Freitag, 8. Januar 2016

Selbstverteidigungstipps - "gut gemeint"... Ist wohl das Motto des Jahres.

Jetzt geht es los. Frau Reker gab den Startschuss und jetzt machen es alle "besser".
Die Welt bringt einen guten Hinweis und einen saudummen Beitrag in Videoform.
Zuerstmal wie man es nicht macht.
Man erzählt keinen Frauen, wie man sich verteidigen soll, indem man noch kurz die politische Botschaft unterbringt. Die interviewte junge Frau habe schon brenzlige Situationen erlebt. Diese erzählt denn auch, sich offensichtlich das Strahlen gerade so verkneifend, wie eine "Gruppe deutscher junger Männer", denn das muss betont werden in Deutschland, deutsche ! junge Männer, nicht wie in den Märchen aus Köln sondern die wirklich schlimmen, also diese Typen kamen pöbelnd und rempelnd entgegen und versuchten den Arm um sie zu legen.
Sie ist diese Männer dann mit dem im Video gezeigten und erlernten losgeworden.
Wir lernen zwei Dinge zu Beginn: a) deutsche Täter! und b)die kleine, junge Frau konnte sich dank Techniken einem Angriff wie in Köln nur halt anders erwehren...

Gezeigt wird: Armlänge Abstand, vernehmlich Stopp sagen. Und wenn das nicht hilft: um Hilfe brüllen. Selbstverständlich auch der Hinweis: die meisten Täter würden bei kleinster Gegenwehr aufgeben.
Alles richtig - aber das ist nicht das, worüber wir hier sprechen. Das sind vor allem die unerwünschten Annäherungsversuche im Büro oder auf der Feier, das sind Grapscher, die Belästiger und nur sehr eingeschränkt Vergewaltiger und eigentlich nie die Stalker, mit denen wir es bisher zumeist zu tun hatten und die einzeln, vielleicht auch mal in kleiner Gruppe auftreten. Sozusagen die "alte" Version. Die Berichte aus Köln und viele andere die aktuell in die Schlagzeilen kommen, das sind aber andere Welten, andere Täter, andere Probleme. Die beiden Minderjährigen Mädchen die in Weil am Rhein mit vier jungen Syrern gefeiert haben als Beispiel, vermutlich nicht ohne all die tollen Berichte über Toleranz und die wunderbaren Menschen denen wir mit offenen Armen helfen können. Um dann stundenlang von diesen Typen vergewaltigt zu werden.  Auch ihr Fall brauchte Tage um endlich publik gemacht zu werden.
Da helfen diese Tipps ebensowenig, wie auf jenem Kölner Platz.

Nur nochmal zur Erinnerung: SO SAH DAS IN KÖLN AUS.
Die Frau hat nicht einen mm Platz sich irgendwohin zurückzuziehen. Ihr Körper ist eingeklemmt zwischen Männern, die auch ihre ausgestreckten Arme zwischen sich verkeilen oder weit über Schulterhöhe festhalten. Ihr Gesicht ist nur kurz zu sehen, aber sie schreit aus vollem Hals um Hilfe und in schierer Panik.
Genützt hat es ihr nichts. Das ihr nicht noch mehr passierte, war eher der Bereitschaft der Täter irgendwann abzulassen geschuldet als ihrer Selbstverteidigungskraft, der Polizei oder sonstwem.

 Weiter geht es in dem Video mit einigen Selbstbefreiungstipps - hier aus Win Chun u.ä. Kampfsportarten. Der Nachteil an solchen Techniken ist jedoch: die muss man üben, üben, üben.Unter Anleitung, denn einmal eintrainierte Fehler können schwere Verletzungen zur Folge haben. Und das unternehmen nur sehr, sehr, sehr wenige. Kommt es zu einer Selbstverteidigungssituation streigt der Stresspegel und die Reflexe übernehmen. Das können Schockstarre, der reine Fluchtinstinkt, instinktive Selbstverteidigungsversuche oder eben eintrainierte Maßnahmen sein.

Die Reporterin hechelt dann noch in die Kamera, das 84% der Angreifer sich bereits von leichter Gegenwehr abwehren lassen. Kritiker solcher Statistiken weisen auf zwei Dinge hin: wir haben eine unglaublich hohe Dunkelziffer und die Definition von Angreifern und ernst gemeinten Übergriffen ist nicht einheitlich geregelt. Gerade die Zahl der wirklich vergewaltigt Frauen, die keine Anzeige erstattet ist ziemlich hoch. Faktoren wie Angst, Scham und die Erwartung einer demütigenden Prozedur nach der anderen mit einer hohen Chance keine Verurteilung oder nur geringe Strafen zu erreichen halten viele Opfer davon ab. Wie viele sich davon so gewehrt haben wie in dem Video oder wie viele nicht mal eine Chance dazu erhielten ist nicht fassbar. Eine Gleichung mit so vielen unbekannten und frei definierbaren Variablen kann keine klaren Zahlen herausbringen.

Und das ist das perverse an solchen Hilfe-Videos und Tipps. Sie erwecken den Eindruck, mit den bislang bekannten Mitteln und Methoden könne man sich selbst schützen. Das ist oft genug nicht der Fall und in dem hier diskutierten Moment erst recht nicht. Selbst eine Schreckschusspistole hätte hier keinen Nutzen mehr gehabt. Die beschworenen "Gruppen" als Schutz haben ja versagt - denn die Gruppen der Angreifer waren übermächtig.
Hier dazu noch vermischt mit der politisch korrekten Botschaft. Warum gerade junge Frauen und Journalistinnen sich momentan einen Abbrechen die Lage anders darzustellen und zu begreifen als sie ist...

Der Hinweis, der etwas taugt ist ein Artikel mit der Überschrift "(...) die Gefahren beim Einsatz von Pfefferspray". Er verweist auf die Selbstgefährdung und Alternativen.Ohne jetzt weiter auf den Artikel einzugehen, hier ein paar Hinweise von mir.



Allgemein: wer sich auf ein Selbstverteidigungsmittel verlässt, der muss dies stets und stets griffbereit bei sich führen. Frauen neigen dazu, alles was sie dabei haben in die Handtasche zu schmeißen, meist mit der Begründung, man habe keine Taschen an der Bekleidung.
In den Handtaschen verschwindet es meist auf "ich such mal schnell" raus. Für viele Sorten der Sprays gibt es mittlerweile kleine Holster. Es ist zwar ein Mehraufwand, diese jedesmal an den Gürtel zu friemeln, aber wenn man sich es erst angewöhnt hat, gehört es dazu.
Auch Selbstverteidigungsmittel sind kein Garant für Sicherheit. Gerade Mittel, die auf einen Vorrat zurückgreifen, sei es Spray, Elektrizität oder Munition, sind gegen größere Gruppen ebenfalls von begrenzter Wirkung. Dazu kommen rechtliche Einschränkungen, die uns das deutsche Gesetz dank zahlreicher Verschärfungen auferlegt.
Prüfen Sie darum genau, welches Mittel Sie sich zulegen oder was Sie trainieren wollen.
Bei Sprays gilt das, was auch für Besitzer des kleinen Waffenscheins, also für das lizensierte Tragen einer Schreckschusspistole in der Öffentlichkeit gilt: öffentliche Veranstaltung darf man nicht mit Waffen, auch nicht mit Selbstverteidigungswaffen besuchen. Den Frauen aus Köln hätte es also nichts genutzt. Sie hätten gleich gegen das Waffengesetz verstoßen.


Sprays

Allgemeines: Wenn Abwehrspray eingekauft werden soll, dann bitte auf "Pfefferspray" achten und die Rückseite lesen, bestimmte Details mit dem Verkäufer besprechen, ich komme gleich nochmal darauf. Finger weg von CS Spray, ehemals als "Tränengas" bekannt. Dagegen ist ein erstaunlich hoher Anteil der Bevölkerung von Haus aus "immun" und es ist in der Tat möglich, eine gewisse Gewöhnung herzustellen. Es hat noch weitere Nachteile, aber ich will hier nicht langweilen.

Warnhinweis: Pfeffersprays sind nicht für den Einsatz gegen Menschen zugelassen. Sie sind nur zur Tierabwehr gedacht. In einer angemessenen Notwehrsituation kann aber auf eine Anklage verzichtet oder eine entsprechende Anklage negativ beschieden werden. Aber lieber vor Gericht verteidigen als im Krankenhaus versorgen oder im Sarg begraben lassen.
Kaufhinweise:
Größe: Achten Sie beim Kauf auf die verschiedenen Sorten von Sprays. Es gibt die Dosen in verschiedenen Größen und Abgabeformen sowie mit verschiedenen "Sicherungen".
Kleine Dosen haben i.d.R. 4 oder 5 Sekunden Sprühdauer. Das ist unter Stress und in Bewegung sehr wenig. Größere Dosen werden jedoch schnell unhandlich. Sie entscheiden, was sie bevorzugen.

Sprühart: es gibt vier Arten von Pfefferspray: Strahl (jet), Nebel (fog) oder Schaum (foam) bzw. Gel, die sich dann wiederum weiter aufteilen. Strahl und Nebel kommen als Spray daher, d.h. ähnlich wie beim Duftzerstäuber entsteht eine halb flüssige, halb gasartige Substanz. Der Strahl konzentriert dabei die Materie etwas stärker, erreicht so eine höhere Distanz, Bedarf aber auch genaueres Zielen. Beim Aufprall auf das Ziel zerstäubt er wieder etwas. Die Reichweite wird meist mit ca. 5 m angegeben, zielt man höher geht es auch noch etwas weiter, aber i.d.R. ist hier weniger mehr.
Man muss zielen und dafür gibt es keine Hilfe an den Geräten. Da man auch eher nicht übt ist auch hier die größe der Flasche ein Problem.

Der Nebel dagegen kommt schon sehr breit gefächert, ähnlich wie aus einem Parfümflakon der alten Schule, aus dem Dosierungskopf. Daher muss man nur grob die Richtung halten. Die Reichweite ist dafür etwas kleiner als beim Strahl und wird i.d.R. mit 3 oder 4 m angegeben. Dabei ist die Wolke, wie auch in geringerem Maße der Strahl, Windabhängig. Bei Gegenwind werden Sie definitiv selbst getroffen werden. Versuche haben gezeigt, dass ein auf Sie zustürmender, massiger Mensch auch eine nicht unerhebliche Menge der Wolke mit sich bringt und auf 3 m sie in Mitleidenschaft ziehen kann.

Bei beiden besteht also die große Gefahr, selbst etwas davon abzubekommen. Beim Jet passiert dies vor allem, wenn das Ziel zu nah ist oder der Wind ungünstig weht. Beim Nebel passiert dies schon mit einer stark erhöhten Wahrscheinlichkeit.

Der Schaum ist ähnlich wie der Nebel darauf ausgelegt, sich auszufächern. Das macht nur noch ein grobes Zielen nötig. Mit einer ähnlichen Reichweite wie der Nebel und nur geringfügig weniger als der Strahl trifft der Schaum dann das Ziel, verteilt sich dort in der Konsistenz von Teig oder Löschschaum. Nachteil ist hier: die Materie wird kaum eingebracht. Trifft man keine Schleimhäute (also in die Augen, die Nase, den Mund) ist die Wirkung deutlich geringer und verzögert, denn sie muss über Kontakt erfolgen. Die Wahrscheinlichkeit ist aber durch die automatische Verteilung relativ gering.

Das Gel ändert seine Konsistenz und wird sehr schnell flüssig. Der Erfolg ist dann eher wie bei den alten Wassersprühern, mit denen man Blumen bzw. deren Blüten und Blätter benässt. Dadurch ist die besagte gefährliche Wolke schnell im Wortsinn verflüssigt und weniger Eigengefahr besteht. Je nachdem wie eng der Abgabestrahl gestellt ist, muss hier aber wieder sorgfältiger gezielt werden, bei verminderter Reichweit gegenüber dem Strahl.

Sicherungen und Benutzung:  Mittlerweile haben viele Hersteller bestimmte Sicherungen verbaut, damit die Flasche nicht versehentlich oder vorzeitig geleert wird. Die Systeme unterscheiden sich, ebenso wie die Anbringung und Form des "Abzuges". Schauen Sie sich verschiedene Formen an, mit welcher Sie am besten umgehen können.

Einschätzung im Zusammenhang mit dem Kölner Fall: die Frauen wurden schnell in eine dichte Menge von Angreifern gedrängt, waren nach allen Seiten in der Bewegung gehemmt, nach den Schilderungen und Videos hatten sie nichtmal freien Zugang zu ihrer eigenen Kleidung oder Taschen. Außerdem standen sie auf engstem Raum mit den Angreifern - hätten sie also nach Beginn des Angriffs zu dieser Art Selbstverteidigung gegriffen, so wären sie selbst davon betroffen gewesen - wenn sie die Kartuschen überhaupt hätten erreichen können.

Kubotan / Tactical Pen
Diese beiden Selbstverteidigungsmittel finde ich sehr praktisch.
Kubotan
Zweiteres ist ein Stift in einer speziellen Hülle, der sich auf den ersten Blick nur unwesentlich von einem normalen Schreiber unterscheidet. Beide dienen dazu, die eigenen Schläge auf kleine Druckpunkte zu fokusieren. Dadurch wird einerseits auch die Energie schwacher Schläge besser auf den Angreifer übertragen und zum anderen dessen Nerven angesprochen, wo sie sonst vermutlich kaum bemerkt würden. Es muss nicht mal ein Schlag sein. Aufsetzen, Druck ausüben und der Gegner verspürt Schmerzen. Griffe können damit ohne größeres Training gelöst werden. Wer aber damit auch trainiert wird eine sehr effektive Verteidigungswaffe darin finden, die zudem legal ist, aufgrund der Form am Schlüsselbund, am Handy oder an einem Stretchband stets griffbereit gehalten werden kann.

 Aufgrund der Form ist der Kubotan auch nur schwer zu verlieren oder zu entwenden, wenn er erst in der Faust gehalten wird.
Aber Vorsicht, in der hier im Bild gezeigten spitzen Form kann er auch recht schnell den Schädelknochen schädigen. Wenn Sie dort oder gegen die Kehle vorgehen, sind sie sehr schnell im Bereich des Notwehrexzesses, also der unangemessenen Selbstverteidigung.

Einschätzung im Zusammenhang mit dem Kölner Fall: ob diese in Köln etwas genutzt hätten, wage ich als Fan dieser Artikel zu bezweifeln. Auch sie hätten ja erstmal erreicht werden müssen - wobei hier das "in die Hand nehmen" weit unproblematischer ist, als bei den Sprays. Die Bereitschaft sich zu verteidigen kann hier schneller und unauffälliger erfolgen. Aber wie viele mit sowas rechneten ist da eine andere Frage. 
Auch war die Zahl der Angreifer, man muss es immer wieder schreiben, überwältigend. Die Zahl der Hände somit riesig. Und ob mit den "Nadelstichen", welche man aufgrund der enge als einziges anwenden könnte dauerhafte Erfolge erzielt werden können in dieser Atmosphäre ist fraglich.


Schreckschusspistole
Um diese Verteidigungswaffe führen zu dürfen, muß man einen kleinen Waffenschein beantragen und entsprechend ein Holster oder ähnliche Transportmittel nutzen. Für Frauen ist dies oft sehr unpraktisch, es gilt aber wie bei den Sprays: man kann sich daran gewöhnen.
Allerdings gilt die oben erwähnte Einschränkung nach §42 des Waffengesetzes: auf öffentliche Veranstaltungen darf man selbst dann keine Waffe mitführen.
Für diese Pistolen gibt es neben nur knallender Munition auch CS, Pfeffer und CS mit Licht Munition. Diese haben sich auf kurze Distanz zwar als relativ effektiv erwiesen, aufgesetzte Schüsse mit der Knallmunition können aber bereits schwere oder sogar tödliche Verletzungen herbeiführen.
Der Knall ist laut, je nach gewählter Munition und Waffe. Man kann sich also auch selbst damit beinträchtigen und für die Gaswolken gilt das oben unter Sprays geschriebene. Die Reichweite ist ebenfalls sehr begrenzt, dafür meist in Wolkenwirkung auf wenigstens ein bis vier m mehr.


Einschätzung im Zusammenhang mit dem Kölner Fall: es gilt das Gleiche wie bei den anderen Mitteln. Die Frauen hätten sie rechtzeitig aber nicht zu früh zur Hand haben müssen, bevor sie mitten im Pulk steckten.  Dazu kommt aber, dass die körperliche Nähe bei einem oder gar mehreren abgegebenen Schüssen bei allen Beteiligten zu Schäden geführt hätte. Der Knall hätte vermutlich ein Knalltrauma zur Folge gehabt, und aufgrund der Enge wäre wohl auch jemand zu dicht an der Mündung gewesen..



Über scharfe Schusswaffen brauchen wir nicht zu reden. Schon die Schreckschusspistolen werden vermutlich von vielen als Militarisierung und Aufrüstung empfunden, als Einschränkung von Sicherheit und Selbstbestimmung. Umso mehr scharfe Schusswaffen, für die am Ende ohnehin das gleiche gilt, für Schreckschusspistolen - nur mit noch strengeren Auflagen und dem Verbot sie zu führen (bis auf sehr, sehr wenige Ausnahmen die einen Waffenschein erhalten).
Die einzigen sinnvollen Verteidigungswaffen waren Schlagstöcke und Schusswaffen der Polizei. Ersteres setzten diese in einigen wenigen Fällen ein, letzteres nicht.


Bitte diesen Text nicht falsch verstehen. Ich will Frauen und körperlich schwächere Männer nicht entmutigen. Gegen die bekannten Typen von Sexualstraftäter gibt es mit den momentan legalen Mitteln und Möglichkeiten echte Chancen sich zu verteidigen, wenn auch alles andere als eine Garantie. 
Aber gegen das, was in Köln passierte, da konnte nur der Staat oder eine große, ausgerüstete und ausgebildete Bürgerwehr vorgehen. Erstere hat versagt (kein Vorwurf an die eingesetzten Polizisten) und letztere gibt es nicht, werden sogar als Bedrohung verstanden. Das ist eben alles andere als das, was es in Deutschland bereits gab.


 

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