Dienstag, 11. März 2014

Gender, Schulen, Bücher und Filme

Es geht ja seit Monaten rund um eine Minderheit (darf man das so überhaupt noch schreiben oder ist das gleich wieder erniedrigend?) in den Medien und der Gesellschaft. Waren die Millionendemonstrationen in Frankreich letztes Jahr nur in den Medien zu finden, wenn es an ihren Rändern zu handfesten Auseinandersetzungen kam, so ist auch dieses Jahr nicht viel von den Vorgängen im Nachbarland zu hören, wenn es nicht zur Schande der von Medien und Politik kritisierten Seite gereicht.
Vorweg eine Vergleichsmöglichkeit: letztes Jahr im Oktober kam es in einigen Orten Frankreichs zu Protesten durch "Schüler", weil die 15jährige Leonarda aus dem Schulbus abgeholt und mit ihrer Familie nach abgelehntem Asylantrag in den Kosovo abgeschoben wurde. Was dann an vielen Orten eskalierte nannten die meisten Zeitungen und Magazine "Schülerprotest" und "Aktionen für Asylsuchende Mitschüler". Der Spiegel titelte denn auch "Schülerproteste gegen Abschiebung weiten sich aus".
Bild des Spiegel online
Das dabei online gezeigte Bild offenbart bereits, wie nahe oder fern diese Überschrift und die folgende Beschreibung der Realität wirklich kommt. Die zumeist jungen Männer haben sich zu einem großen Teil bereits vermummt - etwas, das bei den Protesten der von den Medien weniger freundlich umschriebenen Demonstrationen den meisten Teilnehmern gar nicht möglich gewesen wäre.


Wer sich jetzt die obligatorische Mühe der zwei-Minuten-Recherche macht stößt auf ein anderes Bild des gleichen Fotographen, kurz vor oder nach besagtem Bild.
Bild der Basellandschaftlichen Zeitung

 Der gleiche junge Mann, der zuvor scheinbar von brutalen Polizisten attackiert verängstigt zurückzuweichen scheint, also der "Schüler" der sich "gegen Abschiebung" einsetzt attackiert hier entschlossen den Beamten direkt vor sich. In unseren Medien wurde erwartungsgemäß kaum etwas von der Gewalt vermeldet obwohl fast sämtliche großen Zeitungen über die von den Schülervertretungen mit insgesamt ca. 24 000 Teilnehmern bezifferten Proteste, berichteten. Französische Medien gaben Bericht über vereinzelte Ausschreitungen.
 Die Polizei ging von der Hälfte jener Teilnahmerzahl aus. Diese Proteste und die Berichterstattung veranlassten den französischen Innenminister dazu, seinen Urlaub abzubrechen und Präsident Hollande schließlich dazu, der Kosovarin Leonarda (15) ein Bleiberecht anzubieten, allerdings nur ihr - was sie ausschlug. Das Angebot sorgte für weitere Demonstrationen und Proteste - so schrieben die Zeitungen, jedoch nicht mehr "in der Dimension" der vorhergehenden Aktionen.

Halten wir fest: der von der Justiz geregelte Ablauf der Prüfung eines Asylantrages, seine Ablehnung und die unsensibel durchgeführte Abschiebung führten zu "Massenprotesten" von ca. 20 000 Menschen, was eine Menge Bewegung und Entschuldigung in die Sache brachte.

Die Manif pour tous Bewegung brachte Millionen Menschen wiederholt auf die Strasse und in den verschiedensten Positionen zum streiken. So etwa auch fast die Hälfte der Bürgermeister dieses doch recht umfangreichen Landes. Diese verweigerten die Ausführung der neuen Direktive und wurden per Gerichtsbeschluss gezwungen. Letzteres meldete dann auch wieder unsere Presse - natürlich ohne den Umfang des Widerstandes zu berichten oder auf Kategorisierung zu verzichten. Und auch die Dimension der Manif Bewegung wurde kleingeredet oder gleich ganz unterschlagen.

Dafür findet unsere angebliche vierte Gewalt bei einem damit verbundenen Thema wieder klare Worte. Beim Gender-Thema und der "sexuellen Aufklärung" gibt es sie wieder, die Gesellschafts- und Menschenfeinde.
So titelte die WELT:
Ein Gender-Gespenst geht um in Frankreich: Katholische und muslimische Extremisten fordern die Reinigung der Kinderbibliotheken von Büchern, die ihren Vorstellungen von Moral nicht entsprechen.
Vorstellung
Die Sprache ist eindeutig, Extremisten fordern "Reinigung". Wer muss da nicht sofort an Menschenmengen mit Fackeln denkt, die nach Anbruch der Dunkelheit Bücher ins Feuer werfen, weil sie von bestimmten Menschen oder von Menschen mit einer bestimmten Haltung geschrieben wurden? Und wenn von "stürmen" die Rede ist sehen wir Horden von Barbaren, die in die heiligen Hallen gesammelter Schriftwerke drängen, über Tische, Bänke und Sicherheitspersonal hinweg, um
grobschlächtig Mengen von gebundenem Papier auf die Strasse zu karren.
Dabei gehen französische Berichte mindestens ebenso weit. Der "Neue Beobachter" (Le Nouvel Observateur) titelt seine Version der Berichterstattung mit dem Begriff, die Bewegung "attackiere" Bibliotheken und leitet den Artikel mit "Der Kreuzzug geht weiter" ein. Schwertschwingende Mänerhorden aus dem Mittelalter bedrohen das Licht der Zivilisation.
Realer Protest
Ein Körnchen Wahrheit ist da wohl auch dran. Es sind tatsächlich Aktivisten in die Bibliotheken gegangen. Gegangen. Nicht an einer einzigen Stelle wird von aufgebrochenen Türen, überwundenen Barrikaden oder niedergeschlagenem Personal gesprochen, dass man den Begriff "Sturm" verwenden dürfte. Diese Aktivisten gingen dann vor allem durch die Kinderabteilungen und sahen sich an, welche Bücher dort den Kindern zur Verfügung stehen. Entdeckten sie dabei Bücher der Gender-Theorie / -Ideologie forderten sie deren Ausschluss. Dieser Vorgang reicht, um diese Menschen als Radikale, Extremisten, "Erz-konservativ" und einiges mehr abzustempeln.
Die französischen Zeitungen machen sich mitunter wenigstens die Mühe, sich mal anzusehen, um was geht. Der Fiagro listet fünf Bücher auf der Rauswurfliste der "Printemps" Bewegung auf und stellt sie vor.
Umgang mit den Protestierenden
Papa porte une robe, "Papa trägt ein Kleid" ist eines der Bücher, um die es geht.  In dem Buch geht es um einen Vater, der sein Kind durch bestimmte Umstände in einem Kleid abholt und dafür Spott erntet. Damit sollen Konventionen und Geschlechterrollen in Frage gestellt werden, so schreibt es die französische Schulkomission.
 Ins gleiche Horn bläst das Buch dînette dans le tractopelle, "Essecke im Bagger". Hier soll anhand der Geschichte der Puppe Annabelle und der Actionfigur Grande Jim ebenfalls die Geschlechterspezifizierung aufgehoben werden. Jim liebt es mit Teeservice zu spielen, Annabelle würde gerne Bagger fahren. Da aber Jungs- und Mädchenspielzeug durch die Farben blau und rot getrennt sind muss erst einiges passieren, bis am Ende alles lila ist und alle glücklich.
Nicht erst seit der Sendung "Gehirnwäsche" von Harald Eia weiß man, dass es hier um mehr geht als nur Erziehung und die Genderforschung und somit auch solche Bücher da deutlich über das Ziel, Anerkennung der Ausnahmen, hinausschießen.
 Da wäre auch das Buch "Das Kitzeln". Die Zeichnungen dieses Buches zeigen, wie sich die offensichtlich noch vorpubertären Geschwister Kitzeln, dabei entkleiden und die wie Schwester zum Schluss das Ohr ihres Bruder leckt, während sie seinen Po berührt und beide unter der Decke verschwinden.
 Diverse Zeitungen und Fachleute haben sich darüber schon geäußert (in Frankreich...). Es geht dabei meist darum, dass Erwachsene Sexualität auf diese Bilder projezieren und damit etwas tun, was dem Zielpublikum, den Kindern, nicht möglich ist. Ob das so stimmt, wage ich nicht zu beurteilen. Das dieses Buch bei Erwachsenen aber durchaus bestimmte Assoziationen weckt steht wohl außer Frage. Schon allein darum ist es verständlich, wenn Menschen das Buch als ungeeignet empfinden ohne diese Menschen darum sofort als "Extremisten" abzustempeln.

In einem weiteren Beitrag werden andere Bücher genannt. So etwa Mademoiselle Zazie a-t-elle un zizi? "Hat Fräulein Zazie einen Pillermann?" und Tango a deux papas, "Tango hat zwei Papas".
Ich denke, die Titel besagen alles über den Inhalt. Französische Zeitungen nennen oft den Blog "Der Beige Salons" als einen der Verbreiter des Protests mit der Folge, dass dieser zuletzt am 4. März einen Gerichtstermin zu bestehen hatte.
Vorausgegangen ist bereits der Protest an den Schulen. Über Wochen und Monate haben Eltern ihre Kinder immer wieder kurzzeitig vom Schulbesuch ferngehalten, um gegen Gender-Lehren in der Schule zu demonstrieren, die bereits ab der Grundschule im Programm "ABC der Gleichheit" vermittelt werden sollte. Der Protest an den Schulen war auch durch die Kritik an dem Buch Tous a poil, "Alle nackt" ausgelöst worden, welches in den Unterricht der ersten Klassen einbezogen wurde. Die Regierung hatte mit der Einbestellung der Eltern reagiert und weitere Maßnahmen angedroht. In den Medien wurde immer wieder Entsetzen über diese "Extremisten" geäußert und das deren nächste Aktion wohl eine öffentliche Bücherverbrennung sein werde.

Für mich ist diese Gleichsetzung eines Protestes sowie der Forderung die Bücher nicht in öffentlichen Einrichtungen einzusetzen mit Bücherverbrennung und dem damit assoziierten System eine Scheinheiligkeit sondergleichen.
Hier in Deutschland ist es noch nicht lange her, dass Bücher "bereinigt" wurden, und zwar von eben jenen Kräften, die jetzt am lautesten beschuldigen Nazimethoden anzuwenden, und dafür selbst in Bibliotheken gingen um dort zu prüfen, welche Version dort steht. Da ging es um bestimmte Worte, die nicht mehr benutzt werden sollten und selbst 60 Jahre alte Bücher wurden von ihren Verlagen umgekrempelt, um nur ja kein politisch unkorrektes Wort darin zu lassen.
Unliebsame Bücher werden boykottiert, bei amazon aus dem Sortiment geschmissen und Diskussionspodien verhindert. Im schlimmsten Fall werden ganze Ausstellungen vandalisiert und ausgeraubt.
Es sind zudem die gleichen Kreise, die vor einer Ideologisierung der Kinder warnen, darum vom Religionsunterricht bis zum Besuch der Bundeswehr an Schulen alles verhindern und verbieten, die hier vom Kleinkindalter an sexualisiert werden sollen und jeden Protest dagegen als Protest gegen Sexualkundeunterricht darstellen möchten.
Auch in Frankreich ist der Umgang mit der Bewegung politisch motiviert sehr schlecht. So wurde eine junge Russin von der Polizei erpresst (man stelle sich den Aufschrei vor, wenn dies andersherum wäre), um die Manif-Bewegung auszuspionieren. Die junge Frau fand dank der Menschen in der Bewegung selbst den Mut, dies öffentlich zu machen.

Bei uns hat die Sache scheinbar besser geklappt. Längst sind die bescheuertsten Abscheulichkeiten Alltag und werden ohne Rücksicht und mittels Staatsgewalt selbst gegen Schwangere durchgesetzt. Und das Kinder kollabieren und im Krankenhaus behandelt werden müssen wird dann als "eigentlich nichts passiert" bezeichnet. Wie es besser ginge macht Miriam Hollstein in ihrem Artikel in der WELT deutlich.
Es ist in jedem Fall kein Zeichen von Anerkennung des Anderen, wenn dieser einfach übergebügelt, schlechtmöglichst kategorisiert und dann ignoriert wird, selbst wenn diejenigen um die es geht kollabieren.
Und nochmal für alle: Es geht nicht darum Sexualkunde abzuschaffen, es geht um das rechte Maß und die dahinterstehende Absicht.

UPDATE: gerade einen Artikel gefunden, das es Baden-Würtemberg pläne gibt, die Sache noch zu "radikalisieren". Diesmal sind Kindergartenkinder und die Programmierung des Geschlechtes (möglichst passend für "Organisationen und Unternehmen") vorgesehen...

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