Freitag, 1. April 2016

Vom Fall eines Idols - oder wie Charlie Hebdo "nicht lustig" definiert

Charlie Hebdo war vielen Menschen völlig unbekannt, bis es zum Ziel eines islamistischen Anschlages im Jahr 2011 wurde. Der zerstörte die Redaktionsräume und sorgte für Bekanntheit unter Islamkritikern. Charlie Hebdo teilte stets in alle Richtungen aus, vor allem aber in Richtung der katholischen Kirche Frankreichs. Kaum ein Quartal ohne Zeichnungen von Bischöfen, Nonnen, Priestern oder Päpsten in allen denkbaren Unmöglichkeiten. Dabei blieb der Humor häufig auf der Strecke, und manches Treffen vor Gericht vergrößerte die Peinlichkeit lediglich.
Nachdem aber der Anschlag geschah, entschloß sich die Redaktion, einen weiteren Schritt zu machen - quasi um zu demonstrieren, wo man steht.
Und so folgten zwei Ausgaben, die das Leben Mohammeds nachzeichneten. Der damalige Chefredakteur "Charb" wollte damit zeigen, dass ihm die Freiheit seiner Satire das wichtigste sei. Er wollte auch jenen einen bestimmten Finger zeigen, die bspw. der Zeitschrift mit Hackerangriffen drohten, die seiner Redaktion nach dem Ausbrennen der alten Räume für zwei Monate Unterschlupf und Arbeitsplätze bereitstellten, die seinen Internetprovider wegen Sicherheitsbedenken zur Kündigung zwangen und die Facebook dazu brachten, das Profil runter zu nehmen.
Die Folgen sind bekannt. Der Anschlag Anfang 2015, der nicht nur einem großen Teil der Redaktion sondern auch einem Hausmeister und zwei Polizisten das Leben kostete.
Es ist nun dieses Charlie Hebdo, welches sich nach den Anschlägen im November mit einer "Religionskritik" zu Wort meldete, die nach der gewählten Symbolik eine Christentumskritik darstellt - obwohl weder Christen noch Juden noch Buddhisten noch Hindus oder Shintoisten (die es in Paris erstaunlich zahlreich gibt) hinter der Welle an Terror stecken, die seit Jahren über Frankreich schwappt.
Nun waren aber ziemlich viele Menschen der Fraktion "der Islam heisst Frieden" und "alle Religionen haben ihre Schattenseiten" bereit, sich mit jenen zu verbünden, die ohnehin im Christentum die Wurzel allen Übels sehen wollen und beschlossen, diese Kritik als einen Akt des enfant terrible mit der Satire zu entschuldigen - oder zu ignorieren.
Als Folge des Anschlages von Brüssel entschloß sich die neue Redaktion ein Coverbild vorzustellen, welches Paul van Heyer alias Stromae zeigt, einen Musiker der vor ein paar Jahren mit Alors un danse in den Charts war. Dieser hatte auch den eher im französischsprachigen Raum bekannten Hit "Wo bist du, Papa" veröffentlicht. Diese Zeile wurde ihm nun in den Mund gelegt und von Körperteilen um ihn herum mit "hier, hier und auch hier" beantwortet - eine wenig subtile Anspielung auf die zerfetzten Opfer von Brüssel. Das sein ruandischer Vater 1994 während des berühmten Völkermordes ebenfalls zerhackt wurde, ist dabei noch eine Geschmacklosigkeit oben auf.

Dies nun kann niemand mehr so recht ignorieren. Anders als mittlerweile üblich lassen die Medien auch die Terroropfer selbst zu Wort kommen (schon aufgefallen? Wie viele Opferinterviews zu "Hintergründen und Denkweisen" kommen raus? Meist bleibt es bei Ablaufbeschreibungen), die sich angesichts verlorener Gliedmaßen und zerfetzter Ermordeter entsetzt zeigen.

Damit dürften auch die letzten Bewunderer, die "je suis Charlie" - Fraktion der vorletzten Stunde, an ihrem Idol zweifeln.
Und sich der demokratische, europäische, humanistisch wie christliche Weg zeigen, wenn ein Medium zu weit geht. Keine Anschläge, keine Morde - einfach keinen Umsatz.

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