Freitag, 15. April 2016

Historiker vor Gericht

Die Meldung ist nun schon ein paar Monate alt, der Fall abgehandelt, aber ich komme erst jetzt dazu - und irgendwie passt sie zu aktuellen Entwicklungen und auch nicht.
Prof. em. Heinz Richter hatte 2011 ein Buch über die Operation Merkur veröffentlicht. Dies war der Name für die einzige größere deutsche Luftlandunternehmung des 2. Weltkrieges, welche auf Kreta stattfand und außerordentlich hohe Verluste unter den Fallschirmspringern hervorbrachte und die von heftigen Kämpfen auf der Insel gekennzeichnet war. Die Engländer, welche eine Schutzmacht auf der Insel stationiert hatten, kämpften verbissen und griechische Einwohner wurden zu Partisanen und schlossen sich ihnen an. Was folgte war eine Spirale der Gewalt, in welcher sich die Partisanen zu massakern an Verwundeten und Gefangenen hinreißen leißen und noch die Gefallenen schändeten - was die Deutschen Einheiten mit sogenannten Strafaktionen beantworteten, indem sie Geiseln ermordeten und Dörfer niederbrannten.
Der Professor nannte dies zu Recht einen schmutzigen Krieg, eine grausame und unnötig blutige Art Krieg zu führen oder Widerstand zu leisten. In Griechenland ging jedoch lange Zeit der Mythos um, dieser Widerstand habe Hitler den Krieg gekostet, denn er habe zu viel Zeit und Ressourcen auf die Insel verwenden müssen. Dies ist natürlich Unsinn - aber der Einfluß der Schlacht selbst war groß genug. Es wurde von Hitler verboten, jemals wieder Fallschirmjäger aus der Luft einzusetzen.

Das Wort "schmutzig" und die Bewertung der Partisanen als einerseits grausam andererseits nicht gravierend erfolgreich oder effektiv brachte Richter erst lautstarke Kritik aus den griechischen Reihen und schließlich, nachdem 2014 auf Druck der EU und deutscher Politiker ein Gesetz zur Bestrafung von Holocaustleugnung u.ä. erlassen wurde, auch eine Anzeige und ein Strafverfahren. Wegen Rassismus,Beleidigung und Verbreitung von Lügen.
Im Februar erfolgte dann der Prozeß - und der Richter verwies erst die Nebenkläger des Saales und wies schließlich die Klage ab, da "Historiographie nicht justiziabel ist". Ein geradezu salomonisches Urteil, welches denn auch durch ein Gutachten des von der Anklage bemühten Antony Beevor bestärkt wird. Dieser englische Historiker, der 1992 ein Buch über die Schlacht um Kreta schrieb, stellte sich an die Seite seines deutschen Kollegen.


Also endete die Sache mit einem absoluten und vehementen Freispruch, alle drei Klageseiten wurden zurückgewiesen, das Gesetz selbst kritisiert. Auch griechische Historiker, wenn auch sehr leise, protestierten gegen die Anzeige.
Richter selbst wurde von der Botschaft gewarnt, nach Griechenland zu reisen und er selbst sieht sein Leben bedroht, sollte er sich einmal in Kreta aufhalten müssen.

Kurzum, mal abgesehen von den offensichtlichen Paralellen zum Fall Böhmermann (und den offensichtlichen Unterschieden, vor allem in Sachen Qualität).
Solange die Gesetze in Ordnung sind, die Juristen auf dem Richterstuhl sich ihrer Verantwortung und Aufgabe bewusst (und unabhängig) ist einer juristischen Prüfung nichts entgegen zu setzen. Werden die Gesetze "auf Wunsch" hergestellt, kann dies bitter für Freiheit und den akademischen wie öffentlichen Austausch sein - und wenn dann noch eine regelrechte "Aufwiegelung" stattfindet - dann haben Historiker, Komiker, Kritiker, die das "Falsche" schreiben, um ihr Leben zu fürchten.

Darum, laßt Böhmermann der Justiz und nicht der Politik. War es Beleidigung statt Satire oder Satire statt Beleidigung - das sollte eine unabhängige Justiz entscheiden.
Leider hat Maas, Das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesgerichtshof mehr als einmal bewiesen, dass es soetwas auch in Deutschland nur noch selten gibt.

1 Kommentar:

  1. "Historiographie ist nicht justiziabel" - merken wir uns das mal für den Fall der Fälle.

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