Freitag, 24. Juni 2016

Brexit - Seh ich über jede Schwelle doch schon Wasserströme laufen

Der Zauberlehrling Goethes glaubt, mit den ihm zur Verfügung stehenden Fähigkeiten seine Arbeit schneller und besser erledigen zu können und beschwört Mächte. Die machen zu Beginn ihre Arbeit, schnell aber machen sie die Lage schlimmer und schlimmer. Egal was der Lehrling versucht, er wird der Lage nicht mehr Herr, macht sie nur noch schlimmer.
Die EU kann man in diesem Licht sehen. Geschaffen mit guten und hehren Zielen auf der Basis einer wahrhaft noblen Idee. Die Vereinigung der Völker Europas. Das dabei riesige, sich selbst verwaltende und Unsummen verschlingende Strukturen geschaffen wurden, ein Verwaltungs- und Bestimmungswahn einsetzte war zwar ein Wasserschwall, der die Bevölkerung in Unmut versetzte und in den letzten Jahren auch ein paar halbherzige Versuche zur Abstellung dieser Probleme beschwor, aber mehr eben nicht.
Spätestens mit dem Debakel in Griechenland (welches zwar noch immer andauert, aber irgendwie keine Aufmerksamkeit mehr findet), deutlich spürbaren Terror in Europa und der Flüchtlingskrise aber, mit dem damit verbundenen politischen Rechtsruck verschiedener Länder und den daraus erfolgenden Beleidigungen und offenen Drohungen aus Brüssel wird aus Unmut Wut und Verzweiflung. Ja, sogar Panik.
Die politischen Führer, Cameron, Hollande, Merkel, Juncker usw. reagieren ähnlich wie der Schüler des Zauberers. Scheinbar ohne nachzudenken wird gesprochen und gehandelt. Die eigene Bevölkerung wird ebenso beschimpft (auch wenn mancher dies nicht wahrhaben will oder kritische Stimmen gleich pauschal aburteilt), wie jenen Regierungen der neuen politischen Bewegung sofort antidemokratisches Verhalten vorgeworfen wird.
Bestes Beispiel ist unser Verhalten gegenüber Polen. Während unsere Medien fast unisono berichten (oder eben auch nicht), Meldungen und Wortwahl sich oft verblüffend gleichen, ÖR-Sender sogar Wahlkampfdebatten sich in ihrer Zusammensetzung von Politikern (oder besser, ihren Chefs und Ministerpräsidentinnen) bestimmen lassen, Publizisten wie Broder von Politikern wie Roth aus Talkshows ausgeladen werden und Publikationen in Opposition zu ihrer Politik von "nicht hilfreich" bis "Hetze" öffentlich bewerten, während ein nicht unerheblicher Teil unseres öffentlichen Lebens immer deutlicher kontrolliert und moralisch bewertet wird, protestieren unsere "gewählten" Vertreter gegen das neue polnische Mediengesetz, weil dies der Regierung zu viel Einfluß auf die (öffentlich-rechtlichen) Medien in ihrem Land in die Hand gäbe.

In England, nicht in Großbritannien, wie der Begriff "Brexit" impliziert, ist diese Haltung nun belohnt worden. Die Menschen haben Angst. Wirtschaftlich aber auch rein existenziell. Das Land hat eine Reihe von Skandalen hinter sich, in denen Migranten aber auch die "Machthaber" eine bedeutende Rolle spielten und Vertuschung die Sache noch weiter verschlimmerte. Als Beispiele seien die Vergewaltigungs- und Missbrauchskandale durch muslimische Männerbanden und Medienschaffende der BBC genannt. Beide wurden gedeckt. Die einen von Lokalpolitikern und Polizei im Namen "höherer Werte", die anderen durch Beteiligung und Beziehung zu ranghohen Persönlichkeiten der Politik und Medienwelt.
Die Debatte kurz vor dem Ausstieg hat diesen Eindruck des Landeszustandes wohl verfestigt. So urteilte ein Mann mit pakistanischem Migrationshintergrund nach einer "townhall" Debatte (ein Format, bei dem sich ein Politiker einer Gruppe von Menschen verschiedenster politischer Haltungen stellt) mit Cameron, dass seine bisherige offene Haltung verkehrt gewesen sei, und nun, zur Erhaltung der Werte und der Kultur, die Grenzen erstmal eine Weile dicht gemacht werden müssten - wegen der ausweichenden und teilweise missachtenden Antwort Camerons auf seine Frage.
Nochmal: ein Unterstützer Camerons wurde durch eine eigentlich zuspielende Frage bzw. deren mangelhafter Beantwortung zum Gegner.

Wen wundert da die heutige Lage und das Wahlergebnis wirklich?
Die Frage lautet nun, fließt das Wasser weiter? Deutschland hatte nach dem Atomausstieg nach Fukushima gehofft, das eigene Handeln werde Vorbild für den Rest der Welt werden. Mit gegenteiligem Erfolg. Frankreich und andere Länder investieren wieder mehr in Atomkraft, uralte Meiler die schon längst hätten vom Netz gehen sollen bleiben wegen des gestiegenen Bedarfs, der besseren Einkünfte am Netz.
Der Ausstieg Britanniens hingegen (den Schotten und Nordiren nicht mitverantworten) könnte genau der Zauberspruch gewesen sein, der die Dämme ansticht und damit zum brechen verurteilt.
England war eine der Zahlernationen in der EU. Wirtschaftlich gut positioniert trug sie zur finanziellen Stabilität bei. Angesichts der Lage in Irland, Portugal, Spanien, Italien und natürlich vor allem Griechenland ein wichtiges Gegengewicht.
Die nun entstehende Lücke werden Länder wie die Niederlande, Belgien, Schweden, Dänemark und natürlich Deutschland ausfüllen müssen. Das dürfte den Kritikern in diesen Ländern neuen Zulauf bescheren und nebenbei die Struktur der EU selbst belasten.
Auch hat die Bevölkerung anderer Länder nun ein Beispiel bekommen, was Demokratie bedeutet: die Stimme des Volkes anzuhören. Zu fragen: was wollt Ihr, deren Vertreter wir sind?
Ich bin jedenfalls gespannt, ob weitere Länder folgen in der Abstimmung über den Verbleib in der EU.
Falls ja, wage ich zu orakeln. Mehr Austritte werden erfolgen und das leider völlig verkorkste Gebilde EU fällt erst sehr langsam und dann sehr plötzlich zusammen. So schlimm und gefährlich dies sein kann - ein Neuanfang könnte auch die Chance beinhalten, es besser zu machen. Erst einmal die Nationen zu vereinen, bevor man sich in gegenseitige Verpflichtungen und einen unüberschaubaren, durch und durch bürokratischen Dschungel begibt.
Ich glaube jedoch nicht, dass solch ein Neuanfang mit den momentan Regierenden möglich wäre. Cameron hat scheinbar den gleichen Gedanken.

2 Kommentare:

  1. In der Tat schwer zu orakeln, was das bringt, die Hoffnung, das der Zentraltechnokratismus stirbt um Platz für eine echte Gemeinschaft der Menschen zu schaffen, kann man haben.

    Also her mit dem Apfelbäumchen...

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    1. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wobei mir der Apfelbaum als geflügeltes Wort besser gefällt :)

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