Donnerstag, 1. Dezember 2016

Maischberger, (Lügen)Presse und Hanfeld

Die deutschen Talkrunden und ihre Veranstalter sind für mich mittlerweile Orte des Abscheus geworden. Statt ein Thema dezidiert mit wirklichen Fachleuten und Betroffenen durchzuarbeiten, den Teilnehmern auch Unterlagen zum Quellenverweis und detaillierter Angaben zu erlauben wird i.d.R. eine Reihe von sog. Experten geladen, überraschend oft durch die öffentliche Hand genährt, dann gerne auch ein oder zwei Vertreter der "anderen Seite", also jener, die nicht mit dem Sender und den Moderatoren übereinstimmt, und dann wird alles durchgeplaudert, was sich auch nur irgendwie mit dem Titel der Sendung vereinbaren lässt.
Besonders bei der Trump-Sendung fiel es auf, als ausgerechnet LaFontaine (sic) der einzige war, der vor Pauschalisierung und dem als "Bashing" bezeichneten Schmähreden über Konservative, Trump und die Wähler der Republikaner warnte, während der Rest sich in einer Posse von Hillary-Jubel erging.
Nun kam die Gelegenheit sich intensiv mit einem der größten Probleme unserer gebildeten Gesellschaft auseinander zu setzen: der Vorwurf der voreingenommenen, geklitterten oder selbstzensierten Berichterstattung. Gleich vorweg: die Sendung war erbärmlich wie gehabt und ich bedauere jede investierte Minute, obwohl mit Vera Lengsfeld eine von mir sehr hoch gehaltene Dame dabei war.
Und jetzt wird es schon komplexer, denn über die Sendung zur Kritik an der Presse gibt es in der Presse natürlich Kritik, im Sinne einer Nachbesprechung. Und hier fiel mir jene der FAZ, verfasst von Michael Hanfeld auf. Vieles davon kann ich unterschreiben. Etwa wenn die Rolle bestimmter Teilnehmer beleuchtet wird. So fällt der ehemalige Nachrichtensprecher der ARD dem Busfahrer Radke immer wieder ins Wort - um auszuführen was dieser gerade sagte, aber natürlich in der Intention anders ausgelegt. Dies wirkt umso nerviger, als dass es bereits in den ersten Sätzen des rhetorisch wohl am wenigsten Erfahrenen in der Runde geschah, welche sich um Unterstellung und intentionelle Wortwahl der Medien drehten.
Erstaunlicherweise erhält Radke dann am meisten Redezeit zur Erklärung seiner Position. Einerseits natürlich ein scheinbarer Vorteil - andererseits aber auch frei genutzte Gelegenheit, ihm ins Wort zu fallen, dieses zu drehen oder Anschuldigungen zu drehen.
Der von Hanfeld als selbstkritisch gelobte Sascha Lobo springt prompt darauf an. "Sich als Opfer inszenieren" und "typisch für Rechte" sei das, was Radke da mache und er, Sascha RetterderMenschheit Lobo, müsse das "durchbrechen".
Hanfeld nennt diesen ersten Einsatz "Oberlehrerhaft". Er ist eher das, um was es eigentlich geht. Ein Medienschaffender, der viel für die Presse aktiv ist, generiert sich als moralische Instanz und diskutiert lieber einen Vorwurf der Emotion, statt sich um die genannten Fakten zu kümmern.
Und Hanfelds Kritik geht genau daran ebenfalls vorbei. Ja, er nennt den Mann, der vor ein paar Jahren als Heuchler entlarvt wurde, der Aufrichtigkeit und Grundrechte im Netz predigt, aber vor allem mit verlogener Werbung Geld verdiente (pries einen Telekomunikationsanbieter an, war aber bei einem völlig anderen; nutzt Geräte des größten Monopolisten Apple aber empörte sich über mediale Überwachung usw. usf.) und alle Kritik teilweise mit deutlichen Worten und ätzendem Sarkasmus zurück wies auch noch selbstkritisch...
Angesichts des angeführten Selbstlobes in der Sendung eher ein Beweis in der Sache. Sascha Lobo beschuldigt nach ca. 5 Minuten Redezeit Radke ein Rechter und ein Schauspieler zu sein aufgrund von Worten, die er teilweise nicht oder nur in Relationen genutzt hatte - um sich dann selbst für seine Haltung zu loben "(...) Und ich bin der erste der die Medien kritisiert Hab ich schon ganz oft gemacht, hab ich auf ganz vielen Plattformen gemacht(...)"
Lobo ereifert sich über das Wort "Lügenpresse" - und die Forderung Radkes dieses als "Schlagwort" zu sehen und "zu differenzieren". Dies sei "unverschämt".
Als wüsste Sascha Lobo nicht, was ein Schlagwort ist, ein Slogan. Aus der Werbung kommend, wo Sätze wie "Wir.dienen.Deutschland" oder "Make the world a better place" oder "Nichts ist unmöglich" keineswegs allgemeingültig das bedeuten sollen, was sie ad litteram, also wörtlich aussagen.
Niemand geht zu Toyota und will einen Panzer für 20€ mitnehmen - inklusive Winterketten...
Als eine mittlerweile aufgelöste Baumarktkette Rabatt auf alles ohne Kabel versprach, da war es lediglich ein Journalist der "investigativ" loszog, um in der jeweiligen Filiale ein Kabel von einem Gerät zu schneiden und dann die Ermäßigung zu verlangen.
Hanfeld aber nimmt das auf. Obwohl Radke gleich zu Beginn versucht zu erklären, dass aus seiner Sicht das Wort "Lügenpresse" eben nicht meint, dass jeder Artikel, jede Sendung und jeder Journalist bewusst Lügen würden, sondern sich viele verschiedene Ebenen und Zusammenhänge zu einer deutlichen und gefährlichen Tendenz in den Produkten unserer Medienlandschaft und der politischen Haltung wie Arbeitseinstellung verdichteten.

„Lügenpresse“ ist bekanntlich ein Kampfbegriff, mit dem nicht viel anzufangen ist. Er bedeutet, dass die Presse nichts als Lügen verbreite. Dabei schaut, wer von „der“ Presse als monolithischer Meinungsmaschine spricht, schon nicht so genau hin. Und den Beweis, dass alle Journalisten lügen, also vorsätzlich die Unwahrheit sagen, muss man auch erst einmal erbringen.
Und damit belegen sowohl Lobo als auch Hanfeld genau das, was so viele kritisieren. Sicher gibt es auch die Pauschalisierer und Extremdenker, die wirklich von einer Verschwörung ausgehen. Sei es von Links, seien es durch ihre antisemitische oder antiamerikanische Weltanschauung beförderte Verdächtigungen und von der eigenen Regierung.
Der Punkt aber ist: es wurde gerade in der ARD und bei den ÖR-Medien nachgewiesen, dass sie eine Tendenz zu überkritischer Berichterstattung in Richtung Russland haben (und ich bin nun wirklich kein Verteidiger Putins oder der "neuen" nationalen Richtung Russlands), selbst ein Intendant entschuldigte sich für die manipulierte Berichterstattung - nur um kurz darauf wieder im Pool derer zu sein, die zensierte Berichterstatung "zur Verhinderung von Fremdenfeindlichkeit" verteidigten.

Wenn Wortwahl thematisiert wurde - wo bleibt die sachliche Kritik an den Formulierungen "Südländer" und Codes wie "junge Männer" oder "Mann mit deutscher Staatsbürgerschaft" die dann in Fahndungsaufrufen gipfeln, die glatt die dunklere Hautfarbe des Gesuchten unterschlagen.
Das passierte in den letzten zwei Jahren nicht ein Mal in einer Zeitung. Es ist ein roter Faden, der sich durch unsere Medienlandschaft zieht. Bis hin zur Diskussion um eine Fahndung nach einem Vergewaltiger, über die in XY plötzlich nicht mehr berichtet werden sollte, weil der Täter ein Schwarzer ist. Oder die Verhinderung einer DNS Auswertung von Spuren in zwei grausamen Morden mit sexuellem Motiv in Hinsicht auf die Herkunft bzw. Ethnie - weil dies als rassistisch angesehen werden könnte - und von bestimmten Gruppen auch würde. Und diese Gruppen würden dafür keine solch kritische Stellungsnahme erhalten, wie bspw. Pegida oder die AfD.
Wird jeder Drohbrief an türkischstämmige SPD Politiker oder an Vorsitzende der Grüne in den Medien als Beispiel der drohenden Nazi-Gewalt auf den Strassen inszeniert, so sind die unzähligen Angriffe auf die AfD oder die Polizei bis dato bestenfalls Beispiele für "eine allgemeine Tendenz".
Was uns dann wieder zurück zur "pressekritischen Sendung" und ihrer Kritik bringt.
Hanfeld fordert die beiden Vertreter der Kritiker auf, Beispiele für ihren "Vorwurf der Pauschalisierung" gegenüber bestimmten Parteien bzw. Gruppierungen etc. vorzubringen. Genau das aber geschah in der Sendung. Radke, wie gesagt, nicht der geborene oder ausgebildete Diskussionsführer, erklärte Eingangs, wie aus der Handlung eines Einzelnen (Galgen für Gabriel) durch geschickte mediale Inszenierung (aus einem aus der Distanz kaum sichtbaren Minigalgen wurde durch Winkelwahl ein riesiges Instrument) und eben besagter Pauschalisierung ein Bild gezeichnet wurde, dass Pegida zur Mistgabel schwingenden Meute machte. Während die vollendeten physischen Angriffe AUF Pegida-Teilnehmer und ihre Besitztümer bis heute nahezu gar nicht berichtet werden.
Lengsfeld berichtete von einem alten Fall. Ein sächsischer Ort, der auch heute wieder unfairer Berichterstattung ausgesetzt ist, wurde durch die gesammelte Presse als fremdenfeindlich abgestempelt, weil die erfundendene und mittels Bestechung (moralisch wie fiskal) und Erpressung  unterfütterte Behauptung, ein krankes Kind sei von einer Meute xenophober Einwohner misshandelt und ertränkt worden. Die Untersuchungen stellten die Lügen bloß und retteten einige Unschuldige vor vielen Jahren in Haft, nicht aber vor der vorhergehenden Bloßstellung und der Untersuchungshaft - ein Vorgang der bis heute für die Presse keine personellen oder finanziellen Konsequenzen hatte.
Dieses Beispiel liegt aber schon über ein Jahrzehnt zurück. Aktueller sind die pauschalen Vorwürfe, Sachsen sei rechtsradikal. Obwohl es sich in vielen Orten dieses Bundesland völlig anders darstellt. So etwa in Leipzig, wo Polizeistationen, Beamte und öffentliche Einrichtungen regelmäßig massiv angegriffen und geschädigt werden.
Solcherlei führten die beiden sehr wohl als Belege an - allein, es fehlt der Wille, im Studio wie bei Hanfeld darüber sachlich und anhand von Fakten und Daten zu diskutieren.

Was von der Sendung wie von der Kritik bleibt ist ein treffender Abschluß des Artikels selbst.
Loriot hätte so etwas nicht besser inszenieren können. Ein Paradebeispiel für Realsatire, in der sich jeder durch sein Auftreten selbst widerlegt. Soviel Bretter vor dem Kopf muss man erst einmal haben.

Gratuliere Herr Hanfeld, das trifft den Nagel auf den Kopf. Und wenn Sie sich wundern, warum ich denke, dass es auch Sie betrifft: der Nagel steckt auch in dem Brett vor Ihrem Kopf.

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