Das Du in Sachen Minarett bei deiner Meinung bleibst ist selbstredend Dein gutes Recht. Das Du dabei aber Symbolkraft und Hintergrund der Minarette gar nicht beachtest finde ich bedauerlich.

In Sachen Waffenhandel stimmen wir zumindest was die Verantwortung der Regierungen Deutschlands angeht teilweise überein, auch wenn ich daraus keine Generalverantwortung einer Partei ziehen kann. Immerhin gab es immer Versuche, dies zu verhindern.
Das die Definition eines Terroristen von der Perspektive abhängt bestreite ich. Terroristen definieren sich nunmal aus ihren Zielen, Absichten und Methoden. Die Verbreitung der Angst und die Nutzung von Gewalt gegen Zivilisten als legitimes Mittel sind nur zwei markante Merkmale. Das Israel bspw. per SMS und Massenmittleilungen versuchte, zivile Verluste im Kampf gegen Hamas und Hisbollah zu vermeiden erfüllt diese Merkmale nicht. Trotzdem werden sie von ihren Gegnern gerne als Terroristen bezeichnet. Selbst die Auseinandersetzung mit der "Gaza Hilfsflotte" sind, anders als Bombenattentate auf Mädchenschulen, eben nicht ohne Verhandlungen und den Versuch Gewalt zu meiden oder zu reduzieren abgelaufen. Derartige Bemühungen zu ignorieren oder zu vertuschen, das fällt unter Propaganda. 


Aber wärst Du weniger entsetzt, wenn eine liberale, nichtislamische Regierung in Ägypten oder der Türkei oder sonstwo am Kirchenbauverbot festhalten würde?
Keineswegs. Und bestimmte Gruppierungen kann man ja bereits jetzt dementsprechend identifizieren und ausschließen. Wer sich offen zum Bürgerkrieg oder zur Diskriminierung anderer bekennt, wer aus den historischen Erfahrungen bereits dementsprechend menschenverachtend gehandelt hat muss ausgeschlossen bleiben aus der Förderung. Auch ein ehrlicher Umgang mit Entwicklungen sollte klar sein. Obamas Initiative der offenen Hand verdiente es versucht zu werden. Sie krankt aber daran, dass sie offensichtliche Reaktionen ignorierte und trotz Gewalt, Unterdrückung und Extremismus keinerlei Konsequenzen irgendeiner Art zog. So erhält Mursi weiterhin Hilfen, obwohl auf der Strasse liberale und christliche Menschen unter Polizeischutz für die Täter abgeschlachtet werden. Einfach ist die Lösung sicher nicht, und es ist ein stets auf und ab zu erwarten. Viele Hoffnungen werden sicher auch enttäuscht werden. Aber darum geht es ja. Statt nur ein paar Anwärter zu haben die alle aus dem gleichen Holz geschnitzt sind kann man in der Masse des Volkes nach den "Richtigen" suchen. Und wenn man dann dem Volk Alternativen und Hoffnung bietet kann, wenn auch nicht muss, sich alles zum Guten entwickeln.
Dafür muss man aber Toleranz an der richtigen Stelle zeigen und Probleme offen ansprechen. Ein Schritt zurück kann mitunter sehr hilfreich sein, wenn daraus kein Rückzug wird.


Bei der CDU ist dieser Effekt fast nicht mehr da, und es gibt auch keine Pfarrer mehr, die zur Wahl der Union aufrufen in den Gottesdiensten an den Wahlsonntagen (jedenfalls hoffe ich das).
Der Hoffnung schließe ich mich an. Vermutlich aber aus anderen Gründen. Die Debatte um die Verstrickung der katholischen Kirche in die Nazizeit ist da ein erklärender Hintergrund. Schweigt die Kirche bei solchen Entwicklungen wird es ihr hinterher als Zustimmung ausgelegt, bevorzugt sie jemanden wird es ihr als Einmischung angerechnet. Dabei wird gerne behauptet, wegen des Konkordats wären die Nazis eng mit den Katholiken verbandelt gewesen. Dass ursprünglich die Exkommunikation bei NSDAP Mitgliedschaft verhängt wurde, dass vom Priester bis zum Nuntius die Geistlichen vor den Absichten der Nazis warnten, auch von der Kanzel, das ist heute so gut wie verdrängt (in der Pius XII. Biographie von Hesemann aber bspw. kurz umrissen). Auf nicht wenigen Blogs finden sich derzeit Kritiken darüber, dass die deutsche katholische Kirche sich bspw. in Sachen Lebensschutz massiv zurückhält.
Andersherum widerspricht diese Erfahrung sehr deiner These, dass religiöse Parteien es in ihren Ländern per se einfacher haben. Die NSDAP hat sich, ebenso wie die Kommunisten, von Anfang an feindlich gegenüber den Kirchen und Religionen gezeigt, und trotzdem wurden sie gewählt. Obwohl in Russland die Orthodoxie großen Einfluss hatten waren es die religionsfeindlichen Kommunisten die riesige Unterstützung erfuhren. Auch im Schah-Iran oder der Ataturk-Türkei kann man derartige Entwicklungen beobachten. Demokratische Politik kann durch Religion beeinflusst oder sogar dominiert werden, ein Muss ist das aber nicht.

Und auch aus Japan wurde eine Demokratie mit Menschenrechten, auch mit einer deutlich geringeren Christenrate als Ägypten heute.
Nur unter dem Einfluss massiver amerikanischer Präsenz. Die Öffnung nach der Isolationszeit und die Meji-Restauration sind eine Zeit großer Unruhen und zeigen deutlich die Unterschiede zu anderen Kulturen. Mit Menschenrechten war hier nichts anzufangen.
Ich verehre Japan sehr, aber die Gesellschaft hat noch heute eine ganze Reihe von Grundrechts- und Sozialproblemen, die uns gar nicht bewusst sind. Die hohe Selbstmordrate hat nicht nur traditionelle Ursachen sondern auch soziale. Noch in den 90ern gab es eine Analyse der Zeitschrift für politische Bildung, dass die Vergewaltigung von Schulmädchen in Japan geradezu usus war. Bestimmte Volksgruppen erleben tägliche Diskriminierung, etwa die Buraku-Angehörigen. Auch die Ainu können ein Lied davon singen, ebenso wie "Festlandjapaner".

Aber das Beispiel Bhutan zeigt, daß auch buddhistische Regierungen intolerant sein können, was die Religionsfreiheit angeht…
Der Dalai Lama, so sympathisch er rüberkommt und so wenige Proteste sein Besuch im hessischen Landtag kurz vor Papst Benedikts auslöste (honi soit...), so hat er vor kurzem erklärt, dass Mission Unrecht sei, die Konversion ein "No Go". Bhutan ist wirklich ein gutes Beispiel, gerade im Kontrast zum Buddhismus bspw. in Thailand.
Liegt das nun an Buddhisten und Muslimen, oder legt es an uns und daran, daß Gere eben Buddhist ist und nicht Muslim? Und daß der aktuelle Dalai Lama sympathischer rüberkommt als Bin Laden?
Ich denke es hat mehr mit den Taten eines Bin Laden und der Reaktionen der islamischen Welt zu tun als der Außenwirkung von Gere und Lama.

Eine Ergänzung habe ich noch: bei meiner Aufzählung der zu unterstützenden Kräfte habe ich weder Juden noch die griße Zahl anderer Religionsgruppen wie die Bahá’i erwähnt. Das es diesen meist noch viel schlechter ergeht als den Christen, so unglaublich das klingen mag, sollte auch benannt werden.