Montag, 18. März 2013

Hass ist unsterblich

Gerade hatte ich eine Diskussion im Kommentarbereich der "Welt". Der Artikel drehte sich laut Überschrift eigentlich um unseren neuen Papst und seine Angewohnheit, Sicherheitsbedenken zu ignorieren, behandelte aber mehr oder weniger dessen erste Tage in den "Schuhen des Fischers" (oder eben nicht in diesen).
Unter diesem Beitrag geht es bereits wieder gewohnt säkular zu. Wenigstens die Hälfte der Kommentierenden macht Scherze auf Kosten des Menschen der nun Papst ist oder meint von Kreuzzügen bis zum Missbrauchsskandal erstmal eine grundlegende Entschuldigung vor der Auflösung der Kirche von diesem Papst fordern zu müssen.
Als einer der Kommentatoren dann meinte, einen Kommentar dieser Art noch mit dem Argument (sic!), der damalige Papst hätte ja auch nichts gegen die Judendenvertreibung (sic!) getan und mit Hitler und Mussolini gebandelt hat es mir ein wenig gereicht. Ich dachte, mit dem Hinweis auf die Aufarbeitung der Dokumente über Pius XII. die genau das Gegenteil belegen sei es getan.
War es aber nicht. Jedenfalls nicht für einen anderen Kommentator.
Dieser schimpfte mich einen Steigbügelhalter, betonte den Antisemitismus (sic!) der Kirche und erläuterte dann, wie grausam sein Lehrer, welcher ein Pfarrer gewesen sei, war, als dieser ihn prügelte, während er ihnen die "Judenschuld" beibrachte.
Nun will und kann ich nicht bestreiten, dass es in der Kirche der Vergangenheit, und wie ein gewisser Bischof vor einigen Jahren zeigte mitunter auch heute, einen festen und großen Platz für Antijudaismus gab. Dies gehört in der Tat zu den Verfehlungen, eine Schuld. Zwischen Antijudaismus und Antisemitismus gibt es einige Unterschiede, was die Taten in diesem Rahmen der Vergangenheit keineswegs weniger zu Verbrechen macht.
Was mich schon mehr ärgert ist die Darstellung der Erziehungsmethoden. Auch hier kann und will ich nicht leugnen, dass Pfarrer, Mönche und Nonnen Prügelstrafen einsetzten, mitunter sogar sadistisch oft. Die Isolation dieses Umstandes aus den Zuständen der Zeit, die ausschließliche Betonung der Verfehlung Geistlicher wirkt dagegen auf mich, wie ein Abschieben der Schuld, eine Sündenbock gefunden zu haben. Die Zahl der Lehrer und Eltern die ihre Kinder schlugen, ob mit oder ohne christlichen Hintergrund, dürfte wohl jeden Rahmen sprengen und dabei gar nicht mehr erfassbar sein. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass dies durchaus bis in die 80er hinein bestand hatte. Und auch heute kümmert es kaum jemanden, dass die Zahl der misshandelten Kinder in die zehntausende geht, ohne dass Geistliche bei der Tätergruppe aus dem Promillebereich kämen.

Aber das war noch nicht alles. Ich war dumm und verärgert genug, darauf einzugehen und es folgte Kommentator Nr. 3. Dieser hatte aber alles zu bieten. Seiner Ansicht nach war Luther Antisemit weil er als Katholik erzogen war, Hitler sowieso. Das ich die antijudaischen Äußerungen des Johannes von Antiochia, genannt Chrysostomos kannte und ablehnte bewog ihn, mich in triefender Ironie der Ketzerei zu beschuldigen, während er gleichzeitig darauf verwies, SS Bewerber hätten Kirchenmitglieder zu sein gehabt (sic!). Aus meinem Hinweis an einen anderen Kommentator, die Auseinandersetzungen in Spanien hätten bereits 1931 mit antiklerikalen Ausschreitungen inklusive Todesopfern unter dem Eindruck des Parteiprogrammes der damaligen Regierung begonnen und hätten sich im Bürgerkrieg durch die Ermordung einer großen Zahl Geistlicher in spontanen Gewaltakten fortgesetzt, während die Francisten ihre Verbrechen meist geplant und an Oppositionellen verübten (dafür in größerer Zahl), machte er, ich rechtfertige die Gewalt der Francistas durch die Anschuldigung der Hetze.
So ging das weiter, die ganze Kette rauf und runter. Woher die Reise kam wurde aber in einem Vorwurf deutlich: ich hatte noch kein Wort über den Antijudaismus der Kirche verloren, nur darauf hingewiesen, wer Luther war und wann er anfing seine Reden wider die Juden zu veröffentlichen, da warf er mir vor, ich würde den "Antisemitismus" der Kirche leugnen. Als ich darauf antwortete, ich hätte den "Antijudaismus" in der Kirche nicht mit einem Wort negiert antwortete er mir:
 Och, wenn man echte Zitate bringt und nicht mehr alles verdrehen kann, dann wird man kleinlaut
Diesen Tonfall verschärfte er noch weiter, wurde persönlicher und beleidigender.

Mein Fazit: ich bin ziemlich aufgebracht, könnte schreien vor Wut. Nicht nur wegen des persönlichen Tonfalles, sondern auch weil Argumente nicht beachtet wurden, Fakten erfunden oder verdreht wurden.
Ich weiß, solche Leute gibt es viele. Schubaldendenke, schwarz-weiß wobei Kirche schwarz ist. Man kommt nicht durch die dicke Wand der Überzeugung, egal wie viele Fakten man benennt. Ich bin ihnen schon tausend mal begegnet. Trotzdem: in meiner Idealvorstellung argumentieren die Menschen, wägen Argumente und akzeptieren belegte Fakten, auch wenn das Ergebnis kein eindeutiges Urteil zulässt. Und vor allem begegnet man sich mit Respekt und schätzt sein Gegenüber nicht niedrig, weil dieser anders denkt oder ist. Utopien eben...

6 Kommentare:

  1. Tip: Nicht die Trolle füttern! In den Kommentarbereichen der meisten Online-Zeitungen und -Magazine findet man keine Leute, die wirklich offen debattieren oder sich gar eines Besseren belehren lassen wollen. Diese Menschen haben alles, was sie über die Kirche wissen, von Deschner, von Dan-Brown-Verfilmungen, von Talkshows und von der Rückseite von Cornflakes-Packungen. Sich da auf eine Diskussion einzulassen führt bei soviel Ignoranz, Stolz und Frechheit nur zu einem: Zu Magengeschwüren!

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    1. Vielen Dank für den Rat. Im Grunde weiß ich das ja aus leidiger Erfahrung schon seit Jahren, aber irgendwie treibt mich die Hoffnung mit Argumente durchzudringen immer wieder dazu, es zu versuchen...

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  2. Man muss es sich immer wieder vorsagen: Don't feed the trolls!

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    1. Wenn sie aber so lieb schauen...
      Nein, im ernst, ich danke dir für den Rat, ich versuche es, komme von diesem guten Vorsatz zu oft ab.

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  3. Na ich seh das etwas maßvoller. Natürlich kann man mit solchen Leuten nicht vernünftig reden. Die Erwartung sollte man also gar nicht erst an sie stellen. Sie offenbaren jedoch, wenn man richtig hinhört, bestimmte Meinungen und Vorstellungen, die in der Gesellschaft usus sind - denn Trolle sind ja meist geistig so kreativ wie ein Eimer Fischköpfe. Und mit diesen Meinungen kann man sich wiederum auseinandersetzen und sie bei der Diskussion mit vernünftigen Menschen benutzen. Hat also irgendwo auch was positives. Stärkt außerdem den Charakter und die Geduld.

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    1. Was uns nicht umbringt...? Na, hoffen wir es mal.
      Ich für meinen Teil habe eher die Befürchtung, wenn man Trolle unwidersprochen den selben, längst widerlegten Mist immer und immer wieder verbreiten lässt summiert sich das mit wirklichen und unterstellten Verfehlungen der Kirche und ihrer Vertreter zu einem Hass, der sich wieder in Verfolgung entlädt.
      Jedenfalls ist das eine meiner Ängste.
      Beste Grüße
      T.S.

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