Freitag, 12. April 2013

Ein weiterer Gerichtsprozess...

Savita Halappanavar
beginnt nun die Medien zu beschäftigen. Eigentlich ja ein "inquest", also eine Untersuchung durch das Gericht bzw. die Beauftragten, aber de facto wird es aufgezogen wie eine Verhandlung.
Es geht um den Fall der letztes Jahr in Irland verstorbenen Inderin Savita Halappanavar.
Die Welt berichtet jetzt über den begonnen Prozess, in dem zu klären sei, ob die Ärzte gegen irisches Gesetz verstoßen hätten. Natürlich und nicht zu Unrecht weist die Presse auf die katholische Herkunft der irischen Gesetze hin. Was unsere Presse aber berichtet sind bestenfalls kleine Happen vom Buffet der Informationen und ihrer möglichen Interpretationen. Das mag diesmal daran liegen, dass auch die englischsprachige Presse im Überblick sehr einseitig berichtet, aber eigentlich würde auch dies darauf hinauslaufen, dass unsere Journalisten ihren Job nicht machen.
Unsere Medien jedenfalls kolportieren folgende Geschichte:
Savita Halappanavar kam mit Schmerzen ins Krankenhaus, wurde von dort mit Schmerzmitteln nach Hause geschickt, kam aber kurz darauf erneut. Ab ungefähr diesem Zeitpunkt forderte das Ehepaar Halappanavar aufgrund der Diagnose einer Fehlgeburt die Abtreibung, um das Leid zu beenden. Es wurde ihnen mit Hinweis auf die katholische Identität Irlands und den Lebensschutz für Ungeborene verweigert, woraufhin sich die Lage der jungen Frau zu Beginn des dritten Tages dramatisch verschlechterte, sie noch ihr totes Kind zur Welt brachte und kurz darauf an Sepsis, also Blutvergiftung die sie von ihrem toten Kind erhalten habe verstarb.
Der Fall war klar, kurz nachdem die Frau verstarb wurden Rundmails verschickt die zu Demonstrationen gegen das Gesetz (und natürlich die katholische Konfession) aufriefen.
Dabei bleibt auch mehr oder minder die Welt, die von der Aussage des Witwers berichtet und ausführlich zitiert, wie mies nach dessen Erinnerung sich das Personal benommen habe. Der Hinweis, seine Frau und er seien Hindus und keine irischen Staatsbürger deutet auch hier an, worum es geht.
Wer sich dementsprechend die Kommentare unter dem Artikel durchliest erhält das erwartete: die katholische Kirche sei schuld, Religion (zumindest die christliche) Gehöre ins Mittelalter und der Staat sei viel zu sehr verquickt mit den Kirchen (inklusive dem deutsche Staat).

An der Stelle muss ich sagen: ich bin es leid wie schlampig unsere heutigen Journalisten arbeiten. Wie wenig Recherche sie offensichtlich betreiben. Welchen Stil sie pflegen und wie ihre An- und Weltsicht die Artikel faktenresistent färbt. Und noch viel schlimmer finde ich, wie dankbar manches Volk solche "Berichte" aufnimmt.

Nimmt man sich nämlich mal 15 Minuten Zeit und liest nach, was sonst so an Infos zu erhalten ist, kommt man auf ein erstaunlich anderes Bild. Eigentlich ist es gar nicht so erstaunlich, denn wie viele Ärzte haben sich zur Behandlung anhand der Daten kundig gemacht und dann geäußert? Wenige. Der Rest der sich äußerte und zum Schluss kam: "wegen verweigerter Abtreibung starb sie" ist mit dem heutigen Minimum medizinischer Kenntnisse unterwegs. Und wer jemals die "Dr. Sommer" oder "Gutefrage.net" Einsendungen zur Sexualität gelesen hat ahnt, wie weit es damit her ist.
Eine der wenigen Fachfrauen die sich äußerte war die Gynäkologin Dr. Jen Gunter auf ihrem Blog. Obwohl sie keinerlei Daten zur Verfügung hatte als jene, die sie aus den Medien erhielt, beschäftigte sie sich mit dem Fall und kam zu offenen Fragen, die erstmal beantwortet werden müssten, bevor man genaueres Aussagen konnte. Diese gehören vor allem dem medizinischen Aspekt, in welchem geklärt werden müsste, ob Behandlungsfehler bspw. in der Diagnose, dem Erkennen der vorliegenden Erkrankungen bzw. Komplikationen, vorlagen.
Also Fragen wie: wurde korrekt erkannt, welche Ursachen die Probleme der Schwangeren haben? Wurde die korrekte Behandlung gewählt? Wurden die Informationen korrekt weitergegeben und verstanden?
Von all diesen Fragen lesen wir in der deutschen Presse nichts und auch die Öffentlich-Rechtlichen schweigen lieber dazu. Ihr Bild lautet: die Ärzte wussten, dass nur eine sofortige Abtreibung hilft und haben sie wegen wegen den Katholiken verweigern müssen.
Im Artikel der Welt klingt es so, als habe man dies dem Ehemann und der Schwangeren ins Gesicht gesagt. Auch dazu könnten unsere Journalisten die bereits abgegebenen Statements der Beschuldigten veröffentlichen. Tun sie aber nicht.
Dr. Katherine Astbury
Ann Maria Burke war die Hebamme, von der jener Hindu zu hören bekam, das es sich um "ein katholisches Ding" handelte. Sie gestand dies ein und erklärte, wieso sie dies sagte und wie sie es meinte. Der Witwer behauptet, auch die behandelnde Ärztin Dr. Katherine Astbury hätte so etwas zu ihm gesagt, diese jedoch leugnet eine solche Äußerung. Allerdings gesteht sie ein, die Unklarheit im
Gesetz thematisiert zu haben. Dabei bezieht sie sich auf den Abschnitt des Gesetzes der besagt:
The State acknowledges the right to life of the unborn and, with due regard to the equal right to life of the mother, guarantees in its laws to respect, and, as far as practicable, by its laws to defend and vindicate that right.
Sehr verklausuliert wird darin das Recht auf Leben des Ungeborenen verteidigt, aber eben auch das Recht der Mutter auf den gleichen Schutz. De facto heisst dies, dass die Mutter bei Lebensgefahr zu retten ist, auch wenn dies die Abtreibung bedeutet. Diese Interpretation wird eben gerade durch die katholische Stellungsnahme klar. Anläßlich der Unruhen formulierten es die irischen Bischöfe auch nochmal deutlich: Irish bishops: doctors must try to save mother even if child may die as a result.
Die Medienleute sollten dies eigentlich wissen, war es doch 2009 bereits thematisiert und ihnen erklärt worden. Aber entweder wollten sie es nicht mehr wissen oder hatten nie wirklich zugehört.
Ebensowenig wie ihre Stellungnahme zu ihrer Einschätzung der gesundheitlichen Situation ihrer Patientin.
She said that at the time of the request, Savita Halappanavar was well and a termination was not permitted because of a diagnosis of poor foetal prognosis.
Wie man aus den Analysen von Dr. Jen Gunter lesen kann, gab es da scheinbar schon Anzeichen, dass dem nicht so war.
Aber auch die anderen Beteiligten haben zum Teil bereits ausgesagt, unbeachtet von der "Welt". 
Darunter fallen die Aussagen von Dr. Ikechukwu Uzockwu sowie der Hebamme Miriam Dunleavy. Beide berichten von Kommunikations-, Behandlungsfehlern bzw. -schwierigkeiten. Dafür sprechen auch die Indizien, welche die BBC meldet.
It is known that blood tests were carried out on the day of admission; the results of which showed an elevated white cell count, a signal of suspected blood poisoning.
Those tests, it is suggested, were not followed up and there appears to have been confusion among staff as to who was responsible.
There also appears to be no record of her pulse, temperature and blood pressure being taken to test for possible infection on the Monday after her admission.

Dazu kommen die Meldungen, dass die Todesursache letztlich eine Infektion durch/mit/wegen (...) Escheria coli ESBL-Bakterien, einer durch Antiobiotika nicht zu behandelnden Art, war. Woher diese kommen, ob sie schon vor Einlieferung da waren (und somit keine Behandlung hätte helfen können) vermögen nur die Fachleute zu sagen, die, wie erwähnt, kaum gehört werden.


Fakt ist aber, dass Irland eine der weltweit niedrigsten Schwangerensterblichkeit vorweisen kann. Woran das liegt? Medizinischer Vorsprung, besondere Verhältnisse, Abtreibungsverbot...das konnte ich bislang nicht herausfinden. Habe aber eine Vermutung...
 Demzufolge würden jene Menschen, die für eine Änderung der Gesetze in Irland auf die Strassen gehen und in die Tasten hauen nicht nur für die Tötung von tausenden Ungeborener sondern auch für eine Erhöhung der Schwangerensterblichkeit demonstrieren.
Vielleicht liege ich ja mit meiner Vermutung falsch, aber allein die Möglichkeit sollte jedem, der wirklich Menschenleben retten und nicht auslöschen will zumindest zum abwarten der Ergebnisse bewegen.
Daran sind die Medien zu einem großen Teil mitschuldig. Die Berichterstattung ist wenig informativ, die Recherche praktisch nicht vorhanden. Die Absichten sind leicht herauszulesen, der präsentierte Sündenbock mit Leichtigkeit anhand von Fakten zu entlasten.

Aber viele in Europa wollen es genau so haben. Denn hierbei geht es auch um Vorurteile, um eigene Überzeugung und eigene Religion, selbst wenn man es nicht so nennt.


Randnotiz: Und die mangelnde Bildung macht sich durch einen immer wiederkehrenden Leserverweis bemerkbar. Er lautet "die Ärzte haben nicht den Katholiken sondern dem hypokratischen Eid zu folgen."  Dort aber heisst es:
Ich werde keiner Frau die Mittel für eine Abtreibung geben.


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