Montag, 3. Juni 2013

Bewundernswerte Türken

Was sich alles so in der Türkei oder von Seiten dieses Staates tut ist mir zumeist ein Dorn im Auge oder eine negative Entwicklung die mich beunruhigt.
Das war auch in letzter Zeit nicht großartig anders. Da war z.B. der von den Medien nahezu vollständig ignorierte Schulbuchskandal. Das türkische Konsulat hatte Türkischlehrer in NRW mit Schulbüchern ausgestattet, die laut verschiedenen Quellen rassistische, nationalistische und geschichtsklitternde Inhalte vermittelten. Ein Aufschrei oder Protest von Politik, Medien oder Gesellschaft blieb allerdings aus.
Die Universität Kirikkale und die Organisation "Glückliche Kinder" fanden in einer Studie heraus, dass die Mehrheit türkischer Männer, 62% laut ihrer Umfrage, Gewalt gegen Frauen normal empfinde, 28% als regelmäßige, 34 % als gelegentliche Notwendigkeit.
Wie jedes Jahr feierte auch dieses Mal die Türkei die blutige und religiös motivierte wie ausgeschlachtete Eroberung  Konstantinopels im Jahr 1453 durch Mehmet II. "Fatih", nach dem auch in Deutschland diverse Moscheen benannt wurden. (Randbemerkung: so ließ Mehmet II. nach der Eroberung verkünden, dass alle byzantinischen Adligen, die sich meldeten, ihre Positionen behalten könnten. Diejenigen, die dem Aufruf folgten ließ er mitsamt ihren Familien köpfen. Nach einigen Quellen ließ er dabei die Familienvorsteher und jungen Männer zusehen, bevor sie an der Reihe waren.)
Dabei äußerte dieses Jahr, bei der zu diesem Zeitpunkt stattfindenden Einweihung einer neuen Brücke über den Bosporus der türkische Premier Erdogan, dass die Eroberung ein "dunkles Kapitel" beendet habe und ein "Zeitalter der Erleuchtung begonnen hätte". Man stelle sich vor, er nannte die osmanische Eroberung einer Stadt und das Ende einer Kultur einen "großen Moment der Geschichte" und verband dies mit der Errichtung einer neuen Verbindung zweier Kontinente. Dazu äußert die Journalistin Anne-Catherine Simon:
Würde Österreich an jedem Jahrestag des Sieges über die Türken von 1683 hochoffiziell Aufzüge veranstalten und Feste feiern, wäre dem Land Europas Zorn gewiss und jener von Muslimen hierzulande wie in der Türkei sowieso, die Folgen wären wohl verheerend.
Und auch hier blieb der Aufschrei sonst völlig aus, die Meldung versickerte am Rande.

Diverse Äußerungen der letzten Zeit, bspw. des Vorsitzenden des türkischen Vereines in Deutschland, Kolat, waren z.T. einfach nur lächerlich und wurden dementsprechend auch von Menschen mit einem  "Migrationshintergrund" kommentiert.

Dann aber kamen die Proteste auf. Und es war nicht nur Erdogan, und die Polizei, welche mit erschreckender Brutalität dagegen vorgingen. Noch nahezu unbeachtet blieb ein Kuss-Protest in und bei der Istanbuler U-Bahn, die gerade "moralisches Verhalten" per Verordnung einforderte. Dabei wurden die protestierenden Küsser, nachdem die Polizei viel zu früh abgezogen war, von den Gegendemonstranten, darunter Leute der Regierungspartei AKP, attackiert und zum Teil mit Messerstichen verletzt.
Davor war es bereits zum 1. Mai zu schweren Auseinandersetzungen in Istanbul und anderen Städten zwischen Polizei und Demonstranten gekommen.
 Und mittlerweile tobt seit mehreren Tagen in Istanbul die Polizei sich aus gegen die Demonstranten, die schon längst nicht mehr wegen einem Park auf die Strasse gehen sondern gegen die Richtung, in die sich ihr Land bewegt. Dabei wurden bislang über 1000 Menschen festgenommen, ein Demonstrant wurde getötet. Die türkischen Medien weigerten sich zunächst, über die Proteste und die ausufernde Polizeigewalt zu berichten, bis die sozialen Netzwerke voll waren von Twitternachrichten, Youtubevideos, Facebookeinträgen usw. Erdogan äußerte sich dementsprechend ungehalten und diffamierend über eben diese Netzwerke und ist an der Eskalation alles andere als unschuldig. Er drohte mit einem Millionenmarsch gegen die Demonstranten und nannte sie "Feinde der Demokratie".

Währenddessen gehen die Menschen trotz der handfesten Aktionen, trotz der Festnahmen und trotz der mangelnden Unterstützung der Medien und der Politik auf die Strasse, setzen sich einer Gefahr aus. Das ist bewundernswert.
Ich lese und hoffe, dass es diesen Menschen um Freiheit und ein friedliches Miteinander geht. Wie jene zehntausende Demonstranten, die vor einem Jahr zum Jahrestag der Ermordung des Journalisten Dink auf die Strasse gingen. Hoffentlich stimmt das. Eine Kaperung der Proteste wie in Ägypten vor wenigen Jahren wäre fatal. Möge die Menschlichkeit, Freiheit, Selbstbestimmung siegen über Nationalismus, Egoismus, Fanatismus.
Viel Glück, alles Gute und den politischen Sieg wünsche ich den Demonstranten, die hinter diesen Werten stehen.


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