Montag, 4. März 2013

Wikinger?

Die TaZ berichtete vorgestern über eine bald beginnende Ausstellung im Bremer Landesmuseum. Titel der Ausstellung soll "Graben für Germanien" sein und die Ausnutzung der Archäologie durch die Nationalsozialisten im Dritten Reich thematisieren.



So geht Wissenschaftsjournalismus - nicht.
Blickt man genauer auf den Artikel, so wird eine Fülle an Informationen geliefert, von denen ein nicht unerheblicher Teil falsch oder irreführend ist. Andere Informationen werden geliefert, ohne die volle Geschichte zu kennen, was aber den Autoren von Schlussfolgerungen nicht abhält.
Zuerst erhält man Informationen, wie das ganze denn nun eigentlich zu bewerten sei. Die Ausstellung sei von "bundesweiter Bedeutung". Eine noch nicht eröffnete Ausstellung wird im Vorfeld mit Bestnoten ausgestattet. Eine Woche vorher, so meine Erfahrung, wird im Museum für eine Ausstellung noch kräftig gearbeitet. Konzept und Ausstellungsstücke sind zwar bereits vorhanden, so sich nichts verzögert, was ausgesprochen oft der Fall ist, aber der Aufbau, mitunter Beschriftungen etc. sind noch in Arbeit. Je nach Museum sind die Aufbauarbeiten noch gar nicht in Arbeit, das hängt von den Räumlichkeiten und dem Willen der Leitung ab, Teile oder gar das ganze Museum eine zeitlang zu schließen. 
Wie ein Thema museumspädagogisch verarbeitet wurde, kann man erst abschätzen, wenn man es bei der Eröffnung sieht. Was wird wie vermittelt. Wie wird es veranschaulicht, werden alle Aspekte fair beleuchtet, hinterlässt es bleibende Eindrücke und wenn ja, welche. Der Autor des Artikels, Henning Bleyl weiß dies alles bereits. Meine persönliche Vermutung geht dahin, dass die Bewertung dem Thema folgt. 
Nun ist aber die Ausnutzung der Archäologie aber nicht neu für Wissenschaftler. Im Artikel wird dies und wohl auch die vorangehende Bewertung erkäutert mit der Behauptung, dass: "erstmals die ideologisch und geostrategisch nicht zu unterschätzende Rolle der NS-Archäologie umfassend dargestellt.
Kritische Geister, welche die Redakteure der TaZ ja sein sollten, müssten an der Stelle fragen: stimmt das? Ein klares Nein von meiner Seite als Antwort darauf. Im vergangenen halben Jahrhundert gab es dutzende, wenn nicht hunderte von Publikationen und Ausstellungen die darlegten, wie die Nazis bestimmte Bereiche des Lebens (oft erfolgreich) versuchten für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, oder einfacher, auszunutzen. Einen kleinen Einblick in diese Problemtik bietet bspw. die Übersicht, ich möchte fast sagen, das Lexikon von F.-R. Hausmann: Die Geisteswissenschaften im "Dritten Reich", Frankfurt a.M., 2011. Spezifischer auf die Archäologie geht bspw. der Sammelband Nazi-Archäologie in Westeuropa  ein. Prähistorie und Nationalsozialismus, Heidelberg, 2001 ist ein weiteres mir ad hoc bekanntes Beispiel, erschienen in der Reihe Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte.
Archäologie und völkisches Gedankengut: Zum Umgang mit dem eigenen Erbe
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Nun ist es in der Tat ein Problem, dass außerhalb der Wissenschaften, im populären Raum etwa, bestimmte Theorien und angebliche Forschungsergebnisse der Zeit des deutschen Faschismus auch heute noch eine gewisse Wirkkraft haben. So etwa die Behauptungen des Wilhelm Teudt, zu denen u.a. die heute wieder sehr populäre Anschuldigung gehört, das Christentum habe zu einer Kulturvernichtung gerade unter Germanen geführt. Ich persönlich harre gespannt, ob dieses Thema in der Ausstellung behandelt werden wird, bezweifle aber, dass die Ausstellung am Problem selbst etwas ändern wird und dadurch eine "bundesweite Bedeutung" entfalten wird.

Aber zurück zum Text. Es geht um die mangelnde Bereitschaft des Landesarchäologen von Schleswig-Holsteinsche, Claus von Carnap-Bornheim, Exponate für die Bremer Ausstellung zur Verfügung zu stellen. Seine Bremer Kollegin äußert die Behauptung, er möchte keine Verknüpfung zwischen dem heutigen Museum und der NS-Geschichte. Ob dies so richtig ist oder nur eine Vermutung, dass erfahren wir nicht, denn für die TaZ ist aus Schleswig kein Kommentar zu bekommen.
Nun gibt es keinen Zwang zur Kooperation der Museenlandschaft, es gilt aber natürlich als nicht besonders kollegial, wenn nicht mal das kleinste Entgegenkommen zu verzeichnen ist. So weit, so durchaus kritisierbar. Aber die TaZ macht daraus einen Staatsakt, denn eine Ausstellung der Archäologie in NS-Zeit ohne Haitabu zu thematisieren scheint ihr fast ein Verbrechen, obwohl doch die bestehende Ausstellung bereits so bedeutsam ist - oder sein wird - wie auch immer. Aber:
Die propagandistische und ideologische Bedeutung von Haithabu im Dritten Reich kann kaum überschätzt werden.
Offenbar kann sie doch. Denn die Begründung für jene Aussage folgt sofort.
Das SS-Ahnenerbe investierte über die Hälfte seines Ausgrabungsetats allein in Haithabu. Die Schirmherrschaft übernahm Heinrich Himmler persönlich.
Wer sich einmal in obige Literatur oder "Das "Ahnenerbe" der SS 1935-1945: Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches" eingelesen hat, der weiß: die Archäologie der NS-Zeitist nicht gleich die Geschichte des Ahnenerbes der SS. Der Eindruck der mit zitiertem Satz erweckt wird, ist der eine Löwenanteils fachistischer Archäologie. Das aber diese SS Abteilung in sich zerstritten war, sich selbst beizeiten beinahe auseinander nahm und Projekte bis hin zum Schwachsinn förderte, dies findet sich nicht, obwohl es eine wichtige Erklärung zu dieser in der Bevölkerung wohl weitgehend unbekannten Institution war. 
Auch die Betonung der Schirmherrschaft Himmlers zeugt eher von Unwissen oder Methode. Himmler übernahm unzählige Schirmherrschaften. Dazu rate ich dem Interessierten bspw. zur Lektüre von Archäologie und Politik. Archäologische Ausgrabungen der 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts im zeitgeschichtlichen Kontext, Wiesbaden, 2011. Es würde ihm vermutlich sehr gefallen, dass ein Journalist heute die Bedeutung einer Grabung oder Expedition oder Forschergruppe wegen dieser Tatsache als "nicht zu überschätzen" einordnet.

Am Ruf kratzen
Unter dem beigefügten Bild lächelt uns bereits die Botschaft unterschwellig entgegen. Der Text zu diesem lautet "Da lacht das Landesarchäologen-Herz: Wikingerboot-Treffen in Haithabu." Nicht nur die grauenvolle Grammatik, Genitive sind eben des Todes, sondern auch hier direkt eine Unterstellung persönlicher Neigung des Archäologen. Zusammen mit dem angemahnten Unwillen des Leiters der Stiftung Schloss Gottorf ergibt dies natürlich ein bestimmtes Bild dieses Mannes. Gewollt oder nicht.
Der Artikel endet mit dem Hinweis, dass es sich um einen "Hotspot der Mystifizierung" handele, quasi einen Geburtsort für politisch-motivierte Ersatzreligionen. Das diese Problematik zwar durchaus anknüpft an die Archäologie der Nazis aber keineswegs davon abhängt, darüber berichtete vor einiger Zeit bereits das Deutschlandradio. Trotzdem bleibt eben nicht die Kritik mangelnder Kooperationsbereitschaft am Landesarchäologen hängen, sondern die Unterstellung einer gewissen Grundhaltung, ja möglicherweise sogar...  Das ist in einem Artikel auf so schwachen Beinen nicht in Ordnung. Ja selbst bei fundierter und ausführlicher Recherche wäre es das nicht.

Zum Schlimmsten
Probleme wahrnehmen und besprechen ist das eine, sie zu verallgemeinern und aus ihnen dann Abwertungen zu schaffen ist allerdings eine Verschärfung der Probleme, keine Lösung. Darum hat mich folgende Bemerkung regelrecht schockiert.
Für Schweden waren all diese virulenten Bezüge mit ein Grund, sich aus aus dem „Welterbe Wikinger“-Antrag zurückzuziehen: 2013 sollte Haithabu gemeinsam mit Fundorten in fünf weiteren Ländern in die Weltkulturerbe-Liste aufgenommen werden. In Schweden wurden allerdings Bedenken laut, ob die problematischen ideologischen Verknüpfungen ausreichend in den Antrag einbezogen worden waren.
 Weltkulturerbe, das bezieht sich auf historisches, archäologisches und eben kulturelles Erbe aus der Geschichte. Man mag von den Wikingern halten, was man will, aber sie prägten weite Teile Nordeuropas über einen sehr langen Zeitraum. Die Anerkennung und Förderung dieses Erbes nicht zu fordern oder die Unterstützung zu verweigern, weil ein anderes, ein schlimmes Erbe sich diese Vergangenheit zeitweise aneignete und belastete ist in meinen Augen weitaus tragischer und folgenbehaftet, als mangelnd Kooperation zwischen zwei Museen. Das ausgerechnet die Schweden aus diesem Grund nicht für die Anerkennung einstehen ist blamabel. Zumal in einer Zeit, in der Relativismus Aspekte anderer Kulturen, etwa der islamischen oder afrikanischen oder ur-amerikanischen versucht unter positiver Rhetorik zu vergraben. Jede Kultur hat seine Schattenseiten, egal ob Berber oder Wikinger. Wenn es wirklich um ein gleichberechtigtes Zusammenleben gehen soll, ein Streben nach größtmöglicher Objektivität muss Gutes ebenso wie Schlechte anerkannt, besprochen und präsentiert werden.

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