Samstag, 23. Februar 2013

Vae Victis,


so ging es mir durch den Kopf, als ich die letzte Stellungsnahme unseres Bundespräsidenten lesen musste.
Es ist erst einige Tage her, da unterstellte unsere Justizministerin einem Erzbischof einen Holocaustvergleich, weil dieser sage, er fürchte, es ziehe eine Pogromstimmung gegen die katholische Kirche auf. Meine erste Reaktion, als ich dies unter der Dusche aus dem Radio verkündet bekam war: da muss es sich um eine Falschmeldung handeln. Ja, so naiv hing ich dem Glauben an, unsere Minister können faul sein, auch von fragwürdigem Charakter, vielleicht sogar Betrüger, oftmals Lügner, aber niemals so dumm bestimmte Begriffe nur aus den Holocaustdebatten zu kennen.
Also schlug ich beim Frühstück meine Zeitung auf und da prangte es. Und noch mehr. Als Begründung führte jener Erzbischof an, dass es zunehmend zu verbalen Attacken auf Priester in der Öffentlichkeit komme. Ich persönlich finde ja die steigenden Brandstiftungen, Zerstörungen und Diebstähle an und in Kirchen oder Heiligtümern da ein deutlicheres Fanal, ebenso wie Aufforderungen zur Inhaftierung sämtlicher Geistlicher während Demonstrationen, aber vielleicht wollte der gute Mann nicht gleich in die vollen gehen. Unsere Frau Ministerin de jure jedoch verharmloste erstmal, indem sie dem Erzbischof unterstellte, er meinte mit der aufziehenden Pogromstimmung gegenteilige Ansichten in Sachen Familie & Co.
Die Frau, die in unserem Land Gesetze hütet und erarbeitet um u.a. aus der Geschichte gelernte Fehler nicht zu wiederholen, glaubte wirkliche, es gäbe nur ein Pogrom und dieses wäre auch noch identisch mit dem Holocaust.
Das klopfend-knallende Geräusch als mein Kopf auf die Tischplatte schlug erschreckte sogar meine Frau, die schon fast zur Haustür raus und auf dem Weg zur Arbeit war.
Diesen Schaukasten an mangelndem Wissen und Denkvermögen, ja an der Fähigkeit vor dem öffentlichen Anklagen nochmal der Sorgfaltspflicht nachzukommen und vielleicht einmal eine Kritik der Rede einzuholen, der gab mir wirklich zu denken.
Gerade verdaut (und an dieser Stelle weitere ihrer undurchdachten Auftritte mal ausklammernd) hat nun unser verehrter, oder zumindest respektierter, Bundespräsident verlauten lassen, Europa besäße keinen Gründungsmythos. Dabei bezog er sich auf Schlachten und Kriege, aus denen heraus Europa entständen wäre.
Meine Frau ist derzeit auf einer Weiterbildung, daher gab es keine Reaktion auf den roten Abdruck auf meiner Stirn, den meine eigene Hand dort hinterließ. Ich hoffe bis morgen ist er weg.

Lieber Bundespräsident Gauck,
 ich bin mir bewusst, Sie sind Theologe und kein Historiker. Aber als jemand der noch humanistische Bildung genoß müssten Sie sich für einen solchen Satz vor die Pisa-Studienkommission stellen und Ihnen erklären, dass deutsche Kinder bei solchen Vorbildern noch gut dastehen mit ihren Noten.

Wo Anfangen...
Vielleicht bei einem Mythos? Es gibt einen Mythos, und zwar einen richtigen. Das ist die griechische Sage von der phönizischen Königstochter Europa und dem Götterherrscher Zeus, welcher die junge Dame in Stiergestalt entführte und nach Kreta brachte. Noch eine Weissagung der Aphrodite obenauf und unser Kontinent bekam den Namen der Edeldame. Und um es noch richtig peinlich zu machen: die bald erscheinenden Euroscheine weisen die Gute in fast jedem Sicherheitsbestandteil auf Verkündet wurde dies in Frankfurt im Jänner.

Und wenn wir über Schlachten sprechen wollen, welche Europa als Verteidigung seiner Grenzen und Werte betrachten könnte, wenn es denn wöllte, so bieten sich einige an. Ich für meinen Teil bin etwas erstaunt, dass ausgerechnet ein deutscher Bundespräsident und ehemaliger evangelischer Pfarrer nach so etwas fragt, aber bitte.
Wie wäre es also mit dem Jahr 732 und der Schlacht bei Tours und Poitiers. Zwar wird der Einfall der muslimischen Berber ca. 20 Jahre zuvor heute im Rahmen der political correctness oft fast schon als friedlicher Besuch dargestellt, so etwa wenn Hape Kerkeling in seiner Terra X Reihe "Unterwegs in der Weltgeschichte" die blutige Invasion mit einem lapidaren "und dann kam der Islam nach Europa" (ca. min. 14) beiseite fegt, aber das damalige Europa wurde in seiner Kultur und Entwicklung durchaus bedroht. Der gesamte historische Verlauf und das Selbstempfinden der Europäer wäre dadurch ein völlig anderes, wenn nicht Karl Martell in einer Schlacht die einfallenden Muslime aufgehalten hätte.
Oder 1453, als mit Konstantinopel die letzte europäische Festung im Orient fiel und mit Byzanz der letzte direkte Nachfahre des römischen Imperiums mitsamt tausenden seiner Einwohner starb.
Oder 1492, als die spanischen Herrscher das Land wieder ganz übernahmen, wenn auch die Vertreibung der Juden aus Spanien dieses Jahr noch ungünstiger als Wahl erscheinen lassen, als es ein Krieg ohnehin schon ist.
Wenn es denn Krieg sein muss, dann ist die Verteidigung der Insel Malte 1565 mein Favorit.
Die Seeschlacht von Lepanto 1571 oder die Verteidigung Wiens 1683 gegen die einfallenden Osmanen, die Befreiung
Dann hätten wir noch, je nach Gusto entweder die 1809 die Schlacht von Wagram, bei der Napoleon einen großen Teil Europas vereinte und mit dem Code Civil ein Recht gab oder aber 1813 die Völkerschlacht von Leipzig, in der sich ein Verbund von Nationen gegen Napoleon stellten und siegte oder die Befreiung Griechlands 1827 in der Schlacht von Navarino, bei der die nach Freiheit strebenden Griechen, Engländer, Franzosen und Russen zusammen kämpften.
Und nicht zuletzt, das Ende des schlimmsten Krieges der Europa je erschüttert hat, der zweite Weltkrieg, 1945.

Ich aber, so ich etwas zu sagen hätte, würde nicht nach so einem Fundament streben, ich würde eher das Band der Freundschaft suchen. Die Montanunion, geschlossen als Teile der Länder noch an den Folgen des erbitterten Krieges litten, als ein Handschlag trotz der gegenseitigen Wunden und Verluste geschlossen, das wäre für mich etwas, das als verbindendes Element hochgehalten werden sollte.
Die Zeichen der Zeit stehen ohnehin eher auf Sturm. Vielleicht hat zumindest in der Hinsicht der Präsident recht, und etwas kriegerisch Verbindendes wird bald benötigt um aus Nachbarn und Partnern auch Waffenbrüder zu machen. Wollen wir hoffen und beten, dass dies nicht nötig wird.
Der alte griechische Mythos erklärt den Namen Europa aus einer Liebesbeziehung. Vielleicht belassen wir es einfach dabei?



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