Freitag, 15. April 2016

Böhmermann - und wie ich falsch lag.

Vor wenigen Tagen habe ich einen Beitrg verfasst, in welchem ich mich wunderte, warum die Regierung über den Fall bzw. die förmliche Bitte um Strafanträge berät. Ich hielt (und in der Sache selbst halte ich noch) die Regierung für nicht zuständig.
Mittlerweile bin ich auf §104a aufmerksam gemacht worden und die Tatsache, dass er hier greift.
Somit bleibt festzuhalten, dass die Regierung veranlasst ist, den Fall prüfen zu lassen und eben nicht außen vor bleiben kann und muss.
Angesichts des Charakters des Gedichts und der vorgebrachten Klage bzw. Anzeige, welche ja im übrigen auch aus dem inneren erfolgte, wundert mich das Verfahren bzw. seine Länge trotzdem.

Normalerweise bin ich wirklich kein Freund von eingeschränkter Wortwahl bzw. stehe für Meinungs- und Kunstfreiheit - allerdings sehe ich in diesem Fall eine Eindeutigkeit der Beleidigung, die selbst dem von mir ebenfalls vertretenen Recht, auch mal beleidigend zu werden ohne gleiche vor Gericht gezerrt zu werden überschritten. Ein Dämpfer, dabei bleibe ich, wäre hier somit angebracht - angesichts der Vielzahl der ungeahndeten oder gar geschützten Überschreitungen der vergangenen Jahre trotzdem ungerecht und ein unnötiger Kotau vor der Türkei.

Und ich bleibe dabei: überlasst die Prüfung den Staatsanwälten und Richtern. Dazu sind sie da.

4 Kommentare:

  1. Bin mit dem, was Sie hier schreiben, weitestgehend einverstanden; aber ein Kotau der Bundesregierung vor der Türkei war das nicht.
    Ich wünschte Ihnen, Sie hätten wie ich die heutige Erklärung der Bundeskanzlerin live und in voller Länge verfolgen können; dann kämen Sie wahrscheinlich zu einem anderen Schluss.
    Herr Erdogan hat in dieser wahrhaft unappetitlichen Angelegenheit einfach bislang das nötige Standvermögen bewiesen, für seine Ehre zu kämpfen.
    Außerdem ist er diesmal in einer relativ machtvollen Position, die ihm nach seiner Einschätzung erlaubt, den langen und beschwerlichen Rechtsweg zu beschreiten.
    Als vor Jahren Benedikt XVI. vom Titanic-Magazin ähnlich niederträchtig wie jetzt Erdogan öffentlich verspottet und beleidigt wurde, hat er klugerweise auf eine juristische Verfolgung verzichtet.
    Er hätte da nur monatelang als quasi Spielverderber dargestellten und die katholische Kirche mit ihm.Man hätte ihn und die Kirche als sinistre Kämpfer gegen die Freiheit der Meinungsäußerung hingestellt und Titanic hätte das als Werbekampagne für sich benutzt und sich ggf. Im Falle von letztendliche Verurteilung vor Gericht als Märtyrer der Pressefreiheit aufgespielt.
    Aber wie schon die Sprichwörter richtig sagen:
    "Die Bäume wachsen nicht in den Himmel."
    und
    "Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht."

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    1. Es ist insofern ein Kotau, dass die Kanzlerin erstmal ein Telefonat mit Davutoglu führte, in dem sie sich distanzierte und eine Einschätzung ihrer Sicht zu dem "Gedicht" gab.
      Wie seinerzeit bei "Deutschland schafft sich ab" und vielen anderen Gelegenheiten: es ist nicht ihre Aufgabe Kunst oder Kultur zu bewerten - wie Sie selbst ja sagten wurde darum auch jemand anderes "berufen" den Fall zu prüfen.
      Aus dieser Position heraus dann lediglich mit "Majestätsbeleidigung passt nicht" zu reagieren, wenn man dann verkünden muss, dass das Verfahren eröffnet wird (was, wie gesagt, in der Sache richtig ist) - da wären Aktionen und Worte von großer Signalkraft fällig, die nicht kommen.
      So sieht es nach zähneknirschend in der Ecke stehen aus - und falls sie sich in der orientlischen Ecke ein wenig auskennen, dann wissen sie, wie dies empfunden wird.
      Gerade der Fall Benedikt ist da ein genaues Gegenbeispiel im gleichen Sachenverhalt.
      Furchtbar öffentlich gedemütigt, ohne irgendeinen inhaltlichen Bezug, reichte er als Privatperson die Klage ein - die Politik hielt den Mund zu der Sache während sich die Titanic-Redaktion in "Pseudomittelalterkleidung" um unter Schildern über Inquisition, Zensur und Freiheit in Ketten auf dem Marktplatz Medienaufmerksamkeit zu erzeugen.

      Nun muss Frau Merkel wahrlich nicht in Ketten auf dem Markplatz heulen - aber etwas mehr an Reaktion und Aktion wären an dieser Stelle angebracht.
      Auch so kann ein Kotau aussehen.

      Was Erdogans Ehre angeht - jemand, der sich so verhält wie Erdogan sollte nicht von unsereins noch Ehre zugeschrieben bekommen. Die hat er in Gazi ebenso verloren, wie auf den Leichen der kurdischen Familien in den Gebirgspäßen, im Norden Iraks und in zahllosen Auftritten.

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  2. Zur "Ehrenfrage":
    Sind Sie wirklich der Meinung, ein in bestimmter Hinsicht festgestellter Rechtsbrecher sei eben dadurch hierzulande quasi vogelfrei und müsse auch die schwersten, niederträchtigsten und widerwärtigsten Beleidigungen, die jeder Grundlage entbehren, widerspruchslos hinnehmen und habe keinerlei Rechte mehr?
    Dann Rechtsstaat BRD ade!
    Dann haben wir wieder den mittelalterlichen Pranger eingeführt, an dem das Opfer eingespannt ist und solange straflos mit jeglicher Art von Dreck und Beleidigungen beworfen werden darf, wie es der Meute gefällt.

    MEIN Land wäre das allerdings nicht!

    ICH setze auf Rechtsstaatlichkeit, die in fairer Weise JEDEM zukommen muss!

    Genau das kann jetzt unsere Justiz in der Causa Böhmermann versus Erdogan durch die Ermächtigung der Regierung prüfen.
    Als erbärmlich kann ich nur die Rolle der SPD-Minister bewerten.
    Ich hoffe, dass sie dafür von möglichst vielen Wählern bei geeigneter Gelegenheit die rechte Quittung für ihr Verhalten bekommen.

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    1. Ihr Ehrbegriff in allen Ehren - aber zwischen vogelfrei sein, meiner persönlichen Absprache der Ehre des Herrn Erdogan und rechtstaatlichen Grundprinzipien besteht denn doch ein gehöriger Unterschied - und wo Sie da genau einhaken, ist mir nicht nachvollziehbar.
      Aber um es klar zu sagen - bevor ich Denk- und Sprechverbote, Sprachpolizei und eine eben nicht gleich behandeltende Gleichbehandlung akzeptiere, nehme ich in Kauf, dass Menschen beleidigend sein können.
      Und wenn Sie bei mittelalterlichen Vergleichen sind: in einer voneinander abhängigen und funktionerenden Gemeinschaft werden Pöbler (die nebenbei im Alltag viel verbreiteter sind, als sie wahrzuhaben scheinen) ohnehin mit sozialer Abgrenzung und Isolation gestraft, Verlust des Respektes und damit einhergehenden wirtschaftlichen Problemen.
      Sprich: ein jedermann, der ohne Grund und völlig ohne Realitätsbezug aufs "schwerste, niederträchtigste und widerwärtigste beleidigt" verliert nach und nach alles - wenn er nicht nachbessert.
      Im Falle Böhmermann hatte das ZDF selbst Reaktion gezeigt (die ich, wie Sie nachlesen können, lobte) und aufgrund des mangelnden Niveaus den Beitrag vom Netz genommen - leider aber ausgestrahlt.
      Es scheint dabei auch Konsequenzen für Böhmermann gegeben zu haben - denn immerhin zeigte er sich damit öffentlich völlig einverstanden und erschien in der Folge auch nicht zu einer Preisverleihung.
      Für Sie (und für mich) hätte die Reaktion ruhig heftiger ausfallen können.
      Meinethalben hätte auch ein Gericht die Anzeige angehen können und klären müssen ob nun Kunst und damit straffrei oder eben nicht - auch das können Sie in meinen Beiträgen nachlesen.
      Aber was gar nicht geht, und ein wiederkehrender Fakt in unseren Dialogen, ist die Behauptung, es handele sich hier um Gleichbehandlung. Das ist definitiv nicht der Fall. Gehen Sie an jedes beliebige deutsche Gericht und sehen sich die freigegebenen Akten an. Was da an Beleidigungen zusammen kommt, die entweder nie verhandelt werden oder vor Gericht zugelassen werden spottet jeder Beschreibung.
      Und das ist der aktuelle Zustand.
      Sie können vor einer versammelten Kirchgemeinde als "Nazihure" (man sehe mir das wörtliche Zitat nach) beschimpft werden und vor Gericht abgewiesen werden. So kürzlich in Köln geschehen.

      Da auch Herr Erdogan gerne zu deftigen und diffamierenden Worten greift ist der Vergleich mit mittelalterlichen Ehrenstrafen und Entzug des rechtsstaatlichen Schutzes etwas zu weit hergeholt.

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