Donnerstag, 27. Juni 2013

Wenn die letzte Tinte zu lange reicht.

Es ist nun etwa ein Jahr her, da veröffentlichte Günther Grass ein Gedicht, in welchem er Israel vorwarf, den Weltfrieden zu gefährden. Dies, so formuliert er weiter, müsse gesagt werden und es sei seine Aufgabe dies mit letzter Tinte zu tun.
Irgendwie scheinen ihm dabei Nordkorea und China durch die Lappen gegangen zu sein, die sich immer wieder mit atomarer Macht in der Hinterhand vor ihren geographischen Nachbarn aufbauen und einen Krieg vom Zaun zu brechen drohten. Oder das ebenfalls atomar bewaffnete Pakistan, dessen Militärbasen nicht nur z.T. erfolgreich von Islamisten attackiert wurden, sondern das im Dauerclinch mit Indien keineswegs verhalten droht - und mit China sympathisiert, welches sich Stück für Stück Indien holt.
Natürlich waren damals auch schon der Bürgerkrieg in Syrien, die gar nicht so heimlichen Bemühungen Irans, die sich verschärfende Diskriminierung und Terrorlage in Malaysia und Indonesien oder die dauerhaften Streitigkeiten zwischen den wahabitischen und den schiitischen Staaten. Alles nicht so wichtig oder unbekannt für den ehemaligen Waffen-SSler Günther Grass.

Und gerade als man diese Wellen wieder zu vergessen begann, da taucht er beim Wahlkampf der SPD wieder auf (mal abgesehen von der Doppelmoral des Mahners aus SS-Reihen ist der Mißbrauch der bildenden Kunst für Wahlwerbung für mich ein absolutes No-Go) - und rumpelt aus der Kiste, denn seine letzte Tinte hat er ja verbraucht.
Diesmal traf es die Bundeswehr. Er warf ihr vor, durch die Abschaffung der Wehrpflicht eine "Söldnerarmee" geworden zu sein, die für Geld im Ausland seine Männer verheize und gleichzeitig beginne, der Reichswehr gleich, einen Staat im Staate zu bilden.
Die Presse stürzt sich vor allem auf "Söldnerarmee", was ich aber aufgrund der riesigen Kosten ohne finanziellen oder wirtschaftlichen Nutzen für die Truppe, die Regierung oder das Land als so abstrus empfinde, dass es nur lächerlich ist.
Schlimmer finde ich die Behauptung, die Bundeswehr bilde einen Staat im Staate und den angeblichen Vorgänger Reichswehr. Daran stimmt zwar ebenfalls nichts, aber hier wird ein Bedrohungsbild aufgebaut, dass man so nicht stehen lassen darf und auf der anderen Seite wird Geschichte missbraucht.
Zunächst einmal: wenn die Bundeswehr eine gewisse Auslösung aus der Gesellschaft erfährt, dann eher aufgrund der Bestrebung der selbsternannten Pazifisten und Friedenswächter. Wer Soldaten aus dem öffentlichen Leben verbannt, angefangen mit der Vorstellung der Bundeswehr als potentieller Arbeitgeber an Schulen über akzeptierte und verbreitete Beschimpfungen als Mörder bis hin zu Störungen und Übergriffen während Begräbnissen, öffentlichen Gelöbnissen und auf abgestellte Fahrzeuge, der muss sich nicht wundern, wenn die so behandelten Menschen verstärkte Gruppenidentifikation in der Isolation ausbilden und ihre Loyalitäten sich nach innen wenden.

Das die Bundeswehr sich aber bemüht, von den meisten Soldaten bis hin zu offiziellen Vertretern, Anerkennung, gegenseitige Unterstützung und Kontakt zur Bevölkerung zu (er)halten ist in jedem BW-Standort mit Leichtigkeit zu erfahren. Man müsste nur mal mit den dortigen Bürgermeistern sprechen oder auf die gemeinsamen Aktivitäten achten. Zuletzt spielend leicht gemacht durch den (erneuten) dringenden Einsatz bei der Flut im Osten der Republik.

Zum anderen: die Reichswehr als "Staat im Staate" zu bezeichnen geht völlig an der angebrachten kritischen Betrachtung von Gegebenheiten und Umständen der Weimarer Republik und ihrer Reichswehr vorbei. Die Reichswehr, aus den Heerestruppen des 1. Weltkrieges heraus gebildet und unter starker Limitierung und Überwachung, wurde in den ersten Jahren durch die bürgerkriegsähnliche Situation heraus geprägt. Zwischen Matrosenaufständen, Soldatenräten, Spartakisten- und Faschistenputsch hin und her geworfen ist es kein Wunder, dass Teile der Armee wie gelähmt zusehen, während andere Teile Putschisten unterstützen. Dies als Teil einer inneren Abspaltung darzustellen ist unredlich - zumal es die Opposition der Reichswehr zur NSDAP-Führung in den frühen Jahren des dritten Reiches unbeachtet lässt - bis hin zu den Ereignissen um Fritsch und von Blomberg, von selbstaufopfernden Männern wie Canaris, Oster und Beck zu schweigen.

So viel Vorurteile und Pauschalisierung in jede Richtung - und das war Wahlwerbung für die SPD.
Ich weiß jedenfalls, wenn ich auf gar keinen Fall wähle.

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