Mittwoch, 23. Oktober 2013

Neuer dämlichster Artikel

Tja, das hat ja nicht lange gehalten, bis ein Artikel den Thron erobert hat.
Der von mir bereits vor Kurzem wegen einem wirklich mangelhaften historischen Vergleich kritisierte Berhold Seewald hat zum gleichen Thema, den Vorgängen um das Bistum Limburg, einen weiteren Artikel mit Bezug zur Geschichte geschrieben.
Berthold Seewald
Der Artikel ist diesmal nicht nur methodisch bzw. inhaltlich schlecht, sondern auch noch schwer verständlich und konfus.
So setzt Seewald, nach einer winzigen Erklärung wann Diozösen entstanden den folgenden Vergleich:
Pikant dabei ist, dass vor allem die Diözesen vom letzten Todfeind der Christen auf dem Kaiserthron, Diokletian, zu einem Kernstück der Reichsverwaltung gemacht worden waren.
Man gewinnt den Eindruck einer Union der christlichen und der staatlichen Diözesen. Die von Diokletian angelegten Verwaltungseinheiten und Strukturen überdauerten allerdings seine Regentschaft und auch das von ihm neu eingeführte Herrschaftssystem, die Tetrarchie. Sie ist nicht identisch mit dem, was Christen später aufbauten, auch wenn diese die Blaupause seines Systems als Grundlage heranzogen.
Der Eindruck wird noch verstärkt durch Wortwahl wie:
Wie aber wurde aus dem hohen römischen Reichsbeamten der Stellvertreter und Verwaltungschef eines Bischofs? Einfach deswegen, weil die spätantike Hierarchie der christlichen Kirche zunehmend die Bürokratie des spätantiken Zwangsstaats übernahm.
Was der Autor meint ist "kopieren" - übernehmen würde meinen, man nimmt die bestehenden Strukturen selbst in die Hand - und die staatliche Verwaltung wurde eben nicht kirchlich.
Das es sich hierbei nur um schlechte Wortwahl handelt ist aber eigentlich ausgeschlossen So verweist er ja ausdrücklich in der Frage darauf, wie aus dem Beamten des Staates ein Verwaltungschef wurde, ja fragt sogar schon in der Überschrift:
Was ein Vizekaiser für die Diözese Limburg bedeutet?
Er möchte also explizit den Eindruck erwecken, dass hier der Beamte in die Kirche "versetzt" wurde.Ja noch mehr:
 Die soziale Seite der Christianisierung Roms war nämlich die Öffnung seiner Ämter, die ja auch lukrative Pfründe waren, für die Spitzen der Gesellschaft. Und je mehr der spätantike Staat im Westen zerfiel, blieben die Kirchenfürsten als letzte Vertreter der Reichsorganisation in den Gebieten übrig, in denen germanische Stammesführer ihre Reiche errichteten. Der kirchliche Klerus des Frankenreichs zum Beispiel war im Grunde nichts anderes als ein Verband römischer Provinzadeliger, die nicht mehr in Staat oder Heer ihre Karriere gemacht hatten, sondern in der Kirche.
Es mag an mir liegen, aber der Absatz ist so verschwurbelt fomuliert, dass der Sinn gar nicht klar zu erfassen ist. Wer öffnet da für wen seine "lukrativen Ämter"? Die Kirche für die Spitzen der Gesellschaft? Die konnten auch vorher schon die Posten annehmen, sie waren ihnen nicht verwehrt durch die Christen - ob man sie wirklich lukrativ nennen konnte angesichts der Wellen der Christenverfolgung ist eine andere Sache.
Oder waren es die Ämter Roms die sich für Christen öffneten? Abgesehen davon, dass einzelne Christen es auch vorher schon in die Kanzleien geschafft hatten schreibt er ja betont "für die Spitzen der Gesellschaft". Also meint er den Staat der sich seinen Spitzen öffnet? Problematisch daran ist, dass die Spitzen permanent die lukrativen Ämter innehatten. Jeder aus dem Ritterstand und darüber war angehalten, öffentliche Ämter einzunehmen - nicht erst seit der Spätantike.

Kirchenfunktionäre dann als "letzte Vertreter der Reichsorganisation" zu bezeichnen geht ebenfalls einen Schritt zu weit. Ist es doch eher im Umkehrschluss so, dass die Kirche aufgrund der eben nicht krampfhaften Bindung an das Reich überdauerte. Bestes, wenn auch vergeistigtes und als Reaktion auf drohende Rückfälle aufgrund eben des drohenden Reichszerfalles entstandenes Beispiel dafür ist "De civitate dei" des heiligen Augustinus. Die Dauerhaftigkeit des Christentums bei den Franken kann man exemplarisch an Martin von Tours nachvollziehen. Für die Integration in die germanischen Strukturen waren die auch wenig römischen irischen Mönche von großer Bedeutung.

Und der leider nicht anders als "dümmlich" zu bezeichnende Abschluss des Absatzes ist dann kaum noch zu überbieten. Nach dem Verweis auf die Ablösung des Römischen Reiches und seiner Strukturen durch das wenig strukturierte Frankenreich stellt Seewald fest, dass die Adligen nunmehr eher Karriere bei der Kirche als im Staat oder Militär machten....

 Wenn man nirgendwo sonst Karriere machen kann ist diese Feststellung irgendwie... ach was solls.








Viel "pikanter" ist da, dass alle Anstrenungen Diokletians keine Machtzentrierung zuzulassen vergebens waren. Sobald er sich zurückgezogen hatte gingen die Auseinandersetzungen unter seinen Mitkaisern und -regenten wieder in die heiße Phase über. Inklusive Verwaltern die genug Anhänger um sich gesammelt hatten, um militärisch den Aufstand zu wagen.
Dieser Teil also, quasi der Kopf seines Verwaltungssystem, aus vier Herrschern, wurde von den Christen gar nicht erst mitkopiert. Nicht zuletzt auch, weil dahinter die alte römische Theologie stand - und diese einer der Gründe der Christenverfolgung war.
Was mich zu "Vizekaiser" führt. "Vizekaiser" nannte man Caesares... was jeder der in einem Seminar zur Spätantike länger als 10 Minuten wach blieb auch weiß. Vicarii gibt es zwar als Vorgesetzte der Provinzverwalter, das macht sie aber nicht zu Kaisern oder deren Anwärtern.

Auch die Bedeutung des vicarius im römischen Reich gibt Seewald nicht korrekt wieder. Bei ihm erscheint er vor allem wenn nicht ausschließlich als hochrangiger Beamter. Vicarii wurden aber bspw. auch Sklaven im Besitz anderer Sklaven genannt (man erinnere sich daran, dass das römische Reich Sklavenhaltergesellschaft war...) - i.d.R. war es die Bezeichnung für Platzhalter und Stellvertreter. Vom kleinen Strassenamt bis zur Prätorianergarde...

Was bleibt ist ein weiterer Stimmungsmacherartikel der sich an der Geschichte vergeht...


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