Donnerstag, 9. Juni 2016

Sport, Terror und Zika

Sport gehört seit der Antike zur europäischen Kultur. In enger Verwandtschaft zur Wehrbereitschaft entstand ein reiches Angebot an athletischen und unterhaltsamen Sportarten, die teilweise bis heute gepflegt werden. Zwar läuft kein Athlet mehr mit der Aspis, dem griechischen, großen Rundschild und Speerwurf hat mit kriegerischem Einsatz nichts mehr zu tun, aber ob Ringen, Boxen oder Fechten, manchem Sport kann man noch ansehen, woher er kam.
Anders ist das natürlich bei (fast) allen Ballsportarten. Volleyball, Basketball, Tennis, Boccia oder Boule usw. sind nicht bekannt dafür, dass mit ihnen für Krieg und Kampf trainiert wurde, auch wenn mitunter von einem Ballspiel der Maya behauptet wird, es endete für den Unterlegenen tödlich.
Bei Eishockey sieht die Sache sehr kämpferisch aus, und Knochenbrüche oder ausgeschlagene Zähne sind nicht selten, beim Curling gewinnt man den Eindruck, es handele sich um ein Intensivtraining von Putzkräften.
Sogar die elektronischen Spielen haben mittlerweile eigene Liga-Kämpfe und versuchen sich mit moderner Technik dem Interessierten als Unterhaltungsprogramm anzubieten.
Wir können also mit Recht stolz und dankbar sein, für eine lange Geschichte höchst unterschiedlicher Sportarten. Es findet sich für jeden etwas. Vom Bodenturnen bis zu 24 Stundenrennen, von Martial Arts Kämpfen bis zu Schachturnieren.
Aber keine Sportart dominiert heute das Bewusststein so sehr, wie Fussball. Ein Milliardenmarkt, mit unzähligen Millionen von Anhängern der Teams und ganzen Nationen, die bei EM, WM oder irgendeinem anderen Ligaspiel in Hysterie verfallen.
Und nun steht die Fußball-EM in Frankreich bevor - mehr oder weniger zusammen mit den Olympischen Spielen in Rio. Die Werbemaschinen laufen auf Hochtouren. Kein Einkauf ohne mit Bechern, Plastikblumenkränzen und albernen Hüten in Nationalfarben belästigt zu werden. Die AntiFa macht bereits fleißig Werbung, wieder die an den Autos befestigten Fähnchen zu stehlen. Und kaum eine Firma, die nicht mit Fußballern oder gleich der Nationalmannschaft ihre Verpackungen bedruckt.
Mich nervt das ein wenig, und ich sehe schon sehnsüchtig dem Ende der EM entgegen, denn ich mag keinen Fußball. Ich finde ihn langweilig, zähflüssig, emotional viel zu hochgespielt und unpräzise. Meine Ballsportarten sind Volleyball und Basketball, wenn Fußball dann bitte (das richtige) Rugby oder Gaelic Football - aber damit stehe ich allein. Trotzdem gönne ich jedem Fan das Erlebnis und sehe darüber hinweg, dass viele der temporären Fans weder die Regeln beherrschen noch auf sonstige Nationalmannschaften einen Pfifferling geben.

Dieses Jahr sieht die Sache aber anders aus. Frankreich hat von vielen Seiten Warnungen erhalten, dass islamistische Terroristen Anschläge planen. Frankreich, seit Jahren von einer Terrorwelle geplagt, nimmt das ernst - was aus den heiteren Spielen eine einzige große Sicherheitsschleuse macht.
Und in Brasilien wütet das Zika-Virus. Eine Erkrankung, die bewirkt, dass die Köpfe der Neugeborenen von erkrankten Müttern nicht richtig wachsen und das Kind einen unglaublichen Schmerz durch den Druck ertragen muss und natürlich behindert bleibt.
Was beide Ereignisse gemein haben, ist die Gefahr und die Möglichkeit des ausufernden. Reisende, die das Virus aus Lateinamerika mit nach Europa bringen, also eine Seuche verbreiten und ein Sportereignis, welches Terroristen auf den Plan ruft, die eine ganze Gesellschaft, nicht nur die Fans bedrohen.
Während ein Einknicken, eine Absage im Falle der EM eine Kapitulation vor den Terroristen bedeuten würde und daher andere Reaktionen gefordert sind, ist die Verbreitung des Zika-Virus schlicht unverantwortlich. Statt die Olympischen Spiele abzusagen oder den Ticketverkauf zu limitieren, statt drastische Reisewarnungen und Quarantänevorschriften auszusprechen, wird so getan, als sei nichts. Mittlerweile gibt es bereits in England die ersten Fälle von zurückgekehrten Reisenden.
Die Folgen der Erkrankung können viele Jahre verborgen bleiben - bis ein Kind gezeugt wird.
Das ist wohl auch der Grund, warum der Abschreckungsfaktor bisher unerwartet niedrig ist. Handelte es sich um unheilbare Lepra oder permanenten Haarausfall, um eine tödliche Seuche oder eine Krankheit mit klingenden Namen wie "Schweinepest" oder "Maul- und Klauenseuche", die Leute würden es sich dreifach überlegen. So aber wird trotzdem geflogen.

Hier wird mit Leben gespielt. Für Unterhaltung.
Da geht es nicht um Prinzipien oder Werte, hier ist kein Kampf der Kulturen zu führen und es steht nicht der Untergang der Freiheit auf dem Spiel. Es geht einzig und allein um Leben.



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