Donnerstag, 28. Januar 2016

Ein Platz für Historiker

Selten äußern sich Historiker derzeit zu den Entwicklungen der Gesellschaft und Politik, die ja unser Berufsstand abgleichen könnte mit den Entwicklungen der Vergangenheit - oder vielmehr unserem Forschungsstand darüber. Mitunter ist das ganz gut so, sind sie ja auch allzu oft instrumentalisiert worden oder haben sich mit einer Sache gemein gemacht und darauf ihre Ergebnis hinarbeiten lassen. Auch heute findet sich dieses Verhalten oft genug.
Auf der anderen Seite sind Historiker wie Demandt und Baberowski dringend nötig, die in einer rein emotionalen Debatte versuchen mit sachlicher Argumentation die Definitionen wieder richtig zu stellen und vor eventuellen Folgen, mittels der Lektionen der Geschichte zu warnen. Oft eher mit kassandrischem Erfolg. Während Zweiterer aber einen offensiven Schritt ging und sein Anliegen in der breiten Öffentlichkeit vertrat, hat ersterer schlicht seine Arbeit im Rahmen eines kaum gelesenen Blättchens tätigen wollen und erst auf die Missachtung der Grundregeln wissenschaftlichen Arbeitens, seiner Zensur (anders lässt sich die geäußerte Kritik die zur Ablehnung führte nicht nennen), einen weiteren Schritt gemacht.


Jetzt hat sich ein anderer Historiker der deutschen Geschichte zu Wort gemeldet. Fritz Stern wird vielleicht dem ein oder anderen Leser bekannt sein, da er die jüngere deutsche Geschichte im Blick hat. Der mittlerweile fast 90 Jahre alte Gelehrte hat bis vor wenigen Jahren immer wieder Gastvorträge und Gastprofessuren in Deutschland gehalten, und wird allgemein als beruhigende Stimme während der Diskussion um die Wiedervereinigung 1989 gehandelt.
Aber er ist auch, dass sagt er selbst von sich, ein sehr emotionaler Mensch, der sich hinreißen lässt zu Schnellschüssen und Verallgemeinerungen. So hatte er nach der Zeit des Nazi Regimes, vor dem er und seine jüdische Familie flüchten mussten bzw. mehrere Mitglied der Familie in den KZs umgebracht wurden, einen generellen Hass auf Deutsche entwickelt.
Auf der anderen Seite ist er auch bereit, diese Sichtweisen in Frage zu stellen - so wich sein Hass durch die Teilnahme an der Gedenkfeier zum 10. Jahrestag des Attentats auf Hitler am 20.7. 1944 (das sog. Stauffenbergattentat). Dort sah er die zweite Reihe der Opfer der Vergeltung: die Familien und Hinterbliebenen der Verschwörer.

Man kann also sagen, Fritz Stern ist ein sehr menschlicher Historiker, was gerade in der Neuzeit zwar schön zu sehen, fachlich aber mitunter hinderlich sein kann. Umso frustrierender finde ich, dass angesichts der aktuellen und brennenden europäischen Themen (von der Ukraine und Griechenland über die Islamisierung hin zu Flüchtlingen und der EU als moderner Staatenbund) Fritz Stern sich in deutschen Medien zum US Wahlkampf äußert - und dies auch noch recht polemisch.
Der Historiker Fritz Stern sieht den amerikanischen Präsidentschaftsbewerber Donald Trump als Beleg für die Verdummung der Amerikaner. „Trump ist das beste Beispiel von der Verdummung des Landes und von der entsetzlichen Rolle des Geldes. Ein absolut amoralischer Kerl, der mit Geld und Ignoranz protzt“, sagte Stern der dpa.

Nicht, dass ich ihm in dieser Bewertung Trumps widersprechen wöllte. Das entspricht sogar sehr meinem Eindruck - allerdings habe ich kaum Informationen über Trump als jene, die in den Zeitungen und Nachrichtensendern lanciert werden und kenne ihn weder persönlich, noch stehen mir Aussagen aus seinem direkten Umfeld zur Verfügung. Auch von Stern ist mir nicht bekannt, dass er zu den großen Trump Kennern zählen würde, aber sei es drum.

Der Rundumschlag, die "Verdummung der Amerikaner"und diese auch noch als belegt anzusehen  ist allerdings eine Polemik, die eines Historikers zumindest auf dieser Ebene unwürdig bleibt. Zumal die Alternativen großteils ebenso erbärmlich abschneiden. Frau Clinton schneidet weder in Sachen Geld, Moral oder Respekt besser ab - vielmehr ist sie auch noch verschiedener Verbrechen verdächtig und Gegenstand von ihr massiv manipulierter Untersuchungen.
Die Bucherfilmung "13 hours", die am 4.2. in die Kinos in Deutschland kommt, thematisiert am Rande auch ihre Rolle beim Terroranschlag auf das Konsulat in Benghazi 2012 zum Jahrestag von 9/11, welchen sie dann als Reaktion auf die Billigproduktion "Innocence of Muslims" verkaufte.

Und diese beiden Kandidaten sind die medial meistbeachteten Vertreter ihrer Parteien - Cruz und Sanders die jeweiligen Alibi-Gegner. Dabei haben bzw. hatten auch beide Parteien sehr vernünftige Stimmen anzubieten und solche die vielleicht in dem ein oder anderen Punkt bemerkenswerte Positionen vertreten, aber insgesamt kompetent bleiben - so wie Obama, den Stern ob seiner Politik feiert.
Und hier gehen unsere Analysen weit auseinander: Stern ist von Obamas kriegsferne begeistert.
Andere Analysen gehen davon aus, dass Obama durch die Drohnen ebenso viel Mord und Leid hervorgebracht hat, wie die üblichen konventionellen Einsätze, sein Abzug aus dem Irak verfrüht und überhastet war, die Lage in Afghanistan den Abzug ebenfalls nicht rechtfertigte, seine Diplomatie der offenen Hand den "arabischen Frühling" mithalf zu einem Winter werden zu lassen, die Tatenlosigkeit in Syrien zur jetzigen Katastrophe beitrug und der Einsatz in Libyen ohne Einsatz von Bodentruppen und einer anschließenden Lösung zu dem Machtvakuum geführt hat, in welches Islamisten und Milizen so erfolgreich hineinstießen.
In Ägypten unterstützte er die Muslimbruderschaft, als diese an der Macht war und ignorierte deren Bestreben in die Verfassung die Scharia einzubringen und Frauen wie Andersgläubige und -denkende weiter zu diskriminieren. Zu seinem Beraterstab zählt mindestens ein Mitglied von CAIR, einer Organisation die von Muslimbrüdern in den USA gegründet wurde und noch immer dementsprechende Kontakte unterhält.
Die Sicherheitsbehörden in den USA mussten unter ihm eine Sprachpolitik erlernen, die schon weit jenseits von political correctness liegt. Obama ist der Präsident, der zwei Wochen nach den Novemberanschlägen von Paris dort stand und einen weiteren Terroranschlag in Kalifornien als Amoklauf darstellte und gegenüber den Medien behauptete: sowas gäbe es nur in den USA.


Wer behauptet, Historiker würden zwangsläufig aus der Geschichte lernen, der vergisst, dass wir auch nur Menschen sind.

3 Kommentare:

  1. "Ein Platz für Historiker" hört sich arg nach "Ein Heim für Tiere" an. Tja, man sitzt eben in Käfigen, und holt uns nur hervor, wenn es für die Kamera gut ausschaut. Danach bloß weg, vielleicht auch gleich zur Einschläferung oder ein Hundeheim in Rumänien.

    Den Artikel von Stern habe ich bereits zur Kenntnis genommen. Ich mische mich aber im Gegensatz zu anderen Nationen recht ungern in die Innenpolitik anderer Länder ein.

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    1. Der Bezug war beabsichtigt, wenn auchals Mischung aus Heim für Tiere und Platz an der Sonne.

      Sterns Äußerung wäre mir in US Presse auch herzlich egal gewesen, aber hier macht er Stimmung in einem anderen Land. Für mich ein Grund ihm ein paar Zeilen zu widmen.

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  2. Der letzte Satz war natürlich nicht auf dich bezogen; um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen.

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