Donnerstag, 21. April 2016

Meinungsfreiheit - das verlogene Thema unserer Zeit

Man muss es der Thematik lassen - sie kann sich in vielerlei Gestalt zeigen. Von Zeichnungen eines orientalischen Mannes der sich als Prophet bezeichnete und von unzähligen Menschen heute als Vorbild gesehen wird, über ein Buch eines ehemaligen Berliner Finanzsenators, die kreative Umsetzung des Öffentlichkeitsbildes des vorherigen US-Präsidenten, Coverseiten eines Papstes als inkontinent bis hin zu einem Moderator, der ein grottenschlechtes "Gedicht" aus Beleidigungen auf niedrigstem Niveau formuliert.
Sie unterscheiden sich aber grundlegend. Ausgangspunkt ist nämlich immer die Frage: wer äußert welche Meinung über wen oder was. Und das betrifft nicht das öffentliche Bild allein, das zieht sich bis in die Gerichtssäle und politischen Gremien.
Für Deutsche viel profunder ist vielleicht die Frage der Holocaustleugnung. Die Leugnung des historischen Faktes steht ebenso unter Strafe, wie seine Verharmlosung oder die Verspottung der Ermordeten. Was aber unterscheidet diesen Völkermord anderes, als die Wahl der genutzten Mittel? Die Nazis zogen ihren Völkermord an Juden, verschiedenen Ethnien, Anderslebenden und Behinderten industriell durch. Unbarmherzig, ob im Ghetto Warschaus, den Arbeitslagern und Fabriken und Versuchsanstalten wie Peenemünde oder den eigentlichen Vernichtungslagern - Menschen litten, wurden gefoltert, missbraucht, misshandelt, unterversorgt, gequält und schließlich ermordet. Ihre Leichen wurden entsorgt wie Abfall und ihre Habe verschachert oder recyclet.
Das ist der Stand der Dinge. Dokumentiert von den Tätern, den Opfern, von Zeugen, Mithelfern, Fluchthelfern. Daran ist nicht zu rütteln.
Genau das gleiche gilt aber bspw. für den Völkermord an den Armeniern, den Völkermord in der Vendée, für Kamboschas "killing fields" und Maos Kulturrevolution. Für Lenins "Neugestaltung", Stalins "großen Aufschwung", die Morde der japanischen Armee an der chinesischen Bevölkerung und manch anderes Ereignis mehr. Zwar wurde dort i.d.R. nicht mit industriellen Mitteln gemordet - aber dem jeweiligen Opfer dürfte die Qual gekreuzigt oder ertränkt worden zu sein keineswegs "besser" erschienen sein, als in Gaskammern erstickt oder beim "Maßnehmen" erschossen zu werden. Wer sich alte Photos beispielsweise aus Nanking oder von den Orten der Massaker an den Armeniern - oder nicht mal die Massaker sondern die Deportationen, Exekutionen und Zustände der Überlebenden ansieht, der wird davon mindestens ebenso berührt sein, wie vom Schicksal der auf die Todesmärsche gezwungenen.
Und doch gilt hier Meinungsfreiheit. Unseren türkischen und türkischstämmigen Mitbürgern steht es frei zu behaupten, dass es nie einen solchen Völkermord gegeben habe und es sich lediglich um eine "Umsiedlung" gehandelt habe. Alle Dokumente von Zeugen, alle Bilder, alle Berichte Überlebender seien lediglich Lügen, die von den heutigen Armeniern erfunden worden seien, um die Türkei schlecht aussehen zu lassen - und das die damals direkt im Anschluß stattgefundene Beurteilung durch Atatürk durch "den Westen" erzwungen wurden. Bohrt man nach erfährt man, dass es da unschöne Dinge gab - aber das war Selbstverteidigung. Immerhin haben die Armenier das Osmanische Reich verraten - so die Legende.

Oder Gründe und SPDler, die offen ihre Bewunderung für den Völkermörder Mao ausdrücken, wie bspw. Stuttgarts OB Kuhn, der Peer Steinbrück für den Wahlkampf 2013 mal eben die "Mao Bibel" schenkt, und eines der von Mao wörtlich gemeinten Zitate als Wahlkampfslogen mit auf den Weg gab - "keine Opfer scheuen"...

Da wird munter auf Ermordete gespuckt, historische Ereignisse geleugnet, ignoriert, kleingeredet und geklittert, was das Zeug hält und nichts davon ist justiziabel.
Würde man diese Dinge in Gesetze festgießen, so hätte man nichts davon, außer hin und wieder ein paar symbolhafte Beschäftigungsrunden für Justiz und Haftanstalten - denn belehren wird man solche Leute nicht - schon gar nicht auf diese Weise. Das kann man bestenfalls mit Argumenten - und bestenfalls heisst durch intensive Auseinandersetzung in der Hoffnung, nicht nur stures "glaube ich nicht" und "alles gefälscht" zurück zu bekommen.

Solch eine sture Haltung nimmt momentan ein großer Teil der Bevölkerung in vielen, teilweise völlig unterschiedlichen Themengebieten. Diskussionskultur, der Austausch von Argumenten, die Einsicht auch einmal falsch liegen zu können und das dies keine Schwäche ist fehlen und werden nicht ausgebildet.
Wirklich problematisch ist das aber natürlich bei Entscheidungsträgern, bei Lehrern und Vermittelnden - also Politiker, Journalisten, Ausbildern aller Art usw. usf.
Das wird im Umgang mit der Meinungsfreiheit deutlich. Die einen dürfen - die anderen nicht. Dabei werden dann auch Definitionen zurechtgebogen. So ist Rassismus nunmehr nicht mehr einfach nur rassistischen Mustern folgende Inhalte, Benachteiligung und Verfolgung sondern wird zudem an eine Bedingung geknüpft - sie muss aus der Gruppe der Machthaber kommen - und das sind natürlich stets die Weißen - genauer gesagt, die weißen (alten) Männer. Glauben Sie nicht? Suchen Sie es mal im Netz, diese Argumentationslinie wird in der Tat umgesetzt. Noch vorwiegend in den USA, aber auchb bereits in unserem Lehrbetrieb. Ein Schwarzer kann nicht rassistisch sein, eine Frau nicht sexistisch und und eine schwarze Frau vor allem anderen nicht. Da sind dann Beleidigungen, Verallgemeinerungen und Hetze plötzlich erlaubte und geschützte Meinung.
So wurden an einer deutschen Uni die Titel alle durch die weibliche Form ersetzt - nur dem "aufmerksamen" Beobachter fällt auf dass, wenn denn die männliche Form als Diskriminierung angesehen wurde diese nun lediglich umgekehrt wurde. Das Frauen von den meisten Verwendungszwecken in der Bundeswehr ausgeschlossen waren galt als Diskriminierung - die Zulassung als Berufssoldaten bei gleichzeitiger Aussparung aus der Wehrpflicht wurde sogar von Karlsruhe nicht als Diskriminierung anerkannt.
Und heute geht es noch etwas weiter, wenn eine Gleichstellungsbeauftrage einer Universität zum töten aller weißen Männer aufrufen darf und trotzdem ihren Job behält (auch wenn das nicht Deutschland war).

Wer wirklich glaubt, Recht und Gerechtigkeit lägen beieinander und Letzteres wäre heute irgendwo existent, Ersteres würde konsequent und nach den alten Regeln der Gleichbehandlung angewandt, der hat keine Ahnung, was und wie geurteilt wird.
Ehrrührige Beleidigungen hört man jeden Tag in aller Öffentlichkeit. Von simplen Kraftausdrücken bis extrem kreativen Wortklumpen, die oft genug auch weitere Familienangehörige mit einbeziehen.
Wer daran zweifelt, der möge einmal ein paar Tage lang den Kanal des Merkel-Interviewers LeFloid folgen. "Hirnverbrannt" ist eine seiner nettesten Alltagsformulierungen.
Oliver Welke ließ den "Vollpfosten des Jahres" durch die "Pussyterror-Komikerin" Kebekus verleihen. Die Bloßstellung Andersdenkender (ja, es trifft eher selten mal die andere Seite des politischen Spektrums - auch wenn diese Vorlagen nach Vorlagen liefern würden) ist dort normal.
Ich eirnnere bspw. an den Beitrag über den "Marsch für das Leben in Berlin". Wer sich die Videos ansieht, wie die Gegendemonstranten die stumm ihre Kreuze Haltenden beschimpften, teilweise nach ihnen warfen, traten oder schlugen, ja sogar Kreuze stahlen und zerstörten musste sich wundern, wie gleichzeitig das Team der Heute-Show einen satirischen Beitrag ÜBER die von ihm als "Fundamentalisten" dargestellten Teilnehmer machte. Man stelle sich dies etwa bei einer Demo für die Rechte Homosexueller vor.
Und diese Beispiele stammen aus den Medien. Was sich Lehrer, Polizisten, Kontrolleure, Politiker ja sogar Notärzte und Rettungskräfte anhören müssen, kann man mittlerweile in einer ganzen Reihe von Büchern nachlesen, bspw. in "Deutschland im Blaulicht". Oder man wende sich an die Gerichte und Staatsanwälte. Selbst wenn schlimmste Beleidigungen in aller Öffentlichkeit getätigt werden weigern sich Staatsanwälte (aus verschiedenen Gründen), die Sache vor Gericht zu bringen. Richter stellen die Verfahren ein. Wenn es zur Verhandlung und Verurteilung kommt, dann sind die Gefälle groß.

Freiheit in der Meinung und der Kunst gibt es nur dort, wo sie den gewünschten Inhalten nicht in die Quere kommt. Und leider ist das keine Sache des Staates sondern von Parteien, Interessensgruppen, Einzelpersonen, der Medien und Medienschaffenden - kurzum, der Gesellschaft.
Freiheit als Ideal bedeutet nicht nur selbst Freiheit zu haben, sondern sie auch zu gewähren. Selbst dann, wenn Dinge gesagt werden, die einem nicht gefallen. Dieses Prinzip der Gleichheit aller unterscheidet unsere Demokratie theoretisch von allen vorher genutzten Staatsformen - und in Wirklichkeit ist es ein hohles Ideal geworden. Mißbraucht und benutzt von jenen, die sich dadurch geschickt einen Vorteil erarbeiten.

Einer meiner Leser äußerte, an dieser Stelle vielen Dank für die ehrliche und offene Diskussion, die Angst, "mittelalterliche Schandstrafen wie der Pranger würden wieder eingeführt".
Seit Jahren erleben wir immer wieder, wie bestimmte Menschen medial vorgeführt und (Achtung, Metapher) hingerichtet werden. Lutz Bachmann (Pegida), Frauke Petry (AfD), Akif Pirincci, Thilo Sarrazin oder seinerzeit jene ehemalige Nachrichtensprecherin Eva Herman, die sich nun beim Kopp-Verlag tummelt, sind nur einige Beispiele.  Andere Meinungen (und mögen sie noch so falsch sein) - und was folgte waren Unmöglichkeiten, Bloßstellungen, Falschbehauptungen und jede Menge Beleidigungen.

Der Vergleich hinkt (noch) an der Tatsache, dass Pranger, Schandmaske, Schandmäntel (vielen als "Eiserne Jungfrau" falsch bekannt) auch körperliche Strafen waren, da die öffentliche Bloßstellung extrem anstrengend war und durchaus mit (eigentlich nicht erlaubten) Handlungen gegen die "entblößten" verbunden war. Und so schmerzhaft mancher Beleidigungen empfinden mag - Stock und Steine brechen mein Gebein, Worte hingegen bringen keine Pein.
Vogelfrei schließlich geht sogar noch einen Schritt weiter - aber das ist ein eigenes Thema.

2 Kommentare:

  1. Danke,Danke, dieser text ist wirklich "hilfreich" und klärt vieles was einem nicht so ganz bewußt war.

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    1. Sehr gerne. Es freut mich, wenn ich nicht nur mein Gemüt durch meine Schreiberei abkühlen kann, sondern auch jemandem in der ein oder anderen Form damit dienen kann.

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