Freitag, 22. März 2013

Forsetzung I zu "Jetzt ist es raus..."

Fortsetzung des Kommentars: "Jetzt ist es raus".
Einleitend noch ein paar Worte zu den Methoden, welche Deschner anwendet, bevor ich mich zu denen seiner Sympathisanten und ihn verteidigenden Leserschaft, ich werde sie vereinfachend Anhänger nennen, wende.
In der auf diesen Text folgenden und letzten Fortsetzung werde ich dann einige Beispieltexte bearbeiten.



 Mangelnde Relation


Zwar bereits erwähnt, in seiner permanenten Anwendung aber einer Herausstellung würdig ist Deschners Art, keine Vergleichsmöglichkeiten zu entwickeln oder gar zu geben. Wann immer er auf Opfer und ihre Zahlen zu sprechen kommt, was sehr häufig der Fall ist, fehlt dem Leser jegliche Relation. Ein Beispiel sind die Opfer von Kriegen und Schlachten. Zwar im Grunde korrekt beschreibt er blutige Massaker durch Christen, mitunter auch im Namen der Religion oder mit dem Segen von Geistlichen oder sogar (nicht selten aber vermeintlich) der Kirche. Dabei löst er die Geschehnisse völlig aus dem historischen Rahmen und bewertet sie nach seinen und zumeist heutigen Maßstäben.
Was aber passierte in eroberten Städten? Gibt es Unterschiede zwischen dem Verhalten christlicher, islamischer, buddhistischer, hinduistischer, schamanischer oder atheistischer Heere und ihrer Anführer? Dies wäre die Gegenprobe zur Behauptung, etwas sei "charakteristisch" oder "begründet in ...".
Aufgrund dieser mangelnden Relationsmöglichkeit wundert es dann nicht, dass gerne die Behauptung vorgebracht wird, das Christentum habe mehr Opfer gefordert alle Kriege zusammen. Mitunter wird auf detaillierte Gegendarstellungen geäußert, die meisten Kriege seien zudem religiös oder christlich bedingt. Dies funktioniert ausschließlich, wenn man keinen Blick in die Weltgeschichte, logischerweise vor allem in den nichtchristlichen Raum wirft und auf der anderen Seite alle großen menschengemachten Katastrophen wie etwa die Weltkriege ebenfalls dem Christentum anlastet. Hier trägt die Geschichtsforschung, aber wieder auch unsere Medienlandschaft eine Mitschuld an diesem weit verbreiteten Eindruck. Mittlerweile über Jahrhunderte lag der Schwerpunkt unserer Forschung ausschließlich auf Europa, Entwicklungen in anderen Hochkulturen fanden nur bei Berührungspunkten statt. Die Geschichte Chinas oder des Aztekenreiches ist hierzulande ebenso selten behandelt wie die der Sassaniden oder der Zulus. Sie treten im Bewusstsein oft erst auf, wenn es zu Kontakten mit Europäern kommt. Die Frage an den Kundigen über Opfer der Kriege muss gestattet sein, wieviel er denn etwa über die chinesischen Einigungskriege und die Zahl ihrer Opfer weiß.
Ohne eine Vergleichsmöglichkeit, ohne Angaben zu den Verhältnissen bleiben Bewertungen dem eigenen Eindruck, nicht seriöser Forschung überlassen.


Verdrehungen 

Schon fast zur Gewohnheit wird der Verweis auf die vielen Zitate, wörtliche Wiedergaben von Geschriebenem und Gesagtem, welche Deschner als Beweise seiner Behauptungen anführt. Allzu oft sind diese Zitate aber verdreht oder, dies kennen wir ja bereits, aus dem Zusammenhang gerissen. Ein Fall, wo beides zusammetrifft möchte ich als Beispiel hier anführen, auch wenn es nicht direkt aus der Reihe "Kriminalgeschichte" stammt sondern aus einem Interview darüber, welches als PDF auf Deschners Seite zu finden ist. Dort antwortet Deschner auf die Frage, wie er denn die katholische Kirche für den zweiten Weltkrieg verantwortlich machen wolle:
Und zu Beginn des Zweiten Weltkrieges drohte Pius XII. den <<Millionen Katholiken in den deutschen Heeren>>: <<Sie haben geschworen, Sie müssen gehorsam sein.>> Er hämmerte ihnen ein, dass der <<Führer>>  das legale Oberhaupt der Deutschen sei und jeder sündige, der ihm den Gehorsam verweigere.
Zu finden auf Seite 13 & 14 des PDF Dokuments bzw. auf den mit 15 und 16 bezifferten angezeigten Schriftseiten.
Deschner zitiert hier aus einem Interview , welches der damalige Papst Dr. Edoardo Senatro für Osservatore Romano gab. Dieser hatte ihn gefragt, ob man nicht gegen die Vernichtung der Juden protestieren müsse. Darauf antwortete der Papst:
Lieber Freund, vergessen Sie nicht, daß in den deutschen Heeren Millionen Katholiken sind. Soll ich sie in Gewissenskonflikte bringen? Sie haben geschworen. Sie müssen gehorsam sein.
Aus dieser Antwort kann man verschiedenes interpretieren. In positiver Auslegung etwa den Unwillen, einen Bürgerkrieg auszulösen, in negativer Sicht die Befürchtung, die Deutschen würden sich im Zweifel eher für Hitler als für die Kirche entscheiden. Der Spiegel berichtete vor ziemlich genau 50 Jahren, der Papst hätte dabei an die Erfahrungen aus dem Kulturkampf Bismarcks gedacht.
Somit hat Deschner hier zwar korrekt zitiert, durch die Auslassung der Frage, eines Teiles der Antwort und des Kontextes (in diesem Fall die seit 1932 bestehende Auseinandersetzung zwischen Hitler und dem Vatikan sowie der großen Zahl katholischer Geistlicher in KZs) das Zitat entfremdet, einem anderen Sinn untergeordnet. So wird aus der Zurückhaltung um keinen Konflikt zu schüren eine Forderung nach Anerkennung.
Nebenbei erwähnt, die Methode der Auslassung zieht sich auch hier wieder durch Deschners Argumentation. Er führt dieses Zitat u.a. als Belege der Unterstützung Hitlers, des Holocaust und des Krieges durch den Vatikan auf. Das dem nicht so wahr belegen bspw. die unmittelbar nach Kriegsausbruch verfasste Enzyklika Summi Ponticiatus bis hin zur Schilderung von Ereignissen in Rom. Aufschlussreiche Literatur zu diesem Thema empfehle ich bald in einem eigenen Eintrag.

Fortschreitende Forschung 

Etwa 27 Jahre hat es gedauert von der Publikation des ersten Bandes der "Kriminalgeschichte des Christentums" bis zur Veröffentlichung des letzten Bandes in diesem Jahr. Rechnet man hinzu, dass vieles von dem, was er in seiner Reihe veröffentlicht bereits vorher in anderen seiner Bücher verwendet wurde könnte man durchaus noch wenigstens ein Jahrzehnt drauf legen. Fast 40 Jahre sind heute im Bereich der Forschung ein beachtenswerter Zeitraum, in welchem sich viel verändern kann.
Diverse lexikalische Reihen werden über Jahre und Jahrzehnte erstellt. Ein hervorragendes Beispiel sind die Reihen des sogenannten Pauly. Im 19. Jh. wurde dieses Lexikon erstmal innerhalb von ca. 30 Jahren erstellt. Daran arbeiteten 48 Fachpersonen, und während dieser Arbeit wurde es aufgrund der immer weiter fortschreitenden Forschung nötig, wenigstens einen Teil der Publikation noch einmal zu überarbeiten und neu herauszugeben. Dabei war die Erkenntnis ausschlaggebend, dass man die Darstellung immer weiter ausdehnen musste. Man konnte vieles nicht erläutern ohne andere Details zu beleuchten, die eigentlich gar nicht vorgesehen waren. Je mehr von der Geschichte erklärt werden sollte, desto mehr musste man dazu vorstellen.
Diese Ausuferung wurde dann symptomatisch. Der Nachfolger, 1890 begonnen brauchte statt der veranschlagten 10 Jahre am Ende 78, die Zahl der Mitarbeiter ist mit 1100 Autoren riesig.  Und noch immer sind aus Sicht heutiger Historiker bestimmte Bereich darin zu kurz gekommen (neben der Tatsache, dass viele Artikel veraltet sind und einige sogar ideologisch verbrämt), so ist die Spätantike zwar behandelt, aber keineswegs gründlich untersucht worden.
Um jetzt nicht weiter zu langweilen, auch an der aktuellen Reihe (DNP) arbeitete ein Vielzahl an Personen, obwohl längst nicht so umfangreich wie sein Vorgänger sind auch hier rein lexikalisch 13 Bände erschienen, dazu eine Vielzahl Sonderbände zu Themen und Fächern.
Bezeichnend an all diesen Arbeiten sind ihr (thematischer) Umfang, die hohe Zahl an Mitarbeitern verschiedener Richtungen und die stete Neubearbeitung. Es kommt nicht selten vor, dass ein Autor die in seinen Artikeln gemachten Aussagen durch neue Quellen (oder anderen Versionen bekannter Texte) oder allgemein Informationen etc. ändern muss.
Deschners Methoden haben sich hingegen in den letzten Jahrzehnten eher versteift als auf Kritik und nachgewiesen Fehler einzugehen. Auch wenn ich möglicherweise den Eindruck erwecke, diese Beiträge sind alles andere als die ersten öffentlichen Kritiken an ihm und seinem Werk. Dazu werde ich in der folgenden Fortsetzung einige Beispiele liefern.



Graf Zahl


Natürlich ist die "Kriminalgeschichte" geprägt von Zahlen. Jahreszahlen, Opferzahlen, Täterzahlen, Mengen an Quellen und Literatur, auch wenn Deschner völlig zurecht darauf verweist, dass jeder einzelne Ermordete im Namen der Religion, mit Segen der Kirche oder durch die Hand eines gläubigen Christen einer zuviel ist und ein himmelschreiendes Unrecht darstellt. Das hindert aber den Autoren und seine Leserschaft nicht daran, die Zahlen ins Zentrum der Betrachtung zu rücken. Dabei ist es nicht immer leicht, aus den erhaltenen Angaben ein realistisches Bild zu erhalten. Berühmtestes Beispiel ist die Schlacht an den Thermophylen, bei der laut Herodot einige tausend Hellenen einem persischen Heer von nahezu fünf Millionen gegenüber gestanden haben sollen. Die moderne Öffentlichkeit kennt oft sogar nur noch die angeblich 300 Spartaner.
Bereits der Militärhistoriker Hans Delbrück, welcher Ende des 19. und Anfang des 20 Jh. arbeitete, hat diese Zahlen detailliert und gut nachvollziehbar als Legende entlarvt. Seiner Ansicht nach handelte es sich um ein Heer von maximal ca. 50 000 Mann. Andere gehen von bis zu ca. 250 - 300 000 Mann aus, in jedem Fall aber nur ein Bruchteil der in den Quellen gefundenen Angaben.
So ähnlich verhält es sich auch mit Bevölkerungsschätzungen, wie aktuelle Beispiele zeigen. Die Erhebung von 2011 um die Einwohner Deutschlands zu erfassen stellte fest, dass die angenommen Zahlen zu hoch angesetzt waren. Es waren 1,3 Millionen Menschen weniger da als vorher angenommen. Dafür überraschte man uns im Januar mit der Meldung, dass 500 000 Türken mehr in Deutschland leben, als bisher angenommen. Zwar kam diese Zahl durch eine Änderung in den Normen der Statistik zustande, an der Änderung der Zahlen ändert dies jedoch nichts. So sind Zahlen etwa über die Opfer christlicher Verfolgung der amerikanischen Ureinwohner (der durch Deschner noch immer beibehaltene Begriff "Indianer" spricht nicht unbedingt von Wertschätzung) höchst skeptisch zu betrachten. Die Demographie der amerikanischen Bevölkerung beruht im wesentlichen auf Schätzungen, die größten Verluste unter ihnen sind durch unbewusst eingeschleppte Krankheiten entstanden. Gänge Methode, auch bei Deschner, ist es, die Verluste der geschätzten Bevölkerung einzuteilen in durch Krankheit verursacht und Folge der Kolonisierung / christlichen Verfolgung. Das dies inkonsequent und subjektiv gedacht ist, zeigt beispielhaft die Geschichte der Mi'kmaq. Diese hatten gegen den Willen der mit ihnen handelnden Europäer acht Jahre lang Krieg mit ihrem benachbarten Volk geführt. Im Anschluss an ihren Sieg wurden sie von Seuchen heimgesucht, am Ende der ersten Seuchenwellen lebten nur noch weit weniger als die Hälfte von ihnen. Das alles, ohne das ein Christ die Hand erhoben hätte.
Auf der Gegenseite steht bspw. die Geschichte der Azteken, deren Reich durch die Gewalt der Conquistadores einstürzte. Hier sind die Verluste der Bevölkerung durch Krankheiten prozentual gesehen nicht so hoch wie bei den vorher geschilderten Ereignissen, aber noch immer weit über die Hälfte der Gesamtbevölkerung starben daran. Aber auch hier ist es zu kurz gegriffen, sämtliche Verluste einfach den Spaniern bzw. den Christen anzulasten. Die Blumenkriege der Azteken zeitigten Folgen, an denen Europäer keine bewusste Beteiligung hatten. Es ist schwer hier ein auch nur annähernd klares Ergebnis zu erhalten. Noch komplexer wird es, wenn man die Ergebnisse etwa von Felix Hinz und seiner 2005 erschienen Arbeit über Identitätsneubildungen in der Region einbindet.

Konkrete Zahlen auf der Basis von Schätzungen, die nicht annähernd alle Faktoren berücksichtigen und einseitige Schuldzuweisungen als Basis nutzen sind also nichts als bloße Polemik. Sie dienen der Anklage, halten aber keiner seriösen Forschung stand. Der berechtigten Klage über die Verluste an Menschen durch die Hand von Christen ist damit nicht gedient, die Aufarbeitung nicht gefördert. Eher ist es Grundlage zu neuem Zwist, möglicherweise sogar Schlimmeren.

Verehrung

Deschner erfährt unter vielen seiner Leser eine geradezu stilisierende Verehrung. Ich persönlich nehme an, dies hat mit dem Thema und seiner persönlichen Haltung dazu zu tun. "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" lautet wohl das passende Sprichwort dazu, um die Ausgangsbasis zu schaffen. Ein übriges hat Deschner selbst, oft unter Beihilfe verschiedenester Personen des Medienbetriebes, dazu beigetragen. Er stilisiert sich und seine Werke als "bis heute unwiderlegt", und das nicht erst seit seiner "Kriminalgeschichte".
Bereits im Vorwort zur zweiten und dritten Auflage seines Buches "Abermals krähte der Hahn" welches ursprünglich 1962 erschien schrieb er über sich bzw. sein Werk:

Da bisher an meiner Darstellung nichts widerlegt worden ist, ist
auch nichts zu ändern.
Andere Autoren haben dies in den letzten Jahren und Jahrzehnten als dreiste Lüge entlarvt, was jedoch weder in Rezensionen seines Werkes noch bei denjenigen verfing, die sich für ihn begeistern konnten.
Für seine Kriminalgeschichte baute er dies sogar noch aus. Das gesammelte Feedback auf seiner Seite klingt anerkennend, lobend wenn nicht gar jubelnd. Hinter manchem dieser Zitaten steckt eigentlich eine kritische Beurteilung. Deren Verfassern wird dann das Geschriebene aufgrund der Anerkennung der Wirkung Deschners und des Umfanges seiner Arbeit, selektiv zitiert, als Zustimmung ausgelegt. Das diese Anerkennung noch keine Beurteilung des Inhaltes ist bleibt außen vor.
Natürlich ist dies ad hoc kaum zu widerlegen, entbehren die angeführten Zitate einer, heute ja durchaus üblichen, Verlinkung auf die entsprechenden Texte im Internet oder die in wissenschaftlichen Kreisen eigentlich üblichen Quellenangaben (bspw. "Tolles Buch." Max Muster, Rezension "Demagogischer Unsinn als Fakten verkauft", Eifler Käfigbodenzeitung, 31.12.2099).
So bleibt es dem Leser bspw. bei der Diakonie Bayern nachzufragen, ob sie wirklich Deschners Werk kritiklos gut und wissenschaftlich fundiert finden.
Im Internet findet sich andererseits auch einige gute Beispiele für die Verehrung Deschners und die mangelnde Kritikbereitschaft. In einem davon, mittlerweile acht Jahre alt, breitet ein anonym bleibender Schreiber nicht nur exakt das Thema der Verehrung breit aus, sondern schildert auch einen der Fehler Deschners. Dieser hatte in dem Werk, welches das oben zitierte Wort der nicht erfolgten Widerlegung zierte, die Behauptung gefunden, dass 9 Millionen Hexen durch den Heiligen Stuhl umgekommen seien. Er widerlegt knapp aber stringent diese Behauptung und damit das Vorwort.
In der anschließenden Diskussion wird dies aber nicht anerkannt, vielmehr werden einfach weitere Anschuldigungen erhoben, die Unfehlbarkeit Deschners auf das "Gesamtwerk" bezogen etc. Die Diskussion entgleist schnell ins emotionale, wobei Christen und insbesondere Katholiken jede Kompetenz abgesprochen wird und selbst die unhaltbarsten Legenden wieder nach oben geholt werden, um dies zu untermauern.



Diffamierung


Zum Mittel der eigenen Legendenbildung bedienen sich sowohl Deschner als auch seine Anhänger wie oben gezeigt gerne des Mittels der Verleumdung und Verallgemeinerung, während sie genau dies beklagen.  Bestes Beispiel hierfür ist der Umgang mit der Tagung in Schwerte, die zur fachlichen Diskussion über seine Reihe einberufen worden war. Die dortigen Sprecher werden in Diskussion und Rezensionen reduziert auf ihren Glauben und ihre Konfession, bestenfalls, wie in der Besprechung durch Hermann Josef Schmid, wird nach der Betonung ihrer (vermeintlichen) theologischen Heimat noch ihr Titel genannt, nicht ohne die ein oder andere süffisante Bemerkung dazu zu reichen.
Andererseits signalisieren Tagungsort, Tagungsdauer und illustrer Teilnehmerkreis - 20 Professoren, überwiegend katholische Theologen (vornehmlich Professoren der Kirchengeschichte oder Alten Kirchengeschichte und Patrologie), ein Privatdozent, ein Arzt und Karlheinz Deschners Lektor und Freund Hermann Gieselbusch - ebenso wie die Vorlage der Referate durch den bekanntesten katholischen Wissenschaftsverlag, daß es sich bei dem dreitägigen Deschner-Symposium in der Katholischen Akademie um eine für katholisches Forschungs- und Argumentationsniveau repräsentative Veranstaltung und bei dem hinsichtlich seines Argumentationsniveaus nun zu überprüfenden Sammelband um ein in mancherlei Hinsicht aufschlußreiches Dokument handelt, dessen Thesen nicht nur in den zahlreichen, vielfältigen und auflagestarken katholischen Presseorganen, sondern dank des immensen Einflusses der Katholischen Kirche in den Entscheidungsgremien der öffentlich-rechtlichen Medien künftig eine nicht geringe Rolle spielen dürften. So verdient das Argumentationsniveau dieses Bandes Beachtung auch seitens derer, die nicht vorweg zur katholischen Klientel zählen, sondern sich der Lektüre aus Sachinteresse oder aus weltanschauungskritischen Gründen zuwenden.
Sehen wir einmal, welche "illustren" Teilnehmer wirklich dabei waren. Allen voran zu nennen ist m.E. Prof. em. M. Radnoti-Alföldi. Sie ist weder Theologin noch Kirchengeschichtlerin (in irgendeiner Epoche). Ihr Hauptwerk gehört in den Bereich der "Antiken Numismatik", einer sogenannten Hilfswissenschaft der Alten Geschichte. Ich denke nicht zu übertreiben, wenn ich sie als eine der wichtigsten Persönlichkeiten in diesem Bereich tituliere. In jedem Falle aber hatte sie einen Lehrstuhl der Alten Geschichte inne bis sie 1992 emeritiert wurde, reiht sich also ein in die Gruppe der Professoren. Im Jahr der Schwerte-Tagung, 1992, erhielt sie das Bundesverdienstkreuz.
Ebenso für mich von Bedeutung, es liegt wohl an meiner eigenen Fachrichtung, ist der mittlerweile verstorbene Prof. Richard Klein. Er gehörte ebenfalls zu den Althistorikern, erarbeite Bibliographien von Marcus Aurelius und Iulianus Apostata und gab schließlich die in Historikerkreisen renomierte Fachzeitschrift "Gymnasium" mit heraus.
Dann der leider ebenfalls verstorbene Professor für Strafrecht & Kriminologie, dazu später Rektor und Präsident der Universität Augsburg,Wilfried Bottke. Auch er Professor, auch er kein Theologe.
Prof. em. Günter Stemberger als (katholischen) Theologen oder Kirchentheologen zu bezeichnen würde seine Karriere und wissenschaftliche Reputation stark verkürzen. Zwar hat er auch Theologie studiert, seine Arbeit und Anerkennung liegt allerdings im Bereich der Judaistik. Also ein Fachmann der Religion aber eben auch der Kultur und Geschichte der Juden.
Und die Ausnahmen zur Regel scheint Prof. Wolfgang Speyer zu machen. Dieser hat zwar in der Tat auch Theologie studiert, zu diesem Zeitpunkt hatte er jedoch bereits ein Studium der klassischen Philologie, der Alten Geschichte sowie der Philosophie abgeschlossen und arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich der, na wo sonst, Alten Geschichte. Geforscht hat er vor allem in Sachen frühes Christentum und gilt in diesem Bereich ebenso wie Prof. Klein als Koryphäe.

Will man diesen Autoren also eine Parteilichkeit anhand ihrer Berufswahl anhängen, so ist dies in meinen Augen Verleumdung im Versuch, die Bedeutung ihrer Forschung zu schmälern oder ganz zu negieren.
Aber auch das von Schmid scheinbar als Stigma benutzte Studium der Theologie lässt keine Unfähigkeit zur Differenzierung voraussetzen. Sieht man sich die Veröffentlichungen der Theologen die an der Tagung teilnahmen an, so finde ich keine Negierung oder Relativierung der Verbrechen die durch oder im Namen  der Kirche und der Glaubensgemeinschaft verübt wurden. Auch diese Menschen daher wegen ihres Berufes und ihrer Ausbildung als befangen zu erklären dient nur einem Zweck. Schmid geht jedoch weiter. Er bringt die Sprache in I.4. auf den Antimodernisteneid und behauptet:
Der Inhalt des noch bis ins Jahr 1967 obligatorischen und von katholischen Klerikern (bis etwa zum Geburtsjahrgang 1942) abgelegten Eids ist in unserem Zusammenhang vor allem deshalb bemerkenswert, weil er von nahezu allen am Schwerter Deschner-Symposion beteiligten katholischen Theologen abgelegt wurde und nicht nur im Blick auf die Entwicklung ihrer geistigen Unabhängigkeit von nicht geringer Bedeutung gewesen sein dürfte
 Schmid unterstellt also, dass alle Theologen, die zu Zeiten der Wirksamkeit des Eides aufgewachsen sind und studiert hatten keine geistige Unabhängigkeit, also keinen kritischen, selbstständigen Geist und Verstand entwickeln konnten. Das ist nicht nur eine ungeheure Herabwürdigung jeder einzelnen Person die in dieser Zeit katholische Theologie studierte, sondern macht aus dem Studium durch diesen Eid in anderen Worten eine Indoktrination, vergleichbar höchstens noch mit den Kaderschulen des Dritten Reiches und der Sowjetunion. Und unter diesem Blickwinkel müsste in der Konsequenz der bspw. in den genannten Staaten Studierte danach völlig unfähig sein, Kritik an dem jeweiligen System zu üben. Die Vielzahl an system- oder diktatorenkritischen Publikationen aber eben solcher Autoren ist ein Indiz für die Unwahrheit dieser Unterstellung, ebenso wie die hohe Zahl an Studenten der katholischen Theologie, deren Arbeiten oder Lebenswerke Kritik enthalten oder Distanz zur Kirche entwickeln.
Im Text geht es weiter mit der völligen Absprache von angeblich notwendiger Unparteilichkeit und Kompetenz. Zum Thema der Unparteilichkeit muss Deschner selbst das Wort erteilt werden:
„Ich schreibe aus Feindschaft. Denn die Geschichte derer, die ich beschreibe, hat mich zu ihrem Feind gemacht“, begründet Deschner sein Schreiben.
  

Qualifikation, Theologiestudium und Konfessionsabstammung


Das nächste Paradoxon an dieser Argumentation, so man sie so nennen will, ist die mangelnde Qualifikation durch ein verderbendes oder falsches Studium, wie es bspw. in Punkt eins der Betrachtungen ausgeführt wird. Blickt man nämlich auf den hier ja eigentlich besprochenen Autor, so entdeckt man: auch dieser Mann hat "nur" ein Theologiestudium. Seine Qualifikation zur historischen Arbeit ist somit aus fachlicher Sicht gering. Das Handwerkzeug der Historiker hat er nicht kennen oder nutzen gelernt, außern in den Auszügen, in denen es im Studium der Theologie angesprochen wird.
Dieser Makel ist wohl auch den Anhängern Deschners bewusst, steht doch im Wikipedia-Artikel über den Autoren:
"Er hörte unter anderem Vorlesungen über Literaturwissenschaft, Rechtswissenschaften, Philosophie, Theologie und Geschichte."  (Stand Februar/März 2013)
Ich bitte bspw. oben genannte Professoren bei selbigem, von der "communitiy" geschrieben Lexikon nachzuschlagen und zu erfassen, wie viele andere Akademiker die Liste der Bereiche, aus denen sie jemals Vorlesungen gehört haben aufgeführt haben. 
Ich für meinen Teil habe im Laufe meiner Studienzeit Vorlesungen und Seminare aus mindestens 8 anderen Fachbereichen außer denen meines Studiums gehört. Dies qualifiziert mich jedoch in keinem dieser Bereiche zu irgendetwas. Um genau zu sein, wenigstens drei davon gehörten zu den Naturwissenschaften, ein Bereich in dem ich mich nicht ohne gewisse Verlegenheit als völligen Versager bezeichnen muss.

Bezeichnend auch die permanente Betonung der Konfession oder der Nähe zu dieser Konfession. Es scheint dort Allgemeinwissen zu sein, dass ein Mensch katholischen Glaubens oder mit Sympathien zu dieser Konfession nicht in der Lage sei, historische Ereignisse und Zusammenhänge nicht erkennen kann oder sie reflexhaft versucht zu verschleiern. Er muss sich demzufolge zwangsläufig gegen Deschner stellen und damit gegen den scheinbar Einzigen, der in der Lage war, die Wahrheit zu ergründen und zu verkünden, obwohl er doch aus katholischem Umfeld stammte.
Diese Sicht erscheint mir zynisch, ist sie nichts anderes als die Behauptung, Deschner sei ein Übermensch über den sonst von Natur aus verderbten Katholiken. Eine Vorverurteilung die Deschner andersherum als ein Elend beschreibt.
Und noch ein Hinweis muss an dieser Stelle sein. Unter Deschners Quellen und Literaturverweisen finden sich in herausragendem Verhältnis solche, die von Katholiken verfasst wurden. Dies widerspricht der Haltung, Katholiken würden verheimlichen und entstellen zumindest grundlegend.

Schlussendlich wenden wir die Methode Schmids einmal als Gegenprobe bei seiner eigenen Person an. In seinem Text wird er vorgestellt:

Hermann Josef Schmid, Dr. phil., geb. 1939 in Köln; 1964-66 Bundesvorsitzender der Humanistischen Studenten-Union (HSU); 1968 Promotion in Philosophie an der Universität Freiburg; seit 1969 an der Pädagogischen Hochschule Ruhr; 1976 Habilitation; seit 1980 Professor für Philosophie an der Universität Dortmund; Arbeit an der Revision entwicklungsblinder und weltanschaulich verseuchter Nietzsche-Interpretation; Hauptwerk: Nietzsche absconditus oder Spurenlesen bei Nietzsche. Beiratsmitglied des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) e. V.

Mir persönlich sticht dabei ein Wort ins Auge: verseucht. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, verehrter Leser, aber bei mir löst solche Wortwahl unwillkürlich Assoziationen aus. Wenn die Sprache anfängt, bei Biologie bzw. Medizin Vergleiche zu Krankenheiten zu ziehen wenn es um Menschen und ihr Werk geht kann ich nur annehmen, dass tiefste Verachtung die Ausgangsbasis ist.
Dazu kommt das Betätigungsfeld. Nicht nur, dass Nietzsche scheinbar den Kern wenn nicht sogar den Lebensinhalt des Prof. Schmid darstellt, er ist zudem eine der Führungspersönlichkeiten des Bundes der Konfessionslosen und Atheisten. Deren Veröffentlichungen sind gekennzeichnet von vehementen Angriffen auf christliche, vor allem aber katholische Institutionen und Personen sowie Glaubensinhalte, dies bereits seit Jahrzehnten. Diese Grundeinstellung behindert natürlich eine unvoreingenomme Bewertung der Vortragenden und Inhalte der Schwerter Tagung.

Bis auf den ersten Absatz bitte ich dies nicht ernst zu nehmen, es dient nur, stark verkürzt, zur Spiegelung.

Im Fazit erscheint mir hier, dass eine Ideologie, die zudem aus Abneigung, Feindschaft und offenem Hass geboren ist, hier eine Person und sein Werk aufwerten, während es das Objekt und die Menschen die es betrachtet bereits im Vorfeld verurteilt hat. Und genau dies wird dann wiederum den Christen, dem Christentum und seinen Institutionen vorgeworfen.



Der Text wurde nicht korrektur gelesen, Fehler (von denen es vermutlich reichlich gibt) ruhig melden, ich korrigiere sie dankbar.
Die letzte Fortsetzung folgt in einigem zeitlichen Abstand, da ich hierbei direkt auf einige Textstellen eingehen werde, bis auf die theologische Fakultät aber keines der Institute in meiner Reichweite die Reihe vorliegen hat.

10 Kommentare:

  1. Wieder einmal ein herzliches "Danke schön!" für diese wertvolle Arbeit! Ein Tippfehler ist mir aufgefallen: "noch bei denjenigen verfing, dich [die] sich für ihn begeistern".

    LG, JoBo

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    1. Meinen ergebensten Dank für den Hinweis und die Fehlersuche allgemein.
      Die Rezension selbst ist mir ein Herzensanliegen, daher ein "sehr gerne".
      Beste Grüße
      T.S.

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  2. Sehr schöne Analyse und ich freue mich schon auf den nächsten Teil!

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    1. Vielen Dank, ich bemühe mich, die Zeit nicht zu lange werden zu lassen.
      Beste Grüße
      T.S.

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  3. Dankeschön! Sehr wichtig, das so fundiert zu unternehmen.

    >> Andere Autoren haben dies in den letzten Jahren und Jahrzehnten als dreiste Lüge entlarvt, was jedoch weder in Rezensionen seines Werkes noch bei denjenigen verfing, die sich für ihn begeistern konnten.<<

    Welche sind das zum Beispiel?

    Viele Grüße
    clamormeus

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    1. Ich bedanke mich meinerseits.
      Zu Zeiten, als Deschner seine zitierte Behauptung der nicht erfolgten Widerlegung brachte, war seine angegebene Zahl der 9 Millionen von der historischen Forschung im Bereich der Hexenverfolgung bereits lange widerlegt. Heute leicht nachlesbar in den Werken von Rummel, Behringer und Voltmer. Fachlich zerlegt wurde die 9 Millionenthese schon lange vor Deschner, etwa von Johannes Moser (1894) oder Siegmund Riezler (1896).
      Die genannten Teiln. der Schwerte-Tagung weisen auf diverse Fehler ebenso hin wie bspw. 2007 A. Angenendt.
      Beste Grüße
      T.S.

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    2. Den Angenendt (2007) kann ich nur wärmstens empfehlen, auch als Überblicksarbeit (er zitiert neben Quellen auch sehr viel Sekundärliteratur). Eine Rezension: http://jobo72.wordpress.com/2013/01/24/kirchengeschichte-neuester-stand/

      LG, JoBo

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    3. Danke für die Empfehlungen!

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  4. Danke für diese Deschner-Untersuchung! Sehr hilfreich!

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    1. Sehr gerne, ich hoffe etwas zu einem faktenbasierten Diskurs beizutragen.
      Beste Grüße
      T.S.

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