Freitag, 18. Oktober 2013

Thema Kirchensteuer - wofür Entschädigungen?

Im Rahmen mit der Diskussion rund um den Limburger Bau trifft man derzeit in Kommentarspalten immer wieder auf jene Dauerempörten, welche die Kirchensteuer als Grund einer neuen Stammesfehde ansehen. Dabei wird dann gerne auf die "Entschädigungsklausel" verwiesen - also den Charakter der Zahlungen des Staates an die Kirchen um die Enteignungen vergangener Jahrhunderte auszugleichen. Beim überfliegen dieser "Wortmeldungen" stieß ich dann auf die Behauptung, die Kirche habe sich ja das enteignete Land selbst durch Enteignung, Mord und Ketzerverbrennungen "besorgt". Es sei somit Unrecht, die Kirche zu entschädigen.
Diesem verspielten "Pseudo-Argument" bin ich vorher noch nie vor den Kühlergrill gekommen, und so fühlte ich mich ein wenig überfahren. Kann die Bildung in Deutschland so am Boden liegen, Regionalgeschichte so wenig an die Ohren dringen? Sie kann. Das Argument begegnete mir prompt heute wieder - in einem Artikel zur "Diskussionsrunde" (besser: zum Tribunal, denn eine Gegenposition war nicht geladen) bei Anne Will. Nach kurzer Recherche wurde mir klar, woher diese Lügerei kommt. Mitbürger, die sich bspw. in Aktionsgruppen wie "Stopp Kirchensubvention" engagieren erstellen ganze Seiten in denen sie plausibel darlegen, wie seit Kaiser Konstantins Machtübernahme Christen sich brandtschatzend und anektierend zum Reichtum mordeten. Natürlich fand ich diese Argumente auch bei K.-H. Deschner wieder. Es ist kein Ausrutscher, keine Randbemerkung und mittlerweile keine vernachlässigbare Gruppe, die diesen Unsinn glaubt und verbreitet. Auch die Medien spielen mit, so die allseits "beliebte" taz, welche unter dem Artikeltitel "Nehmt der Kirche ihre Pfründe" eine Meinung veröffentlich, die gleich auch noch die Hälfte der Informationen, nämlich den Umfang und die Folgen der damaligen Enteignung, unterschlägt.
Daher meine Bitte an alle Leser, die über diese Volksverhetzung stolpern. Auch wenn ihr glaubt, den Don Quijote zu geben und gegen eine Windmühle zu rennen, begegnet diesem Nonsens mit Fakten. Schaut auf die Klöster und Kirchen eurer Umgebung (oder, falls ihr könnt, auf die in der Nähe des Agitierenden) oder führt aus was Schenkungen und Stifte sind. Ihr werdet den Demagogen kaum Überzeugen, aber vielleicht den ein oder anderen Leser, der kurz zuvor noch dachte: "oha, das haben die Kirchen gemacht?" Fakten liefern, die jene Lüge entlarven.
Wer sich wundert, woher die vielen Kirchen- und Religionsfeinde kommen, der darf getrost auf Diskussionen und Behauptungen blicken, die oft unwidersprochen durch öffentlich-rechtliche Räume geistern.
Beispiele wie das Kloster Tholey (7.Jh.),  Abtei Mariawald, Kloster Marienthal, Maria Laach oder die Kirchengeschichte des Doms zu Köln, Kirchen wie St. Clemens in Mayen, Liebfrauenkirche Trier oder der nicht mehr existierende Dom zu Hamburg liefern genug Daten um nahezulegen, dass Schenkungen und Stifte zu großem Besitz der Kirche führten. Andere dieser Beispiele belegen die großen Lücken unseres Wissens, wie genau die Gründungen vor sich gingen. Einfach anzunehmen, hier sei mit Gewalt genommen worden stellt sich in jedem Fall den Errungenschaften der Menschlichkeit, u.a. der Unschuldsvermutung, klar entgegen. Eine weitere Gruppe sollte den heutigen Bewohnern der 7 Mrd. Erde klar machen, dass ein großer Teil des heutigen Deutschlands gar nicht besiedelt oder landwirtschaftlich genutzt war - es also gar keinen Grund gab irgendein Verbrechen zu begehen um an dieses Land zu kommen.
Dafür gibt es Seiten wie diese HIER, die leicht verständlich andeuten oder ausführen, wie wichtig Klöster für die jeweiligen Regionen und Entwicklungen waren.

Wer sich diesem Wust entgegenstellt, erhält vielleicht auch den Verweis auf den Zehnt, wie er in den Schulen gelehrt wird. Man erfährt, dass die Kirchen Anspruch erhoben auf - ja was eigentlich? Schon da wird es bei vielen kniffelig. Besitz, Verdienst?
(stark) Vereinfacht gesagt, im Mittelalter wurde der Zehnt auf Kirchengrund erhoben, vergleichbar also einer Vermögens- oder Grundbesitzsteuer wie sie heute auch der Staat erhebt. Das soll nicht heißen, dass nicht Schindluder mit diesem Zehnt getrieben wurde. Die Verpachtung der Gemeinderechte auf den Zehnt gehört dazu. Die Enteignungen und der staatlich verordnete Wegfall dieser Steuer nahmen der Kirche die Möglichkeit, sich völlig selbstständig zu finanzieren - und so kam es zum Kompromiß der Kirchensteuer.
Wenn also die Kritiker heute monieren, die Entschädigung sei längst erledigt und die Kirchensteuer Unrecht, so sei diesen vor Augen geführt, wie viel eigentlich enteignet wurde und was dies für die Kirchen und Klöster bedeutete. Jemandem die Existenzgrundlage zu nehmen und dann nicht für seine Existenz zu sorgen.
Die Diskussion, ob die Kirche die Steuer hingegen heute noch wirklich braucht oder sich nicht auf anderem bzw. durch Freiwilligkeit besseren Wege versorgen kann, diese sollte offen und ehrlich geführt werden. Hier wäre in der Tat der Raum für Transparenz. Nicht nur bei Einnahmen sondern auch Ausgaben.
Eine Kirche zu schließen, weil sie nicht voll wird - das kann man in meinen Augen nur mit dem realen und unausweichlichen Bankrott begründen. Und hier ist der Blick in die Geschichte gar nicht so verkehrt.

3 Kommentare:

  1. Es bräuchte vielleicht ein populärwissenschaftliches Werk, das sich mit all diesen positiven Auswirkungen der Kirchen und Klöster befasst und sie darstellt. Deschner hat seinen Geistesgeschwistern entsprechendes an die Hand gegeben, zum Krakeelen. Und sie tun es. Unbedarfte haben das Problem, daß von der "Gegenseite" sich bisher keiner die Mühe machte (oder zumindest nicht bekannt wurde), ne Gegendarstellung zu verfassen. Das Problem ist natürlich der schiere Umfang, weil überall war es anders und überall gab es zu der einen Zeit oder der anderen auch Schindluder. Dazu kommt, daß das Mittelalter oder gar Regionalgeschichte in der Schule kaum vorkommen, zumindest in meiner Schulzeit hatten wir Regionalgeschichte nur in der 4. Klasse (auf entsprechend niedrigem Niveau) und das Mittelalter kam kurz mal in der 7. Klasse vor, ansonsten war der Sprung im Geschichtsunterricht ziemlich direkt von der Antike zur Französischen Revolution, was mich damals schon geärgert hat und immer noch ärgert. Und irgendwann kam dann Preußen, weil Preußen, das ist ja gleichbedeutend mit Deutschland und auf jeden Fall wichtiger als meine Heimat, die Pfalz. Ich befürchte, daß nicht einmal böse Absicht dahinter steckt, das Mittelalter so zu vernachlässigen, denn die neueren Entwicklungen sind auch nicht unwichtig. Nur läßt es die Menschen eben unvorbereitet zurück für Polemik der Deschnerschen Art...

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    1. Vielen Dank für den Denkanstoß in Sachen Publikation. Das stupst einen ohnehin bestehenden Gedanken einen Schritt weiter in Richtung Umsetzung.
      Ich würde gerne zustimmen, dass nichts Böses hinter der Behandlung des Mittelalters steht - die Tatsache, dass die Phrase "dunkles Mittelalter" von der Forschung aber seit Jahrhunderten verworfen wurde, ich aber auch heute noch regelmäßig Kindern (und Lehrern) begegne, die dies nicht nur verinnerlicht haben sondern auch den Glauben daran weitertragen (man blicke nur mal auf die vielen Kommentare der letzten Tage die das Mittelalter als drohende Kulisse nutzten).
      Die Methode setzt sich in Bezug auf die Kirchen fort - so ist die frz. Rev. zwar in Relation bedeutenderes Thema in den Schulen, vom Völkermord an den Vendee wird nicht berichtet - und wenn dann werden die Opfer als "Monarchisten" bezeichnet (was zum großen Teil wohl richtig ist) und damit gleichzeitig die ihnen angetane Gewalt regelrecht gerechtfertigt. Man könnte sagen, hier wird die katholische und monarchische Bevölkerung als "wertlos" betrachtet.
      Der Kulturkampf unter Bismarck ist heute nahezu unbekannt - auch hier sind die Opfer, die Katholiken, nicht gerade das, was man heute in der Gesellschaft als Opfer kennt. Und beide Kirchen (auch hier wieder die katholische mit deutlich mehr Vehemenz) bekommen Mitschuld am dritten Reich, völlig egal was die aktuellen Forschungsergebnisse so hervorbringen.
      Da steckt zu viel Methode drin um keine Absicht zu verfolgen.
      Das Geschichtsunterricht zudem immer weiter abgewertet wird tut sein übriges.

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  2. Wieder was gelernt, danke. Jetzt weiß ich auch, wo Dein Gravatar herkommt...

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