Mittwoch, 30. Oktober 2013

Offener Brief an Lara Katharina Fritzsche

Hallo Frau Fritzsche,
voran möchte ich Ihnen gratulieren zum erhaltenen Medienpreis der katholischen Kirche. Es ist schon etwas besonderes, wenn man unter tausenden von Schreibern die zehntausende von Texten verfassen ausgewählt und geehrt wird.
Dann aber möchte ich meiner Empörung, meiner Abscheu über Ihr Verhalten Ausdruck verleihen. Sie haben den Preis angenommen. Einen Preis, welchen die katholische Kirche stiftet um Journalisten zu ehren und (mittels der dotierten 5000 €) zu fördern für ihre Arbeit. Eine Geste der Freundschaft, des Vertrauens, der Anerkennung.
Sie haben den Preis aus den Händen der Kirche entgegen genommen. Bislang konnte ich kaum Details über die Verleihung erfahren.Angenommen aber, soviel weiß ich bereits aus den Medien, haben Sie den Preis und das damit verbundene Geld. Nur um es einer Aktion von Abtreibungsbefürwortern, oder besser, einer Aktion zur Bekämpfung einer regelmäßigen Demonstration von Abtreibungsgegnern, mit den Worten "Ich ärgere mich als Frau einfach zu oft über die katholische Kirche, als es an so einem Abend nicht anzusprechen" zu spenden.
Als weitere Begründung verwiesen Sie auf die Ablehnung einer Vergewaltigten durch katholische Spitäler Anfang diesen Jahres.
Vermutlich werden Sie diese Zeilen nicht lesen, falls doch möchte ich Sie aber bitten, sich vor Augen zu führen, wie widersprüchlich Ihre Motivation und Ihr Handeln sind.
Sie möchten sich für die Rechte von Menschen auf Selbstbestimmung einsetzen und unterstützen dafür eine Gruppe, die einer anderen Gruppe von Menschen nicht nur das Grundrecht auf freie Meinungs- und Religionsausübung verwehren will, sondern dies auch regelmäßig mit illegalen und gewalttätigen Mitteln unternimmt. Sehen Sie sich die Videos der Teilnehmer und Polizei vom "Marsch für das Leben" an, lesen Sie sich die Polizeiprotokolle durch. Die Teilnehmer werden regelmäßig attackiert, ihre Demonstrationsmittel ihnen entwendet und zerstört. Ihre religiösen Gefühle werden verletzt, sie selbst aufs übelste beschimpft und gedemütigt. Wer an den Außenseite des Protestzuges läuft kann damit rechnen angespuckt zu werden.
Mit Sprüchen wie "Hät Maria abgetrieben wärt ihr uns erspart geblieben" werden sie bedacht. Damit wird nicht nur ihre Religion verhöhnt sondern auch ihre individuelle, persönliche Berechtigung zu Leben in Abrede gestellt.

Den Preis erhielten Sie für einen Artikel über eine junge Frau, die das Massaker des Attentäters Breivik überlebte. Dieser unternahm seine Anschläge in Ablehnung der fundamentalsten Rechte von Muslimen und Sozialisten, wie er in dem, was er als Manifest bezeichnete darlegte. Den Preis, den Sie dafür erhalten einer Gruppe weiterzugeben, die gleichsam radikal die Gruppierung ablehnt, die Ihnen den Preis verlieh ist nicht "mutig" oder "vorbildlich" sondern verlogen und scheinheilig.
Wenn Sie nicht nachvollziehen können oder wollen, dass Abtreibungsgegner bereits im Fötus einen Menschen sehen und dessen Abtreibung dementsprechend als Mord, sich also gegen legalisierten Mord engagieren ist das Ihr Recht. (In ersterem Fall würde ich Ihnen den Artikel in der Zeit vom 24.10.: "Die Gewissenhafte" nahelegen.) Wenn Sie als Journalistin dagegen argumentieren wollen ebenso. Daran gibt es nichts zu rütteln. Wenn Sie daraus eine Ablehnung der katholischen Kirche aufbauen ist dies nachvollziehbar. Aber dann sollten Sie einen Preis von dieser Institution ablehnen. Ihn erst anzunehmen um mit dem Geld dann die Gewalt gegen dessen Mitglieder zu befördern ist, und da finde ich leider kein anderes Wort, unterste Schublade und stellt Sie damit auf eine Ebene, die Sie leicht vermeiden hätten können.

Als Journalistin sollten Sie zudem Ihrer Sorgfaltspflicht in der Recherche nachkommen. Sie ärgern sich über die verweigerte Verhütung "potentieller" Vergewaltigungsopfer in Köln und empfinden den Schritt der Bischöfe zur Pille danach für diese Menschen als zu klein.
Ein paar Ihnen offenbar entgangene Informationen und Denkanstöße:
- Über die Vergewaltigung wurde und wird sich nicht aufgeregt. Obwohl die Polizei in Köln einen massiven Anstieg dieses "Verstoßes gegen die Selbstbestimmung der Frau" berichtete, wurde das Verbrechen zur Nebensache. 5000 Euro zur Aufklärung und Verhütung hier wären wohl ebenfalls eine gute Idee gewesen und hätten Menschen mit ungleich höherem Leidensdruck deutlich mehr helfen können.
-  Dietmar Penning, Prof. und Leiter in einer der betroffenen Kliniken hat in einem langen Interview in der WDR Lokalzeit ein völlig anderes Bild der Vorgänge aufgezeigt. Demnach, und diese Informationen können Sie vermutlich leicht und schnell überprüfen, sind in Köln nur einige wenige Kliniken zertifiziert und somit zugelassen, Vergewaltigungsopfer gemäß der anonymen Spurensicherung überhaupt zu behandeln. Das wusste die behandelnde Notärztin, welche das Opfer erstversorgte und mit  einem Rezept für die Pille danach ausstattete (wie sie in einem der gegebenen Interviews selbst erläuterte), ebenfalls. Genauso wie sie um die Ablehnung von Abtreibung in katholischen Kliniken wusste und trotzdem erstmal zwei Kliniken, zwischen denen sich zudem auch andere Einrichtungen finden, dieser Art kontaktierte. Nach Aussage besagten Professors war wenigstens eine Abteilungsleiterin zum Zeitpunkt ihres Anrufes zwischen mehreren Geburten und ihre Abteilung somit überlastet - eine Einlieferung hätte für das Opfer in jedem der genannten Punkte eine Vergrößerung der Tortur bedeutet, da sie deutlich mehr Zeit dort hätte verbringen müssen und vermutlich zum Zwecke der Spurenaufnahme noch eine weitere, also eine dritte Untersuchung hätte über sich ergehen lassen müssen. Aus der Erfahrung im Umgang mit Opfern weiß ich, dass bereits eine einzige Untersuchung für die Meisten eine unerträgliche Qual ist.
 - Für katholische (und selbstverständliche viele andere) Ärzte, Krankenschwestern und Hebammen sind Abtreibungen, wie Sie sie als Grundrecht für Frauen fordern, Mord. Wie gesagt müssen Sie diese Ansicht nicht teilen. Aber Sie fordern völlig ohne das kleinste Mitgefühl für diese Position und die damit einhergehende Belastung des Gewissens, der Psyche und Seele dieser Menschen, dass Sie es doch tun.
Ein deutlicher werdender wenn auch starker Vergleich: würde man Sie zwingen wollen kleine Kinder zu erschiessen, weil die Eltern das so wollen - wie würden Sie sich fühlen, wie würden Sie reagieren?
Das oft vorgebrachte Argument: keiner zwingt Christen diese Berufe zu ergreifen ist nichts weiter als eine Diskriminierung. Eine Trennung der Aufgabenbereiche stellt sich als praktisch nicht durchführbar dar ohne deutlich höhere Personalkosten. Ich verweise noch einmal auf den Artikel der Zeit.

Wie gesagt, vermutlich werden Sie diese Zeilen hier niemals lesen. Falls doch rechne ich nicht damit, dass Sie meine Argumente ernsthaft in Erwägung ziehen, sich einen Moment in jene Personen versetzen welche Sie zu bestimmten Handlungen zwingen wollen oder gar in jene, denen Sie das Leben verweigern möchten. Aber vielleicht sehen Sie sich wenigstens an, was die von Ihnen nun unterstützten Gruppen mit den Menschen machen, die nichts anderes wollen, als ihre demokratischen und menschlichen Grundrechte wahrzunehmen, indem sie in einem öffentlichen und ordentlich gemeldeten Protestzug ohne jemanden zu attackieren oder zu beleidigen einige Strassen entlang gehen. Und vielleicht nehmen Sie von deren Gewalt abstand.
Oder das Allermindeste: lehnen Sie nächstes Mal den Preis einfach ab. Das gebieten Ehre und Anstand.
Mit freundlichen Grüßen
T.

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