Samstag, 29. Juni 2013

Katholische Krankenhäuser

Ende letzten Monats kam Manfred Lütz, seines Zeichen (Chef-)Arzt und Theologe mit einem neuen Buch heraus, einer Streitschrift. Darin erläutert er u.a. seine Position zu katholischen Krankenhäusern, Kindergärten und allgemein den Beschäftigten. Immer mit Blick auf die Vorgabe unserer Päpste - Entweltlichung. In Kurzform kann man diese Positionen in einem Interview mit dem Domradio nachlesen. Extrem verknappt fordert er, dass sich die katholische Kirche "gesund stößt", wie man heute sagt. Gesund nicht in finanzieller Hinsicht, wobei dies durchaus auch als ein Aspekt gesehen werden kann, sondern in Sachen Verweltlichung, Ehrlichkeit gegenüber sich selbst, Vertretbarkeit der eigenen Maßstäbe und letztlich der Außenwirkung. Einer seiner letzten Sätze im Interview passt ganz gut darauf:
Bei 215.000 sonntäglichen Kirchenbesuchern im Erzbistum Köln kann es nicht angehen, dass eine solche Kirche noch 50.000 Angestellte im gleichen Bereich hat. Das würde ja theoretisch bedeuten, dass dann, wenn diese 50.000 alle so fromm wären, wie sie unterschrieben haben,  jeder katholische Kirchenbesucher dafür bezahlt wird,  dass er sonntags in die Kirche geht.
Die Zahl der Arbeitnehmer bei der katholischen Kirche, die unterschreiben deren Werte und Regeln wenigstens zu akzeptieren und umzusetzen ist also im Verhältnis zu praktizierenden (und somit wohl auch wenigstens halbwegs informierten) Katholiken zu hoch. Damit verbunden sind so viele Probleme. Auf diese geht Lütz im Interview wie im Buch ein, erläutert sie an aktuellen Beispielen. Dabei kommt die Außenwirkung finde ich etwas zu kurz. Menschen können gar nicht anders als verärgert reagieren, wenn sie den Eindruck erhalten, einem anderen Menschen werden Moralvorstellungen aufgezwungen und seine Arbeitsstelle oder Hilfe im schlimmsten Fall verweigert.
Daher die Forderung, die Zahl katholischer Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser etc. auf ein durch Katholiken zu realisierendes Maß zu reduzieren.

Darauf hat seine Exzellenz Erzbischof Müller bereits reagiert. Er führt aus:
Die Rückzugsmentalität widerspricht dem Wesen der Kirche als missionarischer Kirche.
Und die Caritas sei ein Wesensvollzug der Kirche.

Ich finde beide Argumente schlüssig. Schließlich ist es das Christentum, das Krankenhäuser, Schulwesen und Universität in Europa eingeführt und / oder großgemacht hat. Und anderen Menschen zu helfen, sei es in Not oder im Alltag ist Christenpflicht. 
Das Aber daran ist jedoch sehr stark und vielfältig. In Fragen formuliert kommen die Folgenden sofort auf. Nehmen die Menschen die Hilfe überhaupt wahr? Wollen sie diese Hilfe? Brauchen Sie diese? Leisten überhaupt Christen / Katholiken diese Hilfe?

In Köln und Umgebung gibt es ca. 54 katholische Krankenhäuser. In einem davon wurde eine Freundin von mir operiert. Sie hatte eine Eileiterschwangerschaft und kam damit in letzter Minute ins Krankenhaus und direkt unter das Messer. Zuvor war ihr dies bereits einmal passiert, aber dabei konnte ihr ohne größere (!) Operation geholfen werden. Nunmehr war aber die andere Seite betroffen. Die Operation glückte, so man den Verlust eines Eierstockes und die Beerdigung der Kinderwünsche, das Ende eines beginnenden Lebens als Glück verstehen kann. Was blieb war aber nicht der Eindruck der Hilfe, der freundlichen Behandlung, die sie erfuhr sondern die Weigerung, bei der Operation beide Eierstöcke zu entfernen. Da nur der eine akut betroffen war sahen sich die Ärzte nicht in der Lage "ohne dringende Notwendigkeit" auch den anderen Eierstock zu entnehmen, obwohl aufgrund der Geschichte auch hier nur noch mit Komplikationen im Falle der Schwangerschwaft zu rechnen sei. Verständnis für dieses Argument kam nicht auf, nur Wut. Und diese blieb. 
Ein anderes Beispiel ist der Fall der in Irland verstorbenen Dr. Halappanavar. Obwohl ihr Tod absolut nichts mit der katholischen Lehre zu tun hatte oder mit Vorschriften und Behandlungsmethoden daraus führte dies zu einer medial noch unterstützten Kampagne an deren Ende die Änderung der katholischen Gesetzgebung Irlands steht - und eine weiter im Ansehen geschädigte katholische Kirche.

Angesichts eines existierenden staatlich-säkularen Krankenhauswesens oder der scheinbar deutlich, ich nenne es mal, ungebunderen evangelischen Betreuung sehe ich keine Notwendigkeit, angesichts der Umsetzung, Ablehnung, Reaktionen und Darstellungen sogar keine Möglichkeit, die Caritas so wie bisher forzusetzen. 
Viel Unmut wird auch durch die Finanzierung dieser Caritas verursacht. Egal wie hoch nun die Beteiligung des Staates genau ist, wo katholisch / evangelisch etc. drauf steht, in Wirklichkeit aber der Staat die Hauptlast trägt, da ist die Forderung nach Einhaltung jeweiliger Regeln ebenfalls verständlicherweise ein Affront.

Und schlußendlich eben das Hauptargument von Lütz. Die Mitarbeiter sind oft kaum noch katholisch zu nennen. Diese zu zwingen, katholisch zu handeln ist unredlich - katholische Mitarbeiter hingegen zu zwingen, säkular zu wirken ebenso, wie wir im Streit um die Teilnahme an Abtreibungen in den USA deutlich vorgeführt bekommen. Sein Beispiel der Kindergartenmitarbeiterin in Königswinter führt er leider nicht vollends aus. Zwar reißen sich die Mütter in der Region um Plätze in katholischen Kindergärten und Schulen - die Konsequenzen werden aber weder vermittelt noch durchweg eingehalten. Nicht selten wird nur deshalb das Kind getauft und zur Kommunion geschickt - für mich durchaus eine Zwangs- oder Zweckstaufe die sich auch bei Arbeitnehmern finden soll. Und so kam es, dass die Scheidung und Neuverbindung einer Kindergärtnerin zwar zu Entlassung führen sollte, die Eltern aber dagegen Sturm liefen und am Ende der Kindergarten einen anderen Träger erhielt, da die Stadt den Vertrag kündigte. Eine schmerzhafte Situation die allen Beteiligten schadete. 

Da steht auch die ebenfalls von Lütz angesprochene Grundsatzfrage: was darf die Kirche von ihren Mitarbeitern fordern? Scheidung als Kündigungsgrund? Homosexualität? Welchen Eindruck hinterlässt das bei den Menschen, den Betroffenen wie den Zuschauern? Vorbild leben und Einhaltung fordern, oder Toleranz und Milde üben und "everything goes" praktizieren?

Da wäre es mir lieber, die Zahl katholischer Einrichtungen würden dem Angebot und der Nachfrage angepasst. Dem Angebot an Arbeitnehmern die wirklich Willens und in der Lage (das heisst wissend oder lernfreudig in Sachen katholischer Lehre) und der Nachfrage von Menschen, die sich Hilfe und Erziehung nach katholischen Maßstäben wünschen. So würde das Geleistete auch wirklich dem entsprechen, was draußen dran steht. Die Kosten müssten und könnten dann von der Kirche getragen werden, die wiederum ihren Finanzhaushalt konsolidieren müsste.
Und dabei würde die Caritas nicht aufgegeben. Sie würde nur an das Machbare angepasst. Und sollte die Nachfrage dann zu groß sein - dann wird es Zeit sich mit den Menschen zusammen zu setzen und zu bereden, was sie wirklich wollen.




Freitag, 28. Juni 2013

Rotzfrech...

...nannte man es früher, wenn jemand zerknirscht seine Reue beteuerte um, sobald er Vergebung oder eine mildere Strafe erhalten hatte lachend losrannte, spottete und Wiederholung versprach.
Genau das ist jetzt passiert. Die drei Femenaktivistinnen, welche in Tunesien für ihren Nacktprotest zur Freilassung der meines Wissens immer noch inhaftierten Femen Amina ihre Brüste zur Aufmerksamkeitserzeugung nutzten, waren vor ca. einem Monat verhaftet und zu vier Monaten verurteilt worden. Die Strafe hatte das Gericht nach Bezeugung von Reue zur Bewährung ausgesetzt.
Diese Bezeugung liest sich recht kleinlaut.
"Wir wollten die Tunesier nicht schockieren und werden es bestimmt nie wieder tun", sagte Pauline Hillier.
Kaum in Paris angekommen, verkünden die Damen dagegen:
"Femen bedauert nie seine Aktionen."
Und ihre Organisation schlachtet dies mit den Worten aus:
"Unsere Brüste waren stärker als ihre Steine"
und
"Unsere Aktivistinnen scheinen in Haft einem beispiellosen psychischen Druck ausgesetzt gewesen zu sein"

Dabei ging es in diesem Fall nicht um Steine, bzw. höchstens die Steine der Mauern die sie vier Monate umgeben sollten. Aber diese waren wohl doch stärker, denn eine der betroffenen sagte:
"Wir wussten, wenn wir länger als einen Monat geblieben wären, hätten sie uns komplett zerstört" 
Dabei berichten sie von "erzwungener Nacktheit" vor ihren Wärtern, von Schlägen, unhaltbaren hygienischen Zuständen und mangelhafter Verpflegung. Als ich dies las erwartete ich grün und blau leuchtende, abgemagerte Frauen, deren Gesundheit zumindest angegriffen wirkt.
Tja, da hatte ich mich geirrt, wie man in diesem Video (hier clicken) oder während der Pressekonferenz sieht. Wohlgenährt und ohne einen Kratzer, geschweige denn einer Entzündung sind die Frauen anscheinend diesem "Folterlager" entkommen. Nur um ihre Rücksicht auf die Tunesier mit dem auch schon damals lautstark verkündeten "F*** your morals" auf dem Transparent zu demonstrieren.










Selten ist jemand für so viel offene Verlogenheit und Menschenverachtung bewundert worden.  Nicht nur, dass diese Mädchen, und als Erwachsene vermag ich sie nicht zu sehen, lügen und betrügen wie gedruckt, sie offenbaren eine Doppelmoral hinter der sich das radikale "alle Mittel recht" verbirgt und überziehen dabei gnadenlos. "Beispielloser Druck" sei auf sie ausgeübt worden um Geständnis und Reue zu erhalten - und dabei sitzen von China über Kairo bis Kuba Menschen hinter schloss und Riegel, die für ihre Meinung, ihren Glauben, ihre Haltung oder das Leben ihrer menschlichen Rechte Dinge ertragen müssen, die sie bereits nach wenigen Tagen seelisch und körperlich brechen oder ganz zerstören. Man denke dabei etwa an Hoang Van Ngai, von dem berichtet wird, dass er sich nicht mal zu den in Vietnam weit verbreiteten Bestechungsgeldern herabließ und dafür inhaftiert wurde. Er starb in Haft, man darf vermuten aufgrund seiner "Behandlung". Oder die Norkoreanerin Soon Ok Lee, die zu berichten weiß:
Einige (Christen, Anm. Theodred) wurden stark misshandelt, damit sie nie wieder zum Himmel aufblicken können. Andere wurden niedergemetzelt oder starben für ihre Mitgefangenen. Doch viele sangen, während sie verprügelt wurden. Ich sah nie einen Christen, der seinen Herrn verleugnete.
Oder Nadia Mohamed Ali, eine Mutter von sieben Kindern, die aufgrund der Rückkehr zur christlichen Religion zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde, ebenso die Beamten die ihr halfen.
Es ließen sich tausende Beispiele allein aus den letzten Monaten finden, die eindrucksvoll belegen, wie Menschen zu ihren Überzeugungen, ihrem Glauben oder ihren Rechten stehen unter "Druck" der alles was diese Mädchen wohl wirklich erlebt haben wie einen Kindergeburtstag aussehen lässt.

Diesen Menschen wird keine große Medienaufmerksamkeit gewährt. Sie kämpfen unbeachtet um Freiheit, Gesundheit oder ihr nacktes Leben - ohne alles zu verraten um nach geglückter Flucht sich als Helden aufzuführen.
Den Funken Respekt, den der Mut dieser Frauen in einem islamischen Land zu protestieren bei mir entfachte, diesen Funken haben sie durch diese Doppelmoral wieder verlöscht.

Nigerianischer Priester Obiora Ike - ein Vortrag

Der nigerianische Priester und Prof. Obiora Ike hält in mehreren Sprachen Vorträge, darunter auch in deutscher Sprache. Auch, wenn manche Informationen ein wenig ungenau sind, lehrreich sind sie allemal und unterhaltsam vorgetragen dazu.
Vielleicht nimmt sich der ein oder andere ja mal die Zeit.

Und Teil 2 oder "Hunde werden keine Priester".

Donnerstag, 27. Juni 2013

Wenn die letzte Tinte zu lange reicht.

Es ist nun etwa ein Jahr her, da veröffentlichte Günther Grass ein Gedicht, in welchem er Israel vorwarf, den Weltfrieden zu gefährden. Dies, so formuliert er weiter, müsse gesagt werden und es sei seine Aufgabe dies mit letzter Tinte zu tun.
Irgendwie scheinen ihm dabei Nordkorea und China durch die Lappen gegangen zu sein, die sich immer wieder mit atomarer Macht in der Hinterhand vor ihren geographischen Nachbarn aufbauen und einen Krieg vom Zaun zu brechen drohten. Oder das ebenfalls atomar bewaffnete Pakistan, dessen Militärbasen nicht nur z.T. erfolgreich von Islamisten attackiert wurden, sondern das im Dauerclinch mit Indien keineswegs verhalten droht - und mit China sympathisiert, welches sich Stück für Stück Indien holt.
Natürlich waren damals auch schon der Bürgerkrieg in Syrien, die gar nicht so heimlichen Bemühungen Irans, die sich verschärfende Diskriminierung und Terrorlage in Malaysia und Indonesien oder die dauerhaften Streitigkeiten zwischen den wahabitischen und den schiitischen Staaten. Alles nicht so wichtig oder unbekannt für den ehemaligen Waffen-SSler Günther Grass.

Und gerade als man diese Wellen wieder zu vergessen begann, da taucht er beim Wahlkampf der SPD wieder auf (mal abgesehen von der Doppelmoral des Mahners aus SS-Reihen ist der Mißbrauch der bildenden Kunst für Wahlwerbung für mich ein absolutes No-Go) - und rumpelt aus der Kiste, denn seine letzte Tinte hat er ja verbraucht.
Diesmal traf es die Bundeswehr. Er warf ihr vor, durch die Abschaffung der Wehrpflicht eine "Söldnerarmee" geworden zu sein, die für Geld im Ausland seine Männer verheize und gleichzeitig beginne, der Reichswehr gleich, einen Staat im Staate zu bilden.
Die Presse stürzt sich vor allem auf "Söldnerarmee", was ich aber aufgrund der riesigen Kosten ohne finanziellen oder wirtschaftlichen Nutzen für die Truppe, die Regierung oder das Land als so abstrus empfinde, dass es nur lächerlich ist.
Schlimmer finde ich die Behauptung, die Bundeswehr bilde einen Staat im Staate und den angeblichen Vorgänger Reichswehr. Daran stimmt zwar ebenfalls nichts, aber hier wird ein Bedrohungsbild aufgebaut, dass man so nicht stehen lassen darf und auf der anderen Seite wird Geschichte missbraucht.
Zunächst einmal: wenn die Bundeswehr eine gewisse Auslösung aus der Gesellschaft erfährt, dann eher aufgrund der Bestrebung der selbsternannten Pazifisten und Friedenswächter. Wer Soldaten aus dem öffentlichen Leben verbannt, angefangen mit der Vorstellung der Bundeswehr als potentieller Arbeitgeber an Schulen über akzeptierte und verbreitete Beschimpfungen als Mörder bis hin zu Störungen und Übergriffen während Begräbnissen, öffentlichen Gelöbnissen und auf abgestellte Fahrzeuge, der muss sich nicht wundern, wenn die so behandelten Menschen verstärkte Gruppenidentifikation in der Isolation ausbilden und ihre Loyalitäten sich nach innen wenden.

Das die Bundeswehr sich aber bemüht, von den meisten Soldaten bis hin zu offiziellen Vertretern, Anerkennung, gegenseitige Unterstützung und Kontakt zur Bevölkerung zu (er)halten ist in jedem BW-Standort mit Leichtigkeit zu erfahren. Man müsste nur mal mit den dortigen Bürgermeistern sprechen oder auf die gemeinsamen Aktivitäten achten. Zuletzt spielend leicht gemacht durch den (erneuten) dringenden Einsatz bei der Flut im Osten der Republik.

Zum anderen: die Reichswehr als "Staat im Staate" zu bezeichnen geht völlig an der angebrachten kritischen Betrachtung von Gegebenheiten und Umständen der Weimarer Republik und ihrer Reichswehr vorbei. Die Reichswehr, aus den Heerestruppen des 1. Weltkrieges heraus gebildet und unter starker Limitierung und Überwachung, wurde in den ersten Jahren durch die bürgerkriegsähnliche Situation heraus geprägt. Zwischen Matrosenaufständen, Soldatenräten, Spartakisten- und Faschistenputsch hin und her geworfen ist es kein Wunder, dass Teile der Armee wie gelähmt zusehen, während andere Teile Putschisten unterstützen. Dies als Teil einer inneren Abspaltung darzustellen ist unredlich - zumal es die Opposition der Reichswehr zur NSDAP-Führung in den frühen Jahren des dritten Reiches unbeachtet lässt - bis hin zu den Ereignissen um Fritsch und von Blomberg, von selbstaufopfernden Männern wie Canaris, Oster und Beck zu schweigen.

So viel Vorurteile und Pauschalisierung in jede Richtung - und das war Wahlwerbung für die SPD.
Ich weiß jedenfalls, wenn ich auf gar keinen Fall wähle.

Mittwoch, 19. Juni 2013

Obamas Freunde

In Berlin sagte Obama heute während er seine Jacke auszog: "unter Freunden kann man informell sein". Diese Worte sprache er hinter einer kugelsicheren Scheibe.


Zur Erinnerung, so sah das vor 5 Jahren aus:

Und so bei seinem Vorgänger Clinton vor ca. 20 Jahren.

Freunde also... Eine ausgestreckte Hand hinter Panzerglas - wer schützt eigentlich die Leute auf der anderen Seite der Scheibe?

Türkische Protestler und deutsch-türkische Vergleiche

Mittlerweile bekommt man es in den Kommentarspalten und Leserbriefen recht oft zu lesen: die Demonstranten in der Türkei seien randalierende Brandstifter und Plünderer, darum sei es gerechtfertigt, dass die Polizei durchgreift. Außerdem sei es in Deutschland und der EU auch nicht anders.
Und je öfter das wiederholt wird, desto mehr scheinen das zu glauben. Die Leute, die in Frankfurt während der Blockupy-Nummer eingekesselt wurden sehen sich als Opfer wenigstens der gleichen Polizei-Gewalt wie jene Protestierenden in der Türkei. Wer dann noch Zweifel anmeldet erhält den eskalierten Polizeieinsatz im Schlosspark von Stuttgart um die Ohren gehauen, gelegentlich noch die Proteste in London letztes Jahr und in Paris vor einigen Jahren - ganz schlaue Füchse verweisen auf die schweren Krawalle in Schweden vor wenigen Wochen.

Und wenigstens hier will ich dazu einmal klar und stinksauer wie ich bin Stellung nehmen: euch geht die Welt am Hintern vorbei, ihr Egomanen!
In der Türkei sitzen seit Jahren unzählige Journalisten im Knast, weil sie es wagten kritische Berichte zu verfassen. Andere Journalisten wie Hrant Dink wurden auf offener Strasse attackiert und schlimmstenfalls ermordet.
Die Anwälte der mittlerweile in die hunderte gehenden Verhafteten werden behindert oder sogar verhaftet. Im Fall der Kurden war dies bereits letztes Jahr so.
Sanitäter und Ärzte werden von der Polizei angegriffen, von der Regierung aufgefordert Demonstranten nicht zu helfen (nur mal am Rande: das ist die Vorstellung von Barmherzigkeit in einer islamischen Partei) und die Zahl der Verletzten geht in die tausende.
Dazu kommen MEHRERE TOTE und SCHWERSTVERLETZTE.
Erdogan beschimpft offen diese Menschen und beschuldigt sie des Landesverrates, verfolgungswahnt etwas von ausländischen Mächten. Was in der Türkei auf Landesverrat steht kann ich nur spekulieren, vergleichbar mit deutschen Strafen und deren Verhältnissen dürfte es jedenfalls nicht sein.

Also kneift endlich mal die Backen zusammen und schluckt euer "uns trifft es immer viel schlimmer als alle anderen" runter und seid doch mal zwei Minuten dankbar, dass nach der erkennungsdienstlichen Behandlung die Türen bei unserer Polizei selbst für solche Demonstranten offen stehen, die mit Steinen geworfen haben und so ernste Verletzungen in Kauf nahmen. Obwohl von linken Politikern bis bestimmten Journalisten jetzt eine Mörderwelle wegen angeblicher Polizeigewalt bei den Protesten in Frankfurt Anfang Juni geschoben wird, inklusive Anzeige, ist an mein Ohr nichts über dutzende Verletzte, Reizgaswolken in den Strassen und Gewaltandrohungen gedrungen.
Von verhafteten Anwälten, unterdrückter Berichterstattung oder attackierten Ärzten hört man ebenso nichts.
Im Gegenteil. Die regelmäßigen Exzesse am 1. Mai und bei bestimmten Strassenfesten in Hamburg, Bremen usw. bei denen die Polizisten vom Steinwurf bis zum Molotovcocktail mit allem bedacht werden, was die türkische Polizei derzeit abkriegt haben zu immer weitgreifenderen "Deeskalationsstrategien" geführt. Tote gab es bereits seit Jahren nicht und Gummigeschosse wären vielleicht in London und Stockholm hilfreich gewesen die Ausschreitungen schneller zu beenden, wurden aber aus Rücksicht auf Gesundheit und Leben der Randalierer eben nicht eingesetzt. Und unsere Presse? Die berichtet über solche Vorgänge immer erst dann, wenn die Polizei einschreitet - aber nur um dieser auf die Finger zu schauen.

Einzig Stuttgart lasse ich als Argument gelten. Aber nur bedingt. Von jenem durch den Wasserstrahl  erblindeten Senioren weiß man mittlerweile, dass er nicht nur mehrfach von den Beamten abgeführt wurde - er kam wie bei uns aber eben nicht in der Türkei üblich sofort wieder auf freie Füße - sondern sich ebenso oft wieder mitten in den Strahl stellte. Nicht ohne seinerseits nach den Beamten zu werfen. Die Polizei hat hier zweifellos völlig unangemessene Härte gezeigt. Aber dieses Extrembeispiel zeigt auch: die Dimensionen stehen noch weit hinter dem, was die unzufriedenen und teilweise unterdrückten oder sogar diskriminierten Türken (Kurden, Juden, Christen...) gerade durchleben. Kein Arzt wurde in Stuttgart attackiert, keine Rauchschwaden nahmen trotz Masken Luft und Orientierung, keine Polizeikommandos hetzten die Demonstranten durch ganz Stuttgart, niemand starb...

Zeigt mal ein wenig von dem Respekt und der Menschlichkeit, die ihr angeblich stets so vermisst und erkennt die Leistungen und das Leid der türkischen Demonstranten an. Ich hätte nicht so viel Schneid nach den Drohungen und Erlebnissen nochmal auf den Taksim zu gehen.

Mittwoch, 12. Juni 2013

Wieder was gelernt. Von wegen Schleier.

Normalerweise lese ich den Kölner Stadt-Anzeiger nicht mehr. Neben den teilweise erschreckend schlecht recherchierten Geschichten, dem Sensationsjournalismus und den mitunter beleidigenden Kommentaren kommt eine persönliche Erfahrung. Zu einem mit mir vereinbarten Interview erschien der Journalist ohne irgendeine Möglichkeit der Aufzeichnung, den angebotenen Stift und Block lehnte er ab mit der Begründung, er merke sich alles. Dementsprechend blieb von dem halbstündigen Interview nur eine verstümmelte und streckenweise völlig falsche Wiedergabe, die dafür aber ohne Vorlage abgedruckt wurde.
Grund genug, kein Geld zu investieren.

Nun gab es aber natürlich die in den katholischen Blogs weit berichtete und diskutierte Darstellung des Eucharistischen Kongresses und insbesondere der, ich würde sagen, konservativeren Katholiken in diesem Rahmen. Meine Empörung hält sich insofern in Grenzen, als das ich meine sagen zu dürfen: wie gewohnt.
Und gleichzeitig habe ich mich über den folgenden Absatz gewundert.

Frauen, die ihr Gesicht wie Spanierinnen bei der Papst-Audienz auf dem Petersplatz hinter Schleiern verhüllen, knien beim Ein- und Auszug des Klerus, angeführt vom früheren Kölner Weihbischof Klaus Dick, demonstrativ nieder.

Ich gebe zu, ich habe keine Ahnung von welchen Schleiern dort die Rede war und ließ mich anstecken. Ich war verwirrt und hatte eine erste Emotion der Ablehnung solcher Mode. Aber suum cuique dachte ich - solange sie dies nur zu solchen Anläßen tun, sei es drum.
Dann aber fand ich eben eine kurze Erklärung, für mich eher Einführung, bei der Braut des Lammes. Vielen Dank dafür. Der kurze Kommentar war eine echte Freude und Aufklärung. Und ein Grund mehr, den KSTA meiden.

Dienstag, 11. Juni 2013

Ralf Jäger - Rücktritt dringend erwünscht

Der momentane Innenminister von NRW ist Ralf Jäger von der SPD. Ich weiß nicht genau, wer diesen Mann seinerzeit aufstellte, aber ich hege Zweifel, dass diese Person geistig gesund war.
Bislang fiel mir Jäger durch einen m.M.n. deutlichen Mangel an Verfassungstreue. So bestand er darauf, dass nach dem Urteil des Verfassungsgerichtes gegen die Vorratsdatenspeicherung diese wieder aufgenommen werde und wollte das Zeigen der berühmten Mohammedkarrikaturen (mehrmals) verbieten lassen, ebenso wie diverse Demonstrationen - er versuchte also Meinungs-, Kunst- und Versammlungsfreiheit einzuschränken. Nicht, dass jede Mohammedkarrikatur auch Kunst wäre - die hier thematisierten Bilder aber wurden ausgezeichnet, u.a. einer der Künstler von der Kanzlerin.
Wenn schon nichts sonst, so wäre dies doch immerhin eine Solidaritätsbekundung mit den durch Attentate bedrohten Künstlern.
Während er zu den Innenministern zählt, die ein stichtagloses Dauerbleiberecht für langjährig geduldete (!) Ausländer fordert dürfen durch seine Arbeit Jugendliche im Vorfeld mit der Polizei rechnen, wenn sie ihre Partys über Facebook organisieren.
Währenddessen steigt die Zahl der Salafisten sprunghaft an, das einzige Interview zum Extremismusbericht, dass ich heute fand beschäftigt sich  allerdings ausschließlich mit den Rechtsextremen und der von ihnen ausgehenden Gefahr.
Allerdings erst lange Zeit, nachdem diese bereits von der Staatsanwaltschaft eingeräumt wurde.
Daneben gibt es noch viele Vorwürfe, vom Klüngeln bis zur Beschneidung der Pressefreiheit. Es ist mir ein Rätsel warum dieser Mann, der so viele Gründe hätte seinen Posten zu räumen, nicht mehr unter Druck gesetzt wird. Im Gegenteil. Die gewählte Regierungschefin NRW, Hannelore Kraft, scheint dies ignorieren zu wollen, eine gewisse Verbundenheit kann man beiden seit 2005 nachsagen (nebenbei, die im Link vorgestellte "Schusterei" betreibt nun Jäger selbst.)
Unter seiner Führung haben es auch gewaltätige Salafisten geschafft Polizisten zu werden und und und.

Was aber Ralf Jäger jetzt gebracht hat, ist eine Unmenschlichkeit. Auf seine Anordnung durfte die freiwillige Feuerwehr Erwitte nicht zur angeforderten Flutunterstützung ihrer Partnerstadt Aken / Elbe ausrücken, ja er drohte sogar Konsequenzen bei Zuwiderhandlung. Obwohl die Feuerwehr sich gut aufstellte und auch den Schutz ihrer Heimat nicht vernachlässigten wurde ihre Eigeninitiative mit Nachdruck untersagt, wie die Lokalzeitung "Der Patriot" berichtet und diverse Seiten wiedergeben.
Wann ist das Maß voll? Ein Innenminister ohne Rechts- und Unrechtsbewußtsein sollte doch irgendwann mal gehen müssen.

Montag, 10. Juni 2013

Femen in Tunesien

Die Organisation Femen ist für mich ein völliges Fehlkonstrukt, durchaus auch eine Gefahr, wie ich bereits früher ausführlich dargelegt habe.
Trotzdem sollte man feststellen, dass sie sich jetzt doch getraut haben: Sie demonstrierten auf die bekannte Weise in Tunis. Die Frauen wurden zwar innerhalb kürzester Zeit festgenommen und die Ursache ihres Protestes war die erneute Festnahme von Amina - aber sie haben sich getraut.
Dafür, und nur dafür: Respekt, Femen! Das habe ich euch nicht zugetraut. Jetzt bin ich gespannt, ob Kairo, Teheran und Mekka die nächsten Stationen sind - so die Kathedrale von Paris und der Petersplatz im Fall der Kirchen.

Mittwoch, 5. Juni 2013

Fortsetzung II zu "Jetzt ist es raus..."

Teil 1

Teil 2

Nachdem ich einen (kurzen bzw. verkürzten) Überblick über die Methoden Deschners und seiner Verteidiger sowie Anhänger geworfen habe, möchte ich mich nun beispielhaft einigen seiner Texte widmen.

Angesichts der immer wiederkehrenden Behauptung, Deschner habe seine Kritiker der "Schwerte-Tagung" widerlegt, wofür als Beleg seine Auseinandersetzung mit dem Vortrag Alföldys in Band 5 genannt wird, finde ich es nur fair, dieser "Widerlegung" den Anfang einzuräumen.
Es geht hierbei um den abgedruckten Vortrag Prof. Maria R.-Alföldi mit dem Titel: Kaiser Konstantin: ein Großer der Geschichte?, in: Hans Reinhard Seeliger, Kriminalisierung des Christentums? Karlheinz Deschners Kirchengeschichte auf dem Prüfstand, Freiburg 1993, S. 149 - 159. Wenn ich also folgend von Alföldi schreibe, so ist dies auf Prof. Maria R.-Alföldi bezogen, Textbezug ohne weitere Angaben meint den oben genannten Vortrag.
Aus Deschners Reihe der "Kriminalgeschichte des Christentums" nutze ich Band 5 betreffend die 2. Auflage von 2006 und Band 8 aus dem gleichen Jahr.

Obwohl ich meist die lateinischen Namen nutze, versuche ich dies im Sinne allgemeiner Übersichtlichkeit bei bestimmten Personen auszulassen.
Für das allgemeine Verständnis versuche ich immer wieder kleine Erläuterungen komplexerer Zusammenhänge einzustreuen. Sollte ich doch etwas nicht klar erklärt haben, bin ich für jedes Feedback dankbar.


Schon vor dem eigentlichen Text wird klar, dass es sich hier nicht um einen wissenschaftlichen Text, eine fachliche Antwort handelt, sondern eine rabulistische, polemische Diffamierung. Die Überschrift lautet nämlich "Wes Brot ich ess'". Im Klartext soll dies wohl bedeuten, dass Maria R.-Alföldi, deren Titel und Ansehen Deschner bei jeder möglichen Erwähnung in zynischen Worten ins lächerliche zieht, ihre Position einnimmt, weil sie von der oder einer Kirche dazu veranlasst wurde. Er stellt damit ihren Charakter, ihre Integrität wie auch fachliche Arbeit in Frage. Das ist nicht nur unredlich sondern auch einer Facharbeit unwürdig.



Falsche Abstammung
Einer der ersten Punkte, mit denen sich Deschner in seiner Replik auseinander setzt, ist der Satz von Alföldi:
Man liest, daß Konstantin seine Abstammung gefälscht hat - in Wirklichkeit geht es um ein zeitweiliges Propagandamanöver -, er habe seine Vorfahren kompromittierend gefunden. (S. 149)
Bei Deschner wird daraus:
<<Man liest, daß Konstantin seine Abstammung gefälscht hat...>> (149). Man liest's. Na und? Ist's falsch? Das sagt die Autorin nicht. Sie suggeriert es nur - ein Nadelstich, Bestandteil der Taktik, mich unterschwellig unglaubhaft zu machen, zu disqualifizieren. Daß Konstantin, um die Mitherrscher als Usurpatoren abzustempeln, seinem Vater Konstantius Chlorus eine viel edlere Aszendenz andichten, daß er den Heiden und, nach Kirchenvater Laktanz, sogar Kirchenzerstörer, als Christen ausgeben ließ, verhehlt sie und bagatellisiert die gefälschte Abstammung als <<zeiweiliges Propagandamanöver>> (149). Man liest, er habe, fügt sie hinzu, <<seine Vorfahren kompromittierend gefunden>>. Na und? Ist's falsch? (Siehe oben)
Mal abgesehen von dem beleidigten Tonfall, der auf die Formulierung "Man liest" folgt, unterstellt Deschner hier, Alföldi würde eine Taktik der Diffamierung verfolgen. Dafür unterschlage sie die Taten Konstantins. Das dies selbst dem Vorwurf der Verunglimpfung nachkommt, wie auch seine Bezeichnungen "dezente Tükke" (S. "acht"),  scheint ihm egal zu sein. Alföldi unterschlägt jedenfalls nichts, sie leugnet die Fälschung nicht, im Gegenteil, sondern umreißt Dauer, Zweck und in den dem oben zitierten nachfolgenden Passagen auch die Herkunft der Gerüchte über seine Familie.
Hier antwortet Deschner also auf eine Kritik mit Anschuldigungen, die er mit einem Wust von Informationen, welche zudem teilweise Interpretationen oder schlicht falsch sind.


Abb. 1 Teil des Stammbaumes der konstantinischen Dynastie
Erläuterung: Für diejenigen, die sich nicht mit der Materie auskennen und auch nicht lange einlesen möchten: Konstantin war der (vermutlich uneheliche) Sohn des Constantius Chlorus und der Helena. Über die Abstammung beider gibt es nahezu keine gesicherten Erkenntnisse, man nimmt aber bei beiden an, dass sie nicht aus irgendeinem Adelsgeschlecht stammen sondern eher aus dem Volk. Ob ihre Familien aber wohlhabend oder arm waren ist bis heute umstritten.

Als sein Vater dann die Stieftochter des Maximian, eines Augustus (Kaisers) ebenfalls einfacher Herkunft heiratete wurde er (Constantius) kurz darauf zum Caesar ernannt und in die kaiserliche Familie adoptiert. Die mütterliche Herkunft des Konstantin bleibt daher zwar einfach, seine väterliche wird mehrfach kaiserlich - ganz abgesehen davon, das ein Panegyricus aus dem Jahr 307 von seiner Vergöttlichung spricht. In oben zitierten Abschnitten geht es darum, dass Konstantin eine Verwandtschaft zu Claudius Gothicus erfindet, einem Soldatenkaiser.

So behauptet Deschner, die Abstammungslüge habe die Absicht verfolgt, seine Legitimation zu erhöhen und seine Mitherrscher (in der Tetrarchie gab es zwei Kaiser und zwei regierende Nachfolger) als Machtergreifer (Usurpatoren) zu brandmarken. Dies widerspricht aber den Fakten. Konstantin hielt sich in den Kämpfen unter den Caesares und Augusti zurück, griff lange Zeit nicht ein, auch wenn er es durchaus früher gekonnt hätte und dort bereits seine Position hätte verbessern können. Das spricht nicht dafür, dass er seine Mitregenten verunglimpfen wollte, sondern vielmehr seine eigene Position festigen. So formuliert auch der von Deschner selbst angeführte Bleckmann:
(...) und so war dieser Kaiser sehr geeignet, für eine dynastische Erfindung benutzt zu werden, die demonstrieren sollte, daß bereits der Vater Konstantins ganz unabhängig von den Tetrarchen ererbte Herrschaftsrechte besaß (...). Den Kaiserkollegen gab damit die konstantinische Propaganda deutlich zu verstehen, daß sie nur vom Glück begünstigte gewöhnliche Sterbliche waren, während Konstantin allein das Kaisertum aufgrund seiner Abstammung zustand.
B. Bleckmann,Konstantin der Große, Reinbek 1996 (5. Auflage 2007), S. 48 .

Im Gegensatz zu Deschner adressiert Bleckmanns Analyse also die Abstammungsfälschung nicht an das Volk mit der Absicht zu signalisieren, dass hier Verbrecher Konstantins Gegner waren, sondern an seine Mitregenten, denen er zu verstehen geben wollte, dass er nicht nur ein Anrecht auf seinen Platz unter ihnen hatte sondern dieses Recht auch größer war, als das ihrige.
Das der echte dynastische Anspruch von Seiten seines Vaters und seiner Stiefmutter allein kaum genügte lag an seinem Stiefbruder Maxentius, dessen leiblicher Vater der ehemalige und wiedereingesetzte  Maximianus gewesen ist. Damit war Konstantin nicht der einzige Sohn eines Tetrarchen unter den vier Herrschern.
Erst danach führt Bleckmann weiter aus:
Offenkundig kam es der höfischen Umgebung Konstantins darauf an, schon den propagandistischen Kampf auf die innere Auseinandersetzung vorzubereiten, mit denen man nach dem für 312 vorgesehen Rücktritt des Galerius rechnen konnte.                       B. Bleckmann,Konstantin der Große, Reinbek 1996 (5. Auflage 2007), S. 49.
Hierzu muss gesagt sein, dass Bleckmann sowohl das Datum zu welchem diese "neue" Abstammungslinie auftaucht als auch die davor stattgefundenen Ereignisse in seine Überlegungen nicht mit einbezieht sondern stattdessen lieber auf die uns bekannten Ereignisse ein paar Jahre später vorgreift und somit den Akteuren eine gewisse Hellsicht andichtet.
Ausgerufen wurde diese Linie nämlich:
(...) unmittelbar, nachdem Konstantin von seinem Feldzug gegen Maximian zurückgehrt war (...)
B. Bleckmann,Konstantin der Große, Reinbek 1996 (5. Auflage 2007), S. 48 . 
Die Rede ist von jenem Maximian, dem Vater des Maxentius, der auch Constantius Chlorus an die Macht geholt und mit seiner Stieftochter verheiratet hatte. Außerdem hatte er seine leibliche Tochter Fausta mit Konstantin selbst verheiratet. Im Jahr 310 besiegte ihn sein Schwiegersohn. Hintergrund war, dass Maximianus und (da bereits zurückgetretene) Maxentius nach der Macht gegriffen hatten, sich darüber aber zerstritten und Maximianus bei seinem Schwiegersohn Zuflucht und Unterstützung gesucht hatte. Nach zwei Jahren fiel er aber diesem durch erneute Machtansprüche (er war vorher ein weiteres Mal zurückgetreten) während dessen Abwesenheit in den Rücken und wurde darauf von diesem mit militärischen Mitteln unterworfen. Kurz darauf fand man ihn erhängt, ob aber ermordet, erzwungener Selbstmord oder freiwilliger Suizid ist nicht klar.
Somit handelte es sich im weitesten Sinne um einen Kampf innerhalb des Dynastie. Damit schwächte er die Position Konstantins in den Augen der anderen Regenten und nicht unbegründet musse Konstantin auch um den Rückhalt seiner Truppen fürchten.

Erläuterung: Konstanin war von den Soldaten seines Vaters in England unmittelbar nach dessen Tod als dessen Erbe zum Augustus berufen worden. Die Tetrarchie, entworfen von Diokletian, sah aber eben nicht vor, familiäre Erbfolgen zuzulassen. Die Soldaten bewiesen erneut, dass sie diesem System nicht ergeben waren und eher dynastisch dachten, als sie sich während der Versuche der Augusti Severus und Galerius Rom zu erobern und damit Maxentius und dessen Vater wieder abzusetzen scheinbar in großer Zahl desertierten und zum Sohn ihres vorherigen Augustus überliefen.

In meinen Augen ist der Versuch, dieses Problem durch eine erfundene und propagierte Abstammungslinie zu lösen, als Erklärung plausibler, als die Behauptung, es handele sich um einen Akt der Propheterie. Zumal Konstantin schließlich nicht allein gegen alle "Usurpatoren" vorging, sondern sich mit Licinius erstmal verbündete.

Diese Interpretation ist zudem nicht neu und auch nicht weltfremd. Michael Grant schrieb in seinem "Die römischen Kaiser":
Er brauchte nun (nach dem Aufstand und Tod des Maximianus) eine vorteilhaftere Abstammung und führte sie auf Claudius II. Gothicus zurück.
M. Grant, Die römischen Kaiser, Bergisch Gladbach ²1999, S. 288.
Manfred Clauss äußert sich, nachdem er darauf verwies dass die Vorgänge um Maximianus' Tod durch Lactanz als "phantasievolle Geschichte" ausgeschmückt worden waren:
Konstantin erklärte den Toten zum Staatsfeind, löste sich gleichzeitig aus der dynastischen Ideologie der Tetrarchie und propagierte stattdessen seine Abstammung von Claudius Gothicus (268-270).
M. Clauss, Konstantin der Grosse und seine Zeit, München ⁴2009, S.25.
Später führt Clauss zudem aus, dass Konstantin sich nach kurzer Zeit wieder seinem realen Stammbaum zuwandte (inklusive Maximianus) und diesen vorrangig als Legitimation und Ehrung (aufgrund der Vergöttlichung seiner Vorfahren)  anführte, dabei aber auch Claudius Gothicus nicht ausliess. Dies dürfte dem entsprechen, was Alföldi mit "zeitweilig" meinte.
Diesem Argumentationsstrang folgt auch Elisabeth Herrmann-Otto auf der S. 33 (2. Auflage 2009) ihrer Konstantinbiographie. Sie benennt dabei Rücksicht auf die Familienangehörigen des Maximianus sowie ein "sich alle Wege offenhalten" als Motivation, sich die eigene Abstammung zu verbessern und dabei Maximianus zwar als Angreifer darzustellen, nicht aber auf immer zu verdammen.
Zurückhaltender bewertet Karen Piepenbrink in ihrer Konstantinbiographie der Reihe "Wissen kompakt", die sich Studenten und Interessierten als schnelle Einstigeswerke empfehlen, die Hintergründe. Sie erklärt sich die Abstammungsdichtung als Versuch die Legitimation auf religiöser (!nicht christlicher!) Ebene zu stärken.

Randbemerkung: Eines der wichtigsten Lexika heutiger Altertumswissenschaftler ist der Der Neue Pauly. Der Artikel über Konstantin erläutert:
Nach einem gescheiterten Putschversuch des Maximian in Arles (310 n.Chr.) fühlte sich C. nicht mehr der herculischen Dynastie zugehörig, sondern fand in der fiktiven Abstammung von Kaiser Claudius Gothicus eine neue Legitimierung außerhalb des tetrarchischen System (...).
B. Bleckmann, Constantinus, in: DNP, Bd. 3, Stuttgart / Weimar 1997, Sp.136-137.
Derselbe Bleckmann also, der im Rowohlt-Verlag (jenem Verlag in dem Deschners Reihe nach außergewöhnlich toleranter, geduldiger und zahlungsbereiter Unterstützung publiziert wird) noch die Ansicht vertrat, es handele sich um Kriegsvorbereitung, bzw. die dies begleitende Propaganda, äußert sich hier deutlich zurückhaltender.
Der Artikel erschien 1997, Deschners Replik im Jahre 1998 - inklusive Verweis auf Bleckmanns Konstantinbiographie. Sich nicht beim Nachfolger der ihm bekannten RE informiert zu haben und die communis opinio konsultiert zu haben, bevor er einer anerkannten Größe antwortete ist aus Sicht des Historikers durchaus tadelnswertes Versäumnis, bei der Ankündigung Deschners aus "Feindschaft zu schreiben" jedoch bereits Methode und somit fachlich disqualifizerend.

Persönliche Anmerkung: An dieser Stelle wurde mir klar, dass ich meine Auswertung nicht in dieser (noch nicht mal alle Punkte abdeckenden) Ausführlichkeit fortsetzen konnte, ohne jeden Leser abzuschrecken und den Rahmen vollends zu sprengen. Ich hatte gerade den ersten Absatz der Argumentation Deschners behandelt und bereits fast vier Seiten gefüllt. Daher nunmehr nur ein paar bestimmte Unterpunkte und deutlich weniger Querverweisen. Nähere Ausführungen gerne auf Anfragen.


Die Einschätzung Konstantins


Deschner beschwert sich über die Bewertung und Darstellung seines Urteils über die Person Konstantins.
Denn alte Quellen wie neue Untersuchungen bestätigen, Konstantins Barbarei war schon seinerzeit ungewohnt furchtbar. Doch liebt die Kritikerin diskrete Andeutungen, tadelnde Beiklänge, die mich als historischen Obskuranten hinstellen, ohne daß sie, dezente Tükke, dies aussprocht; obwohl sie auch davor, unter dem Druck ihrer Beweislast, nicht zurückschreckt (vlg. S. 154, 156), ja meinen Text einfach fälscht. 
Das Konstantinjahr 2006 brachte eine Reihe von Neuauflagen und neuen Publikationen rund um Konstantin. Mit Sicherheit findet sich in dieser Menge fachlicher wie populärer Werke auch die ein oder andere Stimme, die Deschner in dieser Bewertung zumindest teilweise zustimmen mag, obwohl mir dies bislang noch nicht begegnet ist. Das Konstantin über Leichen ging steht außer Frage. Ihn aber zu dem Monster aufzublasen, welches Deschner beschreibt, ist nicht haltbar. Dementsprechend diffus ist sein Verweis auf "alte Quellen" und "neue Untersuchungen". Er, der sonst an keiner Stelle die Chance auslässt auf jeden noch so unbedeutenden antiken Schreiber oder modernen Forscher zu verweisen (auch wenn nicht wenige dieser Forscher zum Zeitpunkt der Publikation schon viele Jahrzehnte verblichen und ihre Theorien überholt waren)  - etwas, das ihm ebenfalls auf der Konferenz mehrfach angekreidet und zugleich als Fleiß angerechnet wurde - wartet hier nun mit nichts mehr auf, als dem Hinweis: das steht irgendwo.

Dementsprechend schwer fällt die Überprüfung. Auch hier ist es vor allem Bleckmanns Buch im Rowohlt-Verlag, dass mit einigen eingestreuten Adjektiven immerhin der deschnerschen Sicht nahe kommt. Weder in den Lexika noch den Monographien fand ich aber auch nur einen Historiker, der Konstantin als einen größeren "Schlächter" befand als bspw. Licinius, Caligula, Nero, Commodus, Diokletian oder Galerius.  Oder, die Liste um heute verehrte und bewunderte Personen erweiternd, Alexander der Grosse, Caesar, Vespasianus, Trajanus, Marcus Aurelius, Septimius Severus usw. usf. Egal welche dieser Herrscher der Antike man betrachtet, bei allen floß reichlich Blut, nicht selten in grausamen, öffentlichen Akten oder beim Meuchelmord an der eigenen Familie. Das ist sicher keine Entschuldigung, soll es auch nicht sein, aber ein Grund die Vergangenheit nicht mit den heutigen Maßstäben zu beschreiben und zu urteilen - schon gar nicht so selektiv wie es Deschner unternimmt.

Noch weiter geht Deschner aber, indem er hier die Absicht der Autorin durch selektives und nicht selten zusammenhangstörendes zitieren selbst verfremdet. Er führte seine eigene Überlegung aus, dass die wenigsten Menschen sich den Tagungsband kaufen werden, somit hat kaum jemand also den Originaltext vorliegen um seine Wiedergaben zu kontrollieren. Umso dringender sollte es ihm ein Anliegen sein, nicht selektiv zu zitieren, zumal ihm ja genau dies in Bezug auf seine Reihe zum Vorwurf gemacht wird. Trotzdem und ungeahndet von seinen Rezensenten, macht er es.
Dem oben zitierten Absatz stellt er auf Seite "acht" einen einzigen Satz Alföldis voraus. Sie schrieb, von ihm zitiert:
Die ersten Regierungsjahre des jungen Kaisers im Westen sind nichts als schreckliche Kriege gegen armselige Germanen, die dann, gefangengenommen, erbarmungslos abgeschlachtet werden.

Alföldis Absatz geht aber, von Deschner unerwähnt, weiter.
Alsbald schickt sich Konstantin an, seine Mitkaiser, die er "unerträglich" findet, zu beseitigen, womit er die bestehende Ordnung zerstört und dabei die christliche Kirche mit dem Reich verbindet(I 217).
Kriminalisierung des Christentums? S. 149

Er beschuldigt Alföldi ihm zu Unrecht eine Übertreibung der Grausamkeit des Konstantin vorzuwerfen. Wörtlich:
Alles scheint von mir grausig übertrieben, nicht wahr, wird aber wieder nicht gesagt. 
Abgesehen von der unglücklichen Wortwahl. Und man kann dem vollständigen Absatz Alföldis nur zustimmen, wenn dahinter die Anklage der Übertreibung steht. Denn Deschner erweckte bspw. den Eindruck, dass die "Mitkaiser" aus emotionaler Feindschaft von Konstantin attackiert wurden. Die Quellen berichten aber von keiner kriegerischen Provokation oder gar einem unprovozierten Angriff durch Konstantin auf seine Mitkaiser. Vielmehr sehen die Fakten, noch einmal zur Erinnerung so aus:
306 Konstantin wird Mitregent
306 Maxentius wird Mitregent - sein Vater lässt sich 307 erneut zum Kaiser ausrufen
306 Severus wird Augustus
307 Severus marschiert in Absprache / auf Befehl des Galerius in Italien ein, wird geschlagen und spätestens nach dem im gleichen Jahr erfolgten Angriff des Galerius auf Maxentius getötet.
Es folgt eine starke Zusammenarbeit zwischen Konstantin und Maximianus bzw. dessen Sohn.
308 flieht Maximianus vor seinem Sohn zu Konstantin.
zwischen 308 / 309 Maxentius schlägt in Nordafrika eine Erhebung nieder. Konstantin unternimmt in dieser für ihn günstigen Situation keinen aggressiven Schritt.
310 erklärt sich Maximianus während Konstantin im Feld gegen eindringende Germanen kämpft  zum Kaiser, fällt diesem damit in den Rücken, wird von diesem aber besiegt und stirbt von eigener Hand oder inszeniert. Erst jetzt erstellt sich Konstantin einen von Maximianus unabhängigen Thronanspruch.
Es kommt danach zu neuen Bündnissen: Maxentius und Maximinus Daia verbünden sich, auf der anderen Seite Licinius und Konstantin, nach Darstellung Demandts als Reaktion auf das Bündnis der beiden Max - und in dieser Konstellation kommt es dann zum Kampf.
Dies klingt keineswegs danach, dass hier nur ein eiskalter Machtmensch mit starker Abneigung vor sich hinmeuchelte sondern nach dem aufeinandertreffen einer Reihe von machtgierigen Menschen, die sich nichts gaben und nichts nahmen in ihren politischen Mitteln.

Was die Kämpfe gegen die Germanen anbelangt, so ist weder der Umgang mit Besiegten noch die Art der Kriegsführung neu oder einzigartig. Ob Caesar oder Marcus Aurelius, Augustus (bzw. sein "Sohn" Tiberius) oder der optimus princeps Trajanus, sie alle zeichneten sich auch durch Feldzüge gegen Germanen aus. In der Folge solcher Feldzüge fanden stets und immer größer werdend sogenannte ludi oder auch munera statt, öffentliche "Spiele" bei der auch Kriegsgefangene zu tausenden ihr Leben ließen. Zwei Dakerkriege führte Trajan, um an Ende dieses Volk völlig auszulöschen. Die Rachefeldzüge des Germanicus nach der Niederlage des Varus forderten von Chasuari, Marsern und Chatten einen unzählbaren Blutzoll. Und der vielbewunderte Caesar ließ während und in der Folge seines Gallischen Krieges vermutlich mehr als eine Million Gallier ihr Leben verlieren - von den versklavten gar nicht zu sprechen. Angesichts solcher Grausamkeit antiker Kriegsführung zu behaupten, Konstantin wäre herausragend oder auch nur besonders bösartig vorgegangen entbehrt entweder des notwendigen Wissens um vergleichbare Herrscher oder ist schlicht und ergreifend vorverurteilend.
Auch nur anzudeuten, Konstantin hätte die Germanen als relativ wehrloses Ziel seiner Politik mit ungerechtfertigten Kriegen überzogen ist bereits eine Geschichtsklitterung erster Güte. Denn ab dem dritten Jahrhundert nahmen die Übergriffe der Germanen ins römische Gallien solch starke Züge an, dass sogar einzelne Landstriche entvölkert wurden. Alamannen, Franken und Goten zwangen dem römischen Reich mehrere Heeresreformen auf, nachdem sie auch Städte eroberten und zerstört hatten. Trier, die von Konstantin wiedererrichtete Stadt ist das naheliegende Beispiel.
Mit Sicherheit war (und ist) Krieg damals eine grausame und blutige Angelegenheit, Konstantin dort aber einen besonderen Rang einzuräumen ist schlicht Verleumdung.


Wie Deschner in diesen Punkten wirkt, was von seinen Ausführungen hängen bleibt, welches Bild (wohl gewollt) vermittelt wird, kann man auf dieser Seite (<<bitte hier klicken>>) beispielhaft nachlesen.
Konstantin war wie sein Vater sehr kriegerisch und außerdem grausam. Er führte ständig Krieg gegen verschiedene germanische Stämme. Besiegte Gegner ließ er in großer Zahl den Bestien im Zirkus vorwerfen, zwei besiegte Fürsten von Bären zerfleischen.
    Sodann brachte Konstantin in einem zehnjährigen Bürgerkrieg die drei anderen Mitkaiser unter seine Herrschaft, wobei er sich zeitweise mit einem von ihnen, Licinius, verband und diesem dann, nachdem Licinius den Mitkaiser Maximin aus dem Weg geräumt hatte, selbst in den Rücken fiel.
Hier häuft sich so viel Vereinfachung, Falschinformation und, man muss es so nennen, Blödsinn, dass es eigentlich verboten werden müsste.




Maxentius' Toleranz
In eben dieser Diskussion wirft Alföldi Deschner vor:
So kommt es zum Krieg gegen Maxentius, der von Deschner trotz nachgewiesener Willkürherrschaft stets entschuldigt wird.

Dem hält unser angeblicher Historiker entgegen:
Stets? Als schriebe ich nicht auch von Maxentius, dass er "die Landbewohner schröpfte", daß er "den bisherigen Steuerlasten neue hinzu"fügte -freilich "sein Geld in erster Linie eben dort" holte, "wo es fast unbegrenzt vorhanden war"; letzteres doch ein löbliches Unterfangen.
Kriminalgeschichte des Christentums, Bnd 5, Seite neun. 
Deschner behauptet also , er würde nicht verschweigen, dass Maxentius sehr wohl auch seine grausamen Seiten hatte. Aber dies versucht er zu untermauern mit Hinweisen auf die von ihm eingebrachten Hinweise auf dessen Steuerpoliti.
Nicht nur, dass er darin das "schröpfen" (im schlimmsten Fall die gewaltanwendende Plünderung eines Besitzes, bestenfalls der vom Besitzer unerlaubte Einzug des Vermögens) als eine positive Tat darstellt, erneut kommen darin mörderische Aktionen des Maxentius ebensowenig vor, wie "kriminelle" im Sinne der von Deschner in seiner Reihe doch so ausführlich ausgebreiteten angeblichen kirchlichen.
Alföldi spielt allerdings auf eben diese Punkte von Maxentius Herrschaft an. Seine Machtergreifung kostete sehr wohl Menschleben und war zudem eben nicht legal. Die anderen Regenten erkannten Maxentius nicht an, dessen Machtergreifung hatte, absehbarer Weise, Krieg zur Folge. In diesem Krieg ging es keineswegs anders zu als in den vorherigen oder folgenden - Blut floß. .



Dabei ist die Liste der Opfer wahrlich nicht klein, auch nach der Revision der Quellen. Seine Erhebung erfolgte im Rahmen eines Aufstandes in Rom selbst. Diese waren so heftig, dass dabei auch der amtierende Stadtpräfekt ums Leben kam. Normalerweise würde ich dies Maxentius gar nicht oder nur bedingt anrechnen, da nicht klar ist, ob die Unruhen bzw. die Ermordung auf sein Betreiben oder durch Eigeninitiative entstanden. In den von Deschner vorgelegten Maßstäben um die es jetzt  aber geht und welche bereits aus schweigender Duldund eine gleichanklagende Mitschuld konstruieren, muss man klar Maxentius verurteilen, der nicht nur möglicherweise eine treibende Kraft dabei war sondern auch mit Sicherheit keinen Prozeß gegen die Mörder anstrengte.

Der rechtmäßige, anerkannte Nachfolger seines Vaters war Severus. Dieser wurde durch die Rückkehr des Maximianus und seines pötzlich Ansprüche erhebenden Sohnes, Maxentius,  bloßgestellt, wehrte sich erfolglos und starb kurz nach seiner Kapitulation und Gefangennahme. Bleckmann führt aus, dass Maximianus zum Zeitpunkt des Todes des Severus bei Konstantin weilte, die Anweisung zur Ermordung aller Wahrscheinlichkeit von Maxentius kam.

Es ist wieder jener von Deschner in einem anderen Sachverhalt als fachlicher Rückhalt angeführte Bleckmann, der auf ein Gemetzel an der Bevölkerung Roms hinweist. Maxentius Soldaten töteten 6000 Römer, mutmaßlich als Rache für einen Soldaten, der in der alten Hauptstadt einen gewaltsamen Tod gestorben war. Dies wird von keinem mir bekannten Historiker bestritten. Allerdings sind die Vorgänge um dieses Massenmord herum sehr unklar. Das Maxentius dafür die Truppen zur Rechenschaft zog ist nicht bekannt.
Hingegen ließ er die Stadt Cirta vernichten.
 Leppin / Ziemssen verweisen in ihrer Biographie des Maxentius darauf, dass die von Eusebius aufgeführten Grausamkeiten zwar topoi, also typischen Erzählmitteln zur negativen (in anderen Fällen auch positiven) Darstellung des Regenten seien und darum mit kritischem Blick zu betrachten wären, dies aber keinesfalls belege, dass die Anschuldigungen völlig substanzlos, also ohne Begründung erfolgten. Auch diese beiden Fachleute verweisen auf das Massaker der Prätorianer, der Leibgarde des Kaisers, an den Bürgern der Stadt, und mahnen Revolten der Bevölkerung wie der Obrigkeit an - bis hin zur Revolte des Domitius Alexander in Nordafrika. Besagtes Blutbad findet sich denn auch in dem von Deschner als gänzlich erstunken und erlogen dargestellten Text von Eusebius. Mitten in der Beschreibung über Maxentius findet sich der Absatz:
So gab dieser einst schon auf einen ganz unbedeutenden Anlaß hin das Volk seiner mordgierigen Leibwache preis und es wurde eine unzählbare Menge des römischen Volkes mitten in der Stadt niedergemacht, nicht durch die Speere und sonstigen Waffen von Skythen oder anderen Barbaren, sondern von ihren eigenen Mitbürgern.          Eusebius von Cäsarea, Vita Constantini et Oratio ad coetum sanctorum, Buch I, 35.

Gleiches berichtet auch Aurelius Victor, welcher kein Christ war, über Maxentius der die "Senatoren und Landmänner zwang eine Abgabe zu entrichten um seine Verschwendung zu finanzieren". (40,24)

Und maßgeblich ist wieder mal, was Deschner nicht erwähnt. Er führt aus, dass die jüngere Forschung ein freundlicheres Bild von Maxentius zeichnet, das er scheinbar auch gegen Christen Toleranz und Milde walten ließ, die Verfolgung nicht durchsetzte. Dabei fällt kein Wort über Maxentius Lage. Sein Machtbereich war beschränkt, seine Mitregenten feindlich gesonnen, seine Machtbasis waren die Prätorianer und die übergelaufenen Soldaten. Letzteres klingt in der römischen Geschichte bekannt, doch haben die Usurpatoren normalerweise Truppenkonzentrationen zur Verfügung, da sie an Grenzen oder in umkämpften Regionen ausgerufen wurden. So wie Konstantin in England die Truppen um sich hatte, die sein Vater in den Kämpfen gegen Pikten und Aufständische kommandierte. Maxentius besaß derlei Truppen bei seiner Ausrufung nicht. Unter diesem Aspekt ist eine tolerante Politik nicht zwangsläufig ein Ausdruck eines menschenfreundlichen Charakters sondern kann durchaus auch als kalkulierte Gewinnungsstrategie interpretiert werden. Ebenso wie die Anerkennung und besonders freundliche Behandlung der bis dato noch verfolgten Christen durch Konstantin.

Solche Analysen des Gesamtbildes sind es, die den heutigen Historiker auszeichnen. Sie sind sein Werkzeug, neben Quellenkritik u.v.m. Derlei sucht man bei Deschner vergebens. Quellenkritik kommt, wie ja in den vorherigen Teilen bereits beschrieben, nur dann vor, wenn es um Diskreditierung christlicher Autoren und ihrer Überlieferungen geht.
Aber auch sonst mangelt es den Darstellungen an Sorgfalt, was Alföldi exemplarisch bemerkte und Deschner durch Ausreden und wortreiche Ausflüchte zu überspielen. Darum soll es im folgenden Absatz gehen.


Maxentius' "Sohn" - ein Mord an einer Person, die nie existierte
Deschner schrieb in seiner Kriminalgeschichte, dass Konstantin auch Maxentius Sohn "über die Klinge springen" (Kriminalgeschichte des Christentums, Bnd 1, S217) ließ. Alföldi weisst darauf hin, dass der einzige bekannte Sohn des Maxentius, Valerius Romulus, bereits Jahre vor der Niederlage seines Vaters verstorben war, genau gesagt 309 n.Chr. und das keine weiteren Kinder überliefert sind (Kriminalisierung des Christentums, S.149).

Der so Kritisierte reagiert erstmal - mir fällt kein besseres Wort ein - knatschig.
Daß Romulus Valerius "seit Jahren" nicht mehr lebte, mag stimmen.
Kriminalgeschichte des Christentums, Bnd. 5, Seite zehn.

Mit der Wendung "mag stimmen" drückt Deschner entweder Gleichgültigkeit oder Zweifel gegenüber einem Fakt aus - beide Haltungen sind bei einer wissenschaftlichen Behandlung eines Themas unangebracht. Seine eigentliche Verteidigung lautet aber:

Wir kennen aber sein genaues Todesjahr so wenig sicher wie das genaue Jahr seiner Geburt.

Um dann noch nachzulegen:
Und ich nenne gar nicht Romulus Valerius. Wäre freilich auch kein anderer Maxentius-Sohn seinerzeit umgekommen, hätte ich mich geirrt. Ich gebe jedoch zu bedenken, daß beispielsweise Karl Hönn in seiner Biographie Konstantin der Große. Leben einer Zeitenwende auf S. 107 von Maxentius schreibt: "Seine Kinder wurden getötet": wonach sogar mehrere Kinder des Besiegten Konstantins Opfer geworden sind.
An der ersten Aussage ist leider nur die Hälfte wahr. Wer heute im besagten und maßgeblichen Lexikon DNP unter Romulus Valerius nachschlägt erhält dort von jenem Bruno Bleckmann der Deschner an anderer Stelle als Gewährsmann diente in einem kurzen Artikel die Information, dass der Maxentiussohn eben 309 verstarb, danach divinisiert, also zum Gott ausgerufen wurde. Dies wird mit dem Hinweis auf zwei Inschriften belegt, die Valerius Romulus divus, also Gott, nennen. Diese Steine können bspw. nicht nach dem Tod des Maxentius angefertigt worden sein, da das Andenken an Maxentius und seiner Taten der damnatio memoriae verfiel. Wahr ist allerdings, dass wir Romulus' genaues Geburtsdatum nicht kennen.
Jener Karl Hönn, welchen Deschner als Beleg für die Hinrichtung diffuser anderer Kinder und der Familie des Maxentius anführt, kennen wir vor allem durch Arbeiten die in den 30er und 40er Jahren des 20. Jh. entstanden und veröffentlicht wurden. Dafür erhielt er als letzter Preisträger den 1935 gestifteten Erwin-von-Steinbach-Preis, dies im Jahr 1943. Diesen Preis erhielt als erster Emil Strauß. Die von Deschner als Beispiel angebrachte Konstantinbiographie dieses Autor wurde 1945 veröffentlicht und hatte keine nennenswerte wissenschaftliche Nachwirkung.
Dagegen sucht man bei Bruno Bleckmann, Elisabeth Herrmann-Otto wie auch bei Oliver Schmitt vergebens nach Ausführungen über die Ermordung der Familie des Maxentius. Und das nicht, weil einer der genannten Autoren behaupten würde, Konstantin hätte in der Folge von Maxentius' Tod niemanden hinrichten oder ermorden lassen. Nahezu alle Autoren widmen dem Einzug des Kaisers und seiner Neuordnung eine ausführliche Beschreibung. Ebenso wie Zosimos, ein paganer Autor des 5. Jahrhunderts, erwähnen sie vielmehr, dass der siegreiche Eroberer ungewohnte Gnade walten ließ, auch einige enge Vertraute Maxentius' weiter beschäftigte statt sie zu töten oder zu vertreiben.
Und hier bietet sich der direkte Vergleich an dne Deschner in seiner Arbeit ja immer wieder vornimmt. Während Maxentius die nordafrikanische Stadt Cirta vernichten ließ und dabei ein Blutbad in Kauf nahm, belässt Konstantin bei seinem Einzug in Rom fast alle Beamten in ihren Ämtern, richtet kein Massaker in der seinem Vorgänger treuen Stadt an. Dies als Menschenfreundlichkeit zu werten wäre genauso blind, wie die Darstellung des Maxentius als Friedenskaiser, der "lediglich" und "löblich" die Steuern bei den Reichen anhob und eintrieb. Aber der direkte Vergleich entlarvt das Bild Konstantins welches Deschner zeichnet als übelste und unwissenschaftliche Polemik die sich nicht mal bemüht wenigstens die Fakten korrekt wieder zu geben.
Was bleibt ist die Annahme, Konstantin könnte Personen, die uns sonst nicht bekannt sind, umgebracht haben bzw. deren Ermordung angeordnet oder geduldet. Von Sicherheit ist hier keine Rede, denn immerhin sagt bspw. Maxentius Mutter nach der Eroberung vermutlich unter Druck oder Folter aus, dass ihr Sohn ein uneheliches Kind gewesen sei. Von ihrer Ermordung ist dagegen nichts zu finden.
Somit ist es zwar möglich, dass ein derartiges Blutbad angerichtet worden ist, aber nicht bewiesen oder auch nur nach Meinung einer Mehrheit der Forscher eine hohe Wahrscheinlichkeit. Das hindert Deschner weder daran dieses mögliche Blutbad in seinem Buch als Faktum darzustellen noch unter der Kritik wenigstens eine Wahrscheinlichkeit des Nichtgeschehens einzuräumen. Die Kritik Alföldis ist somit eben nicht abgewiesen worden sondern unlauter umgangen.


Details einer Anklage: wer gab Konstantin den Titel "der Große"?
Eine weitere Aussage Deschners die nachweislich falsch ist und in die länger werdende Liste der widerlegten Widerlegung gehört dreht sich um die Titulierung Konstantins. Alföldy führt aus, dass es nicht wie von Deschner behauptet, die Kirchenleute waren, die Konstantin als "den Großen" titulierten sondern Praxagoras.
Daß die Kirchengeschichtsschreibung als erste ihrem Helden den Beinamen eines "Großen" gegeben habe, ist wieder falsch.
Kriminalisierung des Christentums?, S. 150
Deschner antwortet in seiner Replik auf die Kritik:

Was heißt hier <<wieder>> falsch? Und was heißt da <<falsch>>? Steht bei mir doch korrekt: <<die Kirchengeschichte gibt Konstantin den Beinamen <der Große> >>. Um dies freilich erst falsch zu machen, um mich eines weiteren <<Fehlerchens>> überführen zu können, schmuggelt Frau Professor R.-Alföldi ebenso unauffällig wie infam die beiden Wörtchen <<als erste>> ein, die bei mir fehlen!
Kriminalgeschichte des Christentums, Bnd. 5, Seite zwölf.

Eine von persönlichen Angriffen überzogene Ausflucht. Natürlich sind die beiden Worte "als erste" nicht in seinem Text zu finden, so wie der gesamte Absatz Alföldis keine wörtliche Übernahme ist sondern ein sinngemäßes Zitat - leicht erkennbar durch den von Alföldi verwendeten Konjunktiv "habe". Und natürlich sind die beiden Worte nicht geschmuggelt oder erfunden. Sie sind eine Umformulierung für "einen Namen geben". Einen Namen "gibt" man nur einmal, evtl. "bestätigt" man ihn (auch mehrmals), sonst wird ein Titel "genutzt", "wiederholt" oder "übernommen". Ist man großzügig kann man auch "nennen", wobei auch dieses Verb bereits als "Vergabe" interpretiert werden kann.
Wenn ich also formuliere, "er gibt sich selbst den Titel Historiker" drücke ich damit nicht aus, dass er einen bereits existierenden oder bestätigten Titel wiederholt, sondern dass er selbst dafür verantwortlich zu machen ist, dass dieser überhaupt verwendet wird.

Zu diesem sprachlichen Fehler kommt die Tatsache, dass er Praxagoras in der "Kriminalgeschichte" auslässt (und somit, wie er es Alföldi vorwirft, "zensiert") und auch in seiner Replik trotz des ausdrücklichen Verweises nicht auf ihn eingeht. Blickt man dagegen in die Werke seriöser und ausgebildeter Historiker, so findet sich eine Quellenkritik zu eben jenem Praxagoras allein schon aus der Tatsache heraus, dass über die Person so wenig bekannt ist. Die Auswertung dieser Quelle wird dadurch sehr erschwert und dies bedarf zumindest einer Erwähnung. Ebenso deutlich mehr biographisches findet sich über übrige Autoren wie Caecilius Firmianus Lactantius und Sextus Aurelius Victor als bösartige Charakterbeschreibungen wie sie Deschner vor allem über christliche Schreiber ergiesst. So nennt Deschner Lactanz "kriecherisch" weil er in Bezug auf Konstantin über eine "edle Abstammung" schreibt, obwohl dies nunmal der Fall ist. Auch ohne Fälschung.


Mit diesem Abschnitt will ich die Behandlung der angeblichen Widerlegung beschließen, obwohl ich gerade mal zwei bis drei von deutlich über 20 Seiten besprochen habe. Da ich aber nun schon bei rund einem dutzend DinA4 Seiten bin, möchte ich zumindest dieses Kapitel hier beschließen. Massive handwerkliche, sachliche wie soziale Fehlgriffe sind aufgelistet. Der Mythos des "bislang unwiderlegten" ist zwar schon lange zerstört, in diesem Text aber hoffentlich nochmal leicht nachzuvollziehen.

Meine Fehlkalkulation was den Umfang angeht führt dazu, dass ich noch eine weitere Fortsetzung schreiben werde, in der ich einen Text der Kriminalgeschichte direkt auswerte.
Bis dahin empfehle ich den hier verlinkten Artikel in der Legal Tribune online aus der Sicht eines Journalisten.

Abb. 1. aus E. Herrmann-Otto, Konstantin der Große, Darmstadt ²2009.

Montag, 3. Juni 2013

Bewundernswerte Türken

Was sich alles so in der Türkei oder von Seiten dieses Staates tut ist mir zumeist ein Dorn im Auge oder eine negative Entwicklung die mich beunruhigt.
Das war auch in letzter Zeit nicht großartig anders. Da war z.B. der von den Medien nahezu vollständig ignorierte Schulbuchskandal. Das türkische Konsulat hatte Türkischlehrer in NRW mit Schulbüchern ausgestattet, die laut verschiedenen Quellen rassistische, nationalistische und geschichtsklitternde Inhalte vermittelten. Ein Aufschrei oder Protest von Politik, Medien oder Gesellschaft blieb allerdings aus.
Die Universität Kirikkale und die Organisation "Glückliche Kinder" fanden in einer Studie heraus, dass die Mehrheit türkischer Männer, 62% laut ihrer Umfrage, Gewalt gegen Frauen normal empfinde, 28% als regelmäßige, 34 % als gelegentliche Notwendigkeit.
Wie jedes Jahr feierte auch dieses Mal die Türkei die blutige und religiös motivierte wie ausgeschlachtete Eroberung  Konstantinopels im Jahr 1453 durch Mehmet II. "Fatih", nach dem auch in Deutschland diverse Moscheen benannt wurden. (Randbemerkung: so ließ Mehmet II. nach der Eroberung verkünden, dass alle byzantinischen Adligen, die sich meldeten, ihre Positionen behalten könnten. Diejenigen, die dem Aufruf folgten ließ er mitsamt ihren Familien köpfen. Nach einigen Quellen ließ er dabei die Familienvorsteher und jungen Männer zusehen, bevor sie an der Reihe waren.)
Dabei äußerte dieses Jahr, bei der zu diesem Zeitpunkt stattfindenden Einweihung einer neuen Brücke über den Bosporus der türkische Premier Erdogan, dass die Eroberung ein "dunkles Kapitel" beendet habe und ein "Zeitalter der Erleuchtung begonnen hätte". Man stelle sich vor, er nannte die osmanische Eroberung einer Stadt und das Ende einer Kultur einen "großen Moment der Geschichte" und verband dies mit der Errichtung einer neuen Verbindung zweier Kontinente. Dazu äußert die Journalistin Anne-Catherine Simon:
Würde Österreich an jedem Jahrestag des Sieges über die Türken von 1683 hochoffiziell Aufzüge veranstalten und Feste feiern, wäre dem Land Europas Zorn gewiss und jener von Muslimen hierzulande wie in der Türkei sowieso, die Folgen wären wohl verheerend.
Und auch hier blieb der Aufschrei sonst völlig aus, die Meldung versickerte am Rande.

Diverse Äußerungen der letzten Zeit, bspw. des Vorsitzenden des türkischen Vereines in Deutschland, Kolat, waren z.T. einfach nur lächerlich und wurden dementsprechend auch von Menschen mit einem  "Migrationshintergrund" kommentiert.

Dann aber kamen die Proteste auf. Und es war nicht nur Erdogan, und die Polizei, welche mit erschreckender Brutalität dagegen vorgingen. Noch nahezu unbeachtet blieb ein Kuss-Protest in und bei der Istanbuler U-Bahn, die gerade "moralisches Verhalten" per Verordnung einforderte. Dabei wurden die protestierenden Küsser, nachdem die Polizei viel zu früh abgezogen war, von den Gegendemonstranten, darunter Leute der Regierungspartei AKP, attackiert und zum Teil mit Messerstichen verletzt.
Davor war es bereits zum 1. Mai zu schweren Auseinandersetzungen in Istanbul und anderen Städten zwischen Polizei und Demonstranten gekommen.
 Und mittlerweile tobt seit mehreren Tagen in Istanbul die Polizei sich aus gegen die Demonstranten, die schon längst nicht mehr wegen einem Park auf die Strasse gehen sondern gegen die Richtung, in die sich ihr Land bewegt. Dabei wurden bislang über 1000 Menschen festgenommen, ein Demonstrant wurde getötet. Die türkischen Medien weigerten sich zunächst, über die Proteste und die ausufernde Polizeigewalt zu berichten, bis die sozialen Netzwerke voll waren von Twitternachrichten, Youtubevideos, Facebookeinträgen usw. Erdogan äußerte sich dementsprechend ungehalten und diffamierend über eben diese Netzwerke und ist an der Eskalation alles andere als unschuldig. Er drohte mit einem Millionenmarsch gegen die Demonstranten und nannte sie "Feinde der Demokratie".

Währenddessen gehen die Menschen trotz der handfesten Aktionen, trotz der Festnahmen und trotz der mangelnden Unterstützung der Medien und der Politik auf die Strasse, setzen sich einer Gefahr aus. Das ist bewundernswert.
Ich lese und hoffe, dass es diesen Menschen um Freiheit und ein friedliches Miteinander geht. Wie jene zehntausende Demonstranten, die vor einem Jahr zum Jahrestag der Ermordung des Journalisten Dink auf die Strasse gingen. Hoffentlich stimmt das. Eine Kaperung der Proteste wie in Ägypten vor wenigen Jahren wäre fatal. Möge die Menschlichkeit, Freiheit, Selbstbestimmung siegen über Nationalismus, Egoismus, Fanatismus.
Viel Glück, alles Gute und den politischen Sieg wünsche ich den Demonstranten, die hinter diesen Werten stehen.


Sonntag, 2. Juni 2013

Christ Obama?

In den USA wurden von Konservativen bis extrem Rechten immer wieder Fragen zur Person Obama gestellt die uns im gewohnheitswählenden und lethargischen Europa mitunter überzogen erscheinen, nicht selten als krude Verschwörungstheorien. So stand lange die Frage ob Obama überhaupt geborener US-Bürger sei im Mittelpunkt. Daraufhin veröffentlichte der Präsident seine Geburtsurkunde.  Als die Datei, die 2011 ins Netz gestellt wurde, jenes Dokument aber mit mehreren Bildebenen wiedergab, wurden sofort Spekulationen über Fälschung laut. Unsere Medien berichteten darüber mit der Erklärung, es handele sich um einen Scan inklusive Texterkennung, so dass dieses Ergebnis ganz normal sei.
Ich habe viel zu wenig Ahnung von Technik, um das einschätzen zu können, glaube aber den Erläuterungen mit einer verbleibenden Skepsis ob so viel Schlampigkeit.
Danach war Obamas Religionszugehörigkeit dran. Er selbst erklärte, er sei in den frühen 80ern einer schwarzen Gemeinde von Christen beigetreten und habe darin ein soziales Element erlebt, dem er seitdem folge. Viel Wert wird darauf gelegt zu betonen, in welche Gemeinde er gehe oder nicht mehr gehe, welche Priester mit ihm in Kontakt stünden und zu welchen er den Kontakt abbrechen würde.
Zuletzt wurden fünf "Reverends" benannt, mit denen Obama verkehre. Dabei wurde sich scheinbar bemüht keine Konfession zu bevorteilen - m.W. ist aber kein Katholik unter den akzeptierten Geistlichen. Es gehe eher "progressiv zu", teilte man mit.
Und auch hier entwickelten sich Zweifel. Schon vor seiner Wahl recherchierten Journalisten, Blogger und Neugierige über Obamas Vergangenheit. Einige hielten fest, was Obama über seine Religion verlautbarte und überprüften diese Aussagen. In der Folge wurden Obamas Statements immer wieder den neuen Informationen angepasst - von "ich war immer schon Christ, ich bin und war nie ein Muslim, ging nie in die Moschee" zu "ich war kein praktizierender Muslim und war nur der Freunde wegen in der Moschee, entdeckte das Christentum in den 80ern für mich".
Nur ein paar Ausschnitte: 2007, also noch vor seiner Wahl zum Präsidenten zitierte Obama für einen Journalisten der NY Times den Gebetsruf der Muslime in arabisch und ohne größere Probleme. Der Ruf ist nicht ohne Bedeutung in der islamischen Kultur, sein Inhalt soll allen, ob Muslim oder nicht, vor Augen führen, wer nach islamischem Recht "der Chef" ist.
2008 kam ihm in einem Interview ein "mein muslimischer Glaube" über die Lippen.
Es wird ihm nachgesagt bei Reisen nach Kenya und in die Türkei zwar Moscheen aber keine Kirche besucht zu haben.
Eine Liste mit Argumenten, Verdächtigungen bis hin zu schlichtem oder paranoidem Quatsch findet sich im Netz.
Als Präsident beließ Obama es nicht nur bei Besuchen islamischer Länder. Er betreibt die Politik der ausgestreckten Hand - bspw. durch die Entschärfung der Sicherheitsvorkehrungen in Botschaften und Konsulaten - eine der potentiellen Folgen, die Attacke auf das Konsulat in Benghasi wird noch immer heftig diskutiert.
Besonders sein Besuch und seine anhaltende Unterstützung der Muslimbrüder in Ägypten stach dabei hervor - einem Land stetig wachsender Christenverfolgung und Diskriminierung seit es unter der gewählten Fuchtel der islamistischen Muslimbrüder und ihrer noch fanatischeren Verbündeten, den Salafisten, steht. Seine Unterstützung für die Muslimbrüder drückte sich dabei nicht nur in Geldzusagen aus.
Dazu kommt, dass eine seiner Beraterinen, Dalia Mogahed, von den Medien oft als Expertin und Kennerin der islamischen Welt präsentiert und auf diesem Gebiet Obama unter die Arme greifend, nicht nur einen überraschend häufigen Kontakt zur Muslimbruderschaft oder von dieser aufgebauten Organisationen hat - völlig ohne Kritik von Obama oder seiner Regierung, sondern auch die Scharia als "missverstanden" und "kompatibel" mit westlichen Werten propagiert.
 
In seinem Bemühen zu gefallen präsentierte er sich als Kenner der Sitten und Gebräuche - und so möchte ich es sehen, wenn er einem Saal voller Muslime einen Gruß äußert, der nach religiöser Vorschrift ausschließlich unter Muslimen erlaubt ist.
Es gibt, wie oben ein Beispiel aufgeführt, einige Internetpräsenzen welche seitenweise Äußerungen, Vorkommnisse und vermeintliche Belege aufführen, dass Obama zum Islam konvertierte bzw. ihm angehört(e). Eine Auseinandersetzung mit diesem Thema lohnt durchaus, mehren sich doch die Widersprüche und Seltsamkeiten, die zumindest daran zweifeln lassen, dass Obama ein gläubiger Christ ist. Und in meinen Augen disqualifiziert es einen Politiker, umso mehr den "leader of the free world", wenn er sich aus reinem Opportunismus als Christ bezeichnet.
Eine dieser Merkwürdigkeiten ist jener Auftritt Obamas, bei welchem er Gottes Segen auf die Organisation "Planned Parenthood" aussprach, einer Organisation die Abtreibungen in großer Zahl durchführt und als legitimes Mittel der "Verhütung" betrachtet - nach Informationen investigativer Journalisten sogar in späten Monaten der Schwangerschaft - und das während gegen einen Abtreibungsarzt wegen mehrfachen Mordes an Neugeborenen und unterlassener Hilfeleistung verhandelt wurde. Gleichzeitig zwingt das von Obama eingeführte neue Gesundheitssystem auch katholische Kliniken und christliches Krankenhauspersonal jeder Konfession auch Abtreibungen vorzunehmen und Nachverhütungsmittel auszugeben. Eine Weigerung sollte rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen - dagegen lief ein Teil der US-Gesellschaft Sturm.
Obama erklärt seine zurückhaltende und unterstützende Politik in islamischen Ländern wie auch seine Befürwortung einer Moschee unweit des berühmten "Ground Zero" mit dem Versuch eines Dialoges mit den Muslimen, gleichzeitig scheint ihm die Kriminalisierung von Katholiken in Sachen Verhütung und Abtreibung keine Sekunde Kopfzerbrechen bereitet zu haben.
Das klingt für mich nicht wirklich nach einem gläubigen und praktizierenden Christen.



Samstag, 1. Juni 2013

Christliche Partei?

In der deutschen Parteienlandschaft gibt es heute wenige Parteien, die sich im Namen und / oder im Programm als "christlich" bezeichnen. Die größte und bekannteste ist mit Sicherheit die CDU, die "Christlich Demokratische Union". Wer Christ ist, erwartet von solch einer Partei verständlicherweise, dass sie sich für Christen einsetzt, auf christlichen Werten ihr Programm aufbaut, gläubige Kandidaten für Ämter aufstellt sowie die christliche Botschaft verteidigt und verkündet. Kurz gesagt: Christus und seiner Botschaft besonders viel Aufmerksamkeit schenkt.

Nun gibt es die CDU nicht erst seit einigen Monaten sondern bereits seit 1945, also 68 Jahre. Einige ihrer Gründer haben am Grundgesetz mitgearbeitet. Ihr Wirken kann man bspw. an der Präambel erlesen, wenn von der Verantwortung vor Gott und den Menschen die Rede ist.
Wie aber sieht das heute aus?

Kardinal Meisner
Ich könnte es mir jetzt einfach machen und auf Ihre Eminenz Kardinal Meisner verweisen. Der hatte seit Jahren bereits mehrfach Kritik an der CDU geübt, ja schonmal gefordert, das C endlich weg zu lassen, wenn die Partei nicht bereit sei, die Werte dahinter zu vertreten.
Oder auf die Bemühungen, atheistische und muslimische Interessen, die oft eben nicht identisch oder ähnlich den christlichen sind, zu vertreten. 
Ganz so einfach ist es aber wieder nicht. Natürlich gibt es engagierte Christen und auch Katholiken in der Partei, und natürlich finden diese Gehör - leider aber zu selten und von einer Identifizierung mit christlichen geschweige denn katholischen Werten und Regeln kann schon lange keine Rede sein, nur wenig mehr bei der breiteren Bezeichnung christlich. Letzteres jedoch auch nur, weil unter den christlichen Kirchen mittlerweile einige einen Recht weitgefassten Definitionsrahmen eröffnen - bspw. wenn Scheidung und Wiederverheiratung trotz den eindeutigen Versen der Bergpredigt durchgeführt werden, als seien es Alltäglichkeiten. (Ich gestehe ein, hierbei bin ich auch kein guter Christ, denn ich halte eine Scheidung im Fall von häuslicher Gewalt u.ä. durchaus für angebracht - jedoch nur als Notmittel).

Wolfgang Bosbach
Wolfgang Bosbach ist in vielen Dingen einer jener CDUler, die das Christentum noch vertreten. So in die ungeprüfte Ablehnung mit ein - allerdings kritisierte er gleichzeitig wenigstens auch die hemmungslosen Attacken bestimmter Politiker, s. etwa den geschichtsunwissenden Holocaustbezug unserer Justizministerin. An anderer Stelle verweist er auf die christlich-jüdische Tradition und Herkunft der europäischen Staaten, wenn die Forderung nach muslimischen Feiertagen mal wieder aufkommt.
setzt er sich für den Schutz der Christen im Orient ebenso ein, wie er sich für Lebensschutz stark macht. Leider haben seine Worte in der Merkel-CDU kein Gewicht, seine Mahnungen verhallen ungehört. Während er die Kunst des Kompromisses keineswegs als einzigen Lösungsweg anzusehen scheint, ist sein Kollege Volker Kauder da ... bedauerlicherweise offener. Als vor einigen Wochen die Klage des Erzbischofs Müller über die Stimmung gegenüber der katholischen Kirche zu einem medialen und politischen Aufschrei, oder besser, zu einem beleidigenden und argmentationslosen Furor führte, da stimmte auch Herr Kauder
Oder Katherina Reiche, die sich vehement für die ein Familienbild einsetzt, welches nunmal der christlichen Vorstellung entspricht - wohlwissend, wie ihre Position von unseren Medien präsentiert und weitervermarktet würde ( während die SZ noch versucht, ihr und allgemein den Konservativen unangebrachte Emotionalität und mangelnde Intelligenz zu unterstellen geht der Spiegel weiter und zeichnet ein Bild einer geistig Unzurechnungsfähigen).
Vom Augenschein sind ein evangelischer Pfarrer als Bundespräsident und eine Pfarrerstochter als Kanzlerin zudem ebenfalls eine Empfehlung.

Katharina Reiche
Von der CDU aber erhalten engagierte Christen kaum Rückendeckung, im Gegenteil. Besagte Frau Reiche sah sich von Parteikollegen in einer Talkrunde erst mäßig verteidigt, dann aber ebenfalls offen attackiert - aufgrund des beschränkten Wissensfeldes der eigenen Erfahrung, dem Empirismus. Die Medien berichteten  denn auch von ihrem schwulen Parteifreund, welcher ihr in die Parade fuhr und dabei äußerte "ich nehme niemandem etwas weg". Das dies eben nicht der Fall ist wagte niemand zu formulieren (Stichworte wie "Kindeswohl, Identität, Abstammung, Blutsverwandtschaft" oder einfach "bezahlte Leihmütter" kamen nicht vor).

Zum Affront wird dann die alltägliche Arbeit der CDU - jedenfalls aus politischer Sicht. Wenn die CDU bspw. Wahlleute bestellt um den Bundespräsidenten zu wählen, wen entsendet sie?
Da wäre Alice Schwarzer zu nennen, die zwar hin und wieder mit erstaunlichem Realismus auffällt, bei der Wahl des Kardinals Ratzinger zum Papst "indirekt" aufforderte auszutreten. Ihre Position zu Themen wie Homosexualität, Scheidung, Lebensschutz etc. sind hinlänglich bekannt und leicht nachzulesen, ebenso wie ihre Haltung zu Christen, die sich da aufgrund ihres Glaubens nicht so leicht mit abfinden. Für jene, die sie nicht kennen hier ein Auszug:

Sie haben es erreicht, dass Ihr absurd-lebensfernes Lebensschützer-Vokabular in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen ist, in dem Sie von der „Menschenwürde“ eines 0,1 Millimeter kleinen befruchteten Eis sprechen oder der „Tötung eines Kindes“, wenn ein Fötus abgetrieben wird. 

 Gegen Ende des Briefes führt sie übrigens Austritte etc. auf diese Ablehnung eines angeblichen Grundrechtes auf Abtreibung zurück, ungeachtet der Tatsache, dass Kirchen, die dies anders auslegen unter viel stärkerem Austrittstdruck leiden.
 Und so jemand wird als Sprachrohr der CDU entsandt.

Oder der Fall der 34 Jahre jungen Muslimin Cemile Giousouf, welche mit dem sicheren Rückhalt von
Cemile Giousouf
Quoten- und Integrationsposten einen garantierten Listenplatz erhält, während ihr Gegenkandidat, aktiver evangelischer Christ mit einem betont christlichen und familienfreundlichen Programm angetreten, auf keine parteibasierte Förderung bauen kann und erwartungsgemäß leer ausgeht.
Und hier kommt für mich noch der Aspekt des gezielten Betruges zum tragen. Während die CDU auf die Kandidaten als Vertreterin der Muslime und der Zuwanderer setzt, nutzt diese bei ihrer Vorstellungsrede vor der Wahl verweise auf christliche Aspekte, wie etwa den Advent oder eben das C im Parteinamen. Hier wird den Wahlleuten etwas vorgespielt, dass bei den eigentlichen Wahlen und wohl auch bei der Aktivität nach der Wahl keine Rolle mehr spielen wird. Das mag angesichts der üblichen Praxis unserer "Demokraten" viel zu versprechen und nur Wenig und zumeist Gegenteiliges zu tun kleinlich von mir wirken. Aber ein Betrug wird durch die Gewohnheit nicht zum Recht.

Blickt man gezielt auf das katholische Element der Partei, die dereinst vom rheinischen Katholiken Adenauer groß gemacht wurde, dann sieht es noch finsterer aus. Nicht nur, dass ein katholischer Arbeitskreis schnell mit Unterstellungen und Diffamierung bekämpft wird, auch die Balance bei der Ämtervergabe, dereinst durchaus von Interesse, wird stillschweigend verscharrt. Mit Schavan ging die vorletzte katholische Ministerin, auch wenn diese eher zum reformatorischen ZdK-Flügel gehörte und die Gründung eines katholischen Arbeitskreises scharf kritisierte (obwohl es dessen pendant bereits seit den frühen 50ern gibt...). Übrig bleibt der Umweltminister Altmeier. Von diesem fühle ich mich weder als Bundesbürger noch als Katholik vertreten, aber das ist ein eigenes Thema. Da ist der Parlamentspräsident Lammert eher eine Vertretung.
Dabei waren zumindest bis 2009 die Mehrheit der Wähler eben Katholiken.
Und während ich darüber schreibe wird eines für mich auch deutlich: Kritik der CDU an kirchlichen oder christlichen Positionen wird immer dann laut, oder zumindest laut wiedergegeben, wenn es Katholiken trifft. Sei es der damalige Bundespräsident Wulff, welcher den Papstbesuch (auf Einladung des CDU Politikers Lammert) nutzte, um das Zöllibat und die Haltung zur Scheidung anzuprangern oder Kanzlerin Merkel, welche die Rücknahme der Exkommunikation, des Ausschlußes aus der Gemeinschaft der Gläubigen dazu veranlasste eine Klarstellung vom Papst mit Nachdruck zu fordern und diesen zu kritisieren - eine Frau die auf Gewalt aus bestimmter Richtung mit einem Schulterzucken und der Forderung nach Toleranz reagierte.

Vom Bemühen um Verständnis, Vertretung und Kompromiß kann schon lange keine Rede mehr sein.
Äußert sich eine der Kirchen nicht im Sinne der Partei, die sich immer mehr dem Mainstream und dem Zeitgeist anpasst, so erfährt sie eher Kritik als Unterstützung durch die CDU. Dabei bemühe ich noch einmal jene "aufkommende Pogromstimmung". Statt dass sich CDUler daran begeben, mal nachzuforschen, wie viele verbale und körperliche Übergriffe gemeldet wurden, um die es in jener Rede ja ging, statt mal darauf hinzuweisen, wie oft mittlerweile Kirchen, Kapellen und Wegekreuze Ziel von Vandalismus und Schändung sind, wurde nur in den Chor mit eingestimmt, welcher von "Wehleidigkeit" sprach.

Und was unseren Bundespräsidenten angeht, so hatte ich dazu ja bereits früher etwas geschrieben, wiederhole es aber in Kurzform: ein Priester als Bundespräsident, welcher in seiner Ansprache zu Weihnachten aus diesem Christusfest ein interkulturelles Event macht und kaum einen Bezug zum religiösen Hintergrund nennt hat in meinen Augen den Anspruch verloren, den seine Weihe ursprünglich einmal mitbrachte.

Und dabei sind wir noch gar nicht in die moralischen Untiefen der Politik der letzten 15 Jahre eingetaucht... Da dies aber kein Buch werden soll, belasse ich es dabei.

Mein Fazit lautet also: es gibt sie noch, die CDUler, die sich Christen nennen und bemühen. Die das C nicht nur zum Stimmfang anstehen lassen. Am Ruder sind aber solche, die das C ausgehöhlt und nur noch als Etikettenschwindel haben. Und auch ein großer Teil der Mannschaft steht nicht mehr dafür ein - einige die behaupten und denken es zu tun sind vom "Zeitgeist" besessen - als wäre dieser nicht der Ursprung so vieler Übel. In diesem Sinne empfinde ich die Bezüge zur CDU im Artikel: "Ist die AfD eine Alternative für Christen?" als unangebrachte und gefolgschaftsblinde Parteienwerbung.
Ob die AfD besser ist, weiß ich nicht. Ich denke, dies wird erst ein vollständiges Programm und die Erfahrung zeigen. Das sowohl CDU als auch AfD noch eher wählbar sind als Grüne, SPD oder Linke steht außer Frage. Aber "eher" bedeutet nicht "ausschließlich".
Ich jedenfalls sehe mich weiter um nach einer Partei, die meine Interessen, als katholischer Christ, von einem gut integrierten Einwanderer in zweiter Generation abstammend, vertritt. Und sollte diese jemals an die "Macht" kommen und von dieser korrumpiert werden - dann suche ich eben erneut. Die Werte und ihre Umsetzungen sind es, die für mich zählen. Keine warmen Worte, keine Beschwichtigungen.