Auf der Freien Welt wurde ein großer Link gesetzt, der zur Petition "Mehr Polizei jetzt" führt.
Ich war bereits kurz davor, zu unterzeichnen. Dann hielt mein Finger plötzlich still. Ein paar Gedanken später schloß ich das Fenster.
Die Kampagne hat den Untertitel "Stoppt die Gewalt in Deutschland. Mehr Polizei, jetzt!"
Das ist doch sehr fragwürdig.
Ich bin sehr für die Aufstockung der Polizei gewesen. Sie wäre dringend nötig gewesen. Jetzt, an der Schwelle und nach einer Reihe von Ereignissen ist es zu spät.
1. Zu spät. Schlicht und einfach. Ein gut ausgebildeter Polizist benötigt zwischen 24 und 45 Monaten (also zwei Jahre bis zu über drei 1/2 Jahren). Wenn die Petition durchgeht, müsste die Politik mehr Geld bereitstellen - frühestens im Folgejahr möglich, wahrscheinlicher aber erst in dem darauf. Die Personaler müssten außerdem Planstellen schaffen, eine Kampagne müsste geschaffen und bezahlt werden, die interessierte Leute anwirbt. Der Markt an interessierten und tauglichen Kandidaten ist nicht gerade reich gefüllt. Außerdem sind Quoten zu erfüllen.
Wahrscheinlich würden die ersten neuen Beamten dann in ca vier bis fünf Jahren in den Dienst kommen. Um unsere jetzige Eskalation zu verhindern oder wenigstens zu dämpfen wäre das zu spät.
2. Dienststellen. Unsere Polizei ist überaltert - ein Problem welches bspw. in Bonn seit ca. 10 Jahren bekannt und seit fünf Jahren öffentlich diskutiert wird.Bis 2022 wird die NRW Polizei, die 2011 noch rund 42 000 Leute umfasste um rund 4000 oder 5000 Mitglieder geschrumpft sein. Jäger hat letztes Jahr angeblich massiv aufgestockt und die Zahl der Auszubildenden deutlich erhöht - um 250. Selbst wenn er das wider erwarten beibehält wird er bis 2022 mindestens 2000 Leute weniger haben als jetzt. Eine noch größere Aufstockung wird selbst mit einer Petition kaum mehr erreichen als die bisherigen Zahlen zu halten.
Und da haben wir noch nicht über die Kranken- und beschränkt Einsatzfähigen gesprochen, die bereits jetzt ausgesprochen viele Fehlstunden und 11% der Beamten betreffen.
3. Aufgaben: Die Beamten werden mit immer mehr Aufgaben konfrontiert und dabei vor immer neue Herausforderungen gestellt. Internetkriminalität und Blitzermarathon mal nur als zwei Beispiele. Die Veränderung der Waffengesetze haben weitere Beamte für die Verwaltungsaufgaben abgezogen und die Kontrollen der Besitzer fallen ebenfalls verschiedentlich der Polizei zu. Streifen- und Kriminalbeamte müssen seit einigen Jahren auch die Spurensicherung selbst übernehmen, wenn es kein wirklich gravierendes Verbrechen war. Die Bereitschaft wird gefordert durch Demo um Demo, Sportgroßereignisse, repräsentative Veranstaltungen wie Staatsbesuche und neuerdings Extraschichten für Flüchtlingsbetreuung und die Besprechungstreffen der Staatsoberhäupter.
Man kann sich vorstellen, dass dies die Menschen bindet und überfordert. Mehr Leute wären also schon allein nötig, um die gewaltige Überstundenzahl abzuarbeiten und Polizisten ein geregeltes Berufsleben zu garantieren.
4. Ist unsere Polizei ein gewaltdämpfender Faktor? Zwar sollen die Deeskalationsteams am 1. Mai und ähnlichen "Demos" für Frieden sorgen - bislang ist es aber nie gelungen, die Gewalt zu verhindern. Die Prävention von Einbrüchen sieht momentan so aus, dass sie uns rät, uns einzubunkern.
Um bspw. durch zusätzliche Streifen wieder genug Personal auf die Strassen zu bekommen, allein dafür tausende von Streifenbeamten eingestellt werden. Was uns wieder zu den oberen Punkten führt.
5. Was hat unsere Polizei bislang geleistet?
Ich selbst, obwohl ich einige Bekannte und auch Freunde aus den Reihen der (Bundes-)Polizei habe, kann nicht auf eine einzige gute Begegnung mit unseren Uniformierten berichten. Wenn ich sie brauchte, ließen sie sich Zeit bis ins unerträgliche, leisteten vor Ort im wahrsten Sinne gar nichts. Im Gegenteil, forderten sie einmal sogar deftige Gebühren für eine Leistung, für die sie ja da waren. Drei Mal kamen sie erst gar nicht, einmal spielten sie das "Zuständigkeitsspiel" mit mir.
Die Leistung der Polizei in Sachen Bonner Bombe, dem ermordeten 19jährigen Jurastudenten aus Bonn uvm ist erbärmlich gewesen, von Köln an Silvester wollen wir mal nicht sprechen. Wenn Beamte sich andernorts in "No Go Areas" wiederfinden oder sogar Wegzoll entrichten müssen habe ich wenig vertrauen in die Polizeiarbeit.
Auch das der NSU vor allem darum so lange frei morden konnte, weil die Länder ihre Polizei schlicht nicht vernetzen stimmt mich wenig hoffnungsvoll.
Und letztlich lese man, was die Beamten selbst zu schreiben haben. Der Respekt vor ihnen schwindet, die Angriffe auf sie steigen. Denn meist haben sie keine Handhabe. Migranten stehen unter einem besonderen "menschenrechtlichen" Schutz, viele Gruppen unter den autochthonen haben gute Anwälte und wissen genau, wie weit sie gehen können. Wenn gar nichts mehr geht wird auch mal ein bereits auf der Rückbank sitzender wieder befreit.
6. Politische Hörigkeit
Besonders in den letzten 13 Tagen wurde doch deutlich, dass die Polizei sich zum Spielball der Politik machen lässt. Mal als Prügelknabe für die Regierungen ("die sind Schuld"), mal als Erfüllungsgehilfe (Beendigung von Demos auf der einen Seite, ignorieren von Blockaden auf der anderen) beim Wahlkampf gegen politische Gegner, mal als Sprachrohr ("friedliches Silvester", "wir haben keine Hinweise auf Terroristen unter den Flüchtlingen und halten das Szenario für unwahrscheinlich", "wir stellen keine erhöhte Kriminalität fest").
Wenn die Polizei wieder zum Laufburschen der Regierung bzw. der Politik wird, dann sollte man ihr nicht zu viel Vertrauen beim Lösen sozialer Missstände zutrauen.
Ich erinnere in dem Zusammenhang auch an das Kölner SEK, welches einen Zug verlor, weil der verantwortliche Übungsleiter nicht für seine Leute einstand und diese dann wegen angeblichen Exzessen abgesetzt wurden. Als diese Beamten dann ihren, von ihnen selbst eingerichteten Pausenraum zerlegten wurden sie regelrecht aufs Korn genommen. Diese Menschen sind mehr frustriert als froh, Beamte zu sein. Wer möchte so jemanden auf einer Demo vor sich haben?
Ich betone, dass ich nicht dem kleinen Beamten auf der Strasse zu nahe treten will. Es sind meine Erfahrungen mit den Kollegen und meine Sicht der Dinge, die derzeit passieren. Ich bin mir bewusst, dass unter jeder Uniform ein Individuum steckt, der einen harten und gefährlichen Alltag zu bewältigen hat, der nicht gedankt wird. Das viele sehr freundliche, hilfsbereite Menschen sind und ein Großteil professionell ihre Arbeit verrichten. Die Alternative ist dokumentiert aber leider ebenfalls verbreitet.
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