Diese veröffentlicht in unschöner Regelmäßigkeit Artikel, unter denen meine Tischplatte leidet, weil ich zwanghaft meinen Kopf auf sie schlagen muss, wenn ich sie lese.
So auch jetzt wieder. Zur Debatte der Richtlinie um die Nennung der Täterherkunft im Pressekodex glaubte sie sich berufen, die Ereignis in und nach Köln einmal zu analysieren. Leider hat sie es mit Wahrheiten, Zusammenhängen, Fakten u.ä. einfach nicht so, und das ist für mich der Aufreger der Woche.
Und auch ihr Studium, welches sie in Leipzig verbrachte, wirkt nicht gut angewandt.
Auch eine Medienkritik darf einmal mit einem Lob anfangen. Es stimmt hoffnungsfroh, dass die Branche sich monatelang leidenschaftlich über Ethik gestritten hat. Ethik, das ist nicht nur dieser fakultative Frontalunterricht ab der dritten Klasse, sondern das, was der Namensgeber dieser Zeitschrift – Cicero – mal als Moralphilosophie bezeichnet hat, als Lehre vom guten, richtigen Handeln.Wo bitte steht geschrieben, dass Ethikunterricht als Frontalunterricht abzuhalten ist? Gruppen- und Freiarbeit sind keineswegs unüblich und die alternativen Schulformen von Waldorf und Montessori bieten sehr wohl auch Ethik als Inhalt an. Wenn man schon den Oberlehrer heraushängen lässt und dabei die eigene Eignung durch Nutzung von Fachbegriffen vortäuschen will, dann sollten es auch die richtigen Worte sein.
Aber weiter zum eigentlichen Inhalt.
Die Branche hat sich also "monatelang leidenschaftlich über Ethik gestritten"? Davon habe ich wenig mitbekommen. Sicher, die Prüfung der entsprechenden Richtlinie fand statt - durch eine Kommission, nicht durch "die Branche" oder, damit impliziert, die Masse der Journalisten in Deutschland. Diese haben weiterhin das getan, was seit vielen Monaten üblich ist: jede Kritik, jeden Verdacht unsachlich und oft beleidigend von sich zu weisen. Auch Frau Sorge folgt weiter diesem Pfad, insbesondere mit diesem Artikel. Und überhaupt sei die Richtlinie so genau richtig. Leidenschaftlich, diese Diskussion, und ausführlich die Begründung, die Frau Sorge da wiedergibt und bespricht, nicht wahr?
Einer der Kritikpunkte, die zur Anklage der Verschleierung und der Lüge führten, war die Verzögerung und die mangelnden Informationen in den Massenmedien, die den Ereignissen an Silvester in Köln am Hauptbahnhof folgten.
Fast schon lächerlich, eher aber trotzig behauptet Frau Sorge, die Verzögerung habe es ja gar nicht gegeben. Als Beweis führt sie einen Artikel des Kölner Stadtanzeigers an. Nun, sie erzählt davon und verlinkt dabei auf einen ihrer älteren Beiträge, in denen ausgerechnet sie auffordert, bei den Fakten zu bleiben.
Dort immerhin findet sich besagter "Artikel". Das dieser herhalten soll als angemessene, zeitnahe Berichterstattung ist lächerlich, infam, bodenlos.
1. Der Artikel erschien als einzige bekannte Medienreaktion vor dem 4.1. Ihn als Stellvertreter einer zeitnahen Berichterstattung hinzustellen ist Rosinenwahl erster Güte. Oder einfach schäbig.
2. Inhaltlich ist er ein Beispiel der Herabspielung und Desinformation. Von 40 Tätern wird berichtet und das keine Festnahmen erfolgten. Ebenso wie Bürgermeisterin Reker wies die zu Wort gekommene Polizei, von Journalisten unhinterfragt, darauf hin, dass man von Intensivtätern ausginge und darunter keinerlei Flüchtlinge gewesen seien.
Mittlerweile ist das bekannt, was auch nach Schilderung und Aufnahmen der Beamten vor Ort bereits vorliegendes Wissen war: ca. 1000 Beteiligte am Angriff auf den Dom und hunderte beteiligte an den Übergriffen vor dem Bahnhof. Darunter auch diverse Flüchtlinge, die sich geradezu provozierend auf ihren Status beriefen. Auch, dass die "Nordafrikaner" die schon länger hier sind, als Asylsuchende registriert sind - also Flüchtlinge nach der neuerdings scheinbar gültigen Nomenklatur sind.
3. Der Vorfall fand Luftlinie 2-300 Meter vom Gebäude des WDR statt. Dieser war mit mehreren Teams vor Ort um den Jahreswechsel einzufangen. Vom WDR gab es aber kein Wort. Auch nach Publikwerdung erstmal nicht und veröffentlichtes Videomaterial des WDR ist bis heute Fehlanzeige. bereitet Sorge aber kein Kopfzerbrechen.
4. Die Platzierung, der Ton und die Länge des Artikels haben keinerlei Charakter eines bedeutenden Vorfalles. Es wird verkauft als ein kleiner, lokal begrenzter Einsatz, der völlig unter Kontrolle war, sobald er registriert wurde. Das Gegenteil ist der Fall.
Der vorherige Artikel Sorges spricht ihrer Behauptung, Journalisten und Medien hätten nicht einseitig sondern gründlich gearbeitet Hohn. Sie betont, es wären ja nicht alle 1000 Anwesenden Nordafrikaner an den Übergriffen beteiligt gewesen - ohne zu erwähnen, dass es hunderte sehr wohl waren, keiner von ihnen Einschritt, die meisten Anfeuerten und ausgelassen bereits bei den Übergriffen gegen den Dom und anderen Feierenden mitwirkten.
Sie betont mehrfach und penetrant, es hätte 90 Anzeigen gegeben - eine Behauptung, die sie nicht mit einer Silbe bereute oder revidierte. Mittlerweile sind es viele hunderte. 1075 um genau zu sein.
Im gleichen Atemzug spricht sie von fünf Festnahmen und erweckt den Eindruck, das wäre es auch gewesen - während jede Betroffenenschilderung völlig anderes eindringlich, ausführlich und glaubhaft darlegt. Diese Stelle finde ich besonders widerlich.
Selbst der Übergriff auf eine Beamtin musste ihr nahegelegt werden.
Der Streit um die Richtlinie im neuen Artikel jedenfalls ist nach Sorges Behauptung jedenfalls richtig beigelegt worden. Denn:
Und im Ergebnis zeigt sich: Fast alle Befürchtungen waren unbegründet. Vollkommen.Vermutlich spielt sie darauf an, dass beim folgenden Karneval in der Stadt nichts dergleichen wiederholt wurde. Angesichts von tausenden Beamten, Sicherheitsleuten, bewaffneten Bürgern, Kameradichte wie zur Krönungszeremonie und und und aber ehrlich gesagt wenig überraschend. Andernorts lief es nicht so friedlich und schön... aber das nur am Rande.
Was die Sache selbst angeht: fast alle ihre Behauptungen sind widerlegt - und trotzdem beharrt sie mit einer Penetranz darauf, die einem ablehnende Bewunderung zusichern muss. Wie Atlantiker, die das Credo "Wir gehen nicht unter" selbst dann wiederholen, als ihnen die Wellen über dem Kopf zusammenschlagen.
Da wird der Presskodex gleich noch umgedeutet:
Dabei müssen und mussten Journalisten niemals etwas verschweigen. Die 12.1 gibt keine Anweisung zur Vertuschung.„In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht.“
Das ist so allgemein formuliert, dass Journalisten auch weiterhin nicht nur alle Möglichkeiten für gute, umfassende Berichterstattung haben, sondern auch, um Tatverdächtige genauer zu beschreiben.Das ist so allgemein formuliert, dass angesichts der Weisung, "nur dann zu erwähnen" nichts anderes bedeutet, als das hier ein Gebot besteht, es nicht zu tun und lediglich Ausnahmefälle definiert werden. Und was diese Außnahmen sind, das dürfen dann Journalisten wie Sorge entscheiden, die selbst dann einen Vorfall kleinreden, wenn Bilder und Zeugen eindeutig anderes aussagen - nur um eben nicht "Vorurteile zu befeuern".
Und wer sich nicht sicher ist, ob er eine Ausnahme vorliegen hat, und keine Zeit oder Möglichkeit hat, nachzufragen, der wird sich an die Regel halten. Prüfen Sie es nach, Sorge. Dafür bekommen Sie ja Geld!
Anschließend nennt sie Beispiele, in deren Fälle Herkunft und Nationalität genannt wurden. Was sie nicht nennt, sind die zahllosen Beispielen ähnlicher oder identischer Fälle, in denen sich die wenigen Berichtenden aus ihrer Zunft dagegen entscheiden.
Kurzum, mit Sorge hat sich Cicero eine waschechte Revisionistin, eine Leugnerin ins Haus geholt, die, würde sie in einem anderen Kontext schreiben, längst vor Gericht stehen. Den Vätern der Republik sei dank haben wir Redefreiheit (auf dem Papier) und so darf sie formulieren, was und wie sie es will - warum dies im Cicero sein muss, weiß ich allerdings nicht. Das ist keine fundierte Meinung, keine sachlich, argumentative Herangehensweise, das ist Schönrederei und dicke Lügen. In meinen Augen zumindest.
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