Der Schauspieler Götz George ist verstorben. Möge er in Frieden ruhen.
Viel weiß ich nicht über diesen Mann, der in meiner Jugend allen bekannt schien. Seinen Schimanski-Krimis konnte ich nie etwas abgewinnen. Zu unglaubwürdig, zu weit weg von dem, was wirklich in Deutschland und gleichzeitig nicht weit genug, um Actionfilmen der 80er und 90er das Wasser zu reichen. Aus heutiger Sicht war auch die damals wie in Kinderserien aufgeprägte "Toleranz und habt euch alle lieb oder es gibt Haue"-Thematik im Hintergrund abschreckend.
Schtonk fand ich zwar von der Thematik wirklich lustig, schon in der Jugend, aber das Schauspiel aller beteiligten erschien mir mitunter überzogen.
Aber in den späten 90ern sah ich dann "Der Todmacher". Ein spartanisch aufgemachter Film, nur ein Raum, zwei Schauspieler. Es geht um den Serienmörder und Kannibalen Fritz Haarmann, welcher die Weimarer Republik, das hungernde und verarmte Deutschland nach dem Krieg und der spanischen Grippe, noch vor der Wirtschaftskrise des Jahres 1929 durch Morde an einer großen Zahl männlicher Kinder und junger Männer unsicher machte. Teilweise zerstückelte und aß er seine Opfer oder verkaufte sie als Fleisch Unwissenden (und möglicherweise auch Wissenden).
Diese grausame und unglaubliche Geschichte endete mit der Verhaftung und dem Verhör des "Unmenschen". Der Film widmet sich jenen Vehören und versucht dabei, anhand der Protokolle, einen Einblick in die dunkle Seite der menschlichen Seele zu bieten. Es obliegt jedem selbst zu bewerten, ob der Film, ob die Schauspieler dies schaffen. Der Film ist aufgrund der Ausschließlichkeit des Dialoges nichts mehr für unsere heutigen Augen, die auf Bewegung, Action, schnelle Szenenwechsel und grelle Farben eingestimmt sind. Mich hat er damals aber sehr bewegt. Ich hatte daran zu knabbern, dass ich teilweise Mitleid empfand, obwohl mein Kopf sagte, dass dieser grausame Mensch nicht nur sein sondern auch das Schicksal seiner Opfer selbst bestimmt hatte. Es war das erste Mal, dass ich mich mehr als beiläufig damit auseinander setzte, dass in jedem von uns eine dunkle Seite schlummert und auch der grausamste Tyrann an Schrecklichkeit gewinnt, weil er im Grunde ein Mensch wie jeder andere ist. Jeder von uns kann nicht nur ein wenig auf die schiefe Bahn geraten, sondern ganz und gar.
Georges Schauspiel überzeugte mich völlig, zog mich in den Film, in die Gespräche und ließ bei allen Grausamkeiten um die es ging nie vergessen: da sitzt ein Mensch. Und gerade wenn man fast so weit war, über Gnade nachzudenken, da erhärtete der Schauspieler seine Züge und Text wie Einstellung machten wieder deutlich, wer da eigentlich sitzt.
Ziemlich zeitgleich sah ich auch "Der Sandmann" - ein Film der seine Aktualität nicht verloren hat, aber dessen Thema den Schauspieler scheinbar nicht allzu sehr bewegte.
Was ihn aber trieb, war sein Vater. Der war ein berühmter und hoch angesehener Schauspieler mit engen Beziehungen in das kommunistische Lager. Als aber die Nazis ihm kurz nach ihrer Machtergreifung unmöglich machen seinem Lebensinhalt zu frönen und er Auftrittsverbot erhielt, da arrangierte er sich mit dem Regime. So gut, dass er in vielen Propagandawerken auftauchte und Stimmung im Sinne der Rechtsradikalen machte.
Dafür wurde er nach dem Krieg festgenommen, nach Sachsenhausen verbracht, wo er hungerte und schließlich entkräftet und durch eine Blinddarmentzündung und Lungenprobleme geschwächt verstarb.
Das Schicksal seines Vaters ließ Götz George nicht los und erst vor wenigen Jahren, Rückblickend also als sein Lebenswerk, schaffte er es, einen Film über seinen Vater Heinrich umzusetzen. Bis heute habe ich ihn nicht gesehen - aber ich denke, sobald ich ein wenig Zeit habe, werde ich das nachholen.
Mit Götz George verlässt uns ein großer Schauspieler und Unterhalter. Für mich aber verlässt der Mime die Welt, der "die Banalität des Bösen" vermitteln konnte.
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