Freitag, 27. Mai 2016

Eine Geschichte von Gewalt und europäischem Fanatismus

Er steht auf der Bühne und wartet auf seinen Takt. Vor ihm die feiernde Menge, neben ihm seine Bandkollegen. Neben und am Rand der Bühne warten Freunde, Manager, Tourbegleiter. Es läuft gut. Mehrere Lieder sind begeistert aufgenommen worden. Bis auf eine verstimmte Gitarre am Anfang kam es zu keinen Problemen.
Ein Geräusch dringt durch den Klang der elektrischen Gitarre und des Schlagzeuges hinter ihm an sein Ohr. Er erkennt es sofort, auch andere der Band. Sein Vater hat es ihm schon als kleines Kind zu Gehör gebracht und erklärt, was zu tun ist.

Er dreht sich um und springt von der Bühne in Richtung des Backstage-Bereiches. Die Tür steht sperrangelweit offen und so läuft er ohne zu zögern zur Umkleide, begleitet von Bandkollegen und auf der Suche nach seiner Freundin.
Währenddessen steht der Gitarrist noch auf der Bühne. Er steht unter Schock. Rufe reißen ihn aus der entsetzten Starre, verursacht durch das, was er gerade sah. Auch er flieht.
Hinter der Bühne begegnet der Sänger einem der Terroristen. Gerade rechtzeitig kann er in den Gang zurückweichen, der Terrorist selbst geht weiter Raum für Raum ab.
 Die Band animiert verängstigte Besucher und Mitarbeiter zu fliehen. Suchen dabei Freunde in der Menge.

Die Rede ist von Jesse Hughes und den Eagles of Death Metal. Die Band war in den letzten Jahren eher ein Insider, Fans und Kennern der Szene bekannt. Keine Band mit Hits in den Charts.
Im November letzten Jahres ging dann eine Welle der Sympathiebekundungen ein und ihre Konzerte einige Monate darauf sollten umjubelte Symbole werden. Islamisten hatten das Konzert angegriffen, ca. 90 Menschen abgeschlachtet. Der Ort und Zeitpunkt wurden als Symbol gewertet, als Angriff auf Musik, auf Bands die in extremistischer Sichtweise verboten seien. Umso mehr wurde begrüßt, dass die Band sich nicht unterkriegen ließ. Wieder auf Tour ging. Wow, was sind wir, was sind unsere Werte stark. Unsere Freiheit zu spielen, singen, zeichnen und sagen was wir wollen...

Dann gab Jesse Hughes seine Meinung zu Stift und Papier oder Mikrofon. Er gab mehrere Interviews in denen er seine ureigene Meinung und seine Erlebnisse frei von der Leber plapperte.
Beispiel
Nebenbemerkung: Hughes bricht beinahe in Tränen aus als er berichtet, wie sein Gitarrist, der in der Mitte der Bühne nahe dem Publikum stand sah, wie die ersten Opfer getroffen wurden - "Dinge, die er noch nie im Leben gesehen hatte".
Hughes beklagt, dass die Menschen angesichts des kommenden Todes nicht kämpften oder rannten sondern viele sich hinwarfen oder dachten, durch Unterwerfung überleben zu können.

Da hörte es dann auf mit der Begeisterung.
Die Band, deren Musik durch einen Anschlag beendet werden sollte, wurde nun deshalb von mehreren Konzerten ausgeladen und die ersten Boykottaufrufe laufen durchs Internet.
Was sagte er?
Zuallererst: wer sich zwei Minuten mit der Band auseinandersetzt, der weiß, dass sie eine Indie-Band ist, in deren Reihen sich mehrere Meinungen und Haltungen finden. Hughes aber gehört zur Kategorie der konservativen "Rocker" (nein, die Band spielt kein Metal - auch wenn der Name es impliziert).
Außerdem sagte er selbst, er leide unter PTSD (post traumatic stress disorder). Menschen unter diesem Einfluß werden "normalerweise" als Geschädigte gesehen und ihre Äußerungen aufgrund der psychischen Nachwirkungen mit Nachsicht betrachtet. Außer...

Was also hatte er gesagt und behauptet?
Seiner Aussage nach seien mehrere Sicherheitsleute nicht zur Arbeit erschienen und ein ihm suspekt erscheinender Mitarbeiter der Security hatte deshalb nicht ausgetauscht werden können.
Hughes wirft also eine "Verschwörungstheorie" in den Raum, die u.a. zur Anschuldigung führt, dass die sonst stets verschlossene Backstagetür bei seiner Flucht bereits offen war und bereits Schüsse in diesem besonders gesicherten Bereich fielen.
Für diese Äußerungen hat er sich mittlerweile beim Team entschuldigt, das Bataclan hat aber die Justiz eingeschaltet. Ein erneuter Auftritt der Band dort bei der Wiedereröffnung erscheint somit ausgeschlossen.

Schwerwiegender wurden nun seine geschilderten Eindrücke aufgenommen.
I saw Muslims celebrating in the street during the attack. I saw it with my own eyes. In real time! How did they know what was going on? There must have been coordination,” 
Seine Äußerungen werden als Verschwörungstheorien bezeichnet, manches ist nicht in Einklang mit den polizeilichen Ermittlungsergebnissen, anderes scheint nur auf den ersten Blick unmöglich.
So ist belegt, dass die Terroristen auch in den Backstagebereich kamen - ein Bereich der vom Publikumsareal nicht ohne Schlüssel oder Code betreten werden kann, jedenfalls nicht, solange ein Mensch der Security einfach die Türe schließt.
Auch im Backstage wurden Menschen ermordet, inklusive der Umkleide der Künstler, wo ein einziger junger Mann überlebte, der sich unter der Kleidung der Musiker verkroch.
Zeugenaussagen, Video und die Szenerie belegen, dass die Terroristen nicht auf die Bühne schossen, nicht auf die Künstler zielten, sondern so viele Opfer versuchten herbeizuführen als möglich. Und sie stießen erst auf Widerstand, als ein älterer, hochrangiger Polizeioffizier mit seinem Fahrer hereinstürmte und nach kurzem Schusswechsel, in welchem die beiden hoffnungslos unterlegen waren, sich wieder zurückziehen musste - mit einem achtungserfolg. Was folgte war eine lange Phase, in denen die Mörder tun und lassen konnten, was sie wollten, bis das Gebäude gestürmt wurde. Angeblich ging die Polizei von einer Geiselnahme aus - was eine offensichtliche Schutzbehauptung angesichts massiver Überforderung ist. Anschläge in der Stadt, Berge von Leichen und Verletzten im Eingangsbereich und was jener Offizier zu Gesicht bekam dürften belegt haben, worum es ging.

Wenn also eine Seite aufgrund eines Traumas und der typischen Unklarheit eines nicht ausgebildeten Zeugen und die andere aufgrund eigenen Versagens und politischer Agenda nicht exakt sagen können oder wollen, was passierte, wer ist dann ein Verschwörungstheoretiker?
Es sind jene, die behaupten, es seien Menschen ohne Unterstützung in der muslimischen Gemeinde Frankreichs gewesen, die so etwas taten. Es sind eben genau jene, die nun gegen Hughes vorgehen und pöbeln.
Als Mohammed Merah 2012 mehrere Soldaten, Kinder und ihren Vater ermordete, davon ein Video hochlud wie er einem kleinen Mädchen erst Schmerzen zufügte und ihr dann in den Kopf schoss, weil sie Jüdin war, da gab es eine signifikante Bewegung von Anhängern, die ihm zujubelte, die den Staat als Mörder bezeichnete, weil sich Merah nicht ergab sondern erschossen werden musste als man ihn stellte, die zu seinem Grab pilgern und ihn in Wandschmierereien hochleben lassen.
Als eine Schweigeminute nach den Anschlägen von Charlie Hebdo und dem jüdischen Supermarkt in Paris ausgerufen wurde, waren es muslimische Schüler, Studenten und Lehrer, welche diese Schweigeminute nicht nur störten sondern für Sympathiebekundungen nutzten.
Als nach den Novemberanschlägen Täter flüchtig waren, da gab es dutzende von Unterstützern und hunderte von Moscheen, die durchsucht werden mussten. In einer großen Zahl der Moscheen wurde man fündig - in Form von Propaganda, Anwerbungsmitteln, oft auch Waffen.
Und der letzte Flüchtige wurde von Helfern bis nach Belgien gebracht, und als er dort nach Wochen der Suche verhaftet wurde, da sammelte sich eine Menge und griff die Beamten sogar mit Steinwürfen an.

Es sind JENE Leute, die behaupten, dass es völlig unmöglich sei, dass Muslime sich über die erfolgreichen Anschläge gefreut hätten, die Verschwörungstheorien verbreiten - denn es GIBT diese Radikalen und es sind eben nicht wenige.
Es sind jene, die behaupteten, es gäbe keine Gefahr, dass durch die offenen Grenzen und die Völkerwanderung auch Terroristen nach Europa gelangen und dort leichtes Spiel hätten - nur um dann zu erleben wie drei von sechs Terroristen mit eben diesem Strom von Menschen in Verbindung gebracht wurden.
Es ist völlig richtig zu sagen: es sind aber nicht alle Muslime. Absolut. Man kann nicht losziehen und einfach alle Muslime verhaften oder internieren, weil es solche Terroristen und Terroristenfreunde gibt oder sie vielleicht einige Gedanken teilen. Aber man kann auch nicht die Augen schließen und jeden, der unangenehme Dinge berichtet dämonisieren.

Viel schlimmer ist der Missbrauch der Eagles of Death Metal. Erst wurde ihr Konzert genutzt um Menschen, die eindeutig nicht der wörtlichen Befolgung des Islam angehörten in Scharen niederzumetzeln.
Dann wurden sie als Symbol für die Maxime benutzt "sich vom Terrorismus nicht unterzukriegen, das Leben nicht verändern zu lassen" - als seien vermehrte Sicherheitskontrollen, Milliarden Mehrausgaben und Beamte im Dauerstress ebensowenig Veränderung, wie die plötzliche Zurückhaltung beim Thema Islam und Muslime, bei der Einrichtung von Gremien welche Zensur ausüben, wo eben noch die Meinungsfreiheit und die angebliche Kultur des "alles sagen dürfens" herrschte.
Und jetzt werden sie wieder benutzt, von genau jenen Blockwarten, die alles eben doch dem Terror anpassen und politisieren. Von jenen die bestimmen, was "richtig" und was "falsch" ist, sogar, was die Zeugen und Opfer eines Anschlages erlebten und was nicht.

Hughes ist kein Politiker. Er ist Musiker. Und er hat eine Meinung - zu der nebenbei auch zählt, dass die strengen Waffengesetze Frankreichs im November nicht ein einziges Leben retten konnten.
Genauer sagte er: solange nicht absolut sicher ist, dass alle unbewaffnet sind, sollte jeder bewaffnet sein.

Er ist ein Opfer von Terroristen, der berichtet, was er gesehen hat oder glaubt gesehen zu haben.
Vielleicht stimmt es, vielleicht nicht. Ich war nicht dabei. Einiges klingt unglaublich - aber nichts davon unmöglich.
Solange er auf der Bühne aber Musik macht und keine Politik haben Konzertveranstalter ihn und seine Band verdammt noch mal nicht auszuladen.

Kurz nach den Anschlägen wurde zur Solidarität aufgerufen, zum Kauf des Songs "Save A Prayer" bei Amazon, einem Coversong von Duran Duran, welche alle Einnahmen den Opfern zugute kommen ließen.
Da die Musik bei Youtube eingestellt ist, gehe ich von der Klärung der Urheberrechte aus und verlinke hier erneut auf den Song - denn an meiner Solidarität hat sich nichts geändert.
Ich teile nicht alle Meinungen und Aussagen Hughes oder der anderen Bandmitglieder. Muss ich auch nicht. Aber er hat ein Recht darauf und was jetzt läuft ist genau das, was die Terroristen ebenfalls erreichen wollten. Radikale gibt es eben doch in vielen Formen.
Hier ein Interview mit der ganzen Band

Statt des angeblichen "Jetzt erst recht!" also nun ein "das dürft ihr nicht!" Da gibt es eine große Zahl Menschen, die dem zustimmen - und viele davon versklaven Nichtmuslime und ermorden Häretiker...

1 Kommentar:

  1. Danke dafūr das Sie sich nicht an der Schweigespirale beteiligen wollen.

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