Samstag, 8. März 2014

Auf die Frage "Wie kann Gott sowas zulassen?"

Die Bloggerin e. legte ergreifend nahe, dass für ihren Mann einer der Hinderungsgründe zum Glauben zu finden die Frage ist, wie Gott so viel Leid zulassen kann, wo er doch Allmächtig und Allliebend ist.
Natürlich möchte ich mir nicht anmaßen auf diese Frage, welche Gläubige, Zweifelnde und Atheisten wohl seit ewigen Zeiten umtreibt, wirklich beantworten zu können. Ich kann nur wiedergeben, wie ich sie für mich beantworte und hoffe, da ist vielleicht etwas Brauchbares dabei.

Ich glaube, es gibt auf diese Frage nicht die eine Antwort, sondern eine ganze Staffel, und viele dieser Antworten sind nicht der Art, welche einfach zu akzeptieren sind oder toll gefunden werden.
Die unbefriedigendste ist das oft genutzte und kritisierte "Gottes Wege sind unergründlich". Warum rettet er nicht die junge Frau, die einem Vergewaltiger in die Hände fiel und der sie zu Tode foltert, aber eine 80jährige Lourdesfahrerin erhält wundersam einen Teil ihrer Gesundheit zurück?
Vielleicht schmeisst ein junger Polizist aufgrund der Tat hin und gründet stattdessen eine Familie, die er liebevoll beschützt. Vielleicht findet die 80jährige durch das Wunder auf einer Fahrt auf die sie ohne Glaube ging kurz vor ihrem Tod zurück zum Herrn. Vielleicht rührt das Leid seines letzten Opfers, einem von vielen, endlich das Herz des Serientäters und er stellt oder verrät sich...
Das ist nicht tröstlich und nicht erklärend, das sind reine Spekulationen - aber es offenbart, dass wir die Geschichte hinter dem Leid und dem Wunder oft nicht kennen.
Das führt zu meiner Erklärung Nr. 2 die ein wenig Trost spenden mag. Wir erkennen Licht nur, wenn es auch Schatten gibt. Menschen, denen es eigentlich super geht finden trotzdem Grund zum klagen. Ich habe eine chronische Erkrankung die mir permanente Schmerzen bereitet und die mich auf absehbare Zeit wohl ans Bett fesseln wird. Wann immer ich denke, es geht nicht mehr erinnere ich mich an das Leid anderer, denen es noch schlechter geht. Als der heilige Vater Johannes Paul II. in seinen letzten Reisen kaum noch laufen konnte oder während eines Jugendtages zitternd auf seinem Stuhl saß, zwischendurch einschlief meckerten die Medien, dass er sein Amt so nicht ausüben könne und ein schlimmes Bild der Kirche vermittelte. Mir gegenüber äußerte eine damals junge Frau im Rollstuhl sinngemäß: als sie ihn da so leidend sitzen sah und trotzdem quälte er sich auf Reisen und Veranstaltungen empfand sie gerade das als tröstlich. Er teilte nicht nur Glauben und Segen sondern auch sein Leid. Ich hoffe, ich habe etwas verständlich ausgedrückt, was ich meine.
Der dritte Gedanke: Gott ist unser aller Vater. Wir sind heute mehr denn je bemüht unsere Selbstständigkeit zu betonen, und zu autarken Wesen zu erklären. Gott müsste uns in klare, enge Bahnen lenken, um viel von dem Leid zu stoppen, dass wir selbst verursachen oder zulassen. Kleine Eingriffe oder Wunder reichen da nicht. Der Heiland verkündet Frieden und was folgt ist eine Verfolgung und ein Krieg nach dem anderen - manchmal gegen seine Gläubigen manchmal von ihnen. Was würde es also benötigen, Frieden zu erzwingen - und wie käme das an?
Der vierte Gedanke ist der Beweis der eigenen Menschlichkeit. Meine Frau, die keinen leichten Alltag hat, stand und steht mir durch jedes Leid zur Seite, etwas das mir dieses Leid ertragbarer macht. Andere Menschen, von denen ich eine hohe Meinung hatte, lassen Menschen prompt fallen, wenn es Probleme gibt.
Menschen, die lieber darüber diskutieren, welche Leistungen ein katholisches Krankenhaus erbringen muss als über das Verbrechen der Vergewaltigung das dem zugrunde liegt zeigen für mich sehr eindeutig, was für Menschen sie sind. Mitleid, Mitgefühl, Hilfsbereitschaft kann niemand beweisen, wenn es dazu keinen Anlaß gäbe.
Gedanke fünf ist: wer definiert Elend? Menschenverursachtes Elend ist ziemlich klar umrissen. Krankheit und der Kreislauf des Lebens hingegen - Leid oder Natur? Was ist mit dem ethischen Dilemma der Euthanasie?
Es gibt noch einige Gedanken mehr, aber ich hoffe, meine Haltung ist klar geworden. Es gibt da m.E. keine Universalantwort. Es kommt immer auf den Fall an.
Und trotzdem bleibt am Ende der Zweifel. Hätten wir diesen aber nicht, dann wäre es Wissen und nicht Glauben. Und Wissen erfordert "nur" die Leistung des Lernens und baut auf Vertrauen in Lehrer und Wissenschaft - nicht auf Gott.

4 Kommentare:

  1. Hallo Theodred,
    ich bin ganz begeistert von soviel Resonanz auf meine Frage :) Ich habe gerade auf Jobos letzten Kommentar zu meinem Post geantwortet, und da steht eigentlich das meiste drin, was ich mir dazu so denke. Ich kann die Allmacht nur als Allmacht der Liebe einerseits und als Allmacht über das Geschick der Welt, die letztendliche Finalität andererseits verstehen. Ich denke nicht, dass Gott zum Beispiel die Vergewaltigung zulässt, weil er den Polizisten gerne auf den rechten Weg führen möchte. Das wäre mir zu sehr Marionettenspieler, und auch ziemlich...zynisch. Ich denke eher, dass er das zulässt, weil er die Verantwortung eben uns Menschen übertragen hat. Er lässt es zu, damit unsere Freiheit gewahrt bleibt, aus der allein Liebe erwachsen kann. Er kann das Böse zum Guten führen, aber er initiiert nicht das Böse, weil er damit irgendeinen Plan verfolgt. Das passt ja auch gut mit Deinem dritten Gedanken zusammen, dass Gott uns eben nicht gängeln will, dann wären wir ja wirklich nur noch Marionetten.

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    1. Da stimme ich Dir zu, was mein Beispiel angeht. Das war wirklich nicht besonders treffend gewählt bzw. formuliert. Allerdings möchte ich glauben, dass aus großem Elend immer auch irgendwo etwas Gutes erwächst, auch wenn wir das vielleicht gar nicht mitbekommen.

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  2. Das mit Deiner Krankheit berührt mich sehr, obwohl wir uns nicht kennen. Welche Finalität kann dahinterstecken? Das Gottvertrauen, das Dir abverlangt wird, scheint mir übermenschlich zu sein. Jobo hatte ja auch geschrieben, dass der Sinn des Leides die Teilhabe am Erlösungwerk Christi sein kann, wenn der einzelne das für sich so erkennt/annimmt. Heißt das, jeder, der eine schwere Krankheit hat, ist damit in besonderer Weise berufen? Und viele Heilige haben das ja so empfunden. Ich merke gerade, dass man dazu "von außen" wirklich nichts sagen kann, deswegen hör ich jetzt auf.

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    1. Das empfinde ich anders. Mir wird kein Gottvertrauen abverlangt, eher im Gegenteil. Als es anfing und diagnostiziert wurde fiel ich erstmal in ein Loch, in eine Depression. Aus dem Loch aber half mir die Liebe meiner Frau und darin fand ich zum Licht meines Glaubens zurück (obwohl auch meine Frau nicht mit dem Glauben verbunden war). Das klingt kitschig, aber anders kann ich es nicht formulieren.
      Nicht berufen, aber so wie ich zeitweise eine wirkliche Krücke brauche, so war mir diese Zeit eine Krücke auf dem Weg zu Christus und zur Kirche. Mein Blick änderte sich.
      Zwar sehe ich bei anderen, die oft noch viel stärker leiden, dass die Frage "warum ich" sie vom Glauben distanziert - bei mir ist es andersherum. Ich fühle seither mehr mit, verstehe ein wenig besser und kann mein Leid nicht messen mit dem anderer. Was nahm Jesus, was die vielen tausende Märtyrer auf sich für ihren Glauben? Wie schwer haben es die Menschen, die einen schweren Schlaganfall hatten, die blind oder taub von Geburt, durch Krankheit oder Unfall sind.
      Wie könnte ich da mein Schicksal so zentral machen? Dafür hat es mich und meine Frau noch viel enger verbunden und mich angespornt, ein besserer Ehemann zu werden.
      Es fällt mir gerade erstaunlich schwer, das verständlich zu umschreiben, aber ich fühle mich nicht berufen oder geprüft, höchstens herausgefordert.
      Das möchte ich aber nicht auf andere ausweiten. Jeder Mensch empfindet sein Schicksal eben anders.

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