Los geht es schon in der Zwischenüberschrift.
Ein Amateurvideo zeigt eine Handgreiflichkeit zwischen jungen Migranten und älteren Fahrgästen in einer Münchner U-Bahn.
Handgreiflichtkeiten zwischen... ahja. Da habe ich wohl ein anderes Video gesehen... denn von "zwischen" kann keine Rede sein. Auch ist die Bezeichnung "Handgreiflichkeit" ähnlich wie "Gerangel" an dieser Stelle unpassend. Denn nicht nur gehen hier keine zwei Kontrahenten aufeinander los, sondern jemand wird angegriffen, es handelt sich auch noch um eine Gruppe von Tätern - mehrere gegen einen.
Und natürlich handelt es sich um ein "Handyvideo". Denn das Wort soll ja kenntlich machen, dass hier jemand mit einer improvisierten Kamera privat Aufnahmen machte, und es sich weder um eine Sicherheitskamera noch um einen professionellen Film handelt. "Amateurvideo" wäre das treffende Wort, wenn wir annehmen müssten, dass sich möglicherweise Profis am Werk befanden - aber wie Eingangs erwähnt, will der Autor wohl diese Möglichkeit suggestiv im Raum stehen lassen.
Anders sind die vielen Konjunktive nicht zu erklären.
Inzwischen gibt es erste Erkenntnisse über den Ablauf der Ereignisse. Ein Mann soll einer älteren Frau vor die Füße gespuckt haben, diese stand auf, wollte sich gemeinsam mit ihrem Mann einen anderen Sitzplatz suchen. Der Angreifer soll ihr dabei ans Gesäß gefasst und ein Bein gestellt haben.Wohlgemerkt, die vielen "soll dies und jenes getan haben" stehen einzig im Zusammenhang mit den Tätern - die anderen, also Opfer und Filmer hingegen haben nicht dieses Privileg.
Besonders mies:
Der Mann setzte sich zu einer anderen Frau, wollte Kontakt aufnehmen, strich ihr durchs Haar. Auch sie wehrte ab, heißt es im Polizeibericht.Timo Steppat, der Möchtegern-Autor der diesen Bericht verbrochen hat, outet sich hier als Sexist. Wer "Kontakt aufnehmen" möchte streicht dafür einer völlig fremden jungen Frau in einer "no escape" Situation unmittelbar nach einem Gewaltakt durchs Haar? Falls das wirklich seine Ansicht von Kontaktanbahnung ist, sollte die Polizei vielleicht mal ein ernstes Auge auf ihn werfen.
Ich vermute aber vielmehr, hier wurde sich bemüht zu relativieren und schön zu reden.
Verschiedene Personen griffen in das Geschehen ein und es kam zum Handgemenge, das im Video zu sehen istAuch hier wieder üble Suggestion. Wie man im Video sehr deutlich erkennen kann, sind die "Eingreifenden" den Tätern nicht zu nahe gekommen, sie alle stehen eben nicht in der Nähe von deren Plätzen. Sie müssten also schon sehr lange Arme haben, um hier "einzugreifen". Hingegen gehen die Täter auf ihre Opfer zu und bedrängen sie. Einer macht durch deutliche Signale sogar deutlich "setz dich wieder hin, das geht dich nichts an" - versucht also ein Eingreifen zu verhindern.
Die Mitschuld, die der Autor hier zu konstruieren sucht, gibt es nicht. Es handelt sich hier nicht um eine Aktion, die mit besserer Diplomatie hätte anders ausgehen können. Hier handelt es sich um die vielbeschworene Courage auf die Belästigung von Mitfahrenden, vornehmlich Frauen, und die Reaktion der Täter auf diese gewalt- und körperlose Einmischung.
Statt diese Menschen also zu preisen und ihnen für ihren Einsatz Dank und Mitgefühl auszusprechen, schüttet der Autor hier unterschwellige Verdächtigungen aus.
Aus seiner Sicht wären wohl Mürbeteigplätzchen und Tee die richtige Reaktion gewesen.
Dabei sollte er lieber seinen Job machen. Anders als behauptet:
Auch wenn das Video zunächst den Eindruck vermittelte, dass es sich um eine aufgeheizte Stimmung handelt und die Männer handgreiflich werden – niemand ist auf den ersten Blick sichtbar verletzt worden.1. Ob solch ein Angriff eine Verletzung zur Folge hatte, ist höchstens für das Strafmaß bzw. die schwere der Tatbeschuldigung erheblich, nicht aber dafür, was überhaupt passiert.
2. Ob oder ob nicht, das geht aus dem Video gar nicht hervor. Die Vermutung also mit einer Spekulation abwürgen zu wollen ist erbärmliche Meinungsmache.
3. Der Herr hat mittlerweile Anzeige wegen Körperverletzung erstattet - so ganz ohne war es offensichtlich nicht, und es wäre wohl angebracht gewesen, dies zu berichten.
Außerdem wäre es doch das Mindeste gewesen, nicht nur zu vermerken, dass Filmer und die anderen Opfer vernommen wurden, sondern auch ob ihre Darstellung übereinstimmt und falls ja (und danach sieht es bislang aus), warum die Frauen keine Anzeige erstatten.
Der Artikel schließt:
Während des eigentlichen Konfliktes wurde, wie ein Sprecher der Polizei betont, kein Notruf abgesetzt oder der Alarmknopf im Zug gedrückt. Das Video passt offenbar gut in die Stimmungslage vieler Facebook-Nutzer. Vielleicht erklärt das auch den Erfolg in den sozialen Netzwerken.
Auch hier, keinerlei Fakten, keine Recherche, keine Informationen zum eigentlichen Sachverhalt.
Die S Bahn fuhr, die Lage eskalierte. Die Reaktionszeit der Polizei in München ist momentan enorm. Die Kapazitäten waren bereits letztes Jahr überlastet, die Beamten häufen unglaublich viele Überstunden an. Reaktionszeiten von über 10 Minuten sind wohl mehr die Regel als die Seltenheit.
Was da ein Anruf an der eigentlichen Situation geändert hätte, ist wohl nur dem Pressesprecher und den Journalisten die diesen Quatsch weiterverbreiten klar. So oder so wäre die Sache beendet gewesen und die Beamten hätten nichts zum Verlauf aussagen können.
Die beiden letzten Sätze sind unterste Schublade - auch hier wieder die Suggestion: Futter für die Fische. Genau, was die Leute wollten. So und nicht anders, jetzt können sie sich schön daran aufgei.... schon bestätigt fühlen.
Die FAZ täte gut daran, solche Autoren wieder an Verlage abzugeben, die nicht Nachrichten sondern Meinungen publizieren.
Nebenbei: die Daily Mail meldet, alle Angreifer seien abgelehnte Asylbewerber aus Afghanistan - die seit vier Jahren geduldet werden. Diese Behauptung zu überprüfen - auch das wäre Journalismus. Denn die fällt in die Kategorie: einseitige Menschlichkeit.
Außerdem stellt sie die "Kontaktaufnahmetheorie" in Frage - nach vier Jahren könnte man die Gepflogenheiten und Gesetze kennen...
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