Mittwoch, 30. März 2016

Rede- und Meinungsfreiheit heute - Videos und Ereignisse

Eine gute Debatte zu schätzen - das behaupten viele. Aber was IST eine gute Debatte? Warum debattiert man. Und wird sie wirklich geschätzt, oder ist es lediglich eine Schutzbehauptung, weil es so furchtbar klingt, wenn man sagt, "ich hasse jeden mit anderer Meinung" - oder, weniger drastisch "jeder der anderes denkt, ist ein Idiot und wertlos"?

Gerne wird auf die Geschichte zurückgeblickt und selbstverliebt geseufzt, wie gut es sei, dass man heute seine Meinung, seine Gedanken offen und ohne Furcht vor Verfolgung und Diskriminierung aussprechen kann. Das sei früher ja ganz anders gewesen. Und natürlich ist das wahr. "Früher" gab es immer wieder Herrscher, Organisationen und Mächtige, die es geschafft haben, jegliche Kritik an sich, oft auch an ihrer Familie und ihren Freunden wie Mitarbeitern zu ersticken, indem sie Gewalt und Haft walten ließen. Solche Tyrannen gab es bereits in der Antike, ebenso wie Könige und Kaiser seit diesem Zeitalter. So viel früher aber brauchen wir nicht zu gehen und in so selten gewordene Regierungsformen ebensowenig. Auch Demokratien können genau das. Einseitigkeit und restriktive Maßnahmen.
Und ist es heute wirklich so viel besser?
Ich behaupte, wir drehen gerade in der westlichen Kultur die Uhr zurück, weltweit sind wir nie weiter gekommen. Wir ignorieren die ironische Selbsterfüllung dessen, was wir angeblich kritisieren - die dominante Einwirkung auf Andere bis zur Zensur, bis zur Gedankenverfolgung.
Klingt pompös, klingt übertrieben. Ist es aber nicht.

Ich hatte vor einiger Zeit schon einen Beitrag mit Beispielen aus dem akademischen Betrieb in Deutschland veröffentlicht. Dort finden sich Fälle von genau diesem Phänomen. Studenten, welche Dozenten und Professoren aufgrund ihrer politischen Einstellung, ihrer Haltung zu bestimmten Themen und Ideologien regelrecht verfolgen, stalken und anprangern bis zur Entlassung.
Auf diese Weise wird der Diskurs, die für die meisten "weichen" Wissenschaften überlebensnotwendige Debatte von Ideen, Theorien und Forschungsergebnissen unmöglich gemacht. So verkopft und wenig lebensbezogen das klingen mag, es hat handfeste Folgen. Aber eines nach dem anderen.
Die letzten Monate haben, von den Medien nahezu unbeachtet, eine riesige Reihe von Beispielen der Intoleranz gesehen. Hauptakteure sind dabei einzelne Wissenschaftler oder Disputanten auf der einen Seite und Organisationen, öffentlich Beauftragte und Ideologen auf der anderen.
Vielleicht noch in Erinnerung ist der Fall Tim Hunt aus dem Sommer 2015. Der englische Nobelpreisträger und Professor hatte während eines Vortrages im Ausland einen Scherz gemacht, der, so man die ganze Rede zur Verfügung hatte als solcher klar erkennbar und konträr zu seiner ebenfalls dort geäußerten Meinung stand. Ein wenig sarkastischer Humor eben. In der Folge entlud sich erst ein sog. shitstorm und anschließend die political correctness, die dafür sorgte, dass er ohne sich äußern zu können seinen Lehrstuhl verlor.
Nun ist das kein wissenschaftlicher Beitrag an sich - allerdings gehörte er zu einem.
Wesentlich fundierter ging es an der California State University Los Angeles zu (kurz CSULA), im Februar diesen Jahres. Dort wurde Ben Shapiro, ein liberaler Kommentator und politischer Redner eingeladen einen Vortrag mit dem Titel "Wenn Diversität zum Problem wird" zu halten. Daraufhin starteten verschiedene Studentenbewegungen Druck auszuüben, diese Rede nicht stattfinden zu lassen. Der Universitätspräsident gab diesem Druck teilweise nach, sagte die Veranstaltung ab um einen neuen Termin mit Rednern unterschiedlicher Meinung anzusetzen.
Die Young America's Foundation unterstützte den darüber ungehaltenen Shapiro, der trotzdem anreiste und mit Einwilligung des Präsidenten doch seine Rede hielt. Allerdings benötigte er, aufgrund von Drohungen und einem sehr "handfesten" Protest, der ihm und allen Zuhörern den Zutritt verwehrte Polizeischutz. Seine Zuschauer mussten über einen Hintereingang eingelassen werden, nachdem viele massiv angegangen worden waren und kaum jemandem der reguläre Eintritt gelang.
Hier mal ein paar Videos dazu:






Man muss sie sich nicht in voller Länge ansehen um zu erkennen, dass die Eskalation auf der Tür steht und auf eine falsche Reaktion derjenigen wartet, die dort ihre Grundrechte verwehrt bekommen. Die Blockierer sind offensichtlich aggressiv und es kam bereits zum Ruf nach "Muskeln".
Wer des Englischen mächtig ist, der kann sich die volle Rede ansehen. Aber: als die Protestierenden mitbekamen, dass sie die Rede nicht durch Blockaden verhindern konnten, zogen sie den Feueralarm.
Es ist scheinbar der anwesenden Polizei zu verdanken, dass keine Gebäuderäumung erfolgte, wie es sonst in diesem Falle notwendig geworden wäre - auch bei offensichtlichem Falschalarm.

Der "Ruf nach ein paar Muskeln" erfolgte sogar durch eine Dozentin der University of Missouri. Diese hatte sich einem Protest von Studenten angeschlossen, die für die Entlassung eines angeblich rassistischen Dekans einen Teil des Campus besetzten und zur "Safe Space" erklärten. Ein studentischer Reporter wollte dies aufnehmen und von seinem Grundrecht gebrauch machen. Die Aufforderung zu gehen verneinte er, woraufhin besagte Lehrkraft rief "ich brauche hier ein paar Muskeln. Der will nicht gehen". Die Frau ist nach erster Nichtreaktion, dann zeitweiser bezahlter Beurlaubung, Verurteilung von einem regulären Gericht und mehreren Protestschreiben entlassen worden.
Der Dekan allerdings auch.

Randbemerkung: wer mit dem Begriff Safe Space nichts anfangen kann, hat eine wirklich lange Erklärung eines völlig bescheuerten Systems vor sich, dass mit der Definition von "Microaggressions" beginnt - also dem Gedanken, dass alles vermieden werden muss, was andere beleidigt, verletzt oder angreift - und diese bestimmen, um was es dabei geht.
Die Macher von South Park haben das mal filmisch umgesetzt.
Wer nun glaubt, es sei ein US Problem - mitnichten. Zum einen beachten Sie bitte meinen Eingangs verlinkten Beitrag zur Entwicklung und Atmosphäre hier in Deutschland - und dabei bin ich noch gar nicht auf kontroverse Themen wie Klimaentwicklung, Energiegewinnung und Außenpolitik eingangen.
Zum anderen passiert dies auch in Europa, allen voran in England, dem Land, das die gepflegte Debatte eigentlich tief in seiner Kultur verankert hat. Wer sich die gepflegten Beleidigungen unter reger Publikumsteilnahme im Unterhaus einmal angesehen hat weiß, was ich meine.
Aber Vortrags- und Diskussionspodien sind an den englischen Unis uralte Tradition - und werden mehr und mehr von Studenten und Organisationen niedergemacht. Auch hier wurden schon verschiedene Redner zum Anlaß für massive, bedrohliche Proteste genommen die oft genug ein Einknicken der Unis zur Folge hatte.
So hatte die eigentlich stark links stehende Komikerin Kate Smurthwaite einen "Gig", einen Auftritt an der University of London - aber weil sie eine andere Meinung als diverse Vertreter des Studententums zum Thema "sex worker"hat, wurde eine Abstimmung gehalten, ob dieser Auftritt zugelassen würde. Zwar ging die Abstimmung deutlich zu ihren Gunsten aus (70 zu 30), aber die Verlierer zeigten sich als schlechte ihrer Art und so wurde die Veranstaltung schließlich aus Sicherheitsbedenken abgesagt.
 Der auch hierzulande berühmte Biologe und Religionsgegner Richard Dawkins wurde zu seinem eigenen Entsetzen ein weiteres Opfer. Er beging den Fehler, einen kleinen animierten Komik lustig zu finden. Dieser zeigte zwei Figuren im Duett - eine Feministin und einen Islamisten, die über ihre Gemeinsamkeiten ein Lied trällerten. Die Feministin war dabei einer real existierenden Frau nachempfunden, die durch ihr extrem feindseeliges Auftreten, ihre Äußerungen und ihr dabei einprägsames Äußeres zum internet meme wurde

Seine Belustigung twitterte er. Dieser Fehler zog diverse Feministinnen an, die ihn harsch angingen und ihm u.a. vorhielten, die Frau würde Drohungen erhalten (was stimmt - aufgrund ihrer eigenen Aggression erhielt sie diverse Drohungen doch nicht mehr als nahezu alle in der Öffentlichkeit stehenden Personen, erst recht Ali oder Dawkins) und nun versteckt leben - was nicht stimmt.
Dawkins entschuldigte sich auf der Basis dieser Informationen und löschte seinen tweet - und damit ging es erst richtig los. Am Ende wurde er von einer atheistischen Veranstaltung in den USA ausgeladen, zu der er als Redner geladen war. Die Begründung: man könne keinen so frauenfeindlichen, wenigstens aber anti-feministischen Redner zulassen. Dawkins zeigte bei der Genesung bei dem zeitlich darauffolgenden Schlaganfall in einem Podcast seine Enttäuschung über seine "eigenen Leute". Er betrachtet sich selbst als Feministen.

Sein Gegenstück ist wohl Milo Yiannopoulos, ein Journalist der massgeblich für eine Debatte mitverantwortlich ist, die sich "Gamergate" nennt. Dabei ging es um Feministinnen, die mit Hilfe persönlicher Beziehungen in den Reihen der Spiele-Journalisten ihre Agenda und die von ihnen entwickelten Spiele versuchten besser bewerten zu lassen und damit besser zu verkaufen.
Nachdem dies ans Licht kam, verabredeten sich verschiedene Zeitschriften- und Onlineredakteure, um gemeinsam gegen die aufbegehrende community anzuschreiben. Die Verabredung dazu wurde von Milo Yiannopoulos veröffentlicht.
Seitdem berichtet und tourt er mit Blick auf den Feminismus der "3. Generation" und bekommt dafür einiges an Gegenwind. Diverse Veranstaltungen wurden abgesagt, boykottiert und zweimal wurden sie wegen ernster Bombendrohungen abgesagt. Das der Feminismus keineswegs zimperlich vorgeht, hatten letztes Jahr auch die Teilnehmer einer Männerrechtsorganisation erleben dürfen, deren Veranstaltungsort aus Sicherheitsbedenken absagte und der neue Ort einen Mehraufwand von zehntausenden Dollarn forderte, bevor er stattfinden durfte. Geplant war u.a. darüber zu reden, warum Männer so viel häufiger am Arbeitsplatz Unfällen erliegen als Frauen, warum Männer früher sterben, warum männliche Kinder öfter erkranken, usw. usf.


Ähnliches gilt auch für die US Unis. Die Ehrung und Rede Ayaan Hirsi Ali in Yale 2014 ist dafür ein herovragendes Beispiel. Diese Frau, die sich seit vielen Jahren heftig angefeindet UND gleichzeitig durch radikale Muslime ständig an Leib und Leben bedroht für die Rechte muslimischer Frauen und Andersgläubiger einsetzt, wurde von über 30 Organisationen angegangen. Zwar konnte sie am Ende, nach einer sehr kontroversen und teilweise unsachlichen Debatte doch ihre Rede halten, aber die Entscheidung war knapp und allein der Tatsache geschuldet, dass eine Person nicht einknickte. Selbst die atheistische Yale-Gesellschaft wollte Ali von ihrer Rede abhalten - mit Berufung auf "Diversität". Ali ist eine schwarze Somalierin, (ehemalige) Muslima und steht unter konstanter Todesdrohung....

Umgekehrt haben es sich Mitglieder der Black Lives Matter Bewegung nicht nur angewöhnt, zu blockieren und zu eskalieren, sondern auch eine Art Inquisition einzurichten. So stürmten sie eine Uni-Bibliothek, beschimpften alle Weißen im Raum, zerrten ein junges Mädchen durch die Gegend und befragten jeden aufdringlich ob "Black lives matters".


Man merkt, ich könnte stundenlang so weiter schreiben (und war auch kurz davor), aber ich denke, es wurde deutlich, in welche Richtung die Reise geht, aus welcher Richtung die Meinungs- und Äußerungsfreiheit in Abrede gestellt wird. Es sind vor allem Bewegungen wie "Besorgte Studenten", "Black Live Matters", "Feministen", "AntiFa" und ähnliche Kreise, die sich positive Dinge auf die Fahnen schreiben, um dann völlig überzogene Behauptungen auszugeben und selbst bis zur Gewalt zu gehen.
Vielleicht glaubt man, gerade anhand des genannten Kreises nicht, dass dies für Deutschland irgendeine Relevanz hätte. Leider doch.
Angefangen mit den Paralellen in der Politik, wo sich die AfD immer wieder neue Veranstaltungsorte suchen muss und die Teilnehmer dringend Polizeischutz benötigen, über Familienrechtlerinnen wie Frau Kelle, die sich immer wieder massiven Störungen und Drohungen gegenüber sieht, hin zu Wissenschaftlern wie den Eingangs verlinkten Forschern oder jüngst einem Biologen, der zwar als Redner eingeladen wird, wenn er über die wissenschaftlich nicht haltbaren Behauptungen der Kreationisten reden soll, aber wenn er über die gleichermaßen wissenschaftlich nicht zu haltenden Pseudo-Argumente der Genderisten spricht sich sofort disqualifiziert.
Während immer weiter Stellen für Geschichtswissenschaften u.ä. abgebaut werden, blühen die Genderprofessuren - ohne an diese die üblichen Maßstäbe anzulegen.
Die freiwillige Gleichberichterstattung (oder besser "Nichtberichterstattung") unserer Medienwelt fällt ebenfalls darunter.
Israelboykotte, Rauswurfforderungen und Umsetzungen (bspw. ein Busfahrer wegen Tragens einer bestimmten, von Rechtsradikalen verehrten Kleidermarke) usw. usf.
Fundamente unserer Gesellschaft, die Unschuldsvermutung, die Versammlungsfreiheit, die Meinungsfreiheit, die Freiheit von Forschung und Wirtschaft sind am zerbröseln. Auch dies ist ein Grund, warum unsere Gesellschaft die Herausforderungen unserer Zeit, vom Terrorismus über Einwanderung bis hin zur Demographie nicht in den Griff bekommt und bekommen kann.


Es sind erstaunlicherweise genau jene Kreise, die ausschließen, die gegenteilige Meinungen dämonisieren und zum schweigen bringen, die Sprache benutzen, welche die Menschlichkeit ihrer jeweiligen Kontrahenten völlig abspricht, die sich hier stark machen.
Bei uns gerne mit unter die nicht ganz passende Bezeichnung "Gutmenschen" gepackt, gibt es im anglo-amerikanischen Raum den Begriff des SJW, des "social justice warriors".
Falls Sie sich, werter Leser, einmal berufen fühlen, "der weiße Ritter" in einer Sache zu sein - prüfen Sie bitte Ihr Anliegen. Geht es wirklich um etwas? Lässt es sich nicht besser in einer Schlacht der Argumente austragen als in Protest und Boykott?



P.S. Gut passt ein aktueller Skandal. Erdogan regt sich über ein Satirevideo des NDR auf, macht einen diplomatischen Zwischenfall daraus und versucht in unsere Medienfreiheit einzugreifen.
Mit diesem Machthaber und seinem Land hat unsere Regierung gerade einen extrem teuren und fragwürdigen Deal abgeschlossen, auf der Strasse einer deutschen Großstadt eskalierte eine türkische Demo der Grauen Wölfe - und nichts kommt von der Seite unserer Politik. Kein aufrechtes dagegenhalten und verweisen auf europäisches Recht und unsere Sitte - welche die Türkei angeblich ebenfalls anstrebte um Mitglied zu werden. Und unsere Medienschaffenden sind schon dabei, die Randbereiche ins Scheinwerferlicht zu räumen. Sieht einfach besser aus... Danke und tschüß, Pressefreiheit. Das scheint ein altersbedingter Tod zu sein...

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