Freitag, 5. Februar 2016

Barbara Vinkens "milchweiße, deutsche Frauen"

Ich dachte, ich höre nicht richtig. Und das, obwohl ich genau wegen dieser Stelle einem Link folgte, der mich zu einem Interview im Deutschlandfunk führte.
Ab Sekunde 40 in diesem Audiobeitrag ergeht sich Barbara Vinken, ihres Zeichens Professor_inX für Literaturwissenschaft in München (und somit bar jeden Bezuges oder fachlichen Wissens rund um das Thema Karneval, Köln oder Vergewaltigung und Migration), in Behaupten, Definitionen und einer offen und unkritisierten Unterstellungsarie, die in meinen Augen zum sofortigen Debattenwechsel führen müssen.

Nicht als das es tatsächlich zu mehr Gewalt oder zu 'ner anderen Form von Gewalt gegen Frauen kam und die schon gar nicht von Flüchtlingen ausging sondern eigentlich von Leuten die schon länger in Deutschland leben. Zum anderen aber deswegen weil dieses Szenario unsere deutschen,  milchweißen Frauen fremde, dunkle Männer, also im Prinzip ein Szenario eine Angstphantasie bei allen Staatsgründungen eingesetzt wird und auch mitschwingt und auch immer wenn es darum geht sich gegen das Fremde abzusetzen. Und insofern würde ich sagen hat sie Deutschland verändert als hier ein sehr fremdenfeindliches und sehr patriarchales Szenario wiederbelebt worden ist.

Vinken widerspricht hier sämtlichen Fakten - ohne dass ihr dies vorgehalten wird. Sie konstruiert, quasi ex cathedra, ihre eigene Realität und Version der Vorgänge.
Es wäre nicht zu einer anderen Form oder "mehr" an Gewalt gekommen. Als ich zuletzt nachsah waren weit über 700 Anzeigen zu den Vorfällen am Bahnhofsvorplatz eingangen - mittlerweile dürften es noch mal viel mehr gewesen sein.
Wann in der Geschichte des Kölner Silvesterfestes hat es das bereits gegeben, dass dies nicht mehr sein soll?
Der Vorfall fand vor den Augen der Polizei, des WDR, vor vielen Zeugen statt und war nichts anderes als ein Mob von dutzenden oder hunderten von Tätern, die über hunderte von Opfern herfielen - wann außer im Krieg fand soetwas jemals statt? Wann in der Geschichte der BRD hat es diese Form schon gegeben?

"schon gar nicht von Flüchtlingen ausging" usw. Nicht nur, dass sie an dieser Stelle erneut eine Zweiklassengesellschaft unter Flüchtlingen aufmacht (also Leute, die Asyl vor Sommer 2015 gestellt haben, sind keine Flüchtlinge, nur die danach) und zum anderen widersprechen die Ermittlungsergebnisse dem völlig. Es SIND Menschen aus der Einwanderungswelle der letzten Monate festgenommen und / oder identifiziert worden und Diebesgut, sprich Handys, wurden in Flüchtlingsunterkünften geortet oder sichergestellt.

Was dann aber fällt ist eine maßlose, hassgeifernde Unterstellung. Nicht mal Rechtsradikale und wirkliche Fremdenfeinde hat die überwältigende Mehrheit der Empörten nicht ein einziges Mal behauptet, ausschließlich "arische Mädels" - und diesen Terminus meidet Vinken mit ihrer "milchweißen" Umschreibung gerade so, seien Opfer. Mancher sprach von "deutschen Frauen" - wie man dies interpretieren mag bleibt jedem selbst überlassen, aber ich wette, nur die Extremsten hatten dabei "milchweiße Blondinnen" im Kopf, während ich wohlmeinend den Meisten folgendes Unterstelle: angesichts der "Diversität" die in Köln herrscht, bin ich mir sicher, dass auch Frauen mit Migrationshintergrund zum Opfer wurden und auch kopftuchtragende deutsch-Türkinnen nicht verschont worden wären oder sind.
Vinken konstruiert hier einen Rassismus bei denjenigen, die sie anklagt, während sie den realen Opfern in ihren Schilderungen wie den Polizeiberichten widerspricht.
Es handele sich bei den Vorfall um einen Mythos, ein Szenario, eine Angstphantasie. Nichts Reales. Nichts passiert, gehen sie weiter!
Hier sind nur Fremdenfeinde und misogyne (also frauenhassende) Machos am Werk, welche die Vorherrschaft der Männer sichern wollen.

Wer das Gespräch bis hierhin verfolgen konnte, ohne vor Zorn rot zu werden, dem gratuliere ich über die Selbstbeherrschung. Als Verfechter gesitteter Debattenkultur steht es mir schlecht an, aber ich glaube, ich hätte an dieser Stelle die Beherrschung verloren.

Leider ging es weiter:


Frage der Interviewerin: Würden sie denn sagen, diese Debatte wird zu Unrecht geführt?

Ja! Ich würde nicht sagen, dass die Debatte zu Unrecht geführt worden ist, aber ich würde  sagen die Art wie sie geführt worden ist ruht eben auf diesem Mythos der Vergewaltigung am Anfang von Republiken. Ruht auf dem Mythos, dass ein Land um geinigt zu werden den fremden Mann braucht der auf die einheimischen Frauen übergreift. Insofern ja fnde ich die Debatte extrem unglücklich extrem fremdenfeindlch extrem unbarmherzig und wie ich letzten Endes finde auch extrem misogyn  geführt worden.
Diskussionsverbote und Denkvorschriften. Die Literaturwissenschaftlerin als 1984-Umsetzerin...
Unbarmherzig ist diese "Frau" selbst, wie misogyn. Der Vorfall wird von ihr negiert um dann als Aufhänger ihrer Staatstheorie instrumentalisiert zu werden und gleich noch gegen alle "Nichtflüchtlingsmänner" auszuteilen.


Nach einem Beispiel für solch einen Mythos gefragt führt sie die Sabinerinnen an.
Wer den Mythos nicht kennt, hier zum nachlesen (jeweils unter den lateinischen Textabschnitten die deutsche Übersetzung).
Wer sich auch nur ein kleines bißchen auskennt in Sachen römischer Mythologie wird hier die Haare raufen.
1. ist zugleich das Lächerliche, das Entlarvende an der Theorie, welches bei einem Verteidigungsgespräch unweigerlich zur Sprache käme. Die Raubenden (und, wir unterstellen trotz einer leicht anderen Sichtweise des überliefernden Livius, Vergewaltiger) in diesem Szenario sind nicht die Fremden. Es sind die Eigenen. Der Mythos stammt , wie verlinkt, von den Römern selbst und handelt über ihre Gründungsväter, die als Flüchtlinge ankommen und dann zu Tätern werden. Somit passt er nicht im Kleinsten bißchen zu dem "das Fremde abgrenzen um das eigene zu definieren" und schon gar nicht passt er zum Fremdenhass. Denn:

2. Die Sabinerinnen werden geraubt - nicht "nur" vergewaltigt. Hier geht es eben nicht um Ausgrenzung sondern um Integration. Romulus hält an sie gewandt eine Rede, in der dies klar gestellt wird und ihnen Ängste und Trauer genommen werden soll (aus realistischer Sicht natürlich verklärter Unsinn):
die Frauen würden dennoch in der Gemeinschaft aller Güter und der Stadtzugehörigkeit und dessen, was das Teuerste für das Menschengeschlecht sei, der Kinder, verheiratet:
in societate fortunarum omnium civitatisque et quo nihil carius humano generi sit liberum fore
die Frauen würden dennoch in der Gemeinschaft aller Güter und der Stadtzugehörigkeit und dessen, was das Teuerste für das Menschengeschlecht sei, der Kinder, verheiratet
So schwer verständlich und nach unserer Ethik und Moral falsch dieses Verhalten war - die Frauen wurden geraubt - heute würde man sagen entführt, damit sie Teil der römischen Gesellschaft würden und damit diese eine Zukunft hätte. Es ging um Eheschließungen, nicht um Bereicherung und erzwungenen Geschlechtsverkehr. Wäre es den Römern darum gegangen wären Plünderungen und Versklavungen ihr Weg gewesen (den sie durchaus ebenfalls zu gehen bereit waren und gingen).


3. Die Abgrenzung wird in diesem Mythos sogar aufgelöst. Die Römer wurden vorher ausgegrenzt - hinterher vereinigten sie sich mit den umliegenden Gemeinden, bis "die sieben Hügel" von Rom bedeckt waren. Wer sich mit den Theorien rund um das frühe Rom auseinandersetzt, stößt auch auf die Vermutung, dass "die Fremden" in Form der Etrusker die Dörfer der Hügellandschaft eroberten und aus dieser Herrschaft die mythologisch umrissene Königszeit inklusive des etruskischen Königs Lars Porsenna hervorging. Und selbst dieser Mythos ist enorm ambivalent - er grenzt nicht nur aus, er schließt auch ein.

An dieser Stelle kann man Der Professorin nur zurufen: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Wer in der Geschichte wildert, sollte wenigstens grundlegendes Wissen besitzen.

Aber sie macht weiter. Als bekannter nimmt sie die "Hermannsschlacht" von Kleist an. Und zeigt, dass sie nicht nur auf historischem Feld mehr projeziert als interpretiert und einfach Dinge ignoriert, die ihr nicht ins Bild passen.
Angefangen mit der Behauptung, dieses Werk sei hierzulande wohl bekannter als der Raub der Sabinerinnen. Ich bin mir keineswegs sicher was den Bekanntheitsgrad beider Werke angeht - aber selbst die Akademiker aus meinem Umfeld haben kaum Kleist gelesen noch kennen sie den Inhalt. Das solch ein Eindruck bei ihr entstehen konnte ist für mich ein Beweis für Betriebsblindheit. Wer sich tief in sein Arbeitsumfeld vertieft, bekommt einen verschobenen Blick auf die Außenwelt. Andersherum könnte ich bspw. anführen, dass besagte Akademiker meines Umfeldes bis auf wenige Ausnahmen den Raub der Sabinerinnen kennen, Autor und etwaige Entstehungszeit benennen können - was auch kein Wunder ist, sind die meisten von ihnen entweder Historiker, Archäologen oder der Stadt Rom in der ein oder anderen Weise verbunden... eine Aussage über den allgemeinen Verbreitungsgrad kann man davon nicht ableiten.
In meinem gesamten Umfeld aber sind beide Geschichten eher unbekannt - mit einer Tendenz zu den Sabinerinnen, was ich allerdings eher auf meine Freundeswahl zurückführe, als auf die Verbreitung.

Vinken spricht auch bei Kleists Werk von inszenierter Vergewaltigung und nutzt dies als Beispiel für "Abgrenzung durch den fremden, dunklen Mann". Das auch Kleist bereits die germanischen Stämme unter Marbod und Arminius (also Hermann) historisch durchaus korrekt als sich eher Fremde darstellt, die nicht als eine "Volkseinheit" existieren lässt sie unter den Tisch fallen.
Ebenso die gegenseitigen Intrigen zwischen den germanischen Anführern und Varus, die sich gegenseitig zu übervorteilen suchen und eigentlich Feinde sind. Es geht um Herrschaft - nicht um Volksbildung.
Und schließlich den Vorwurf der inszenierten Vergewaltigung. Da scheint die Literaturwissenschaftlerin den Kern überlesen zu haben. Denn nicht nur dringen römische Truppen gegen die germanischen Dörfer vor und verbreiten dabei sehr wohl Gewalt und Vergewaltigung (wie gesagt gehörte dies damals zum Krieg und ist auch zu Kleists und zu unseren Zeiten nicht verschwunden) - etwas, das unvermeidlich im Raum stand und nur eine Frage der Zeit war - auch der Raub der Locke der Thusnelda durch einen römischen Offizier, der sie verehrte und mehrfach bedrängte wird von ihr offensichtlich nicht als der schwerwiegende Übergriff verstanden, der er für Kleist und sein Verständnis der Vergangenheit war begriffen.
Auch hier der Text zum nachlesen.
Im siebten Auftritt raubt Ventidius, der römische Offizier eine Locke gegen den Willen von Thusnelda.
Ventidius
. Nichts, nichts, als diese Locke!
Doch selbst der Tod nicht trennt mich mehr von ihr.
Er beugt ehrfurchtsvoll ein Knie vor ihr und geht ab.
Thusnelda
steht auf
. Ventidius Carbo, du beleidigst mich! –
Gib sie mir her, sag ich! – Ventidius Carbo!
Ein Vorfall, der nicht inszeniert ist, von Thusnelda als Übergriff und schwere Beleidigung empfunden, von ihrem Mann aber leicht genommen und ausgenutzt wird.
Hermann
. Was wollt er dir, mein Herzchen, sag mir an?
Thusnelda
. Er kam und bat, mit einer Leidenschaft,
Die wirklich alle Schranken niederwarf,
Gestreckt auf Knieen, wie ein Glücklicher,
Um eine Locke mich –
Hermann
. Du gabst sie ihm –?
Thusnelda
. Ich –? ihm die Locke geben!
Hermann
. Was! Nicht? Nicht?
Thusnelda
. Ich weigerte die Locke ihm. Ich sagte,
Ihn hätte Wahnsinn, Schwärmerei ergriffen,
Erinnert ihn, an welchem Platz er wäre –
Hermann
. Da kam er her und schnitt die Locke ab –?
Thusnelda
. Ja, in der Tat! Es scheint, du denkst, ich scherze.
Inzwischen ich auf jenem Sessel mir
Ein Lied zur Zither sang, löst er,
Mit welchem Werkzeug weiß ich nicht, bis jetzt,
Mir eine Locke heimlich von der Scheitel,
Und gleich, als hätt er sie, der Törichte,
Von meiner Gunst davongetragen,
Drückt' er sie, glühend vor Entzücken, an die Lippen,
Und ging, mit Schritten des Triumphes,
Als du erschienst, mit seiner Beut hinweg.
Hermann
mit Humor.
Ei, Thuschen, was! So sind wir glückliche
Geschöpfe ja, so wahr ich lebe,
Daß er die andern dir gelassen hat.
Thusnelda
. Wie? Was? Wir wären glücklich –?
Hermann
. Ja, beim Himmel!
Käm er daher, mit seinen Leuten,
Die Scheitel ratzenkahl dir abzuscheren:
Ein Schelm, mein Herzchen, will ich sein,
Wenn ich die Macht besitz, es ihm zu wehren.
Thusnelda
zuckt die Achseln.
– Ich weiß nicht, was ich von dir denken soll.
Hermann
. Bei Gott, ich auch nicht. Varus rückt
Mit den Kohorten morgen bei mir ein. –
Thusnelda
streng.
Armin, du hörst, ich wiederhol es dir,
Wenn irgend dir dein Weib was wert ist,
So nötigst du mich nicht, das Herz des Jünglings ferner
 Mit falschen Zärtlichkeiten, zu entflammen.
Bekämpf ihn, wenn du willst, mit Waffen des Betrugs,
Da, wo er mit Betrug dich angreift;
Doch hier, wo, gänzlich unbesonnen,
Sein junges Herz sich dir entfaltet,
Hier wünsch ich lebhaft, muß ich dir gestehn,
Daß du auf offne Weise ihm begegnest.
Sag ihm, mit einem Wort, bestimmt doch ungehässig,
Daß seine kaiserliche Sendung
An dich, und nicht an deine Gattin sei gerichtet.
 Wie schwer dies für Thusnelda wiegt erkennt man an der Rache, welche sie im 15. bis 17. Auftritt nimmt. Sie lockt den Römer mit dem Versprechen seinem Werben nachzugeben in eine Falle - genauer gesagt in einem Raum mit einer hungrigen Bärin, dessen Tür sie hinter ihm verschließt.

Wir haben also plündernde und marodierende römische Truppen, deren Taten von Hermann lediglich übertrieben werden, um die Empörung noch stärker als ohnehin zu erwarten zu treiben. Bereits im zweiten Auftritt.

Drei Hauptleute treten eilig
nach einander auf. Die Vorigen.
Der erste Hauptmann
indem er auftritt.
Mein Fürst, die ungeheueren
Unordnungen, die sich dies Römerheer erlaubt,
Beim Himmel! übersteigen allen Glauben.
Drei deiner blühndsten Plätze sind geplündert,
Entflohn die Horden, alle Hütten und Gezelte –
Die unerhörte Tat! – den Flammen preisgegeben!
Hermann
heimlich und freudig.
Geh, geh, Siegrest! Spreng aus, es wären sieben!
Damit haben wir reale Fälle. Der Kampf der Cherusker gegen Sueben wird nur am Rande thematisiert. Und zuletzt der "gut gemeinte" Übergriff auf Thusnelda.
Viel ist in diesem Theaterstück inszeniert - das liegt in der Sache selbst, aber auch in dem für damalige Dramen nicht untypischen Ränkespiel um Macht und Einfluß. Am Ende wird Hermann bei Kleist "König der Germanen" und dies war das erste Ziel - das zweite wird am Ende genannt. Hermann will Rom erobern. Die "fremden Sueber" schließen sich mit den eigenen Cheruskern zusammen, die "fremden Römer", welche, wie Vinken vergisst zu erwähnen, nunmal die gewaltsamen Invasoren sind, werden zurückgeschlagen.

Also auch hier ein so unwürdiger und unpassender Vergleich auf jeder Ebene, dass meine Zähne sich aufrollen und meine Fußnägel knirschen...


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