Freitag, 22. April 2016

Amoris Laetitia - meine Meinung

Eigentlich dürfte ich mich nicht äußern. Denn ich gebe zu, ich habe lediglich Auszüge gelesen.
Warum? Zum einen erwarte ich, dass sich an der Lehre der Kirche, am Katechismus schlicht nichts ändert. Es ist immerhin die katholische Kirche. Beständigkeit und Tradition gehören zu den Aushängeschildern, zu den Charakterbeschreibungen. Grundsätzliche Werte kann auch ein noch so moderner Papst... naja, das sagte man wohl 1967/68 auch...
Zum zweiten bin ich kein Theologe. Mir leuchtet bereits nicht ein, warum das Thema erneut behandelt werden muss. Die Statements sind klar und werden nicht erst seit gestern vertreten. Familie ist der Kern der Gesellschaft, die christliche Ehe besteht zwischen Mann und Frau, Kinder sind Sinn und Kern des Lebens, Leben beginnt nicht erst im dritten Monat oder der Geburt, Scheidung muss im engen Rahmen der Kirche geprüft und bestätigt werden (ja, die katholische Kirche kennt Scheidung - allerdings nicht "weil man sich auseinander gelebt hat" und es ist auch keine Scheidung sondern eine Annullierung und... wie gesagt, ich bin kein Theologe) usw. usf.
Daran wird nicht zu rütteln sein, denn diejenigen, welche diese Regeln aufstellten haben die sich nicht einfach aus den Fingern gesogen um "das Patriarchat" zu fundamentieren oder "die Macht" bei sich zu behalten - sondern aufgrund der Lehren die eindeutig von Jesus formuliert bzw. bestätigt worden waren. Aber wie gesagt, 68.
 Warum ich trotzdem einen Kommentar abgebe, liegt in der gesellschaftlichen Aktualität. Wenn selbst ein Herr Berger, anmerkt, dass im hier und jetzt nicht mehr Ungerechtigkeit bekämpft sondern die Familie aufgelöst werden soll, dann ist dies ein derart "buntes" Signal, dass ich den Franzosen mit ihrer "Demo für alle" nur gratulieren kann und bekümmert auf den winzigen Widerstand in unserem Lande blicke.

Amoris Laetitia, Freude der Liebe. Ein klingender Titel und die 288 Seiten (samt Vorwort etc.) welche die deutsche Übersetzung mit sich bringt, versprechen die Wahl des Titels zu erklären.
Wer die Zeitungsmeldungen über den Papst seit dem Rücktritt seines Vorgängers verfolgte, der hat mit Sicherheit schonmal verwundert die Stirn gerunzelt, und wer nicht völlig voreingenommen in die eine wie die andere Richtung war, fragte sich wohl manches Mal: "wie hat er das nun wieder gemeint?" Die Auszüge, die ich las, passen in dieses Bild. Wer konzentriert liest findet die bisherigen Standpunkte zur Familie, Ehe, Schwangerschaft und Sexualität bestätigt - aber eben in vielen, mitunter nicht unbedingt eindeutigen Worten. Nun sollte das kein Problem sein, immerhin bestätigt ist bestätigt - aber so einfach ist die Welt eben nicht.
Der Wunsch ist oft Vater des Gedankens, und wer will, liest in manchen Satz Dinge hinein, die dort nicht stehen. Kaum ein Papst, der dies nicht lernen musste. Umso wichtiger wären klare Sätze. Prägnant, deutlich. So ästethisch schön manche mir untergekommene Formulierung war, manchmal erweckte sie den Eindruck, drumherum reden zu wollen - was sie eigentlich nicht taten. Ich vermute, dies geschah mit Blick auf geschonte Gefühle, denn nicht wenige Menschen hofften nun sich und ihre Lebensart nun abgesegnet zu finden.
Ich finde dies alles in allem sehr unglücklich. Dem Heiligen Vater Benedikt XVI. wird vorgeworfen, er sei zu sehr Professor, zu verkopft gewesen, so dass seine Texte oft gar nicht im Inhalt zu verstehen seien für jene, die nicht über theologische Ausbildung oder (verdiente) akademische Abschlüsse verfügten. Das machte Franziskus ja vermeintlich besser - in Tat und Wort war er "näher" am "Gläubigen" - wie es die Presse sehen wollte. Und nun das. Die klaren Worte, die eindeutigen Sätze sind zwar da - aber daneben auch Metaphern und eben besagte Formulierungen.

Das ist keine vernichtende Kritik, denn alles in allem bleibt es, wie es ist - auch wenn die Betonung der Trennungsoption im Extremfall für manchen "neu" erscheinen mag.
241. In einigen Fällen verlangt die Geltendmachung der eigenen Würde und des Wohls der Kinder, dass den übertriebenen Ansprüchen des anderen, einer großen Ungerechtigkeit, der Gewalt oder einem chronisch gewordenen Mangel an Achtung eine unverrückbare Grenze gesetzt wird. Man muss zugeben, » dass es Fälle gibt, in denen die Trennung unvermeidlich ist. Manchmal kann sie sogar moralisch notwendig werden, wenn es darum geht, den schwächeren Ehepartner oder die kleinen Kinder vor schlimmeren Verletzungen zu bewahren, die von Überheblichkeit und Gewalt, von Demütigung und Ausbeutung, von Nichtachtung und Gleichgültigkeit verursacht werden «.[257] Sie muss jedoch » als ein äußerstes Mittel angesehen werden, nachdem jeder andere vernünftige Versuch sich als vergeblich erwiesen hat «.[258]
Dabei verweist der Text selbst auf die Texte bspw. des Heiligen Vaters Johannes Paul II.
Es ist also vielmehr ein Ringen um Verständlichkeit, um den heutigen Europäern, denn seien wir ehrlich, die sind es, die hier mit den Füßen scharend auf Veränderung drängen (zusammen mit einigen Kreisen in Südamerika), nochmal zu erklären, wie die Lehre aussieht und warum sie so ist, wie sie ist.
Umso unverständlicher dann die darauffolgenden fehlenden Klarstellungen:
243. Was die Geschiedenen in neuer Verbindung betrifft, ist es wichtig, sie spüren zu lassen, dass sie Teil der Kirche sind, dass sie » keineswegs exkommuniziert « sind und nicht so behandelt werden, weil sie immer Teil der kirchlichen Communio sind.[261] Diese Situationen » verlangen eine aufmerksame Unterscheidung und von großem Respekt gekennzeichnete Begleitung, die jede Ausdrucksweise und Haltung vermeidet, die sie als diskriminierend empfinden könnten. Stattdessen sollte ihre Teilnahme am Leben der Gemeinschaft gefördert werden. Diese Fürsorge bedeutet für das Leben der christlichen Gemeinschaft keine Schwächung ihres Glaubens und ihres Zeugnisses im Hinblick auf die Unauflöslichkeit der Ehe. Im Gegenteil, sie bringt gerade in dieser Fürsorge ihre Nächstenliebe zum Ausdruck. «[262]
Hier ist derartig viel Interpretationsraum, dass man sich wundert. Bestimmt hat der Papst die Diskussionen zumindest registriert oder vermeldet bekommen, die um Kommunion für Wiederverheiratete und kirchliche erneute Trauung nach der Scheidung zum Inhalt hatte.
Angesichts so deutlicher und ausführlicher Verweise wie im folgenden Absatz, ist die Schwammigkeit hier sehr auffällig.
244.  Andererseits hat ein großer Teil der Synodenväter » die Notwendigkeit unterstrichen, die Verfahren zur Anerkennung der Nichtigkeit einer Ehe zugänglicher und schneller zu gestalten und möglicherweise ganz auf Gebühren zu verzichten «.[263] Die Langsamkeit der Prozesse ärgert und ermüdet die Menschen. Meine beiden jüngsten Dokumente zu diesem Thema[264] haben zu einer Vereinfachung der Verfahren für eine eventuelle Erklärung der Nichtigkeit einer Ehe geführt. Durch sie wollte ich auch mit Klarheit feststellen, » dass der Bischof selbst in seiner Kirche, für die er zum Hirten und zum Haupt bestellt ist, Richter der ihm anvertrauten Gläubigen ist «.[265] » Die Umsetzung dieser Dokumente stellt folglich eine große Verantwortung für die Diözesanbischöfe dar, die aufgerufen sind, selbst einige Verfahren zu beurteilen und in jedem Fall den Gläubigen einen einfacheren Zugang zur Justiz zu gewährleisten. Das impliziert die Ausbildung von genügend Fachpersonal – bestehend aus Geistlichen und Laien –, das sich vorrangig diesem kirchlichen Dienst widmet. Es wird daher erforderlich sein, den Menschen, die getrennt leben, oder den Paaren, die eine Krise durchleben, einen mit der Familienpastoral verbundenen Informations-, Beratungs- und Schlichtungsdienst zur Verfügung zu stellen, der auch hinsichtlich der Voruntersuchung (vgl. Mitis Iudex Dominus Iesus, Art. 2-3) zur Verfügung steht. «[266]
 Der Absatz ist so deutlich, so klar, wie er bei einem so komplexen Thema nur sein kann, inklusive weiterführender, informativer Verweise im Text wie in der Fußnote. Warum dann nicht auch zum Thema der Einbindung? Warum werden an anderer Stelle ausführlich Variationen (bspw. von krisenbesetzten Familienkonstellationen) erläutert, aber die "Inklusion" und die "Vermeidung von Diskriminierung" wird nicht klar umrißen oder wenigstens mit Beispielen erläutert.

Mein Zwischenfazit (wie gesagt, ich habe den Text nicht vollständig gelesen und unterliege daher womöglich einem falschen Eindruck):
Wie der Heilige Vater Franziskus selbst hinterlässt der Text einen gemischten Eindruck bei mir. Einerseits sympathisch und charismatisch, andererseits verwirrend und irgendwie seltsam. Wichtige Klarstellungen finden sich - und unnötige Unklarheiten.

Aber wie gesagt, ich bin kein Theologe. Also laße ich die Kirche im Dorf und die Lehre beim Vatikan.

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