Samstag, 29. Juni 2013

Katholische Krankenhäuser

Ende letzten Monats kam Manfred Lütz, seines Zeichen (Chef-)Arzt und Theologe mit einem neuen Buch heraus, einer Streitschrift. Darin erläutert er u.a. seine Position zu katholischen Krankenhäusern, Kindergärten und allgemein den Beschäftigten. Immer mit Blick auf die Vorgabe unserer Päpste - Entweltlichung. In Kurzform kann man diese Positionen in einem Interview mit dem Domradio nachlesen. Extrem verknappt fordert er, dass sich die katholische Kirche "gesund stößt", wie man heute sagt. Gesund nicht in finanzieller Hinsicht, wobei dies durchaus auch als ein Aspekt gesehen werden kann, sondern in Sachen Verweltlichung, Ehrlichkeit gegenüber sich selbst, Vertretbarkeit der eigenen Maßstäbe und letztlich der Außenwirkung. Einer seiner letzten Sätze im Interview passt ganz gut darauf:
Bei 215.000 sonntäglichen Kirchenbesuchern im Erzbistum Köln kann es nicht angehen, dass eine solche Kirche noch 50.000 Angestellte im gleichen Bereich hat. Das würde ja theoretisch bedeuten, dass dann, wenn diese 50.000 alle so fromm wären, wie sie unterschrieben haben,  jeder katholische Kirchenbesucher dafür bezahlt wird,  dass er sonntags in die Kirche geht.
Die Zahl der Arbeitnehmer bei der katholischen Kirche, die unterschreiben deren Werte und Regeln wenigstens zu akzeptieren und umzusetzen ist also im Verhältnis zu praktizierenden (und somit wohl auch wenigstens halbwegs informierten) Katholiken zu hoch. Damit verbunden sind so viele Probleme. Auf diese geht Lütz im Interview wie im Buch ein, erläutert sie an aktuellen Beispielen. Dabei kommt die Außenwirkung finde ich etwas zu kurz. Menschen können gar nicht anders als verärgert reagieren, wenn sie den Eindruck erhalten, einem anderen Menschen werden Moralvorstellungen aufgezwungen und seine Arbeitsstelle oder Hilfe im schlimmsten Fall verweigert.
Daher die Forderung, die Zahl katholischer Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser etc. auf ein durch Katholiken zu realisierendes Maß zu reduzieren.

Darauf hat seine Exzellenz Erzbischof Müller bereits reagiert. Er führt aus:
Die Rückzugsmentalität widerspricht dem Wesen der Kirche als missionarischer Kirche.
Und die Caritas sei ein Wesensvollzug der Kirche.

Ich finde beide Argumente schlüssig. Schließlich ist es das Christentum, das Krankenhäuser, Schulwesen und Universität in Europa eingeführt und / oder großgemacht hat. Und anderen Menschen zu helfen, sei es in Not oder im Alltag ist Christenpflicht. 
Das Aber daran ist jedoch sehr stark und vielfältig. In Fragen formuliert kommen die Folgenden sofort auf. Nehmen die Menschen die Hilfe überhaupt wahr? Wollen sie diese Hilfe? Brauchen Sie diese? Leisten überhaupt Christen / Katholiken diese Hilfe?

In Köln und Umgebung gibt es ca. 54 katholische Krankenhäuser. In einem davon wurde eine Freundin von mir operiert. Sie hatte eine Eileiterschwangerschaft und kam damit in letzter Minute ins Krankenhaus und direkt unter das Messer. Zuvor war ihr dies bereits einmal passiert, aber dabei konnte ihr ohne größere (!) Operation geholfen werden. Nunmehr war aber die andere Seite betroffen. Die Operation glückte, so man den Verlust eines Eierstockes und die Beerdigung der Kinderwünsche, das Ende eines beginnenden Lebens als Glück verstehen kann. Was blieb war aber nicht der Eindruck der Hilfe, der freundlichen Behandlung, die sie erfuhr sondern die Weigerung, bei der Operation beide Eierstöcke zu entfernen. Da nur der eine akut betroffen war sahen sich die Ärzte nicht in der Lage "ohne dringende Notwendigkeit" auch den anderen Eierstock zu entnehmen, obwohl aufgrund der Geschichte auch hier nur noch mit Komplikationen im Falle der Schwangerschwaft zu rechnen sei. Verständnis für dieses Argument kam nicht auf, nur Wut. Und diese blieb. 
Ein anderes Beispiel ist der Fall der in Irland verstorbenen Dr. Halappanavar. Obwohl ihr Tod absolut nichts mit der katholischen Lehre zu tun hatte oder mit Vorschriften und Behandlungsmethoden daraus führte dies zu einer medial noch unterstützten Kampagne an deren Ende die Änderung der katholischen Gesetzgebung Irlands steht - und eine weiter im Ansehen geschädigte katholische Kirche.

Angesichts eines existierenden staatlich-säkularen Krankenhauswesens oder der scheinbar deutlich, ich nenne es mal, ungebunderen evangelischen Betreuung sehe ich keine Notwendigkeit, angesichts der Umsetzung, Ablehnung, Reaktionen und Darstellungen sogar keine Möglichkeit, die Caritas so wie bisher forzusetzen. 
Viel Unmut wird auch durch die Finanzierung dieser Caritas verursacht. Egal wie hoch nun die Beteiligung des Staates genau ist, wo katholisch / evangelisch etc. drauf steht, in Wirklichkeit aber der Staat die Hauptlast trägt, da ist die Forderung nach Einhaltung jeweiliger Regeln ebenfalls verständlicherweise ein Affront.

Und schlußendlich eben das Hauptargument von Lütz. Die Mitarbeiter sind oft kaum noch katholisch zu nennen. Diese zu zwingen, katholisch zu handeln ist unredlich - katholische Mitarbeiter hingegen zu zwingen, säkular zu wirken ebenso, wie wir im Streit um die Teilnahme an Abtreibungen in den USA deutlich vorgeführt bekommen. Sein Beispiel der Kindergartenmitarbeiterin in Königswinter führt er leider nicht vollends aus. Zwar reißen sich die Mütter in der Region um Plätze in katholischen Kindergärten und Schulen - die Konsequenzen werden aber weder vermittelt noch durchweg eingehalten. Nicht selten wird nur deshalb das Kind getauft und zur Kommunion geschickt - für mich durchaus eine Zwangs- oder Zweckstaufe die sich auch bei Arbeitnehmern finden soll. Und so kam es, dass die Scheidung und Neuverbindung einer Kindergärtnerin zwar zu Entlassung führen sollte, die Eltern aber dagegen Sturm liefen und am Ende der Kindergarten einen anderen Träger erhielt, da die Stadt den Vertrag kündigte. Eine schmerzhafte Situation die allen Beteiligten schadete. 

Da steht auch die ebenfalls von Lütz angesprochene Grundsatzfrage: was darf die Kirche von ihren Mitarbeitern fordern? Scheidung als Kündigungsgrund? Homosexualität? Welchen Eindruck hinterlässt das bei den Menschen, den Betroffenen wie den Zuschauern? Vorbild leben und Einhaltung fordern, oder Toleranz und Milde üben und "everything goes" praktizieren?

Da wäre es mir lieber, die Zahl katholischer Einrichtungen würden dem Angebot und der Nachfrage angepasst. Dem Angebot an Arbeitnehmern die wirklich Willens und in der Lage (das heisst wissend oder lernfreudig in Sachen katholischer Lehre) und der Nachfrage von Menschen, die sich Hilfe und Erziehung nach katholischen Maßstäben wünschen. So würde das Geleistete auch wirklich dem entsprechen, was draußen dran steht. Die Kosten müssten und könnten dann von der Kirche getragen werden, die wiederum ihren Finanzhaushalt konsolidieren müsste.
Und dabei würde die Caritas nicht aufgegeben. Sie würde nur an das Machbare angepasst. Und sollte die Nachfrage dann zu groß sein - dann wird es Zeit sich mit den Menschen zusammen zu setzen und zu bereden, was sie wirklich wollen.




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