Samstag, 27. Juli 2013

Zimmerman & Travis - Gewalt ist nur von einer Seite erlaubt

George Zimmerman wurde von einer (übrigens rein weiblichen) Jury für nicht schuldig erklärt. Grammatikalisch wäre "nicht schuldig" auch einfach als "unschuldig" zu bezeichnen, aber dieses Wort werden Sie vergeblich in der Berichterstattung über seinen Prozess suchen.
Und dabei hatte man sich so angestrengt: man hatte den Latino kurzerhand zum Weißen erklärt und damit eine saubere Grundlage von Rassismus zu sprechen. Immerhin war ja schon immer klar und bekannt, dass weiße Männer ihre schwarzen Pendants ungestraft morden dürfen. (Sollte jetzt jemand an OJ Simpson denken, der seine Ex-Frau und deren Freund Goldman ermordete und damit dann trotz eindeutiger Beweise für einen geplanten, heimtückischen Doppelmord frei gesprochen wurde - wegen Rassismusvorwürfen an den ermittelnden Beamten und, dem sei gesagt, hier glaubt ein erheblicher Teil der Community die gerade auf die Strassen geht ebenfalls an fingierte Vorwürfe - aus Rassismus.)
Dann hatte die Staatsanwaltschaft, wohl ahnend dass Beweise und Zeugen ein völlig anderes Bild entwerfen, die Anklage gleich auf zwei Beine gestellt - Mord und als alternative "Wahlmöglichkeit" noch Totschlag. Also einmal ein geplantes und bösartiges Verbrechen und auf der anderen Seite ein impulsives, rücksichtsloses Verhalten das zum Tode eines Menschen führte. Wer sich daran erinnert, dass einer der Grundsätze des amerikanischen Rechtssystemes lautet, man könne nicht zwei Mal wegen der gleichen Sache angeklagt werden, den wunderte das schon ein wenig.
Aber nunja, unter Tränen erfolgte dann der Freispruch in beiden Anklagen. Die Tränen kamen von der Jury, und wie jetzt eine der Damen im Interview mitteilte seien die Tränen aus Wut und aus Frustration geflossen. Immerhin fühlt zumindest sie sich jetzt verantwortlich gegenüber den Eltern des getöteten 17jährigen, der zwar bezeugt auf Zimmerman gesessen hatte und dieser nachgewiesener Weise Wunden vorne und hinten an seinem Kopf davon getragen hatte - aber diese waren ja nicht lebensbedrohlich und daher hätte er sich ja nicht, und schon gar nicht mit der Waffe wehren dürfen.

Aus irgendeinem Grund meint die Presse die meisten Infos über den Fall dabei nicht wiederholen zu müssen. Das der Mann ein Latino sei erwähnte ich - und hin und wieder auch die Presse. Das er seinen schwarzen Nachbarn über einen langen Zeitraum hinweg von sich aus und unentgeldlich pflegte, wie man das als guter nicht-weißer Rassist halt so macht, das findet man dann kaum noch, immerhin war es ja eine der entscheidenden Zeugenaussagen vor Gericht die ein "hate crime" ausschlossen. Das der umgekommene Unschuldsengel sich in seinem Umfeld damit brüstete Schlägereien geführt und gewonnen zu haben - wie es die Aussagen und SMS belegen, und in seinem Blut Drogen nachgewiesen wurden, das habe ich im deutschsprachigen Medienwald bisher nicht zu lesen gefunden.
Das in den USA zwar diese Infos zu erhalten sind, in den meisten Publikationen aber auch dort unter den Tisch fallen (so wurden die Aufnahmen des Polizeirufes von Zimmerman zwar ausgestrahlt, aber so geschnitten, dass es klang, als würde dieser betonen: Travis sei schwarz. In Wirklichkeit fragt der Polizist nach längerem Dialog gezielt nach der Hautfarbe) wird angesichts der starken Unterstützung der vorgefertigten Meinung durch den US Präsidenten Obama eigentlich kaum jemand überraschen.
Das aber nicht nur Zimmerman sondern von dessen Eltern über seine übrige Familie und seinen Anwalt bis zu einer Frau deren Handynummer als die des Freigesprochenen ins Netz gestellt wurde nunmehr von Morddrohungen überschüttet werden und Zimmerman wie seine Eltern ihr Zuhause verlassen mussten um unter Polizeischutz inklusive Schutzwesten zu hoffen, dass man sie nicht lynche - das findet überhaupt keine Beachtung.

Und was macht der Mann, der so gerne Polizist geworden wäre und aufgrund der mangelnden Eignung eine Nachbarschaftswache auf die Beine stellte? Er hilft einer eingeklemmten Familie aus ihrem Truck. Das ist doch wirklich ein hinterlistiger Geselle. Nun rettet er auch noch Leute, statt nur um ihre Sicherheit besorgt zu sein.
Um den Vergleich nochmal aufzunehmen: OJ hat nach seinem Freispruch Geldnöte gehabt, da er ein Spitzenteam aus Anwälten zu bezahlen hatte und vor den Verwaltungsgerichten die Beweise als eindeutig durchgingen (er musste daher Forderungen der Familien seiner Opfer anerkennen - allerdings hat er bislang nichts gezahlt), darum schrieb er erst ein Buch in dem er die Tat und seine Gefühle beschrieb, natürlich stets mit dem Zusatz "wenn ich es getan hätte" und überfiel ein Sammlerpaar - wofür er dann prompt im Knast landete und noch immer sitzt.

Zwei Fälle, zwei mal die Behauptung, Rassismus stünde dahinter. Damals meldete sich der weiße Präsident nicht zu Wort und die Medien berichteten über jeden Darmwind im Gerichtssaal in einer Sondersendung. Damals gingen auch keine weißen Menschenmengen, bestehend aus Feministinnen und Vertretern der jüdischen Gemeinde auf die Strasse. Und heute?

4 Kommentare:

  1. Mag ja alles sein. Trotzdem erscheint mir ein Gesetz, daß es jemandem erlauben würde, einen anderen erst zu provozieren und dann bei einer Eskalation niederzuschießen, weil er sich bedroht fühlt, kontraproduktiv. Das ist doch der eigentliche Skandal, dieses stand-your-ground Gesetz, das aus Prinzip Eskalationen hinnimmt. Der nichtweiße Weiße (was isser denn nun? Naja, Obama ist ja auch nicht schwarz) hatte zumindest nach meinem Kenntnisstand die Order von der Polizei gekriegt, im Wagen zu bleiben. Hat er nicht getan. UNd jetzt ist einer tot. Auch wenn der Getötete ein ganz mieser Kerl war, gibt es keinen Grund, der Polizei nicht Folge zu leisten und sich in Gefahr zu begeben (denn wenn er den Jungen nicht als Gefahr gesehen hätte, hätte er ihn ja nicht melden müssen).
    Schlimm sind die Auswirkungen, denn aus vertrauenswürdigen Quellen hab ich gehört, daß jugendliche Schwarze inzwischen echt Angst haben überhaupt auf die Straße zu gehen.
    Und im Ernst: Nur weil jemand ein Schläger ist und Drogen im Blut hat ist es nicht okay, wenn er niedergeschossen wird, oder?
    Selbst wenn man Zimmerman keine direkte Schuld nachweisen kann, was wohl (auch aufgrund von stand your ground?) der Fall ist meine ich, daß er zumindest eine Mitschuld hat, weil er nicht im Wagen geblieben ist.

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    1. Dem einzigen, dem ich hier zustimmen kann ist die Aussage: der Polizei nicht Folge zu leisten geht nicht.
      Er hatte guten Grund, dem jungen Mann zu folgen, und der lautet Sicherheit. Die Gegend ist keineswegs ein Hort des Friedens, dort passieren eine Reihe von Einbrüchen und Gewalttaten, wenn es auch nicht so schlimm zugeht, wie in einigen Teilen von bspw. L.A. oder Detroit. Da eine Nachbarschaftswache zu haben ist von der Polizei i.d.R. geförderte Eigeninitiative (übrigens seit den berühmten Guardian Angels der 80er).
      Er hat den Jungen auch nicht "provoziert" oder "niedergeschossen", sondern er ist ihm gefolgt und hat, als er nach der Attacke am Boden liegend um sein Leben fürchtete zur Waffe gegriffen. In jedem Supermarkt meiner Umgebung gibt es mittlerweile Sicherheitsfirmen, und besonders Abends bemerke ich diese Herren recht oft an meinen Hacken. Ich fühle mich da nicht provoziert, höchstens etwas genervt, und käme nie auf den Gedanken diese Leute darum anzugreifen, geschweige denn wenn sie am Boden liegen ihren Kopf zu attackieren.
      Jugendliche Schwarze müssen selbstverständlich Angst um ihr Leben haben. Daran ist nur nicht dieses Szenario schuld: die weitaus meisten getöteten schwarzen jungen Männer werden von anderen schwarzen Jungen umgebracht. Fast keiner von "Nachbarschaftswachen" und nur eine sehr kleine Zahl von der Polizei. Das schwarze Jugendliche dabei besonders oft kontrolliert werden liegt an der markanten Beteiligung in den Statistiken - das als Rassismus zu brandmarken wäre in etwa das gleiche wie zu behaupten, die Verhaftung vorwiegend männlicher Personen wegen Vergewaltigung wäre eine Geschlechterdiskriminierung.
      Wir sprechen zudem aus der Postperspektive. Wir wissen, wie es lief. Zimmerman konnte nicht wissen, was kommt. Wäre die Sache im anderen Extrem verlaufen, hätte Travis einen Bruch gemacht und die dabei störende ältere Dame totgeprügelt während Z. von der Polizei an seinem Auto abgemahnt wurde ja nicht Polizei zu spielen, wer hätte dann Schuld? Die Polizei, weil sie Eigeninitiative verhinderte? Die Dame, weil sie störte? Oder Travis, der da etwas tat, das unter "Gewalttat" fällt.
      Hätte Travis seinerseits die Polizei gerufen, hätte diese Zimmerman abgemahnt - wir würden keinen Wirbel drum machen.
      Richtig war Zimmermans Nummer vielleicht nicht, das mag jeder selbst finden. Aber daraus Verantwortung für eine brutale Attacke und einen tödlichen Schuss zu ziehen geht mir zu weit.

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  2. Nachdem ich kurz mal die englische Wikipedia zu dem Vorgang überflogen hab, weiß ich da jetzt auch mehr. Bisher hab ich das nur latent wahrgenommen, weil im Moment ist grad Examen und da sind andere Dinge wichtiger.
    Was mir bisher hängen blieb war, daß Zimmerman wohl schuldig gesprochen worden wäre, wenn es dieses spezielle Selbstverteidigungsrecht mit dem "stand your ground" Grundsatz nicht gäbe.
    Inwiefern das haltbar ist, kann ich nach meinem bisherigen Kenntnisstand nicht beurteilen. Aber die Sache ist doch so: Da geht ein junger Mann einkaufen und auf dem Heimweg läuft er nicht schnell genug durch den Regen, was ihn Zimmerman verdächtig erscheinen läßt. Zimmerman, der zwar zu dem Zeitpunkt nicht Dienst hatte, aber eben um seine Nachbarschaft besorgt ist, folgt ihm, obwohl der Polizist am Telefon sagt, er müsse das nicht tun.
    Dann komtm es wohl zur Konfrontation, und da widersprechen sich nun die Zeugen, wer nach Hilfe gerufen hat und wer die Schlägerei anfing.

    Mal aus Sicht des Opfers: Da geht man vom Supermarkt heim und da fällt einem ein verdächtiger Mann im Auto auf, der einem auf einmal verfolgt, den man dann abhängen kann aber dann wieder sieht. Und dann fragt man nach, was er will.

    Das Ganze eskaliert. Daß Martin durch Schlägereien aufgefallen wäre hab ich jetzt zumindest bei wikipedia nicht gefunden. Aber gehen wir einmal davon aus. Vielleicht hat Martin angefangen. Vielleicht fühlte er sich durch die Verfolgung provoziert.Vielleicht hat auch Zimmerman angefangen, der ja durchaus davon auszugehen schien, daß mit dem Jungen was nicht stimmt (they always get away).

    Zimmerman mit diesem Hintergrudn freizusprechen, erscheint mir so gesehen richtig, weil es eben so aussieht, daß es keine Beweise gibt. Daß Martin THC im Blut hatte (wenn ich es richtig verstanden hab war es so viel, daß er schon ein paar Tage nichts mehr geraucht haben muß, und bei Zimmerman gab es gar keinen Bluttest) spielt IMHO keine große Rolle.

    Was ich aber trotzdem als Problem ansehe ist, wenn Menschen, die keine Polizisten sind bewaffnet durch die Gegend laufen und für Sicherheit sorgen sollen, denn wenn sie in irgend einem Winkel jemanden tatsächlich böswillig aus dem Leben reißen sollten, dann kann das wohl nie nachvollzogen werden.

    Wenn ich es richtig verstanden hatte, dann hatte Zimmerman die Waffe wegen nem verwilderten Hund in der Gegend. Naja, auch verständlich. Aber wenn ich weiß, daß ich ne geladene Waffe dabei habe, wenn der Kerl, den ich verdächtig finde wirklich ein Gangster ist, dann hat der vielleicht auch ne Waffe dabei. Und dann bleib ich doch schon aus Eigeninteresse im Auto!

    Martin ein Junge, der ein paar Schlägereien hatte und auch mal Gras geraucht hat, so wie es aussieht, und der im falschen Moment zu langsam durch den Regen lief. Und es ist schon beängstigend, wenn das schon reichen kann, um sein Leben zu verlieren.

    Ich find's gut, wenn einsetzende Hagiografien kritisiert werden, wie Du es hier tust. Trotzdem: Der hätte im Auto bleiben müssen, er hat als Nachbarschaftswache nicht den Job, das Gesetz durchzusetzen. Wenn er aber mit einer Waffe dem Verdächtigen nachläuft, dann tut er genau das. Und wenn das Gesetz dann erlaubt, eher zu schießen als wegzulaufen (Martin hat ihn ja zweimal angesprochen bevor die Handgreiflichkeiten begannen), trägt das nicht zur Deeskalation bei.

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    1. Da die Antwort viele Links mit den jeweiligen Infos enthält habe ich es zur schnelleren Aufnahme als Text eingestellt.
      http://staunend.blogspot.de/2013/07/trayvon-martin-und-zimmerman-links.html
      Darin nicht erwähnt habe ich die politische Natur des Prozesses: http://edition.cnn.com/2013/07/10/justice/sanford-bill-lee-exclusive/index.html?iid=article_sidebar

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