Samstag, 9. Januar 2016

Kölner Polizei und die Verstärkung - oder: wie redet sich ein Amt raus

Vielleicht hat es er ein oder andere in der Flut der Meldungen des letzten Tages gelesen: angeblich hätte man der Kölner Polizei sogar Verstärkung angeboten.

Der Kernsatz des Exklusivartikels lautet:
Nach Darstellung des LZPD-Sprechers hätten kurzfristig drei auf verschiedene Standorte verteilte Züge einer Einsatz-Hundertschaft nach Köln geführt werden können
 Drei mal 38 Beamte hätten zur Verfügung gestanden, so die Zentrale aus Duisburg.

Nur um das klarzustellen, die bislang unstrittige Chronologie sieht so aus:

1. In der Planungsphase deutlich vor Neujahr fordert die Kölner Einsatzleitung drei Hundertschaften an, also deutlich über 300 Mann, die ihnen für die Silvesterfeier zur Verfügung gestellt werden. Bewilligt werden zwei.

2. An und um den Dom wird eine Hundertschaft in Stellung geschickt, als der letzte Abend des Jahres 2015 beginnt. Die Beamten arbeiten mit den Bundespolizisten im Hauptbahnhof zusammen. Deren Zahl ist übersichtlich aber bedeutet immerhin ein wenig Entlastung.

3. Die Zahl der Männer mit einem erkennbaren Migratrionshintergrund steigt, Gegen 23 Uhr kommt es zu ersten Übergriffen und Böllerattacken sowie Diebstählen auf der Domplatte und der Treppe zum Bahnhofsvorplatz. Die Lage eskaliert, dass die Einsatzleiter Verletzte und Tote fürchten, darum die Treppe und Teile des Platzes noch vor 00:00  räumen und sperren.

4. Das Geschehen verlagert sich zum Bahnhof. Dort kommt es zu den bekannten massenhaften Vorfällen. Die Polizei funkt spätestens jetzt in der völligen Eskalation um Verstärkung, so sagen mehrere Beamte.
Ab diesem Zeitpunkt soll die Kölner Leitung die angebotene der Landesstelle Hilfe mehrfach abgelehnt haben.

5. Der Einsatz dauerte letztlich bis ca. 4 Uhr morgens.

Ich bin kein Fachmann in Sachen polizeiinterner Kommunikation. Es ist durchaus möglich, dass die Zentrale in Köln Mist gebaut hat. Warum, dass ist dann noch herauszufinden.
Allerdings bin ich ehemaliger Offizier und weiß aus leidiger Erfahrung, dass simpel klingende Dinge oft genug im Einsatz viel komplizierter sind.

Fakten:
I. Die Leitstelle betont, Köln habe bereits eine Hundertschaft mehr bekommen, als die Jahre zuvor. Darum keine dritte.
II. Es standen in der Nacht dann drei Züge zu 38 Mann doch noch zur Verfügung - also eine Hundertschaft. Warum wird von Zügen gesprochen? Wenn plötzlich kleinere Einheitenangaben erfolgen, dann handelt es sich zumindest im militärischen auch um solche - also um Bestandteile größerer Einheiten, die aus ihrem Verband gelöst werden und an anderer Stelle zum Einsatz kommen, als der Rest ihrer Einheit. So dürften die Züge aus verschiedenen Orten gekommen sein.
III. Woher diese Züge gekommen wären, wird nicht genannt. Wären Sie aus Duisburg geschickt worden, aus Xanten, aus Münster, Bielefeld oder Bonn?
IV. So sehr man mit Problemen zu kämpfen hat, solch ein Großeinsatz war nicht vorher zu sehen. Eher rechnete man mit vielen verteilten Einsätzen oder einem Einsatz an Unterbringungsorten.

Als nun klar wurde, dass man Hilfe brauchte, da eskalierte die Lage bereits. Ab diesem Moment hätten die Beamten innerhalb der nächsen 20 Minuten mehr Manstärke bekommen sollen, um die Lage wieder in den Griff zu kriegen.
Die Lage blieb über ca. 1 1/2 h kritisch, eine Zeitspanne, in der mehr Polizisten viele Verbrechen hätten verhindern und die Menge der Angreifer hätten abdrängen können. Bis vier Uhr morgens dauerte der Einsatz insgesamt.
Wir reden also über einen dringenden Bedarf innerhalb von ca. 2 h und einen Bedarf in ca. 5 h.

Wäre da in der Nacht aus anderen Städten herbeigeeilte Polizei von Nutzen gewesen?
Ein Zug aus Bonn hätte sicher helfen können. Dieser hätte etwa 45 min. Fahrt auf sich zu nehmen gehabt, wenn alles frei und eine problemlose Fahrt durch Bonns und Kölns Innenstädte gewährleistet gewesen wäre - was an Silvester unrealistisch erscheint. Mit Blaulicht und Vollgas, was Mannschaftstransporter können aber nicht unbedingt vorgeben, vielleicht etwas weniger. Wenn er innerhalb von 10 min. abmarschiert wäre, hätte er also in rund einer Stunde in Köln sein können.
Dann hätte die Einweisung, Bereitstellung und der Einsatz erfolgen müssen. Wie gesagt, ich bin kein Polizist, bei Soldaten dauerte sowas i.d.R. auch zwischen 20 und 30 min.
Meine Vermutung geht also dahin, dass im besten Fall eine Verstärkung innerhalb von 1 - 1 1/2 h hätte erfolgen können. Sie wären dann also bestenfalls gegen 1 Uhr zum Einsatz gekommen. Eine Hundertschaft hätte dann vielleicht noch wirkliche Hilfe bedeutet - ein einzelner Zug.... diese Frage müßten die Zeugen und Beamten vor Ort beantworten.

Die Strecke Duisburg - Köln lässt sich ohne Verkehr in ca. 1 h Fahrzeit bewältigen, Münster - Köln in deutlich über 1 h und 30 Minuten. Dementsprechend verschiebt sich die Berechnung.

Wie gesagt, diese Daten sind fast durchweg geschlussfolgert und somit stark spekulativ.
Für mich ist damit also keineswegs ersichtlich, wer nun die volle Wahrheit sagt, und wer nur versucht den schwarzen Peter weiter zu schieben. Die Kölner Polizeidirektion oder die Leitstelle.
Die Beamten vor Ort haben, und das glaube ich Ihnen, um Hilfe gefunkt und bekamen keine. Vielmehr hat die Kölner Polizei noch am morgen "Alles war toll" berichtet. Und egal ob Jägers Zentrale am Abend nun doch noch was bereitstellte - zu Anfang hat sie es nicht. Und wenn der Mist bereits dampft, dass weiß die Zentrale genauso wie Jäger, dann ist eine anrückende Mannschaft oft genug zu spät dran.
Jäger ist verantwortlich, so oder so. Es ist sein Ressort, seine Beamten und seine Struktur, er hat sie durch seine Reformen so aufgebaut und die Führungskräfte eingesetzt.  Da ist jedes Rausreden nur peinlich.

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