Montag, 22. Februar 2016

Kinder und Waffen - Kreuzknappe berichtet

Der Kreuzknappe berichtet:
Nicht zu fassen: Die Waffenhersteller in den USA werben für Kinder-Gewehre...
und verlinkt dabei auf einen Telepolis-Artikel. Dieser macht mit großen Zahlen auf.
In den USA starben 2014 mehr als 1.300 Minderjährige durch Schusswaffen

1 300 Minderjährige verloren ihr Leben im Jahr 2014 durch Schusswaffen.
Unter der Überschrift "USA: Waffenindustrie wirbt für Sturmgewehre für Kinder".
Da stockt einem der Atem - nicht zu Unrecht. Also wirbt die Waffenindustrie in den USA dafür, den Kindern vollautomatische Waffen zu überlassen, und in der Folge starben 1 300 Kinder?
Mitnichten, denn danach kommt die Information, dass 1 231 davon durch Morde und Selbstmorde zustande kamen.
Moment. Selbstmorde? Ja, laut dem Artikel 532 Selbstmorde von "Minderjährigen". Nun gibt es auch bei uns wie in den USA selten aber immer mal wieder kleine Kinder, die sich wirklich umbringen "wollen" und das dann auch tun - aber eigentlich ist das ein Teenie-Phänomen. Teenager, im Alter der Pubertät meist eher 16 als 6 Jahre alt. Die Selbstmordrate ist in den USA ungebremst hoch, quer durch alle Altersstufen, wobei erwachsene Männer mit vielfachem Vorsprung vor sämtlichen anderen Gruppen rangieren. Das Schusswaffen hier keine maßgebliche Rolle spielen, selbst wenn sie benutzt werden, zeigen Zahlen als Estland, Japan, Südkorea, Grönland, Belgien, Frankreich usw. usf. in denen die Zahlen gleich wenn nicht höher liegen - und dabei Schusswaffen meist stark reglementiert (Frankreich, Belgien, Estland) oder total verboten (Südkorea, Japan) sind.
Es gilt das gleiche wie beim Mord: will ein Mensch Leben nehmen, dann findet er einen Weg.
Warum aber stehen Länder wie Estland bei Selbstmorden noch vor den USA? Selbst bei Teenagern? Die direkten Zahlen tun es ja nicht. Können es gar nicht. Denn das ist ein weiterer wichtiger Fakt. Fast 320 Millionen Menschen leben derzeit in den USA, Tendenz weiter steil steigend (Einwanderung und Geburtenrate). Estland lediglich 1,3 Millionen. Wir reden hier also über Relationen. Würde Estonia über 320 Millionen Einwohner verfügen (logischerweise auf größerer Fläche...), so wären die Zahlen deutlich über dem, was die USA derzeit anbieten.
In Japan wird das noch deutlicher: pro Jahr bringen sich ca. 4 600 junge Menschen zwischen 10 und 24 um - bei 1aufgerundet 130 Millionen Einwohnern (bei sinkender Tendenz, also ein drittel der Bevölkerung aber mehr als doppelt soviele Selbstmorde unter Kindern und Jugendlichen).
In Japan gibt es faktisch keine Schusswaffen und sie spielen bei Selbstmorden faktisch keine Rolle.

Was bleibt sind also 69 tote Kinder und Jugendliche durch Schusswaffen aus anderer Kategorie. Haben alle diese Kinder ihr Leben durch Unfälle verloren, als sie mit Waffen, womöglich ihren eigenen spielten? Oder, wie der weiterführende Text dann impliziert
Wirklichkeitsausschnitte, wie die Nachricht aus dem Jahr 2013 von einem Fünfjährigen, der seine zweijährige Schwester aller Wahrscheinlichkeit nach versehentlich erschoss, zeigen grell auf, welche Tragödien hinter den Zahlen stecken.
 durch die Hand anderer Kinder, die mit (ihren eigenen?) Waffen umgingen?
Nein, denn "durch Schusswaffen" bedeutet u.a. auch, dass der Waffeneinsatz durch Polizei, bei Selbstverteidigungsfällen oder Unfälle am Arbeitsplatz gezählt werden müssen. Nicht zuletzt Telepolis berichtet z.B. über Fälle durch die Polizei erschossener schwarzer Jugendlicher, wie Tamir Rice, welcher zwar "unbewaffnet" war, aber zu seiner Spielzeugpistole griff, als die Polizei auf einen Notruf reagierte, weil er zuvor auf Passanten gezielt hatte. Tamir war 12 Jahre alt.
Um beim Militär einzutreten muss man 17 sein...
Ausbildung bei Waffenherstellern und Büchsenmachern (Handwerker in kleinen bis familiären Betrieben) beginnen in den USA oft um 16 Jahre).

Und natürlich die kriminellen Jugendlichen, die in Häuser einsteigen, Raubüberfälle begehen und Autos knacken (oder schlimmere Dinge) und dabei erschossen werden. Man erinnere sich an Trayvon Martin, den 17jährigen, der fast kultisch verehrt wurde, nachdem sein gewaltsamer Tod Präsident Obama ihn zu seinem Sohn ehrenhalber erklärte. Passiert war: Trayvon, der in seinem Spind in der Schule Diebesgut und Einbruchswerkzeug aufbewahrte, sich als Strassenschläger einen Namen gemacht hatte und gerade zwei von drei nötigen Zutaten für eine billige Droge mit sich führte, wurde von einem Nachbarschaftswächter, G. Zimmerman verfolgt, der es als verdächtig ansah, dass ein junger Mann im dunkeln, bei Regen durch eine unbefahrbare Nebenstrasse lief, ausgerechnet in einer von Einbrüchen gebeutelten Gegend. Trayon registrierte seinen Verfolger, versteckte sich, und als Zimmerman, der zuvor die Polizei informiert hatte und auf Verstärkung hoffen durfte, auf dem Rückweg war, griff er ihn an. Auf Zimmerman sitzend schmetterte den Kopf des um Hilfe Rufenden mehrfach auf den Boden, bis dieser zu seiner Waffe griff und um sein Leben fürchtend schoss - mit tödlichem Ausgang.
Die meisten dieser Fakten warteten noch ihrer Veröffentlichung oder Entdeckung, als Obama bereits verkündete, wen er hier für das Opfer hielt.
Fakt ist: am Ende wurde der Tod als Folge notwendiger Selbstverteidigung offensichtlich.
Davon gab es 2014 ebenfalls weitere. So starben etwa zwei von drei Teenagern (ein 19jähriger junger Mann und eine 17jährige junge Frau) als sie zusammen einen Hausmeister angriffen, festhielten und mit einem Baseballschläger traktierten. Diesem gelang es, zu seiner erlaubten Waffe zu greifen und zu schießen. Auch in diesem Fall wurde eindeutig auf Notwehr erkannt. Mindestens die 17jährige aber fiel in die Statistik.
Kein Mord, kein Selbstmord, kein Unfall.

Darum wechselt der Telepolis Artikel auch das Thema - leider aber auch den Inhalt.
Die Zahlen für die nicht beabsichtigten Todesfälle von Unter-18-Jährigen durch Schusswaffen liegen deutlich niedriger - 74 im Jahr 2014.
Hatte es nicht im ersten Satz geheißen:
In den USA starben 2014 mehr als 1.300 Minderjährige durch Schusswaffen
oder war das etwas völlig anderes? Und falls ja, wie können bei 1 300 Schusswaffentoten - 699 Morde - 532 Selbstmorden - andere Ursachen (Selbstverteidigung, Polizeikonfrontation usw.) dann 74 Unfälle herauskommen?
Die Zahlen passen nicht zusammen.

Wir können dem Artikel also schonmal eine gewisse Tendenz, die Manipulation des Lesers nachweisen.
Zahlenspiele und unvollständige Informationen, schwammige Definitionen führen zu einer gewollten Wahrnehmung durch den Leser.

Aber vielleicht beruht dies auf Fachwissen. Schon in der Überschrift wird diese Vermutung genährt.
USA: Waffenindustrie wirbt für Sturmgewehre für Kinder
Sturmgewehre. Der Begriff wird völlig korrekt definiert in der Zwischenüberschrift:
 

Eine Studie des Violence Policy Center wirft der Waffenlobby vor, dass sie mit Methoden der Tabakindustrie Gefahren unterschlägt und Kinder für automatische Waffen begeistert

Man muss ein wenig aufpassen, um die erste unfachliche Beschreibung greifen zu können. "Waffenlobby". Wer ist die Waffenlobby? NRA? Das ist ein Verein. Der macht Werbung, aber dazu unten mehr.
Die Hersteller? Trotz seit Jahren laufender Recherche wurde bisher nicht nachgewiesen, dass auf dem zivilen Markt die Hersteller von Waffen besonderen politischen Einfluß hätten. Hersteller wie Benelli, Walther, Smith&Wesson usw. werden sowohl in den USA wie in Europa mißtrauisch von Bürgern,Vereinen und Organisationen überwacht.
Einlegearbeiten
Da der Artikel ausdrücklich auf farbige Waffenteile verweist: seit einigen, wenigen Jahren gibt es einen Modetrend bei Waffen. Ja, einen Modetrend. Da besonders in den USA aber auch bei uns der Anteil an Frauen im Schießsport bzw. der Selbstverteidigung stetig zunimmt, begannen kleine Handwerksstätten aber auch der ein oder andere mittlere Betrieb sogenanntes "customizing" anzubieten. Das kennen wir aus dem Automobilbereich, wo besonders junge Männer aber auch manche Frau das jeweilige Auto durch Lackierung, Tieferlegen, Spoiler, Fenstfolien, Beleuchtung usw. "individualisiert". Bei Waffen war dies in den gehobeneren Gesellschaftsklassen der vergangenen Jahrhunderte ebenfalls üblich und hat sich in einigen sehr teuren Fällen bis heute gehalten. Verbreiteter waren da Handgriffe, in die man Initialien einlegte und / oder aus edlen Materialien herausarbeitete. Die eflfenbeinernen Griffe tauchen in vielen Filmen auf.
Beispiel 2
Preiswerter dagegen erschien es, einfach die Polymerteile einer Waffe anders zu färben. Der Werkstoff wird erst seit wenigen Jahrzehnten für Waffen benutzt, bietet sich aber an. Und so sind heute Pistolen und Gewehre in allen Farben des Regenbogens zu erhalten und auch in Mustern, wie Tarnfleck oder Schlangenhautoptik, mit Blümchen und Tieren. 
Beispiel eines Dekors





Man mag von der Werbung halten was man mag - Jugendlichen und Kindern zu verbieten sich mit Schusswaffen auseinander zu setzen führt zu absolut nichts anderem. Alle Unfälle mit Schusswaffen in den Händen von Kindern (also den wirklich kleinen) sind auf fahrlässiges, verantwortungsloses Verhalten der Eltern zurück zu führen. Gerade die NRA bietet als einzige Organisation in den USA (vom Staat, den Bundesstaaten, dem Militär und den meisten Polizeidiensten anerkannte) Sicherheitsschulungen und Lizenzierungsprogramme an, ebenso wie jugendgerechte Lehrfilme, die betonen, wie wichtig Sicherheitsregeln im Umgang mit Waffen sind. Wie sieht das im Falle von Kindern aus?
So: 
Für diejenigen, die der englischen Sprache nicht mächtig sind, der Refrain lautet:
Stop! Nicht anfassen! Lauf weg, erzähls einem Erwachsenen!

Zu den von Vertretern "der Waffenlobby" verbreiteten Sicherheitsgeboten (oberste, immer einzuhaltende Regeln) gilt: gehe immer von einer geladenen Waffe aus, ziele nie auf etwas oder jemanden, auf das oder den du nicht auch wirklich schießen willst uvm.
Eine geladene Waffe rumliegen zu lassen ist ein grober Sicherheitsverstoß.
Ändert das etwas daran, dass Kinder tot sind oder töteten, ohne das gewollt zu haben? Nein, und ich bestreite auch nicht, dass Waffen gefährlich sind, kleine Kinder nichts an der Waffe verloren haben.
Aber der vehemente Ausschluß, die Isolation der beiden: Minderjährige und Waffen ist eine übertriebene Reaktion mit Schnappatmung. Sportler müssen früh anfangen - um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. 
Am besten lernen und verinnerlichen wir Dinge, wenn wir noch jung sind.
Und zu glauben, dass Jugendliche nichts cool finden, was öffentlich beworben wird, ist doch nachvollziehbarer Unsinn. Oft übt gerade das Verbotene einen Reiz aus. Dann lieber den Kindern von Anfang die Gefährlichkeit vermitteln - wie bei Autos, Küchenmessern, Rohrreinigern und vielen anderen Dingen. 
So wenig, wie man die Unfälle mit diesen Gegenständen jemals völlig vermeiden wird, so wenig wird man dies auch mit Schusswaffen schaffen - Reduzierung aber ist in einer waffenbesitzenden Gesellschaft nicht durch Tabuisierung sondern durch Aufklärung zu erreichen. Aufklärung der Besitzer (laßt die Waffen nicht in Reichweite herumliegen, nicht ge- oder durchgeladen, nicht entsichert).

Nur als ein Beispiel: selbst in den USA, wo 16jährige bereits den Führerschein machen dürfen, gibt es Kinder und Jugendliche, die sich mit ähnlichem Aufwand wie in Sachen Schusswaffen die Autoschlüssel ihrer Eltern besorgen, um, mit deutlich höherem Aufwand, eine "Spritztour" zu drehen. Meistens endet dies harmlos oder mit Sachschäden - aber häufig auch mit Personenschäden und tödlichen Unfällen. Zu vermeiden ist dies nicht. Stichwort "Crash kids". 

Aber zurück zum Artikel. Der endet wie er begann - ohne Ahnung aber mit viel Emotion. Er verurteilt, dass ein Sportverband (der NSSF), welcher Schießen als Schulsport hilft zu organisieren, ein Magazin für jugendliche Schützen herausbringt. Der Autor des Artikels behauptet, die NSSF sei eine der NRA verbundene Organization. Was nicht stimmt. Die NSSF ist ein rein sportlich ausgelegter Verein mit momentan an die 8 000 Mitglieder. Nicht mehr, nicht weniger. In vielen Bundesstaaten gibt es Schulen, die als Sport Skeetschießen anbieten - wir kennen es als Tontauben. Das ist nicht so leicht wie es aussieht. Und es wächst rasant, bei winzigen Unfallzahlen (nahezu 0). Der Nutzen ist durch Sportwissenschaftler international belegt: die Konzentrationsfähigkeit wie die Reife der jungen Sportler wird gefördert.
Voraussetzung ist eine altersgerechte Betreuung.
Bislang ist keiner dieser Schüler durch Amokläufe und weit unter dem Durchschnitt durch kriminelles oder inakzeptables Verhalten aufgefallen. Wenn diese Schüler also Werbematerial von Herstellern erhalten und ihr Sportgerät ihnen dabei gefallen soll, oder ein in altersgerechter Sprache verfasstes Magazin sie über ihren Sport, Neuigkeiten und Veränderungen informiert - ist dies gleichbedeutend mit Verführung  Minderjähriger zu etwas absolut Verbotenem und Tödlichem?

Wohl nur in den Augen des Journalisten.
Darum hier nochmal der Hinweis auf die damals 13jährige Katlyn Francis.

Und zu guter letzt: Sturmgewehr und vollautomatische Waffen sind auch in den USA in fast allen Bundesstaaten verboten. Ihr innländischer Verkauf ist stark reglementiert und nur wenige, volljährige, mehrfach überprüfte und strengen Auflagen unterliegende Bürger in einigen wenigen Bundesstaaten dürfen Sturmgewehre oder andere, vollautomatische Waffen (also solche, die mit einem Druck auf den Auslöser immer weiter schießen) erwerben und besitzen. 
Kinder definitiv nirgends.

Ich denke, lieber Kreuzknappe, daß Du hier aufgrund Themenfremde hier einer Stimmungsmache aufgesessen bist.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen