Dresden ist eine architektonisch und landschaftlich wunderschöne Stadt - und eine Stadt des Leids, des Missbrauchs.
Über das nunmehr aufgestellte "Denkmal" für den Bürger- und Religionskrieg in Syrien vor der Frauenkirche pünktlich zum Gedenken an die Zerstörung der Stadt und Ermordung bzw. Vertreibung seiner Anwohner habe ich bereits geschrieben. Neu ist die Meldung, die Errichter des Originals seien eine islamistische Kampffraktion gewesen, und nicht die Bürger auf der Suche nach Schutz.
Vor dem Bekanntwerden hatte sich aber der FDP Bürgermeister der Stadt zu Wort gemeldet und verkündet:
Wir sehen immer wieder – und gerade in dieser Zeit – Versuche, Geschichte umzudeuten, Dresden im Opfermythos dastehen zu lassen (...) Dresden war alles andere als eine unschuldige Stadt
Nicht, dass der Missbrauch nicht existierte. Allerdings von beiden Seiten. Die einen überbieten sich mit den Opferzahlen - die anderen fordern, auf nackter Brust geschrieben, den damaligen Befehlshaber dieser verhängnisvollen Angriffe auf, es nochmal zu tun oder danken ihm sogar - ein Dank für die Ermordung Tausender. Während Zweitere aber sogar eine politische Karriere verfolgt und vom Bürgermeister ohne sorgenvolle Worte bedacht weiter agieren darf und wohl die nähe zur AntiFa nicht ablegen wird, so ist der erstere Teil Ziel der Rede des BÜRGERMEISTERS, also desjenigen, der sich vor allem um die Bürger seiner Stadt sorgen sollte. Lebend, ungeboren oder schon verstorben.
Statt dessen denunziert er quasi nachträglich die Stadt als "nicht unschuldig". (Und wälzt dies als Feststellung einer Forschungsgruppe auf die Fachleute ab - was lediglich in Sachen Opferzahlen machbar erscheint)
Das ist wahrhaftig widerlich. Ja, es gibt die Formulierung, die dies wörtlich behauptete ("eine unschuldige Stadt") und man kann sich gerne im historischen Diskurs darüber auslassen, wie dies zu verstehen und wie es gemeint war, wie "unschuldig" heute zu interpretieren ist.
Aber so, wie es der Bürgermeister formulierte legt es Dresden, seiner Bevölkerung und der gesamten Stadt eine Schuld an und stellt die Auslöschung im Flammenmeer quasi als gerechtfertigte Strafe dar. Auch wenn es der Bürgermeister vermutlich nicht so gemeint haben will, dass ist die Konsequenz, die man aus so einer Formulierung ziehen kann. Die Rede war vorbereitet und nicht spontan - also auch ziehen sollte.
Im Zusammenhang mit dem Gedenken an mindestens 25 000 im Bombenhagel und Flammenmeer ermordete Menschen, fast alles Zivilisten und nicht wehrfähige Menschen, ist die Formulierung untragbar. Selbst wenn aus Dresden die Regierung gestellt worden wäre, selbst wenn die in den Krieg gezogenen Männer Kriegsverbrecher wären - ist die Bombardierung dann als Strafe gerechtfertigt?
Nein - und sie war niemals so gemeint. Sie gehörte zum Jahre andauernden Versuch, die Moral der Bevölkerung zu zerbrechen. Im Februar 1945 hatte die Wehrmacht keine Kraft mehr. Was folgte waren Rückzugsgefechte und der Kampf ums Überleben. Bombardierungen der Zivilbevölkerung hatten bis zu diesem Punkt am Kriegsverlauf nichts geändert und es gab keinen Grund anzunehmen, dass der Untergang Dresdens daran etwas änderte.
Davon abgesehen ist die gezielte Tötung von Zivilisten sonst ein rotes Tuch für jeden Politiker und Historiker, der sich angeblich für Menschenrechte und Mitgefühl einsetzt. Das ausgerechnet der Dresdner Bürgermeister dies hier mit seiner Wortwahl hintenan stellt ist unerträglich.
Dafür müssen wir dann fragen: woran nicht unschuldig? Ist die ganze Stadt schuld, dass die Nazis trotz der gerade keineswegs höheren Stimmenanteile als heutige "Volksparteien" die Macht unter Ausnutzung von Zeitereignissen ergriffen haben? An den Deportationen, als Dresdner Juden verschleppt, gequält und ermordet wurden? Auch jene, die nicht die NSDAP wählten? Die nicht denunzierten oder dabei halfen oder profitierten? Jene, die versuchten zu helfen? Denn auch das gab es. Oder jene, die versuchten nichts von der Welt mitzubekommen, um nicht in Streit gezogen zu werden, Freunde nicht zu verkrätzen und keinen Ärger zu kriegen? Oder jene, die überzeugt waren, dass "Gute und Richtige" zu tun, denn die anderen waren ja von Grund auf Böse und verdienten gar keine Rechte - was so formuliert so merkwürdig vertraut klingt.
Waren die Ungeborenen, die Babies und Kleinkinder, die dort umkamen an irgendetwas schuld?
Vermutlich sind es jene die nicht einschritten, aufstanden, halfen, welche eine Flammenbombardierung verdienten. Denn, das haben wir mittlerweile ja gelernt: Widerstand ist Bürgerpflicht, ist so einfach. Jedenfalls Jahrzehnte nach dem Ende des Regimes und mit großem Rückhalt. Es sind die gleichen Menschen, die sich über Ungerechtigkeiten beklagen, wie den Bürgerkrieg in Syrien mit all seinen Verbrechen aber nichts unternehmen, um das zu beenden, um einzuschreiten, die nicht vor Ort dem IS mit ihren Protesten zeigen, was sie von ihm halten. Es sind jene, die nicht nach Darfur flogen, um den Völkermord dort zu verhindern oder in Mauretanien Sklaven befreien. Es sind die Helden der Pressekonferenzen in Dresden, auf den Strassen von Hamburg und Leipzig, die sich erlauben mangelnde Gegenwehr als Kooperation und Übereinstimmung, mindestens aber Feigheit zu verurteilen und eine ganze Stadt über derlei zu "Schuldigen" erklären und damit statt Opfermythos von einer verdienten Strafe berichten, wenn sie von jenen Tagen im Februar sprechen.
Würden diese Menschen wirklich einfach der Toten gedenken wollen, dann könnten sie dies. Ohne syrische Künstler, ohne Zahlendebatte, ohne moralischen Zeigefinger und ohne politische Agenda von heute gleich welcher Ausrichtung.
Achtung, es folgen nun die Bilder.
Ich möchte dies versuchen. Die Bilder im Anschluss zeigen die Menschen, um die es rund um den "Valentinstag" im Gedenken für Dresden gehen sollte. Es sind Bilder von Toten, umgekommen durch Bomben, Trümmer, Splitter, Flammen, Hitze und Sauerstoffmangel. Es sind dies die gleichen Qualen, die heute in Syrien, Somalia, Sudan, Mali, Nigeria und so unendlich vielen anderen Orten Menschen aus dem Leben befördern - nur in geballter Form und mit einer deutlich höheren Opferzahl.
Diesen Menschen wünsche ich eine friedliche Ruhe und gerechtes Urteil am Ende aller Tage.
Den heute Lebenden wünsche ich, einen Gedanktag an ein Verbrechen auch als solches behandeln zu können - und weder das Verbrechen aufzublähen noch zu verharmlosen oder umzuwidmen, ja die Opfer sogar regelrecht zu überdecken.
Ob 25 000 oder 35 000 Tote ist nicht völlig irrelevant, aber es ist im angesicht des kollektiven Gedenkens erstmal Nebensache. Alle mögen in Frieden ruhen und die letzten Momente des Lebens vergessen können.
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