Mittwoch, 26. März 2014

Islamismus kein Thema mehr! Hurra?

Vor zwei Tagen ging diese Meldung durch die Medien:
Ein Neustart der Islamkonferenz, Offenheit ganz oben.

Die WELT schreibt dazu u.a.
Neu ist damit, dass allgemeine Themen der Integration oder der öffentlichen Sicherheit künftig in anderen dafür zuständigen Gremien außerhalb der DIK erörtert werden. Damit will man ein Zeichen setzen: Muslime sollen nicht mehr als Sicherheitsrisiko behandelt werden, sondern als gleichberechtigte Bürger der Bundesrepublik.
Die Islamkonferenz wurde 2006 ins Leben gerufen, um bestehende Probleme und Sorgen im Dialog zu lösen. Von Beginn an gab es aber schon Probleme mit der Konferenz selbst. Einer der Höhepunkte davon war die Ausladung der kritischen Stimmen Kelek und Ates, wobei Letztere sich 2009 aufgrund von Morddrohungen und erlebter Gewalt für drei Jahre aus der Öffentlichkeit zurück zog.
Kelek hatte mehrfach ziemlich deutlich Thematiken angesprochen, deren Lösung eigentlich die Aufgabe der Konferenz gewesen wäre. Es darf kaum überraschen, dass sie aufgrund der Entwicklungen dann zu einem eindeutigen Urteil kam: Experiment erfolgreich gescheitert. Bereits letztes Jahr ahnte sie, und teilte diese Ahnung uns mit, wohin die Konferenz gehen würde und äußerte Sorge um diejenigen, für welche die Konferenz Besserung bringen sollte.

Nun also der Schwenk, und der Deutschlandfunk teilt uns daraufhin die Meinung einer jungen Muslima aus der "jungen Islamkonferenz" mit:
Grundsätzlich ist erst mal sehr positiv zu sehen, dass Bundesinnenminister de Maizière nun offen in die Gespräche gehen möchte. In der Vergangenheit hat nämlich, muss man dazu wissen, das Bundesinnenministerium die Agenda der Deutschen Islam-Konferenz bestimmt, und dies hat für besonders viel Kritik gesorgt, da somit auch Sicherheitsfragen dieses Gremium dominiert haben. So mussten muslimische Mitglieder erst einmal sich formell zum Grundgesetz bekennen und sich später dann auch gegen Islamismus und häusliche Gewalt aussprechen. Im Rahmen des heutigen Treffens soll es anders werden. Der Innenminister beteuert, dass nun die Agenda gemeinsam verabschiedet werden kann.

Das kann nur bedeuten, die Themen, die uns, wie man bereits an der Wortschöpfung "Islamismus" und der steten Beteuerung der Unvereinbarkeit mit dem Islam erkennen kann, so erschrecken nunmehr geklärt sind. Es gibt keinen Grund mehr, über Terrorismus, häusliche Gewalt, Parallelkultur, Zwangsheirat, Ehrenmorde usw. zu sprechen. Muslime sollen "nicht mehr als Sicherheitsrisiko behandelt werden".
Ich stimme zwar zu, dass jedem Individuum als solches zu begegnen ist. Jeder Mensch ist ein Mensch und als solcher sollte man auf ihn zugehen. Aber sind die Probleme wirklich aus der Welt?
Im Gegenteil.
Bevorzugung in der Justiz. (der Fall Jolie / Raman ausführlicher)
Zahl der Extremisten steigt sprunghaft an.
Neue Zielgruppe der Extremisten.
Schulen als Rekrutierungszentren.
Ehrenmorde an den Rand öffentlicher Aufmerksamkeit gedrängt. Aber es gibt sie, öfter als berichtet.
Selbstmordrate unter jungen Muslima in Deutschland angesprochen, aber weder thematisiert noch gelöst.
Terrorismus in Deutschland.
Ablehnung von Seiten der Minderheit.
50 000 Mädchen in Deutschland von Genitalverstümmelung bedroht.
Antisemitismus im Aufschwung.
u.v.m.


Die Islamkonferenz tat sich groß in Erklärungen, in Ablehnung bestimmter Probleme und in der Erklärungsflut bestimmter Studienergebnisse und Statistiken. Mir ist nicht bekannt, dass sie auch nur ein Problem davon gelöst oder wenigstens verbessert hat. Eher im Gegenteil: als eine Werbekampagne muslimischen Familien Hilfe im Fall der Radikalisierung anbieten wollte, wurde die Kampagne von Mitgliedern der Konferenz scharf attackiert und als rassistisch gebrandmarkt erfolgreich verhindert. Und wie man an den Zahlen zu den Problemen sieht: sie verschärfen sich. Mehr Radikale, mehr Gewaltpotential, mehr Eskalation, mehr Ablehnung beider Seiten, mehr Misstrauen.


Und darum sollte die Konferenz diese Themen eigentlich noch verstärken, und jedes mangelnde Verständnis für diese Sorgen sollte als ein Signal verstanden werden, denn das ist es. Verschweigen, schönreden und das Verbieten der Diskussion sind nur Schritte in die gleiche Richtung wie dramatisieren und erfinden.

Mittwoch, 19. März 2014

Gemeinsame Aktion - Aufruf zur Zusammenarbeit

e. (irgend ein Pseudonym sollten wir finden, e. ist irgendwie komisch...) hatte vorgeschlagen, dass katholische Blogger sich den "heißen Eisen" denen sich Katholiken und gerade "konservative" Katholiken ausgesetzt sehen gemeinsam widmen sollten.


Am besten schreibt sie es selbst:
Darum lade ich ein zu einer Blog-übergreifenden Aktion zum Thema "Steine des Anstoßes". Die Idee ist, wöchentlich ein Thema vorzuschlagen, wozu teilnehmende Blogger dann etwas posten oder auf bereits vorhandene Inhalte verweisen. Zusätzlich könnten die teilnehmenden Blogger auf den einschlägigen Kommentarseiten gemeinsam auftreten und zu den genannten Themen Aufklärung leisten. Letzeres ist aber kein notwendiger Teil der Aktion.
Diese Blogger habe ich für die Aktion gewinnen können.
Ich schlage als erstes Thema "Der Reichtum der Katholischen Kirche" vor. Wer Lust hat, sich dazu zu äußern oder dazu schon gearbeitet hat: Ein kurzer Kommentar wäre super! Ich weise dann auf alle Beiträge nochmal hin.

Also los, liebe Blogger. Gemeinde heisst gemeinsam :)
Ich habe dazu noch nichts geschrieben, nur eine Faktenkarte in meiner Sammlung und werde mal sehen, wie ich diese am besten umsetze.

Bislang hat Psallite Deo auf einen Beitrag verwiesen --- LINK

Dienstag, 18. März 2014

Der Fall Zimmermann in einer Variation

Vor etwa vier Monaten, am 1.12.20013 wurde der Feuerwehrmann Anthony Bruno von dem Polizeibeamten  Donald Hubbard auf offener Strasse in Kansas City erschossen.
Es gibt drei Arten darüber zu berichten (die deutsche Presse hat darauf gänzlich verzichtet, also eigentlich vier).

1. Ein Polizeibeamter, der einer Nebentätigkeit als Wachmann eines Hotels nachging, erschoss den unbewaffneten Feuerwehrmann nach einem kurzen Handgemenge. Anwesende Zeugen filmten die Szene, man hört sie ihre Abscheu gegen die aggressiven Art des Polizisten äußern, kurz bevor die tödlichen Schüsse fallen. Bruno feierte seine kurz zurückliegende Hochzeit.

2. Ein Polizeibeamter erschoss einen Feuerwehrmann, als sich dieser einer Verhaftung wegen einer kurz zuvor erfolgten Schlägerei widersetzte und den Beamten schwer verletzte.

3. Man berichtet die ganze Geschichte.

Kurz vor der Konfrontation waren Anthony Bruno, dessen Frau und sein Cousin /Freund(?) von einem Essen zur Feier der zwei Wochen vorher erfolgten Vermählung der beiden durch ein Taxi vom Restaurant zum Hotel des Ehepaares gefahren worden. Dort kam es zum Streit mit dem Taxifahrer Ahmed Alomari über den Preis, den es kosten sollte den scheinbar zu betrunkenen Cousin zu dessen Heim zu fahren, und dieser Streit wurde handgreiflich. Die Witwe sagte aus, ihr Mann sei ausgerastet, als der Fahrer ihr das Geld ins Gesicht warf und sie mit einem verbreiteten Wort für das weibliche Geschlechtsorgan betitelte. Photos aus einem Krankenhaus dokumentieren, dass Alomari mehrere Schläge abbekam.
Die Ehefrau des Erschossenen sagte später aus, der Cousin sei betrunken gewesen, sie beide nur etwas angeheitert.
Mehrere herbeieilende Passenten und die Hotel-Security, inklusive dem uniformierten aber außer Dienst in einem Nebenjob dazuverdienende Polizist Hubbard wollten jedenfalls dem Taxifahrer beispringen und die Situation auflösen. Bruno nutzte das anfängliche Chaos und geht schnell und zielgerichtet weg, nicht in sein Hotel sondern die Strasse herunter und um eine Ecke. Hubbard bemerkte dies und folgte ihm, um ihn fest zu nehmen.
Die Festnahme sahen die Traumakrankenschwester Ashley Janzen und Jason Reinhard, welcher die Szene mit seinem Handy aufnahm, weil, wie er später sagte, er die vorgehensweise sehr aggressiv empfand und Material bereitstellen wollte, wenn es später zur Untersuchung käme. Man hört ihn zu Beginn dieses Videos auch laut Kritik äußern, ebenso wie Ashley Janzen.
ACHTUNG, DAS VIDEO ENTHÄLT DRASTISCHE GEWALT UND SOLLTE NICHT MIT   SCHWACHEN NERVEN GESEHEN WERDEN
Beide sagten hinterher, von den vorhergehenden Vorgängen hätten sie nichts mitbekommen.
Im Video ist zu sehen, wie Hubbard Bruno versucht die Handschellen anzulegen. Dabei ist klar zu hören und zu sehen, dass der fast ununterbrochen Bruno auffordert zu kooperieren und ihm die Hände zu geben, dieser das aber verweigert. Rheinhard sagt in einem Interview später, die Familie Brunos und er stimmten überein, dass Anthony Bruno kooperierte, bis der Polizist seinen Kopf mit dem Knie traf.
Das Video Rheinhards zeigt von Beginn an, dass Bruno am Boden kniet, Hubbard versucht seine Hände auf dem Rücken zusammen zu bringen, um ihm Handschellen anzulegen. Nach 24 Sekunden wälzt sich Bruno auf die Seite und entzieht dem Beamten seine bis dahin einzig von ihm erreichte Hand. Hubbard lässt daraufhin mehrere Sekunden von ihm ab, bevor er erneut die Hand greift und versucht sie auf dem Rücken zu arrettieren, woraufhin Bruno sie mit Nachdruck erneut wegreißt (0:36 / 0:38).  Zehn Sekunden hält der Polizist nun mit seinen Fingern die Fingerspitzen Brunos an dessen Seite bis er bei Sekunde 48 vergeblich versucht, ihn auf den Bauch zu rollen (die übliche Position in der potentiell oder eindeutig gefährlichen Personen die Handschellen angelegt werden), am Widerstand scheitert und sich versucht, mit einer schnellen Bewegung in eine überlegene Ringerposition zu bringen. Dabei trifft sein Knie den Kopf Brunos. Auf den ersten Blick mag es so wirken, als sei das Knie mit voller Wucht auf den Kopf des Feuerwehrmannes niedergegangen. Bei der späteren Autopsie wird von einer solchen Verletzung jedoch nichts erwähnt und das Knie landete gut sichtbar auf dem Boden neben dem Kopf, während der Polizist über Brunos Körper hinweg sich kurz abstützte um dann um den Körper herum zu greifen. Wer sich einmal Ringen oder ähnliche Kampfsportarten angesehen hat, der kennt diese Bewegungen, auch wenn sie hier nicht sauber ausgeführt wurden und das Knie den Kopf streifte.
Natürlich kann man dies auch anders interpretieren, als Akt der Aggression, ein Versuch, das Knie auf den Kopf knallen zu lassen und diesen wiederum auf das Pflaster. Warum dann allerdings keine weiteren heftigen Attacken erfolgen, kein vehementes nachgreifen, sodern einzig der Griff um den Körper.
Während der zehn Sekunden vor dem Positionswechsel meint die Krankenschwester Janzen, sie müsse jetzt eingreifen, Rheinhard hält sie zurück.
Und unmittelbar nach diesem Positionswechsel, bemühte sich der Polizist allein mit seinem Gewicht auf dem oberen Teil von Brunos Oberkörper, diesen unten zu halten. Nach seinem Bericht glaubte Hubbard, Bruno habe aufgegeben. Auf die zugrufene Frage der beiden, sich in diesem Moment als Bürgerrechtler verstehenden Zeugen, was der Mann getan habe, reagierte der Polizist, indem er seine Aufmerksamkeit ihnen einen Moment zuwendete und, laut Protokoll der Ermittler, sie bittet den Notruf zu tätigen und Hilfe zu holen.
Diesen Moment der Ablenkung nutzt Bruno, bringt Hubbard aus dem Gleichgewicht, dann einen Arm zwischen die Beine des Polizisten, helbelt diesen über seinen Körper aus (ein Griff, der so ähnlich ebenfalls beim Ringen gebraucht wird), wirft ihn so zu Boden. Dort wälzt er sich auf ihn, drückt dessen Kopf zu Boden, wechselt die den Kopf auf dem Boden haltende Hand, blickt die ihm zurufenden Zeugen kurz an und beginnt mit der frei gewordenen Faust weit ausholend und kräftig auf den Kopf des Polizisten einzuschlagen. Er kann mehrere Schläge landen, dann hört man zwei Schüsse fallen und das Video endet.
Janzen und Rheinhard hatten Bruno zugerufen, den "Bullen nicht zu bekämpfen" oder sinngemäßer "den Polizisten nicht zu schlagen".
Bruno blickt noch einmal auf, bevor er beginnt, auf den Polizisten einzuschlagen
Die Versuche Hubbards ihn von sich zu drücken wehrt der Mann spielend ab. Man kann gut erkennen, dass der Unterlegene bereits nach der Waffe greift, bei den ersten Schlägen aber seine Beine nach oben zucken.
Bruno beginnt auf den Kopf zu schlagen
Wie es weiterging und Details erfährt man aus den Protokollen. Hubbard werden der Knochen unter dem Auge und der Wangenknochen gebrochen, Verletzungen die operiert werden mussten, seine Augenbraue platzt auf und muss später genäht werden. Die Ärzte registrieren außerdem den Verlust von Gefühl auf der Gesichtsseite. Da er das Bewusstsein beginnt zu verlieren und Bruno nicht aufhört zuzuschlagen setzt er seine mittlerweile zu fassen bekommene Schusswaffe ein. Die zwei gehörten Schüsse bleiben die einzigen, aber beide treffen. Eine davon geht direkt ins Herz Brunos. Danach, so Hubbard, steckte er seine Waffe ein und verlor kurz das Bewusstsein.
Janzen läuft in den letzten Sekunden bereits am Rande des Videos auf die beiden zu, die Kamera scheint sich erst danach zu bewegen.

Officer Hubbard bei der Einlieferung ins Krankenhaus
Während die Krankenschwester den Verwundeten versorgt fordert sie Hubbard auf zu helfen. Der halb bewusstlose und selbst blutüberströmte Beamte mit den gebrochenen Gesichtsknochen kriecht dazu und versucht die Wunden abzudrücken, bis andere Feuerwehrmänner aus der Nähe diese Aufgabe übernehmen und schließlich Rettungskräften übergeben.
Rheinhard filmt unterdessen weiter, dieses Material ist jedoch nicht mehr freigegeben worden. Schließlich nimmt ein Polizeibeamter ihm das Handy ab und sichert es als Beweismaterial. Rheinhard zeigt die Aufnahmen später der Familie Brunos und versichert auch in ihrem Namen den Medien, dass der ausschlaggebende Punkt das Knie gegen den Kopf war.
Die Autopsy stellt 2,1 Promille Alkohol im Blut des Toten fest.
Ende Februar kam eine "Grand Jury" zum Schluss, es liege begründeter Einsatz tödlicher Gewalt vor.
Während Rheinhard dem Polizisten die Schuld an der Eskalation und den tödlichen Schüssen gibt, glaubt Janzen, dass es eine Verkettung unglücklicher Umstände war, die den Verlauf unausweichlich werden ließ, aber das ohne den Widerstand gegen die Verhaftung die Sache nicht tödlich ausgegangen wäre.

Wenn wir diesen Verlauf nun kurz zusammenfassen:
1. Bruno schlägt auf einen Taxifahrer ein und verlässt bei Ankunft eines Polizisten den Tatort.
2. Bruno verweigert dem Polizisten die Möglichkeit, ihn zu verhaften - umgänglich: leistet Widerstand.
3. Nachdem der Polizist durchgreift, ihn dabei mit dem Knie am Kopf streift, wirft er den Polizisten zu Boden und bricht ihm Knochen am Kopf.
4. In dieser Lage schiesst der Polizist und trifft tödlich.



Montag, 17. März 2014

Edathy und kein Ende 2

Man mag es rotzfrech, dreist oder chuzpe nennen, was Edathy sich da leistet. In einem aktuellen Interview betont er, alles sei legal gewesen und er selbst sei das Opfer in der aktuell laufenden Affäre. Bereits letzte Woche hatte er laut überlegt, ein Buch über sein "Martyrium" zu schreiben.
Kurz zur Erinnerung: der Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses zur NSU-Mordserie Edathy war auf der Liste der Käufer eines Kinderpornohändlerringes auftgetaucht, welchen die kanadische Polizei hatte auffliegen lassen und dabei u.a. mehrere hundert Kinder befreite. Als die Kanadier unserer Justiz diesen Kauf von Bildern nackter Jungen in nicht eindeutiger Pose mitteilten wurde Edathy, wie auch immer, darüber in Kenntnis gesetzt. Nach verstreichen einer ansehenlichen Zeit wurde dann endlich die Hausdurchsuchung genehmigt, aber da gab es keine intakten Festplatten mehr, die man hätte untersuchen können und auch der Dienstlaptop Edathy war auf wundersame Weise, angeblich auf einer Zugfahrt gestohlen, verschwunden. Edathy selbst setzte sich ins Ausland ab.
Da die gemeldeten Bilder keinen Sexualakt zeigten und angeblich auch nicht unmittelbar anzüglich erscheinen steht die Justiz nun vor dem Problem, keinen Anklagegrund in Händen zu haben. Dies weiß Edathy und beschwert sich nun, nach dem Gesetz völlig korrekt, über die Untersuchung.

Mittlerweile rufen auch diverse Journalisten, Kommentatoren und Politiker dazu auf, "den gesunden Menschenverstand" zu benutzen und keine "Hexenjagd" zu veranstalten. Gemeint ist damit wohl, keinen Menschen vorschnell zu verurteilen und in der Öffentlichkeit schlecht zu behandeln.
So langsam bekomme ich von solchen Kommentaren an der Stirn blaue Flecken, so heftig muss ich meinen Kopf dabei in Richtung Schreibtischplatte bewegen. Gesunder Menschenverstand?
Ein Mann kauft bei einem Kinderpornohändler! Und was kauft er? Nacktbilder.
Schon da erlischt bei mir die Unschuldsvermutung.  Es wird so getan, als sei das völlig unverdächtig. Klar, ich gehe in eine Drogenhöhle und erkläre bei der Festnahme, ich hätte gar nicht mitbekommen, was die da schnupfen und hätte nur schnell von dem Mehl oder Puderzucker, das die da zum Strecken benutzen kaufen wollen, und das sei ja legal.
Dann wird alles an Beweismaterial in den Wohnungen zerstört und der Laptop verschwindet. Ganz zufällig. In den 20 Jahren, die ich Computer benutze, ist mir eine einzige Festplatte kaputt gegangen, und diese war danach vom Fachmann noch immer größtenteils auslesbar. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei gleichzeitig kaputt gehen UND noch ein Laptop des BUNDESTAGES mit möglicherweise wichtigen und geheimen Informationen gestohlen wird halte ich für ähnlich hoch, wie von einem Blitz getoffen zu werden, während man an einem U-Bahntunnel baut und ein Blackout, ein totaler Stromausfall herrscht.
Trotzdem reist der Verdächtige ins Ausland und hält seinen Standort verborgen. Klar, weil die Leiter von Rechtsausschüssen des Bundestages, die von hochrangigen Politikerkollegen gewarnt worden sind ja auch einen Lynchmob vor einer ihrer vielen Wohnungen und Büros und Hotels usw. fürchten müssen und unser Rechtssystem dafür bekannt ist, dass Unschuldige verschwinden...

Hätte Edathy zugegeben, dass bei jenem Händler zu kaufen ein monströser Akt der Ignoranz vor den dort gezeigten Verbrechen gewesen ist, sich dann der Polizei gestellt und seine Festplatten zur Auswertung übergeben hätte - DANN hätte ich gesagt, abwarten, was dabei rauskommt und in dubio pro reo. Wer sich aber so verhält - nein, da versucht ein schlimmer Verbrecher sich aus der Affäre mit möglichst geringen Verlusten zu ziehen, nachdem ihm klar ist, dass das Schlimmstmögliche bereits abgewendet wurde.
Und genau wegen sowas muss es illegal werden, Nacktbilder von anderer Leute Kinder zu erwerben oder solche zum Verkauf anzubieten. Und dabei ist nicht die Rede von barocken Putten, wie so viele dieser Tage behaupten. Dabei ist auch nicht die Rede von einer modernen Plastik, deren Formen nur mit LSD oder extrem aktiver Phantasie den angeblichen Knaben erkennen lassen - es dürfte nicht zu schwer sein, dies dabei herauszunehmen.

Mittwoch, 12. März 2014

Was Schweinchen Babe mit Bomber Harris zu tun hat

Mitunter zweifle ich, ob der eingeschlagene Weg überhaupt noch aufgehalten werden kann.
Wie jedes Jahr, wenn sich der Bomberangriff auf Dresden jährt, bei dem die Stadt mit Brandbomben eingedeckt wurde, welche ein solch starkes Feuer verursachten, dass es fliehende Menschen in sich hineinzog und die Schutzsuchenden  in ihren Bombenkellern erstickte, gibt es Gedenkveranstaltungen, rechtsradikale Klitterung und linksextremistische Menschen- und Rechtsverachtung. Die mindestens 20 000 Opfer werden dabei zu Objekten, zu Spielbällen der Politik. Ihr Leid wird weder verdeutlicht noch mit gefühlt. Das ist der Verdienst unserer Extremen, der Menschen, die aufrechnen wollen, in die eine oder die andere Richtung.

Dieses Jahr haben es zwei Vertreterinnen der Femen / AntiFa / Piraten  geschafft, das meiste bisher Dagewesene zu übertreffen. Sie ließen sich mit nacktem Oberkörper ablichten, was ja typisch für Femen ist. Auf diese pinselten sie "Antifa Action" und "Thanks Bomber Harris". Mit zweiterem ist ein Dank an den Oberkommandierenden der britischen Luftstreitkräfte, der Royal Airforce (RAF), gemeint, da dieser Mann für die Strategie der Flächenbombardements auf deutsche Städte mit dem Wunsch hohe Verluste und Psychoterror unter der Zivilbevölkerung zu erzielen mit verantwortlich ist. Auch die Strategie des Feuersturmes muss ihm angerechnet werden. Hierbei wirft die erste Welle Bomber Sprengstoff in der Art ab, dass Häuser durch den Verlust von Dach und Fenstern zu riesigen Kaminen werden und die in zweiter Welle geworfenen Brandbomben sich zu riesigen und extrem heißen Feuern entwickeln, welchen die Menschen nicht entkommen können und das Areal völlig verbrannt zurücklassen.

Einschub:
Die Karriere von Arthur Harris beginnt im ersten Weltkrieg, in dem er es zum ranghohen Offizier brachte. Zwischen den Weltkriegen diente er in den britischen Kolonien, vor allem in Britisch-Indien und dem Nahen Osten. Hier schlug er einen arabischen Aufstand nieder und ließ dabei von der Mine bis zum Giftgas kein Mittel ungenutzt. 
Kritik an Harris gibt es nicht nur wegen seinem mitleidlosen Krieg gegen Zivilisten sondern auch, weil seine Strategie gegenüber den Verlusten unter seinen Besatzungen rücksichtslos war. Für die Bomberbesatzungen war es oft ein Höllenritt, kaum eine Maschine kam unbeschädigt zurück und fast die Hälfte seiner Männer kam nicht lebend zurück.
Diesem Mann dankt also die AntiFa bzw. Femen.


Anders als bei den bisherigen Auftritten der Femen, dafür typisch für AntiFa-Aktionen haben die beiden Frauen ihre Gesichter verhüllt um ihre Identität geheim zu halten. Die Vielzahl an Motiven von unterschiedlichen Stellen am Elbufer, vor Kirchen und schließlich der Semperoper belegt aber, dass dieses Shooting keine hastige, kurze Nummer war, sondern gut organisiert und über einen längeren Zeitraum ablief.
Die Identität geheim zu halten fällt schwer, wenn man am Oberkörper und den Armen eindeutige Tätowierungen hat.
Und so stand recht schnell fest, um wen es sich dabei handelte. Die eine war die 22jährige Deborah Andersen (nach einigen Angaben ein Pseudonym), Femen-Aktivistin. Sobald dies bekannt war distanzierte sich Femen.
Khanova sagte u.a.
"Wir vermummen uns auch nicht, sondern tragen Verantwortung und erklären unsere Slogans."
Das Debbie Anderson hier ihr Gesicht vermummt und grundsätzlich einen falschen Namen benutzt entspricht nicht dieser Wahrnehmung. Zudem sagte sie:
Ihre Aussagen widersprechen also in fast jedem Punkt Irina Khanova. Müssten sich die beiden nun nicht trennen oder eine Seite zurückrudern? Für mich ist jedenfalls die Verknüpfung zwischen Femen und dieser Aktion nicht vollständig aufgelöst.
Wenn wir dann noch auf den Molotov-Cocktail blicken, den eine andere Femen-Aktivistin vor kurzem auf die russische Botschaft in Berlin war, wird das Thema Menschenrechte bei Femen völlig zur Farce.
Im Fall der zweiten Beteiligten ist die Sache noch um einiges peinlicher. Als wäre das Verhöhnen von Opfern eines Feuersturmes, unter denen auch Kleinkinder, Ungeborene, Behinderte und Senile waren, nicht bereits erbärmlich genug, versuchte die andere Frau sich mit Lügen rauszuhalten.
Es handelt sich um Anne Helm, Piraten-Partei Kandidatin für die Europawahl und in Berlin Neuköln Themenbeauftragte für Migration und seit langem in Sachen Rassismus und AntiFa politisch aktiv. Manch einer kennt ihre Stimme von ihrem Job als Synchronsprecherin, als sie das Schweinchen Babe mit neun Jahren sprach. Aufgrund der Tätowierungen hatten andere Piraten sie schnell den Verdacht. Anfangs dementierte sie dies, dann, laut Spiegel, ein erstes zaghaftes annähern, als sie veröffentlichte:
Den alliierten Streitkräften zu danken, die das Nazi-Regime besiegten, sehe ich nicht als falsch an. Kriegsopfer dürfen jedoch keinesfalls verhöhnt werden.
Dieses Statement ist bestensfalls polemisch, eher rabulistisch. Den alliierten Streitkräften zu danken ist mit Sicherheit richtig, nämlich für die Befreiung von der Naziherrschaft und für die dabei gebrachten eigenen Opfer. Für die nach dem Krieg geleistete Hilfe durch den Marshallplan und die Barmherzigkeit gegenüber den Kriegsgefangenen Soldaten nach 45 - allerdings hier nur die Westalliierten und NACH 45, wie die Analyse von Beevor beweisen. Wer jedoch ausschließlich dem selbst in England umstrittenen Initiator des Luftkrieges gegen Zivilisten dankt bezweckt etwas anderes und kann sich nicht mit "Missverständnis" herausreden.
10 Tage später gestand sie dann, ausgerechnet in der Jungle World, einer linksradikalen Zeitung die oft antideutschen Autoren Raum bietet, dass sie es doch war. Und spaltete damit die Piratenpartei. Während sich die Parteiverbände aus Bayern und NRW sofort distanziert, der Rheinland-Pfälzische Landeschef Heiko Müller austrat und sich der Bundesvorsitzende Thorsten Wirth enttäuscht äußerte, die Partei unter dem Twitter-Tag #Bombergate stritt stellt sich die Berliner Vertretung nach der minimal-Kritik der Aktion hinter Helm und spricht von Bündnissen der Medien, CDU und Rechtsradikalen. Vor allem der Berliner Piratenchef Oliver Höfinghoff stellt sich hinter die Aktivistin, und so kommt es, dass sie weder ihren Posten als Themenbeauftragte verlor, noch von der Kandidatur für das EU Parlament zurücktrat noch die Partei ihren Ausschluss debattiert.
Das Höffinghausen in einer Rede u.a. sagte:
Genossinnen und Genossen, die unmittelbare Aufgabe des Proletariats ist keine andere als den Sozialismus zu Wahrheit und Tat zu machen und den Kapitalismus mit Stumpf und Stiel auszurotten.
dürfte dabei klarmachen, welche Ideologie Helm und Höfinghoff teilen.
Das die Kandidatin einer Partei, die sich ausgerechnet Piraten nennt, so daneben benimmt ist das eine, dass ihr dafür der Rücken gestärkt wird das andere. Wenigstens scheinen das auch viele Piraten-Mitglieder zu erkennen. Dieser Vorfall scheint ihr den Rest zu geben.
Was derzeit auf Twitter zu lesen ist passt zu den peinlichen Streitereien der Partei untereinander in der Vergangenheit. Respektvoller Umgang mit kritischen Stimmen ist nicht möglich. Je schneller die Vernünftigen darunter die Reißleine ziehen, desto besser.
Den Teilnehmern von #keinHandschlag möchte ich sagen: tapfer, aber zwecklos. Die Radikalen bestimmen den Ton und dann ist Reden keine Option mehr.

Die Anschläge von Madrid 2004

Caroline Bauer hat in einem Kommentar zu meinem vorherigen Beitrag auf die Predigt ihrer Eminzenz,  Kardinal Varela, Erzbischof von Madrid
 hingewiesen und einige wichtige Sätze übersetzt:
"hubo personas "dispuestas a matar inocentes a fin de conseguir oscuros objetivos de poder".
"Es gab Personen, die bereit waren, Unschuldige zu töten, um dunkle Ziele der Macht zu erlangen."

"el cardenal ha subrayado que ellos murieron y sufrieron porque individuos y grupos mezquinos, "sin escrúpulo alguno", subordinaron el valor de la vida humana a "la obtención de sus intereses económicos, sociales y políticos".
Der Kardinal hat unterstrichen, daß diese starben und litten weil weil egoistische Individuen und Gruppen, skrupellos das menschliche leben der Erreichung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und politischen Interessen unterordneten."

"hay que estar abierto al perdón siempre, aunque sólo se pueda hacer efectivo cuando se muestra arrepentimiento sincero por los crímenes cometidos y se reparan los daños causados."
"man muss immer offen sein für die Vergebung, aber nur wenn aufrichtige Reue für die begangenen Verbrechen gezeigt wird und die angerichteten Schäden repariert werden."

Vielen Dank dafür. 
Außerdem verwies sie auf den Stand der Ermittlungen. Noch immer ist nicht klar, wer hinter jenen sieben islamischen Terroristen und ihren Helfer stand, die sich nach der Schießerei im April selbst in die Luft sprengten. Dafür wurden 22 weitere Personen zu Haftstrafen verurteilt, drei davon werden wohl nie wieder auf freien Fuß kommen.
In Spanien hatte der Anschlag politische Folgen, da schnell die Vermutung um sich griff, dass der Anschlag eine Folge der bedingungslosen Unterstützung Spaniens für die USA nach dem 11.09.2001 war.
Prof. Fernando Reinares
Fernando Reinares, Politikprofessor und Spezialist der Terrorismusforschung an der Universität von Madrid hat jüngst ein Buch veröffentlicht, in welchem er diese Theorie widerlegt. Darin legt er Argumente und Beweise vor, welche die Gründung der Terrorzelle in die Zeit unmittelbar nach dem Anschlag auf das World Trade Center 2001 und den Beginn der Vorbereitung für den Anschlag auf das Jahr 2002 / 2003  eingrenzen. Somit stünden die Anschläge nicht im Zusammenhang mit dem Irakeinsatz, aber das will außerhalb der Betroffenen kaum jemand wahrnehmen. Eher noch kursieren Verschwörungstheorien, die eine Verbindung zwischen ETA und den Islamisten konstruieren. Auch das Versagen der Polizei, die einige der Attentäter wohl beobachtete und andere als Informanten kannte macht die Lage undurchsichtiger und regt die Phantasie an.

Gedenkwald in Madrid
Das darüber das Andenken an die Opfer und das Leid der Überlebenden und Hinterblieben vernachlässigt wird, ist offenkundig. Die unmittelbar nach den Anschlägen gewählte sozialistische Zapatero-Regierung entließ noch im Dezember 2004 die engagierten Psychologen, welche die Opfer und Hinterbliebenen betreuten. Im Gedenkwald, in welchem Zypressen und Olivenbäume an die Getöteten erinnern sollen weist keine Gedenktafel, keine Erklärung, kein Informationsstand auf den Sinn und Hintergrund der Anlage.
Isabel Casanova vor dem Mahnmal am Bahnhof
Die Rajoy-Regierung kürzte die staatlichen Zuschüsse für die größte Opfervereinigung um 60%.
Dabei wäre Hilfe auch nach einem Jahrzehnt mehr als nötig.
Adeniria Moreira ist eine von vielen, die in diesem Video ihr Leben und ihren Verlust schildert.
Andere haben mehr Glück und ihre Psyche verweigert den Zugriff auf die Erinnerungen, wie im Fall von Sergio Gil, der damals, 19 Jahre alt, einen Schädelbruch und eine Augenverletzung davontrug.
Hilfe und Gerechtigkeit, das wünschen sich auch die Hinterbliebenen, wie Isabel Casanova, die ihren Sohn und ihren Ex-Mann verlor.

Die Gedenkveranstaltung lässt zumindest hoffen, das dies vielleicht erkannt wird, obwohl auch hier eine z.T. heftige Diskussion in Spanien entbrennt.
Währenddessen wächst die Bedrohung durch weitere Anschläge kontinuierlich an. Altes Leid, das nicht verheilt, neues Unheil, dass sich ankündigt. Und mitten drin die Politiker...



Dienstag, 11. März 2014

10 Jahre - Madrider Bomben

Am 11.03.2004 explodierten in vier Madrider Vorortzügen insgesamt 10 Bomben, drei weitere konnten entschärft werden ohne das, wie beabsichtigt, die Rettungskräfte und Verletzten ums Leben kamen.
Am Ende waren 191 Menschenleben ausgelöscht, 2051 Menschen waren verletzt, über 80 davon schwer.
Unmittelbar danach wurde die ETA, die baskische Terrororganisation die für ein selbstständiges Baskenland und Navarra mordet, als verdächtig bekannt gegeben. Spanische Regierung und UN Sicherheitsrat waren sich darin einig.
Am Ende kam heraus, dass es die islamische Terrororganisation Al Quaida war, die auch für die Terroranschläge vom 11.09.2001 in New York verantwortlich zeichnet. Als am 3.4.2004 ein Versteck der verantwortlichen Terroristen gestürmt werden sollte kam es zu einem Schusswechsel und Explosion, bei der alle sieben Verdächtigen sowie ein Polizist umkamen, womit die Zahl der Todesopfer auf 192 anstieg. Ein weiterer Polizist wurde verletzt.
Heute hat sich dieses Ereignis zum zehnten Mal gejährt und die Spanier haben ihrer Opfer gedacht.

Ich leide mit den Hinterbliebenen und Verletzten, ich fürchte mich mit jenen, die seitdem in Angst vor weiterem Terror leben und ich bitte die Opfer um Vergebung, dass unsere Gesellschaft nicht in der Lage war, sie zu schützen. Mögen Sie in Frieden Ruhen.



Gender, Schulen, Bücher und Filme

Es geht ja seit Monaten rund um eine Minderheit (darf man das so überhaupt noch schreiben oder ist das gleich wieder erniedrigend?) in den Medien und der Gesellschaft. Waren die Millionendemonstrationen in Frankreich letztes Jahr nur in den Medien zu finden, wenn es an ihren Rändern zu handfesten Auseinandersetzungen kam, so ist auch dieses Jahr nicht viel von den Vorgängen im Nachbarland zu hören, wenn es nicht zur Schande der von Medien und Politik kritisierten Seite gereicht.
Vorweg eine Vergleichsmöglichkeit: letztes Jahr im Oktober kam es in einigen Orten Frankreichs zu Protesten durch "Schüler", weil die 15jährige Leonarda aus dem Schulbus abgeholt und mit ihrer Familie nach abgelehntem Asylantrag in den Kosovo abgeschoben wurde. Was dann an vielen Orten eskalierte nannten die meisten Zeitungen und Magazine "Schülerprotest" und "Aktionen für Asylsuchende Mitschüler". Der Spiegel titelte denn auch "Schülerproteste gegen Abschiebung weiten sich aus".
Bild des Spiegel online
Das dabei online gezeigte Bild offenbart bereits, wie nahe oder fern diese Überschrift und die folgende Beschreibung der Realität wirklich kommt. Die zumeist jungen Männer haben sich zu einem großen Teil bereits vermummt - etwas, das bei den Protesten der von den Medien weniger freundlich umschriebenen Demonstrationen den meisten Teilnehmern gar nicht möglich gewesen wäre.


Wer sich jetzt die obligatorische Mühe der zwei-Minuten-Recherche macht stößt auf ein anderes Bild des gleichen Fotographen, kurz vor oder nach besagtem Bild.
Bild der Basellandschaftlichen Zeitung

 Der gleiche junge Mann, der zuvor scheinbar von brutalen Polizisten attackiert verängstigt zurückzuweichen scheint, also der "Schüler" der sich "gegen Abschiebung" einsetzt attackiert hier entschlossen den Beamten direkt vor sich. In unseren Medien wurde erwartungsgemäß kaum etwas von der Gewalt vermeldet obwohl fast sämtliche großen Zeitungen über die von den Schülervertretungen mit insgesamt ca. 24 000 Teilnehmern bezifferten Proteste, berichteten. Französische Medien gaben Bericht über vereinzelte Ausschreitungen.
 Die Polizei ging von der Hälfte jener Teilnahmerzahl aus. Diese Proteste und die Berichterstattung veranlassten den französischen Innenminister dazu, seinen Urlaub abzubrechen und Präsident Hollande schließlich dazu, der Kosovarin Leonarda (15) ein Bleiberecht anzubieten, allerdings nur ihr - was sie ausschlug. Das Angebot sorgte für weitere Demonstrationen und Proteste - so schrieben die Zeitungen, jedoch nicht mehr "in der Dimension" der vorhergehenden Aktionen.

Halten wir fest: der von der Justiz geregelte Ablauf der Prüfung eines Asylantrages, seine Ablehnung und die unsensibel durchgeführte Abschiebung führten zu "Massenprotesten" von ca. 20 000 Menschen, was eine Menge Bewegung und Entschuldigung in die Sache brachte.

Die Manif pour tous Bewegung brachte Millionen Menschen wiederholt auf die Strasse und in den verschiedensten Positionen zum streiken. So etwa auch fast die Hälfte der Bürgermeister dieses doch recht umfangreichen Landes. Diese verweigerten die Ausführung der neuen Direktive und wurden per Gerichtsbeschluss gezwungen. Letzteres meldete dann auch wieder unsere Presse - natürlich ohne den Umfang des Widerstandes zu berichten oder auf Kategorisierung zu verzichten. Und auch die Dimension der Manif Bewegung wurde kleingeredet oder gleich ganz unterschlagen.

Dafür findet unsere angebliche vierte Gewalt bei einem damit verbundenen Thema wieder klare Worte. Beim Gender-Thema und der "sexuellen Aufklärung" gibt es sie wieder, die Gesellschafts- und Menschenfeinde.
So titelte die WELT:
Ein Gender-Gespenst geht um in Frankreich: Katholische und muslimische Extremisten fordern die Reinigung der Kinderbibliotheken von Büchern, die ihren Vorstellungen von Moral nicht entsprechen.
Vorstellung
Die Sprache ist eindeutig, Extremisten fordern "Reinigung". Wer muss da nicht sofort an Menschenmengen mit Fackeln denkt, die nach Anbruch der Dunkelheit Bücher ins Feuer werfen, weil sie von bestimmten Menschen oder von Menschen mit einer bestimmten Haltung geschrieben wurden? Und wenn von "stürmen" die Rede ist sehen wir Horden von Barbaren, die in die heiligen Hallen gesammelter Schriftwerke drängen, über Tische, Bänke und Sicherheitspersonal hinweg, um
grobschlächtig Mengen von gebundenem Papier auf die Strasse zu karren.
Dabei gehen französische Berichte mindestens ebenso weit. Der "Neue Beobachter" (Le Nouvel Observateur) titelt seine Version der Berichterstattung mit dem Begriff, die Bewegung "attackiere" Bibliotheken und leitet den Artikel mit "Der Kreuzzug geht weiter" ein. Schwertschwingende Mänerhorden aus dem Mittelalter bedrohen das Licht der Zivilisation.
Realer Protest
Ein Körnchen Wahrheit ist da wohl auch dran. Es sind tatsächlich Aktivisten in die Bibliotheken gegangen. Gegangen. Nicht an einer einzigen Stelle wird von aufgebrochenen Türen, überwundenen Barrikaden oder niedergeschlagenem Personal gesprochen, dass man den Begriff "Sturm" verwenden dürfte. Diese Aktivisten gingen dann vor allem durch die Kinderabteilungen und sahen sich an, welche Bücher dort den Kindern zur Verfügung stehen. Entdeckten sie dabei Bücher der Gender-Theorie / -Ideologie forderten sie deren Ausschluss. Dieser Vorgang reicht, um diese Menschen als Radikale, Extremisten, "Erz-konservativ" und einiges mehr abzustempeln.
Die französischen Zeitungen machen sich mitunter wenigstens die Mühe, sich mal anzusehen, um was geht. Der Fiagro listet fünf Bücher auf der Rauswurfliste der "Printemps" Bewegung auf und stellt sie vor.
Umgang mit den Protestierenden
Papa porte une robe, "Papa trägt ein Kleid" ist eines der Bücher, um die es geht.  In dem Buch geht es um einen Vater, der sein Kind durch bestimmte Umstände in einem Kleid abholt und dafür Spott erntet. Damit sollen Konventionen und Geschlechterrollen in Frage gestellt werden, so schreibt es die französische Schulkomission.
 Ins gleiche Horn bläst das Buch dînette dans le tractopelle, "Essecke im Bagger". Hier soll anhand der Geschichte der Puppe Annabelle und der Actionfigur Grande Jim ebenfalls die Geschlechterspezifizierung aufgehoben werden. Jim liebt es mit Teeservice zu spielen, Annabelle würde gerne Bagger fahren. Da aber Jungs- und Mädchenspielzeug durch die Farben blau und rot getrennt sind muss erst einiges passieren, bis am Ende alles lila ist und alle glücklich.
Nicht erst seit der Sendung "Gehirnwäsche" von Harald Eia weiß man, dass es hier um mehr geht als nur Erziehung und die Genderforschung und somit auch solche Bücher da deutlich über das Ziel, Anerkennung der Ausnahmen, hinausschießen.
 Da wäre auch das Buch "Das Kitzeln". Die Zeichnungen dieses Buches zeigen, wie sich die offensichtlich noch vorpubertären Geschwister Kitzeln, dabei entkleiden und die wie Schwester zum Schluss das Ohr ihres Bruder leckt, während sie seinen Po berührt und beide unter der Decke verschwinden.
 Diverse Zeitungen und Fachleute haben sich darüber schon geäußert (in Frankreich...). Es geht dabei meist darum, dass Erwachsene Sexualität auf diese Bilder projezieren und damit etwas tun, was dem Zielpublikum, den Kindern, nicht möglich ist. Ob das so stimmt, wage ich nicht zu beurteilen. Das dieses Buch bei Erwachsenen aber durchaus bestimmte Assoziationen weckt steht wohl außer Frage. Schon allein darum ist es verständlich, wenn Menschen das Buch als ungeeignet empfinden ohne diese Menschen darum sofort als "Extremisten" abzustempeln.

In einem weiteren Beitrag werden andere Bücher genannt. So etwa Mademoiselle Zazie a-t-elle un zizi? "Hat Fräulein Zazie einen Pillermann?" und Tango a deux papas, "Tango hat zwei Papas".
Ich denke, die Titel besagen alles über den Inhalt. Französische Zeitungen nennen oft den Blog "Der Beige Salons" als einen der Verbreiter des Protests mit der Folge, dass dieser zuletzt am 4. März einen Gerichtstermin zu bestehen hatte.
Vorausgegangen ist bereits der Protest an den Schulen. Über Wochen und Monate haben Eltern ihre Kinder immer wieder kurzzeitig vom Schulbesuch ferngehalten, um gegen Gender-Lehren in der Schule zu demonstrieren, die bereits ab der Grundschule im Programm "ABC der Gleichheit" vermittelt werden sollte. Der Protest an den Schulen war auch durch die Kritik an dem Buch Tous a poil, "Alle nackt" ausgelöst worden, welches in den Unterricht der ersten Klassen einbezogen wurde. Die Regierung hatte mit der Einbestellung der Eltern reagiert und weitere Maßnahmen angedroht. In den Medien wurde immer wieder Entsetzen über diese "Extremisten" geäußert und das deren nächste Aktion wohl eine öffentliche Bücherverbrennung sein werde.

Für mich ist diese Gleichsetzung eines Protestes sowie der Forderung die Bücher nicht in öffentlichen Einrichtungen einzusetzen mit Bücherverbrennung und dem damit assoziierten System eine Scheinheiligkeit sondergleichen.
Hier in Deutschland ist es noch nicht lange her, dass Bücher "bereinigt" wurden, und zwar von eben jenen Kräften, die jetzt am lautesten beschuldigen Nazimethoden anzuwenden, und dafür selbst in Bibliotheken gingen um dort zu prüfen, welche Version dort steht. Da ging es um bestimmte Worte, die nicht mehr benutzt werden sollten und selbst 60 Jahre alte Bücher wurden von ihren Verlagen umgekrempelt, um nur ja kein politisch unkorrektes Wort darin zu lassen.
Unliebsame Bücher werden boykottiert, bei amazon aus dem Sortiment geschmissen und Diskussionspodien verhindert. Im schlimmsten Fall werden ganze Ausstellungen vandalisiert und ausgeraubt.
Es sind zudem die gleichen Kreise, die vor einer Ideologisierung der Kinder warnen, darum vom Religionsunterricht bis zum Besuch der Bundeswehr an Schulen alles verhindern und verbieten, die hier vom Kleinkindalter an sexualisiert werden sollen und jeden Protest dagegen als Protest gegen Sexualkundeunterricht darstellen möchten.
Auch in Frankreich ist der Umgang mit der Bewegung politisch motiviert sehr schlecht. So wurde eine junge Russin von der Polizei erpresst (man stelle sich den Aufschrei vor, wenn dies andersherum wäre), um die Manif-Bewegung auszuspionieren. Die junge Frau fand dank der Menschen in der Bewegung selbst den Mut, dies öffentlich zu machen.

Bei uns hat die Sache scheinbar besser geklappt. Längst sind die bescheuertsten Abscheulichkeiten Alltag und werden ohne Rücksicht und mittels Staatsgewalt selbst gegen Schwangere durchgesetzt. Und das Kinder kollabieren und im Krankenhaus behandelt werden müssen wird dann als "eigentlich nichts passiert" bezeichnet. Wie es besser ginge macht Miriam Hollstein in ihrem Artikel in der WELT deutlich.
Es ist in jedem Fall kein Zeichen von Anerkennung des Anderen, wenn dieser einfach übergebügelt, schlechtmöglichst kategorisiert und dann ignoriert wird, selbst wenn diejenigen um die es geht kollabieren.
Und nochmal für alle: Es geht nicht darum Sexualkunde abzuschaffen, es geht um das rechte Maß und die dahinterstehende Absicht.

UPDATE: gerade einen Artikel gefunden, das es Baden-Würtemberg pläne gibt, die Sache noch zu "radikalisieren". Diesmal sind Kindergartenkinder und die Programmierung des Geschlechtes (möglichst passend für "Organisationen und Unternehmen") vorgesehen...

Montag, 10. März 2014

Furor atheorum

Es ist nunmehr absehbar, dass jenes Museum eröffnet wird, welches den Opfern, Helfern und Ereignissen des 11.9.2001 in New York City gewidmet ist und auch den islamistischen Anschlag von 1993 nicht vergisst. Das Museum ist unterirdisch über mehrere Stockwerke angelegt und zeigt Bilder, Videos, Gegenstände und Bezüge zu allem rund um die Anschläge. Wer will kann sich Graphiken ansehen, die zeigen, wie es einmal aussehen soll.

Zu dieser Ausstellung gehört auch ein Kreuz. Dieses Kreuz hat eine besondere Form, eine besondere Oberfläche und eine besondere Geschichte. Sie wird in einem drei Minuten Video auf dem history Channel erzählt. Wer keine Geduld für das Video hat oder mit der Sprache hadert: Die Rettungskräfte, welche in den Tagen nach den Anschlägen in den Trümmern nach Opfern und Überlebenden suchten, dabei ihre Gesundheit ruinierten und ihr Leben aufs Spiel setzten, bemerkten am 13.09. in einer Senke der Trümmerlandschaft ein Kreuz. Dem Arbeiter Frank Silecchia wird die Entdeckung zugeschrieben, er selbst sagt in dem Video, bei dem Anblick überwältigten ihn seine Gefühle, er sank auf die Knie und betete. Nach seiner Entdeckung nutzten die Rettungskräfte und Arbeiter den Ort zum Gebet und ritzten die Namen ihrer umgekommenen Kameraden in den Stahl. Anfang Oktober wurde es aufgrund der Fürsprache des Franziskaners Brian Jordan bei Bügermeister Guiliani leicht versetzt aber nahe Ground Zero aufgestellt. Dort wurden regelmäßig Messen gefeiert.
So weit so profan erzählt mag es in manchen Ohren klingen. Wer sich die Bilder ansieht und die Erzählungen der Menschen vor Ort anhört, der erfährt wie viel ihnen das Kreuz bedeutet hat in jener Zeit und manchem noch immer bedeutet.

Dazu ein Beispiel jenes Franziskaners, Pater Brian Jordan:
Christmas Eve was the coldest night recorded during the 10-month recovery period at Ground Zero. Nevertheless, more than 150 worshippers came for midnight Mass. We sang Christmas carols and prayed for all who died on 9/11. One hour before the Mass, a firefighter's body was recovered, and I joined the Honor Guard from the pit to the top road to accompany the body to be transported by a FDNY fire truck. The Honor Guard participated in the Mass as tears streamed from their eyes in memory of their fallen brothers.
Grob übersetzt: Die Heilige Nacht war die kälteste Nacht in der 10 monatigen Aufräumphase von Ground Zero. Trotzdem kamen über 150 Gläubige für die Mitternachtsmesse. Wir sangen Weihnachtslieder und beteten für alle die am 9/11 starben. Eine Stunde vor der Messe war der Körper eines Feuerwehrmannes gefunden worden und ich schloss mich dem Ehrengeleit von der Grube bis zur obersten Strasse an um den Körper von einem FDNY Feuerwehrwagen transportieren zu lassen. Die Leute des Ehrengeleites nahmen an der Messe teil während ihnen die Tränen aus den Augen strömten in Erinnerung an ihre gefallenen Brüder.

Das sind Szenen, die sich an diesem Kreuz abspielten. Trauer, Schmerz, Trost, Bewältigung, die Suche nach Hilfe und Rettung.
Bereits nach kurzer Zeit wurde das Kreuz und seine Nutzung angefeindet. So ging 2003 eine Rundmail um, welche durch diese Angriffe alarmiert eine Petition bewarb, um das Kreuz zu bewahren. Seitdem geht dies so hin und her. Seit aber bekannt wurde, dass jenes Museum das Kreuz aufnehmen wird hat sich die Sache erneut verschärft. Namentlich die American Atheists Inc. klagt nunmehr zum zweiten Mal, nachdem bereits 2013 eine Klage von 2011 abgewiesen worden war.
CBS berichtet:
Pater Jordan sagte, bei dem Anschlag verlor er seinen Freund, den Feuerwehrkaplan Pater Mychal Judge und 10 andere gute Freunde. Das Kreuz sei ein Zeichen des Trostes / des Zuspruches gewesen und sei nie dazu gedacht gewesen, Atheisten zu verletzen.
 Der Anwalt der Gesellschaft behauptet, Folge dieses Kreuzes wären Verdauungsstörungen, Depressionen, Kopfschmerzen und Unbehagen / Ängstlichkeit bei Atheisten und Nichtchristen.

Sie forderten zumindest eine Plakete am Kreuz auf dem stehen soll, dass "auch Atheisten hier starben". Der Anwalt des Museums wehrt sich mit dem Argument dagegen, dass jenes Kreuz Teil der Geschichte des Anschlages und der Bergungsarbeiten sei, eine solche Plakete dagegen nicht. Zudem verwies er auf den direkten Bezug, den Rettungs- und Bergungskräfte sowie die Familien der Opfer zu dem Kreuz hätten, wie dieses ihnen Trost spendete.
Richter Reena Raggistellte die Frage, warum ein objektiver Betrachter im Museum es nicht als ein religiöses Artefakt welches in eine säkulare Umgebung verbracht wurde kann

Normalerweise habe ich Verständnis für Atheisten, die sich vom Anblick eines religiösen Symbols belästigt fühlen. Aber hier geht es zu weit. Diesen Streit über etwas vom Zaun zu brechen, dass Leidenden, Trauernden Trost gespendet, den Arbeitenden vor Ort Kraft zum Weitermachen gegeben hat und ein spontanter, ungeplanter Teil eines ungeheuer schmerzlichen Prozesses wurde ist unterirdisch mies und rücksichtslos. Kein Atheist wird im Museum gezwungen sich das Kreuz anzusehen geschweige denn davor zu beten. Die Namen und Bilder der Opfer sind am WTC sämtlich aufgeführt, so dass niemals der Eindruck einer homogenen Gruppe von Opfern entstehen kann. Eine große Zahl Angehöriger hat explizit darum gebeten, das Kreuz ins Museum aufzunehmen, darunter auch Nichtchristen. Da sind Reaktionen, wie diese moderate oder diese sehr verärgerten zu erwarten.

Nun könnte man dies nach fast 12 Jahren mal ad acta legen und sagen: wir stritten, es gab eine begründete Entscheidung und nun ist es so. Aber es geht weiter und weiter und ausgerechnet eine Organisation, die auf Wissenschaft pur setzt kommt mit diffusem "Unwohlsein" als Begründung...

Daher schließe ich mich der Forderung der ACLJ an:







Sonntag, 9. März 2014

Vater und Mutter ehren?

Eine junge Frau macht Schlagzeilen. Rachael Canning verklagt ihre Eltern auf die Kosten ihrer Schul- und Collegebildung sowie die Kosten des Rechtsstreites. Die 18jährige war im Streit kurz vor ihrem 18. Geburtstag aus- kurzzeitig bei ihrem Freund ein- und dann zu einer Freundin und deren millionenschweren Anwaltsvater weitergezogen. Allerdings sagt Rachael selbst, sie sei nicht ausgezogen sondern rausgeschmissen worden.
Was war passiert? Eigentlich nichts ungewöhnlich. Eltern und Tochter hatten unterschiedliche Vorstellungen vom Familienleben. Die Eltern erwarteten von ihrer Tochter, dass diese sich an ihre Hausregeln und an die Gesetze des Landes hielte. So sollte die junge Frau um 23 Uhr daheim sein, möglichst nüchtern, und neben ihren schulischen Aufgaben auch im Haushalt helfen. Dies "verweigerte" Rachael. Als Beispiel dient dabei der Streit, der zur "Trennung" führte. An jenem Morgen kam Rachael um halb vier sturzbetrunken nach Hause.
Nun mag man noch glauben, dass dies ein Einzelfall war. Wer sich die Berichterstattung um den Prozess durchliest, erfährt etwas anderes. So soll die Tochter der Cannings ab dem Alter von 15 Jahren durch eben jene Eltern, die ihr jetzt Obdach und Klagemöglichkeit geben, mit Alkohol versorgt worden sein, bis hin zur völligen Trunkenheit. Das ist in Deutschland mittlerweile kein Grund zur Aufregung mehr, in den USA, wo es z.T. erst ab 21 erlaubt ist zu trinken zumindest zur leichten Aufregung. Anderer Leute Minderjährige mit Alkohol zu versorgen gilt dort nicht unbedingt als akzeptabel.
Im Haushalt zu helfen kam gar nicht in Frage, wie sie selbst vor Gericht aussagte.
Es geht aber noch weiter. Rachael wirft ihrer Mutter, also jener Frau deren Regeln sie keinen Beachtung und deren Strafen sie von nichts abhalten konnten, vor, sie habe durch Beschimpfung mit "Schweinchen" und "fett" sie zur Magersucht getrieben. Die Mutter hingegen verweist auf Versuche, ihr eben bei dieser Essstörung zu helfen und auf deren Motivation beim Abschlussball in ein bestimmtes Kleid zu passen.
Außerdem klagt die Schülerin, ihr Vater habe sich ihr unschicklich und in eindeutiger Absicht genähert. Dies wurde jedoch schon vom Jugend- und Sozialamt untersucht und als frei erfunden klassifiziert - die Tochter hingegen mit dem unschönen Wörtchen "spoiled" geehrt, was man am ehesten mit "verzogen" oder "verwöhnt" übersetzen kann.
Dagegen spielte die Verteidigung (ja, die Eltern müssen sich "verteidigen" lassen), eine Aufnahme vom Beantworter des Handys der Mutter vor. Darin beschimpft Rachael die Eltern aufs unflätigste, so dass selbst der Richter meint, sowas habe er lange nicht gehört, und beendet das Gespräch mit dem Wunsch, nie wieder etwas mit den Eltern zu tun zu haben und einfach nur ihr eigenes Leben zu leben.

Und das ist der Moment, wo ich mich vergleichen kann. Meine Eltern haben mir gegenüber einiges an Mist gebaut und seit etwa zehn Jahren habe ich zu keinem der beiden (getrennt lebenden) mehr Kontakt, davor eher sporadisch. Ich will nicht allzuviel persönliches hier ausbreiten, aber es waren einige wirklich heftige Dinge dabei. Trotzdem habe ich im Laufe der Jahre immer wieder Anläufe zur Versöhnung gemacht und bin jedesmal erneut vor den Kopf (oder weit tiefer) gestoßen worden, bis ich es aufgab. Keinen cent habe ich während meines Studiums (oder besser unseres Studienzeit) von meinen Eltern gesehen, aber auch nicht gewollt. Das eigene Leben leben war in der Beziehung mein Motto, und dafür haben wir hart gearbeitet. Meine Frau noch härter als ich, und das weiß ich in ewiger Dankbarkeit zu schätzen.
Der Punkt ist: beides ist nicht drin. Entweder will ich ein eigenständiges Individuum sein, dass sein eigenes Leben lebt, oder ich lasse mich füttern und kleiden und nähren und begebe mich in ein direktes Verhältnis. Rechte und Pflichten lassen sich nicht trennen, jedenfalls nicht ohne Einverständnis des Anderen.
Aber es geht noch eine Ebene tiefer. Rachael ist nicht das einzige Kind der Cannings, sie hat noch zwei weitere Schwestern. Die Eltern haben es ihr ermöglicht, eine katholische Privatschule zu besuchen, die Morris Catholic School. Wer sich ein wenig in den USA auskennt weiß, dass die öffentlichen Schulen keinen guten Ruf haben, die Privaten aber wie auch hierzulande einiges an Geld kosten. Nach Aussage von Rachael verfügen die Cannings über ein Einkommen von 250.000 Dollar bis 300.000 pro Jahr. Sean Canning ist ein Ex-Cop, wenn auch ein hochranginger. Wie es um die Mutter bestellt ist war mir nicht möglich zu erschliessen.  Woher also diese hohen Summen kommen sollen ist nicht ganz klar, aber auch nicht unmöglich. Die jüngeren Schwestern von Rachael werden wohl ebenfalls auf Privatschulen geschickt werden und nebenbei will das Leben bestritten werden. Rachael fordert wöchentlich einen Unterhalt von ca 650 $ plus die Schulkosten von ca. 6000$ plus die Gerichtskosten von mehreren tausend $ und natürlich das Geld für das College, welches im Schnitt an reinen Gebühren jährlich etwa 9 - 14 000 $ kostet, so sie an einer öffentlichen Uni studiert. Ihr Ziel ist aber eine Uni in Vermont, immerhin mit Stipendium. Mehrere tausend $ dürfte dies die Eltern trotzdem kosten.
Das dies zu Lasten der Schwestern gehen kann, zumal dank des Prozesses, scheint Rachael gepflegt an einem Körperteil vorbeizugehen. Im letzten eMailwechsel des Vaters mit Rachael, der auch Gegenstand der Verhandlung war, betont der Vater, dass seine älteste Tochter auch erst wieder Vertrauen bei ihren Schwestern aufbauen muss, die sie ebenfalls verletzt habe.
Wer jetzt noch meint, hier ginge es nicht um eine pubertären Ausbruch, der noch von jenen Erwachsenen angepeitscht wird, in dessen Villa Rachael derzeit lebt und von denen sie ihren ersten Alkoholexzess erhielt, der sehe sich die Haltung der Schule an. Diese hatte Rachael zwei Tage
suspendiert, weil sie in Verdacht stand auf dem Parkplatz der Schule mit mehreren Jungs Vodka konsumiert zu haben, während eine der sogenannten Homecoming-Bälle stattfand. Rachael drohte bei der Gelegenheit auch den Lehrern und der Schule mit Klagen.
Kommen wir noch einmal zum Band zurück.
Dieses Band bestätigt nebenbei auch die Mutter in Sachen Essstörung. Der Wortlaut (und nur der Vollständigkeit halber bringe ich das volle Zitat. Nachdrücklich distanziere ich mich vom Inhalt und vom gebrauchten Ton.)
Die Eltern beim abspielen des Bandes
Hi mom just to let you know you're a real f**king winner aren't you you think you're so cool and you think you caught me throwing up in the bathroom after eating an egg frittatta, yeah sorry that you have problems now and you need to harp on mine because i didn't and i actually took a s*** which i really just wanna s*** all over your face right now because it looks like that anyway, anyway i f***ing hate you and um I've written you off so don't talk to me, don't do anything I'm blocking you from just about everything, have a nice life, bye mom'

Die Übersetzung bis zur Beleidigung:
Hallo Mama, wollte dich nur wissen lassen, dass du echt ein **** Gewinner bist, oder? Du denkst, du bist so cool und du denkst du hast mich beim übergeben im Badezimmer erwischt nach dem essen des Eieromletts. Ja, tschuldige das du jetzt Probleme hast und jetzt auf mir rumhacken musst, denn ich hab es nicht getan (...)
Die Mutter soll also gemeint haben, die Tochter "zu erwischen", also etwas Verbotenes zu tun. Die Essstörung war also nichts, auf das die Mutter aus war und / oder etwas, dass die Tochter heimlich tat. Das passt zur Beschreibung der Mutter, die angibt, über ihre Intervention
bei Rachael in Misskredit gekommen zu sein, und nicht in das Bild der beschimpfenden Rabenmutter, die ihre Tochter dünn haben will.

Auch der Auftritt vor Gericht spricht dafür. Während die Eltern sichtbar verhärmt vor Gericht auflaufen, mehrfach ihren Schmerz über den Umgang der Öffentlichkeit mit ihrer Tochter äußern und in Tränen ausbrechen, wann immer es ins Detail geht erscheint Rachael in Schuluniform, lächelt und scherzt mehrfach mit ihren Freunden, gähnt bei den Ausführungen um die Ereignisse herzhaft und scheint allgemein wenig bedrückt.

Es mag der Eindruck entstehen, ich glaube hier würden die
Rachael mit ihrem Gönner
Die Eltern
völlig unschuldigen Eltern gegen ein Monster von Kind angehen. Dem ist nicht so. Sehr wohl habe ich den Trennungswunsch der Eltern von ihrem Freund wahrgenommen. Derartiges zu verlangen kann zu Eskalationen führen und ist mit Sicherheit nicht pädagogisch durchdacht oder allzu liberal. In meinen Augen ist das aber kein Grund für eine solche Reaktion, denn die 18jährige ist offensichtlich intelligent genug zu verstehen, dass ihre Eltern dies aus Sorge und Liebe verlangen, auch wenn es massiv mit ihren Gefühlen kollidiert.
Die Bilder von ihr beim Prozess lassen mich allerdings zweifeln, ob Gefühle der Verbundenheit wirklich so ein Problem sind.





Zum Schluss das Gute, welches daraus erwuchs. Es gibt noch eine Rachael Cannings bei Facebook und in den social networks. Diese wurde überflutet mit Freundschaftsanfragen aber auch hasserfüllten Nachrichten. Diese junge Frau, deren Bruder unter dem Asperger Syndrom leidet, machte aus der Not eine Tugend und schickte Rundnachrichten an jene auf Rachael verbal prügelnde Menschen, in denen sie erklärte, dass sie die Falsche hätten, aber aus ihrer unangebrachten Wut eine gute Tat des Tages machen könnten und für Autisten Spenden.
So if you woke up this morning thinking "hmm let me message the wrong Rachel Canning and tell her I hope she gets hit by a bus" here's an opportunity to turn your day around with some positivity!”
 Auf diese Weise hatte sie in wenigen Tagen 1000 $ für eine gute Sache gesammelt und vielleicht einigen Menschen vor Augen geführt, wie mies "cyberbulling" ist. Wie ich finde, eine gute Sache.

Samstag, 8. März 2014

Aktion für die Frauen des Libanon

Der Libanon ist hin und wieder im Tagesgespräch vorzufinden. Dabei dann meist als Heimat der Hizbollah, oder als Fluchtort der syrischen Bevölkerung. Das der Libanon nunmal, aber er ist auch mehr. Er war bis vor wenigen Jahren das letzte Land der Levante, dessen Bevölkerung mehrheitlich christlich war und ist eines der letzten Länder, die noch eine große Zahl praktizierender Christen aufzuweisen hat. Gerne würde ich schreiben, dass es dort keine Verfolgung gibt, aber dem ist nicht so, wie schon der zweite Satz verdeutlichte.
Wie fast überall ändert sich das Leben auch im Libanon rasant. War Beirut vor wenigen Jahrzehnten eine blühende Metropole deren Tag- und Nachtleben bunt und berauschend erschien, in welchem Frauen mit Kopftuch ebenso vertreten waren wie Miniröcke, so verschwindet das liberale und tolerante Leben nach und nach unter dem Druck der gewaltsam vertrenen Ansprüche. Aber noch existiert es, und einige Libanesen sind nicht bereit, dies einfach so aufzugeben. Das ist nicht ganz ohne, umso mehr, wenn es gar nicht um ihre eigenen Rechte geht sondern um die der noch stärker unter Druck stehenden Frauen.
Darum möchte ich hier auf das Video einer kleinen Gruppe junger Männer verweisen, die ein Video drehten.
To our Mothers, Sisters, Wives, Fiancées, Girlfriends and all the amazing Women of Lebanon and the World, we dedicate this tribute video to you. We Love You!

Following this year's International Women's Day theme of "Inspiring Change", we at Uf Concepts and Uf Chou Laziz encourage advocacy for women's advancement everywhere in every way. We call for challenging the status quo for women's equality and vigilance inspiring positive change.

Uf Chou Laziz is an initiative by Uf Concepts. We still believe that Lebanon holds a huge potential for fun and kindness despite its problems. Our mission is to exploit it through pranks, flash-mobs and acts of random kindness.

Ich verlinke dies um mich zu solidarisieren, meine Bewunderung auszudrücken und den Zielen Beifall zu klatschen. Viel Erfolg und Gott stehe euch bei.

Ein Skandal um einen Skandal

Vorgestern ging eine Meldung durch den deutschen digitalen Blätterwald.
"Nazis machen Legoland dicht".
Jetzt mal außen vor gelassen, dass der Begriff Nazis schonmal einen eindeutigen Schlag Mensch umreißt und "dicht machen" so viel heisst wie "schließen" ist der Hintergrund auch ohne Polemik ein Skandal. Drohungen wurden geäußert welche Gesundheit und Leben der Besucher wie Angestellten als Ziele angaben.
Sowas geht nicht. Da gibt es keine Entschuldigung. Wenn es um Gewalt geht, wird eine Grenze überschritten. Punkt.

Jetzt das "aber". Die Bezeichnung der Täter als "Nazis", als "Rechte" und "Rechtsradikale" kommt nicht von ungefähr, ebensowenig wie die weite Verbreitung genau dieser Meldung im Wortlaut. Worum ging es?
Die Taz berichtet aufgewühlt:
Nach rechtsradikalen Drohungen per E-Mail und mit Anrufen hat das Legoland in Windsor eine Veranstaltung mit muslimischen Teilnehmern abgesagt. Das Hotel auf dem Gelände des Vergnügungsparks nahe London werde für das kommende Wochenende geschlossen, teilte eine Sprecherin am Donnerstag mit.
Dort war eine private Veranstaltung mit rund 1.000 muslimischen Familien geplant. Die Muslimische Stiftung für Forschung und Entwicklung hatte den privaten Ausflug in den Legoland-Park in Windsor organisiert. Mehr als 4.000 Angehörige unterschiedlicher Herkunft und Konfession hätten Karten reserviert, teilte die Organisation mit. Der westlich von London gelegene Park wird für die Sommersaison am 14. März eröffnet. 

 Am Rande wird erwähnt, wer diese Veranstaltung organisierte. Es ist die "Muslimische Stiftung für Forschung und Entwicklung". Und das es sich um eine private Veranstaltung mit 1000 muslimischen Familien, aber insgesamt 4000 Angehörigen unterschiedlicher Herkunft und Konfession handelte.
Ich hatte von der Organisation nie gehört und sowas veranlasst mich bei Zeitungsmeldungen dazu, nachzuschlagen - umso mehr als wenn der Hintergrund so mager beleuchtet wird.
Die besagte Stiftung wird geleitet von Haitham al-Haddad. Und dieser Mann ist kein Unbekannter. In der Vergangenheit fiel er durchaus auf, meist durch seine Äußerungen. Bestens dokumentiert ist seine Haltung zur Genitalbeschneidung bei Frauen, oder besser Mädchen, die er nicht ablehnt sondern von der er eine Weise als "korrekt" ansieht. Sein Wikipedia-Eintrag verweist zudem auf eine juden- und christenfeindliche Haltung entsprechend bestimmten Stellen im Koran. Dazu passt wohl auch seine Haltung zur häuslichen Gewalt, die er im Fall das der Mann seine Frau(en) schlägt, als eine Sache zwischen den Eheleuten ansieht, die nicht nach außen gebracht werden darf. Wenig überraschend ist er auch Mitglied eines Scharia-Gerichtes in England, welche dieses islamische Recht im privaten Raum duldet.
Er engagierte sich dafür, eine Mega-Moschee zu bauen, die viermal größer sein sollte als die dann benachbarte St. Pauls Cathedral - etwas das wohl kaum als ein Symbol eines ausgleichsuchenden, partnerschaftlichen Miteinanders zu verstehen ist.
Das ist also der Mann, der hinter der "Veranstaltung" steht.
Welche Veranstaltung ist es denn, um die es hier geht? Ziel des "Family Fun Day" war es eine "halal environment" für muslimische Familien im Legoland zu bieten. Das klingt zunächst harmlos. Würde das Phantasialand aber einen "Tag christlicher Regeln" oder einen "Atheistischen Religionsbanntag" vollziehen, würde niemand am diskriminierenden Charakter zweifeln. Halal, das bedeutet nach Ansicht von al-Haddad, dass Männer und Frauen nicht zusammenkommen, wenn sie nicht verheiratet sind. Da seine Frau auf diversen Bildern vollverschleiert ist, darf man annehmen, dass auch mindestens Kopftücher dazu gehören. Die Speiseregeln sind vermutlich bekannt - kein Schweinefleisch, nur halal-Schlachtungen usw.  Wie sich dies vereinbaren lässt mit der Öffnung "für alle" ist mir nicht klar - und dies ist der essentielle Fakt in der Bewertung der Veranstaltung, die unsere Medien durch die mangelnden Informationen unmöglich machen. Allerdings ist auch die englische Presse zurückhaltend - aber nicht komplett verschwiegen.
Usama Hasan from the Quilliam ­Foundation, the counter- extremism think tank, said of Haddad: “Like all extreme Islamists, he uses fascist ­language about non-Muslims.
“He refuses to sit at the same table as women and opposes men and women mixing in the workplace.”
Das meldet der Dailystar. Sollte dies die Vorstellung sein und die nicht-muslimischen Besucher hätten sich in diese Regelwelt einzufügen (und warum sonst sollte jemand einen "halal" Tag organisieren?), so wäre ein solches Vorhaben in meinen Augen ebenfalls ein Skandal, welcher durch bekanntes Medienschweigen verstärkt würde. Sollten aber die Aufregung um nichts entstanden sein und jeder Besucher sich kleiden und essen können, was er / sie will und sich ungeachtet des Geschlechtes und Familienstandes mit anderen Menschen treffen, unterhalten und fahren würde es den Skandal um die erzwungene Absage vergrößern.
So oder so, hier kam Skandal auf Skandal. Ein Armutszeugnis des Umganges miteinander.

Und ein weiteres Mal ein Armutszeugnis der Presse, die mit Informationen knausert aber mit Schubladen um sich werfen um ein gewünschtes Bild zu zeichnen.
1000 muslimische Familien  waren bereits angemeldet, 4000 Menschen insgesamt. Und dann fühlt man sich bemüssigt zu betonen "unterschiedlicher Herkunft und Konfessionen". Ein Schelm wer rechnen kann.

 

Auf die Frage "Wie kann Gott sowas zulassen?"

Die Bloggerin e. legte ergreifend nahe, dass für ihren Mann einer der Hinderungsgründe zum Glauben zu finden die Frage ist, wie Gott so viel Leid zulassen kann, wo er doch Allmächtig und Allliebend ist.
Natürlich möchte ich mir nicht anmaßen auf diese Frage, welche Gläubige, Zweifelnde und Atheisten wohl seit ewigen Zeiten umtreibt, wirklich beantworten zu können. Ich kann nur wiedergeben, wie ich sie für mich beantworte und hoffe, da ist vielleicht etwas Brauchbares dabei.

Ich glaube, es gibt auf diese Frage nicht die eine Antwort, sondern eine ganze Staffel, und viele dieser Antworten sind nicht der Art, welche einfach zu akzeptieren sind oder toll gefunden werden.
Die unbefriedigendste ist das oft genutzte und kritisierte "Gottes Wege sind unergründlich". Warum rettet er nicht die junge Frau, die einem Vergewaltiger in die Hände fiel und der sie zu Tode foltert, aber eine 80jährige Lourdesfahrerin erhält wundersam einen Teil ihrer Gesundheit zurück?
Vielleicht schmeisst ein junger Polizist aufgrund der Tat hin und gründet stattdessen eine Familie, die er liebevoll beschützt. Vielleicht findet die 80jährige durch das Wunder auf einer Fahrt auf die sie ohne Glaube ging kurz vor ihrem Tod zurück zum Herrn. Vielleicht rührt das Leid seines letzten Opfers, einem von vielen, endlich das Herz des Serientäters und er stellt oder verrät sich...
Das ist nicht tröstlich und nicht erklärend, das sind reine Spekulationen - aber es offenbart, dass wir die Geschichte hinter dem Leid und dem Wunder oft nicht kennen.
Das führt zu meiner Erklärung Nr. 2 die ein wenig Trost spenden mag. Wir erkennen Licht nur, wenn es auch Schatten gibt. Menschen, denen es eigentlich super geht finden trotzdem Grund zum klagen. Ich habe eine chronische Erkrankung die mir permanente Schmerzen bereitet und die mich auf absehbare Zeit wohl ans Bett fesseln wird. Wann immer ich denke, es geht nicht mehr erinnere ich mich an das Leid anderer, denen es noch schlechter geht. Als der heilige Vater Johannes Paul II. in seinen letzten Reisen kaum noch laufen konnte oder während eines Jugendtages zitternd auf seinem Stuhl saß, zwischendurch einschlief meckerten die Medien, dass er sein Amt so nicht ausüben könne und ein schlimmes Bild der Kirche vermittelte. Mir gegenüber äußerte eine damals junge Frau im Rollstuhl sinngemäß: als sie ihn da so leidend sitzen sah und trotzdem quälte er sich auf Reisen und Veranstaltungen empfand sie gerade das als tröstlich. Er teilte nicht nur Glauben und Segen sondern auch sein Leid. Ich hoffe, ich habe etwas verständlich ausgedrückt, was ich meine.
Der dritte Gedanke: Gott ist unser aller Vater. Wir sind heute mehr denn je bemüht unsere Selbstständigkeit zu betonen, und zu autarken Wesen zu erklären. Gott müsste uns in klare, enge Bahnen lenken, um viel von dem Leid zu stoppen, dass wir selbst verursachen oder zulassen. Kleine Eingriffe oder Wunder reichen da nicht. Der Heiland verkündet Frieden und was folgt ist eine Verfolgung und ein Krieg nach dem anderen - manchmal gegen seine Gläubigen manchmal von ihnen. Was würde es also benötigen, Frieden zu erzwingen - und wie käme das an?
Der vierte Gedanke ist der Beweis der eigenen Menschlichkeit. Meine Frau, die keinen leichten Alltag hat, stand und steht mir durch jedes Leid zur Seite, etwas das mir dieses Leid ertragbarer macht. Andere Menschen, von denen ich eine hohe Meinung hatte, lassen Menschen prompt fallen, wenn es Probleme gibt.
Menschen, die lieber darüber diskutieren, welche Leistungen ein katholisches Krankenhaus erbringen muss als über das Verbrechen der Vergewaltigung das dem zugrunde liegt zeigen für mich sehr eindeutig, was für Menschen sie sind. Mitleid, Mitgefühl, Hilfsbereitschaft kann niemand beweisen, wenn es dazu keinen Anlaß gäbe.
Gedanke fünf ist: wer definiert Elend? Menschenverursachtes Elend ist ziemlich klar umrissen. Krankheit und der Kreislauf des Lebens hingegen - Leid oder Natur? Was ist mit dem ethischen Dilemma der Euthanasie?
Es gibt noch einige Gedanken mehr, aber ich hoffe, meine Haltung ist klar geworden. Es gibt da m.E. keine Universalantwort. Es kommt immer auf den Fall an.
Und trotzdem bleibt am Ende der Zweifel. Hätten wir diesen aber nicht, dann wäre es Wissen und nicht Glauben. Und Wissen erfordert "nur" die Leistung des Lernens und baut auf Vertrauen in Lehrer und Wissenschaft - nicht auf Gott.