Mittwoch, 3. August 2016

Islamophob

Ein viel gebrauchtes Wort dieser Tage ist Islamophobie. Es setzt sich aus dem arabischen Wort für Unterwerfung, Hingabe  und dem griechischen Wort für Angst oder Abneigung zusammen.
Jedem Kritiker des Islam, auch wenn er selbst dieser Religion angehört, wird mittlerweile vorgeworfen, dieser "Islamophobie" anzugehören. Zumindest in unserem Land ist damit eine geistige Querverbindung zur "Xenophobie" unterstellt. Der Beschuldigte würde den Islam ablehnen, weil dieser ihm und hier "fremd" sei und von Einwanderern, also von "Fremden" praktiziert würde. Die Erklärung beginnt dann in der Küchenpsychologie zu verschwimmen. Ob nun die "Angst vor allem Fremden und Unbekannten" oder der "Hass auf alles Fremde" oder beide in einer merkwürdigen Verwandtschaft dafür verantwortlich sind, bleibt diffus und so nutzbar für Talkshows und Tagesschauinterviews.

Dabei zeigen ausgerechnet jene, die so lautstark besagte Anschuldigung rufen, sobald jemand zur kritischen Lektüre des Koran auffordert, die eigentliche Bedeutung des Islam.
Mehrere Ausstellungen in den letzten Jahren haben entweder ihre Inhalte verändert oder gleich ganz abgesagt, aus Angst, man würde Muslime beleidigen. Bspw. an einer Volkshochschule in Marzahn (Berlin). Dort hängte der Leiter mehrere Bilder einer Ausstellung ab, die nach seiner Meinung muslimische Schüler seiner Einrichtung hätten abstoßen, verwirren oder ärgern können. Es handelte sich um weibliche Akte. Nach der einsetzenden ungewollten Aufmerksamkeit hängte er sie wieder auf.
Nicht so die Uni Essen. Diese hatte erleben müssen wie einige Zeichnungen des Comics Habibi von einer muslimischen Studentin zerstört werden. U.a. ist in dem Comic die Zwangsehe, die Kinderheirat u.v.m. in aller Deutlichkeit gezeichnet - auch Vergewaltigung. Nach dem Akt der Gewalt wurden nicht etwa Schutzmaßnahmen getroffen und die Studentin von der Uni geworfen und für akademische Wege unwürdig befunden, sondern mit ihr diskutiert und die betreffende Ausstellung dauerhaft entfernt. Man wollte dies aber als Protest FÜR Meinungs- und Kunstfreiheit verkaufen und veröffentlichte die Ankündigung unter der Überschrift "miteinander reden".
Und auch nicht so jüngst das Rathaus von Köpenick. Dort wurden, wie in der VHS in Marzahn, Nacktbilder entfernt um Gefühle zu schonen.

Dabei hatten beide Themen nur am Rande mit Inhalten des Islam zu tun (wenn man nackte Frauen, Gewalt und Sexualität so nennen will...). Deutlicher ist dies bei direkt auf den Islam und seine Heiligtümer zielenden Themen. Selbst wenn diese ebenfalls nur am Rande in einer Ausstellung vorkommen.
Greser&Lenz, die Zeichner der FAZ, hatten etwa letztes Jahr kurz nach dem Angriff auf Charlie Hebdo eine Ausstellung in Hanau angesetzt. Anlaß war eine Preisverleihung an sie. Zuerst hieß es, in der Ausstellung sei keine Mohammedkarrikatur und trotzdem wurde über die Absage berichtet. Dann hieß es, doch, eine Karrikatur sei dabei und es finde statt. Mal wurden die Zeichner dann als mutige Widerständler gegen Zensur und islamische Intoleranz dargestellt um dann wieder als versöhnliche Beschwichtiger aufzutreten. Letztlich scheint es eine einzige Karrikatur zu sein, die zudem aber auch noch Mohammed enthielt - ebenso aber auch Christus. Die Angst zielte zu keinem Zeitpunkt in christliche Richtung, auch nicht auf Atheisten, Buddhisten oder Zoroastrier, sondern gen Muslime. Würde es ihren Unmut wecken? Darum eine voreilige Absage um dann "jetzt er recht" zu verkünden. Natürlich unter Polizeischutz.
Kurz vor der Olympiade in London setzten Bahrain, Katar, Saudi-Arabien u.a. durch, dass ihre Sportlerinnen mit Kopftuch starten durften. Bis dahin undenkbar. Aus Sportlichkeit, aus mangelnder Sexualisierung und aus Sicherheitsgründen waren Schals u.ä. bis dahin verboten. Die einzigen nennenswerten Proteste kamen, und das muss man an dieser Stelle bei aller sonstigen Ablehnung betonen, von der Feministinnengruppe Femen.

"Aus Rücksicht auf unsere muslimischen Gäste / Freunde / Mitbürger / XY..." ist eine mittlerweile oft gehörte oder unausgesprochen Floskel, wenn es um bestimmte Handlungsweisen geht. Da wird zurückgesteckt. Das Essen wird entsprechend zubereitet, auch wenn es vielen mehr nach einem Braten mit Soße oder einem schönen Schweineschnitzel gelüstet, denn nach halal zubereitetetem Kalbsgerichten und Datteln. Kreuze und andere Symbole nicht-islamischer Religionen werden abgehängt. Frauen ziehen brav ein Kopftuch an oder ändern sogar für Anträge und Ausweise die Bilder entsprechend.

Und hier offenbart sich die wahre Islamophobie. Hier ist die wirkliche Angst. Angst vor wütenden oder traumatisierten Muslimen, die nicht in der Lage sein sollen, sich ein Kreuz, eine unverschleierte oder, Allah bewahre, eine nackte Frau sehen zu können, ohne jegliche Kontrolle zu verlieren. Oder der (gerechtfertigten) Angst, dass bestimmte Inhalte zu Gewalt oder gar Terroranschlägen führen können.
Natürlich gibt es Menschen, die den Islam, ohne ihn zu kennen einfach ablehnen. Und? Es handelt sich um eine Religion. Die anti-islamischen Resentiments wachsen nicht, weil es dafür keine Gründe gäbe oder aus mangelnder Auseinandersetzung. Sie wachsen, weil im Namen des Islam gemordet, gefoltert, verstümmelt, vergewaltigt, versklavt, verschleiert, hingerichtet, Grundrechte vorenthalten und vieles weitere wird. Und die Verbände in unserem Land darauf lediglich mit Phrasen und Beschuldigungen reagieren, sich in die Opferrolle setzen, obwohl die Opfer der Taten noch warm in ihrem Blut liegen oder auf die grauenhafte Erfahrung der Hochzeitsnacht warten.
Die meisten Kritiker des Christentums machen es sich keinen Deut schwerer - und noch immer gibt es ein vielfaches an Anschlägen auf Kirchen, christliche Symbolik und Bauten, Priester und öffentlich praktizierende Christen als auf Muslime. Jeder Versuch die Aufmerksamkeit darauf zu lenken oder wenigstens eine gewisse Sensibilität herzustellen wird gnandelos niedergebügelt.
Spricht man darum von Christianophoben? Wird darum nunmehr auf Lärm am Sonntag verzichtet und rückt die Polizei darum bei Großveranstaltungen an christlichen Feiertagen an, um eine Provokation zu verhindern?
Nein, und auch wenn es mich mitunter selbst stört - ich finde das gut so. Die Heuchelei der Karfreitagstänzer geht mir gegen den Strich und die Passivität der Polizei sagt viel über den Staat, unsere Gesellschaft und ihre Bigotterie aus. Aber eine angemessene Reaktion besteht nicht in der Forderung die Ruhe durchzusetzen. Sie besteht darin festzustellen, dass Christen die Ruhe einhalten sollten und miteinander debattieren, wenn einige dies anders sehen. Sie besteht in der Forderung, trotzdem unbelästigt in die eigenen Kirchen und Dombauten zu kommen, angemeldete Prozessionen und Umzüge frei von Störungen und Belästigungen durchführen zu dürfen und zu können sowie keine Ruhestörung erdulden zu müssen, wie an jedem anderen Tag auch. Aber mehr auch nicht. Wenn Atheisten, Buddhisten, Hindus, Spaghetti-Monster-Anhänger an jenem Tag lieber in die Disco wollen oder im Park zum Grillen das Radio ein wenig lauter drehen - deren Sache.

Durch die aktuelle Haltung, die gelebte Islamophobie bei gleichzeitigem Totschlagen aller Kritik am Islam (u.a. mit dem Vorwurf der Phobie) tragen solche Menschen viel mehr zur Veränderung unserer Gesellschaft ins Negative bei, als es ein kleiner Haufen Rassisten je könnte. Diese werden zu Recht von unserer Gesellschaft für solche Äußerungen und Handlungen mit Verachtung gestraft. Leider nur deutsche Rassisten. Die übrigen können sich Dank der oben genannten Haltung bequem einrichten und austoben.
Und so wird aus Angst schnell Ignoranz. Wenn die Medien begeistert berichten, dass der Täter von München ja ein deutscher Rechtsradikaler sei, so ist dies der Versuch die Schuld auf die verachtetsten Bösewichte abzuwälzen und von den eigenen Schützlingen tunlichst abzulenke - ob böse und verantwortlich oder nicht.
Da wird der Satz "Ich bin ein stolzer Arier" aus dem Munde eines deutsch-IRANERS zur nationalsozialistischen, white-power Äußerung. Ohne auch nur eine Sekunde über die Nutzung und Bedeutung des Wortes für einen Iraner zu recherchieren. Denn diese Sekunde würde reichen, um die These zu zerstören. Dabei huldigte man in den 30ern dem Schah als "Licht der Arier" und der Name Iran bedeutet nicht viel anderes als" Land der Arier" bedeuten soll.
Was dies für einen Ausdruck und für das ohnehin angeknackste Vertrauen in unsere Medien bedeutet kann sich jeder vorstellen.
Aber was diese Haltung auch für die Reformer innerhalb des Islam bedeutet, ist nicht schwer zu verstehen. Wenn Bassam Tibi sich in einer Schweizer Zeitung darüber beklagt, dass die deutsche Presse in den vergangenen zehn Jahren nichts von ihm, dem Kritiker der konservativen Theologen und nach innen gewandte Reformer, wissen wollte und nunmehr die Hoffnung auf einen Euro-Islam aufgegeben hat, dann ist dies wortwörtlich eine Anklage gegen die islamophoben Verteidiger des Islam in unserer Kultur. Eine Anklage die längst überfällige Überarbeitung des Islam verhindert zu haben.
Und ich behaupte: aus Angst. Angst vor der Verletzung der Gefühle und der Gewalt der Muslime, Angst vor der eigenen Geschichte, Angst vor den Heimatstaaten, Angst vor der eigenen Person.


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