Montag, 28. März 2016

Journalisten von zeitversetzten Verlusten überrascht

Es gibt so ein paar Dinge, an die man sich so sehr gewöhnt hat, dass nicht mehr darüber nachgedacht wird. Dazu gehört bspw. das technische Überlegenheitsgefühl. Was können wir nicht alles, was haben wir nicht alles, was haben wir nicht alles erreicht. Wir. Naja, eigentlich nicht wir, sondern einzelne Personen die oft aus bestimmten Berufsgruppen stammen. Penicilin? Ein Bakteriologe bzw. Mediziner. Der erste Computer? Ein Ingenieur usw. Machen Sie mal den Selbsttest - könnten Sie die Gegenstände, die Sie täglich nutzen, also Handy, Ofen, Mikrowelle, Auto, S-Bahn, Sicherungskasten (ja, den brauchen Sie täglich) selbst bauen und reparieren? Ich persönlich verstehe bis heute nicht, warum ich auf einer Seite in eine nicht gespannte Schnur hineinreden kann und hunderte von km entfernt versteht ein anderer Mensch nicht nur jedes Wort sondern auch den Klang meiner Stimme und der Emotionen darin.
 Weniger technisch ist aber der Zusammenhang zwischen Leben und Tod. So sind die Meldungen über Opferzahlen kurz nach den jeweiligen Anschlägen lediglich Aufnahmen des Momentes. Als nach dem Novemberanschlag in Paris hunderte von Menschen verletzt eingeliefert wurden, bemühten sich die offiziellen Stellen und Medien die Zahl der Toten nicht zu dramatisieren. Sachlich und ruhig wurde berichtet, dass die meisten Opfer in der Musikhalle Bataclan gestorben seien, hingerichtet. Auf den Strassen war ein Fluchtversuch drin, und darum die fatalen Zahlen weit geringer... Insgesamt also 130 wurden umgebracht und 352 verletzt. Was allerdings nicht kolportiert wurde, war, dass von den Verletzten viele lebensgefährlich verletzt waren und die moderne, für uns alltäglich gewordene Medizin sie nicht aufgab. Die Ärzte kämpften. Wie viele Opfer dann aber an den Folgen starben oder ob tatsächlich alle 92 schwer Verletzten schon wenige Tage völlig außer Gefahr waren - ich habe keine Informationen darüber gefunden.

Und so ist das Erstaunen des FAZ Artikels über die gestiegene Opferzahl von Brüssel eigentlich eine Selbstentblößung. Vier weitere Opfer der Schrapnellbomben sind im Krankenhaus ihren schweren Verletzungen erlegen.
Denn bei aller Berichterstattung haben sie es nicht verstanden: das Leid, das der Terror bringt, ist nicht die nur die Angst vor weiteren Anschlägen und vor allem einer Überreaktion von Staat oder Gesellschaft. Es ist ein sehr direktes Leid. Verletzungen wie im Krieg. Waffen die darauf ausgelegt sind, größtmöglichen Schaden, größtmögliches Leid zu verursachen und Tod zu verstreuen. Wer eine Bombe mit keinen Metallteilen bestückt, damit diese in alle Richtungen verteilt werden und Menschen hunderte kleiner und großer Verletzungen beibringen, die alle schrecklich sind, der will damit genau dieses Böse erreichen.
Und so gut unsere Technik ist - sie kann vielleicht verhindern, dass die meisten Verkehrsunfälle tödliche Folgen haben - aber vor diesen Waffen muss sie dennoch viel häufiger als bekannt selbst aufgeben.
Wenn also die Stimmen unserer Gesellschaft schon am Abend nach der Tat vor "Aufgabe der Freiheit" warnten und andere die Anschläge kleinredeten indem sie vor dem "Nutzen der Populisten" warnten - dann quälten sich und starben zu diesem Zeitpunkt in den Krankenhäuser immer noch Opfer genau dieses "Einzelfalles". Und es wäre verdammte Journalistenpflicht gewesen, es nicht bei einer Zahl zu belassen, sondern dran zu bleiben und die Opfer zu ehren.

Und wo wir bei Opfer ehren sind: das gilt für die Anschläge in Nigeria, Somalia, Jemen und natürlich auch für Lahore in Pakistan. Es ist peinlich, dass jede größere Zeitung in regelrechten Serien über eine deutsche Partei und ihre Mitglieder berichtet, jedes noch so unwichtige Detail, jede noch so nebensächliche Kontrastimme in eigenen Artikeln umsetzt - aber ein gezielter Anschlag eines muslimischen Religionslehrers in einer der Terrorbrutstätten der Welt auf einen Kinderspielplatz auf dem vornehmlich Kinder und Mütter der in Pakistan stark verfolgten und diskriminierten Minderheit der Christen mit jeweils einem kleinen Seitenartikel zu bedenken - unmittelbar nach der Kreuzigung eines katholischen Priesters, der Ermordung von Nonnen, Pflegern und Altersschwachen die samt und sonders nicht mal eine Meldung wert waren, das ist so erbärmlich, wie es nur geht.
Unsere Medienlandschaft ist zur reinen Interessensvertretung verkommen, die sachliche und informative Berichterstattung ist nicht mal mehr Ansatzweise als Ziel zu erkennen.

Das machte auch Frau Misoga aus den Tagesthemen in einem Brief an Herrn Broder deutlich. Dieser hatte nachgefragt, wieso sie es für nötig erachtete, die AfD als "selbsternannte Alternative" zu bezeichnen - immerhin sei jede Namensgebung der Parteien selbst gewählt. Gerade unter konservativen Christen steht das C der CDU ja ebenfalls stark zur Debatte...
Ihre Antwort sagt alles über ihren Journalismus, über die Qualität der öffentlichen Berichterstattung, was man wissen muss.
Habe den Namen der Partei in diesem Fall buchstäblich wörtlich genommen, da es in dem folgenden Filmbeitrag darum gehen sollte, welche politischen ALTERNATIVEN die Alternative für Deutschland in ihrem Programm entwirft. Zu verspielt für Sie? Ich fand´s ganz gut.

Liebe Leser, wollen Sie sich informieren, was in der Welt und vor allem in der deutschen Politik vor sich geht? Tun Sie sich einen Gefallen. Hören Sie Feindsender. Welche das sind? Erschließen Sie das bitte selbst. Immerhin war seinerzeit ja auch das hören der BBC mit den Volksempfängern verboten.

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